Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Nach einer sogenannten Freiwilligkeitsphase mit Fusionsprämien wurden über den gesetzlichen Weg mehr als 400 Gemeinden zwangsweise zusammengeschlossen. Deswegen staune ich, welchen Wert die CDU-Fraktion jetzt der Freiwilligkeit beimisst.

(Jungclaus [B90/GRÜNE]: Kommen Sie mal in diesem Jahrtausend an!)

Noch einmal ganz deutlich: Das alles hat in unmittelbarer Verantwortung der CDU-Fraktion stattgefunden. Ausgehend von diesen Erfahrungen verbinden wir mit der jetzt auf den Weg gebrachten landesweiten Verwaltungsstrukturreform ganz andere Erwartungen und Ansprüche. Diese Reform ist in der vergangenen Wahlperiode vorbereitet worden. Den Vorschlag für die Enquetekommission haben Sie gemacht. Wir haben dann die Arbeit gemacht, da waren Sie dann nicht mehr dabei.

(Zurufe von der CDU - Zuruf von der Fraktion DIE LIN- KE: Das war so!)

Das war öffentlich und nachvollziehbar - es war eine öffentliche Arbeitsweise.

Der Landtag - das betone ich - hat den Prozess in dieser Wahlperiode durch einen Grundsatzbeschluss eingeleitet. Der Landtag hat der Landesregierung einen Auftrag erteilt, der mit dem Leitbildentwurf erfüllt worden ist. In bundesweit bisher einmaliger Weise stellen wir diesen Entwurf in einem breiten öffentlichen Dialog zur Diskussion. Bevor wir als Landtag - der Landtag entscheidet darüber; das war früher anders - über diesen Entwurf entscheiden, werden wir die Ergebnisse der öffentlichen Diskussion zu bewerten haben und in dieses Leitbild einfließen lassen. Das ist ein mutiges Vorgehen - ich sage das

einmal so deutlich, auch wenn Sie das in dieser Form nicht würdigen.

Es geht um den Ansatz einer gemeinsamen Verantwortung des Landes und der Kommunen. Diesen Ansatz wollen wir vertreten und umsetzen. Wir wollen eine nachhaltige Reform, und das setzt voraus, dass sie von unten, von der kommunalen Ebene getragen ist. Das wollen wir in den nächsten Monaten ausfüllen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Umso mehr wundere ich mich über das Agieren der CDUFraktion, die einen primitiven Konfrontationskurs fährt und das ist offensichtlich - politisches Kapital aus den Reformängsten schlagen will, die übrigens auch nicht überraschend sind. Ich kann Sie nur auffordern - Ansätze sind ja deutlich geworden -, sich inhaltlich an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen. Bislang beschränken Sie sich auf eine primitive Kritik aus der Beobachterperspektive. Frau Richstein, die kommunalpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, sagte Folgendes:

„Die rot-rote Landesregierung hat ein Leitbild vorgelegt, was substanzlos ist. Die Vorschläge sind heiße Luft und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Unter diesem Niveau geht es nicht.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

„Bei der Funktionalreform verwendet der Innenminister die Nagelschere und bei der Strukturreform die Machete.“

(Frau Richstein [CDU]: Stimmt doch!)

Liebe Frau Richstein, wenn hier jemand substanzlos agiert, heiße Luft verbreitet und mit der Machete um sich schlägt, dann sind Sie das!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich will nur in Erinnerung rufen - das ist hier auch dargestellt worden -, dass dieser Leitbildentwurf die Empfehlungen der Enquetekommission widerspiegelt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau! - Wich- mann [CDU]: Aber nicht unsere!)

Wie man das angesichts der intensiven Arbeit als substanzlos bezeichnen kann, ist mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel. Ihre Arbeit nicht, Sie haben ja keine Arbeit in der Enquetekommission geleistet. Das ist der Fakt.

(Wichmann [CDU]: Frechheit! - Zurufe von der CDU: Wir haben ausgezeichnete Arbeit geleistet!)

Was Ihre Bewertung der mit dem Leitbildentwurf vorgeschlagenen Aufgabenübertragung angeht, Frau Richstein, muss ich davon ausgehen, dass Sie das Papier gar nicht gelesen haben. Uns wird damit ein anspruchsvolles Paket vorgelegt - das sage ich in aller Deutlichkeit -, dessen Umsetzung großer Kraftanstrengung bedarf.

Wir wollen eine konsequente Funktionalreform, die den Kommunen mehr Verantwortung gibt und zu mehr Bürgernähe führt. Damit werden wir uns in besonderer Weise im Innenausschuss beschäftigen. Das haben wir vergangene Woche besprochen. Es gibt eine intensive Diskussion dazu. Das wird eine schwierige Diskussion, die wesentlich über Erfolg oder Misserfolg der Reform entscheidet.

Ich hoffe, dass die CDU-Fraktion nicht wie in der Enquetekommission agiert und mehr als die Hälfte der vorgeschlagenen Aufgabenübertragungen als nicht kommunalisierbar einstuft - nachzulesen im Minderheitenvotum der CDU-Vertreter.

(Dr. Redmann [CDU]: Ach! Jetzt also doch!)

- Das steht da drin. Herr Wichmann, Sie haben das unterschrieben. Sie haben von 21 Aufgaben elf als nicht kommunalisierbar bezeichnet.

(Bischoff [SPD]: Aha!)

Wir werden uns, wie gesagt, im Innenausschuss damit beschäftigen. Ich bin gespannt, ob Sie sich dann dafür einsetzen werden, Frau Richstein, dieses Funktionalreformpaket auszudünnen in Richtung Nagelschere, oder ob Sie für eine konsequente Funktionalreform sind. Das werden die nächsten Monate zeigen. Sie haben alle Möglichkeiten, sich da entsprechend zu präsentieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werbe vor allen Dingen in Richtung CDU-Fraktion für eine sachliche, inhaltliche Diskussion. Hier soll keiner über den Tisch gezogen werden. In der Enquetekommission waren wir uns parteiübergreifend einig, dass es Reformbedarf gibt. Dazu gibt es übrigens eine ganz klare Formulierung im damaligen Minderheitenvotum der Abgeordneten Petke und Wichmann. Herr Wichmann, Sie haben sich dazu eindeutig festgelegt. Ich zitiere: Die CDU-Fraktion sieht die Notwendigkeit für eine umfassende Verwaltungsreform gegeben. - Ganz eindeutig!

(Bischoff [SPD]: Nein!)

Jetzt müssen Sie einmal sagen, wie Sie sie wollen. Das sollten Sie auch nicht infrage stellen.

(Zuruf von der SPD: Ja! - Wichmann [CDU]: Dafür muss man aber keine Landkreise zusammenlegen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abwehrbeschlüsse von Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen kreisfreier Städte sind kein geeignetes Mittel. Faktisch wird damit zum Ausdruck gebracht, dass alles in Ordnung sei und auch so bleiben solle. So ist es ja wirklich nicht.

Verantwortungsvolles Handeln schließt ein, sich frühzeitig und langfristig auf Entwicklungen einzustellen. Vor allem die kreisfreien Städte sind gut beraten, sich nicht im Graben der Kreisfreiheit einzubuddeln, sondern ausgehend vom Leitbildentwurf ihre Vorstellungen zu äußern, wie sie bei einer möglichen Einkreisung als Oberzentren gestärkt werden sollen. Hier will doch niemand, dass diese Städte geschwächt werden. Es will auch niemand, dass die Kreise geschwächt werden. Das ist doch einfach Blödsinn, so etwas zu behaupten!

(Beifall SPD)

Wir suchen einen Weg, die kommunalen Bedingungen zu verbessern und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.

(Beifall SPD)

Wir haben in Diskussionen festgestellt, dass es Befürchtungen im Hinblick auf eine erneute Gemeindegebietsreform gibt. Frau Richstein hat das hier auch so dargestellt. Dazu enthält der Leitbildentwurf klare Festlegungen, gestützt auf die Empfehlungen der Enquetekommission, die Koalitionsvereinbarung und den Grundsatzbeschluss des Landtages. Wir wollen keine erneute landesweite Gemeindegebietsreform. Wir setzen auf einen schöpferischen freiwilligen Prozess, bei dem die Einführung des Amtsgemeindemodells eine große Rolle spielen soll. Die gemeindlichen Strukturen sollen erhalten bleiben mit dem Anspruch einer Stärkung der Verwaltungskraft.

Abschließend möchte ich noch betonen, dass wir als ein wichtiges Ziel der Reform eine Erweiterung und Stärkung der Bürgerbeteiligung ansehen. So haben wir es auch in der Koalitionsvereinbarung festgehalten. Dafür werden wir uns einsetzen, liebe Frau Nonnemacher.

Ich setze große Erwartungen in den öffentlichen Diskussionsprozess und hoffe, dass alle ihrer Verantwortung gerecht werden. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Damit sind wir am Ende der Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Konzeptes der Landesregierung, Drucksache 6/1788, Entwurf des Leitbildes für die Verwaltungsstrukturreform 2019, an den Ausschuss für Inneres und Kommunales federführend und an alle Fachausschüsse.

Wer diesem Überweisungsantrag seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Damit ist diesem Überweisungsantrag einstimmig gefolgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 6/1923 Drucksache 6/1924

Wir beginnen mit der Frage 222 (Auswirkungen des Eckpunk- tepapiers für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende). Herr Abgeordneter Holzschuher erhält das Wort.

Die Parteivorsitzenden der Regierungsparteien auf Bundesebene haben sich am 1. Juli 2015 zu einem Eckpunktepapier verständigt, das politische Vereinbarungen zur Energie- und Klimapolitik enthält. Ziel ist es, den Kohlendioxidausstoß bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 in Deutschland zu reduzieren. Auf der Basis dieser Beschlüsse sollen die entsprechenden legislativen und sonstigen Maßnahmen erfolgen. Das Papier enthält unter anderem eine Kombination verschiedener Maß

nahmen für Kohlekraftwerke. So sollen zwischen 2017 und 2020 Braunkohlekraftwerksblöcke mit 2,7 Gigawatt Leistung vom Netz genommen und als Kapazitätsreserve für den Fall von Engpässen aufgebaut werden.

Ich frage daher die Landesregierung: Wie beurteilt sie die Auswirkungen dieser Beschlüsse des Bundeskoalitionsausschusses, insbesondere von der sogenannten CO2-Minderungsabgabe abzukommen und Braunkohlekraftwerksblöcke in eine Kapazitätsreserve zu überführen?