Es ist zum einen das Gesetz über die Mitbestimmung beim An liegerstraßenbau. Da ist es durchaus so, dass Bürger sagen: Es kann doch nicht sein, dass wir fast ausschließlich die Kosten für die Straßensanierung tragen, jedoch kaum oder gar kein Mitspracherecht bezüglich des Umfangs des Ausbaus sowie der Art und Weise des Ausbaus der Straße haben.
Sie haben mit Ihrem Gesetzentwurf unter anderem eine frühe Informationspflicht der Gemeinden vorgeschlagen. Diese wür de ich für unsere Fraktion durchaus begrüßen wollen. Aber Sie sagen auch, dass es eine Beitragspflicht nur geben soll, wenn es einen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil gibt. Dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen - ich bin nämlich auch Jurist so wie Sie -: Sie haben den Begriff des Vorteils, so wie ihn die Gesetz gebung in ganz Deutschland über Jahrzehnte definiert und ge prägt hat und wie ihn auch die Rechtsprechung ausgelegt hat, ganz offensichtlich verkannt in dem, was Sie hier zu Papier gebracht haben.
Dann haben Sie ein Gesetz zur fairen Anrechnung von Zu schüssen bei kommunalen Beiträgen auf den Weg gebracht. Sie wollen also, wenn öffentliche Fördermittel fließen, dass dies anteilig auch den Bürgern zugutekommt. Dazu sage ich: Das ist für mich noch nicht zu Ende gedacht. Dazu würde ich auch einmal die Meinung der Kommunen hören und wissen wollen, ob es fördermitteltechnisch und rechtlich überhaupt möglich wäre, so zu verfahren. Es sind oft auch Fördermittel, die wir von der EU und vom Bund bekommen und an die Kommunen weitergeben. Man müsste genauer hinsehen, ob die Anrech nung auf den Kostenanteil der Bürger tatsächlich so einfach ist, wie Sie es sich hier machen.
Sie haben in einem weiteren Gesetzentwurf die Verkürzung der Verjährungsfrist vorgeschlagen und wollen das Wort „rechts wirksam“ in § 8 Abs. 7 Satz 2 - Inkrafttreten einer „rechtswirk samen“ Satzung und damit beginnender Verjährungsfrist - strei chen. Dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen: Diese Debatten ha ben wir in der letzten Wahlperiode in diesem Haus und noch oben auf dem Brauhausberg sehr lange geführt. Die Streichung des Wortes „rechtswirksam“ ist nicht zielführend. Denn wir brauchen natürlich rechtswirksame Satzungen, um eine Verjäh rungsfrist in Gang setzen zu können. Wir haben die Altan schließerproblematik mit der Frage der Obergrenze für die Ver jährung, wie ich finde, durch einen ganz vernünftigen Kompro miss in der letzten Wahlperiode gelöst. Eine kleine Abwei chung gab es, weil wir der Meinung waren, dass ein Jahr weni ger für die Bürger besser nachvollziehbar gewesen wäre, aber Rot-Rot hat es entschieden, und die Frage ist jetzt geklärt. Da rüber brauchen wir uns im Moment nicht mehr zu unterhalten.
Was die Musterverfahren angeht, so kann ich es mir ganz ein fach machen. Sie haben abgeschrieben, was wir schon zweimal in den Landtag eingebracht haben. Das muss ich an dieser Stel le nicht weiter kommentieren.
Wir haben in unserem Entschließungsantrag deutlich gemacht, dass wir sehr wohl Änderungsbedarf sehen, dass unser Kom
munalabgabengesetz ein Stück weit in die Jahre gekommen ist und man es für die Bürger verständlicher und nachvollzieh barer ausgestalten muss. Deshalb haben wir mit unserem Ent schließungsantrag vorgeschlagen, den Innenausschuss zu be auftragen, gemeinsam mit dem Hauptausschuss zunächst ein mal diesen Diskussions- und Modernisierungsprozess für das Kommunalabgabenrecht in Brandenburg mit einem Fachge spräch und einer gemeinsamen Ausschussberatung im I. Quar tal im Jahr 2016 einzuleiten.
Dann - so steht es in unserem Entschließungsantrag - wäre die Möglichkeit gegeben, dass der Haupt- und der Innenaus schuss des Landtages sowie die Landesregierung mit entspre chenden Workshops in den einzelnen Regionen unseres Lan des mit Betroffenen, mit Unternehmen, aber auch mit denen, die vor Ort in den Kommunen, in den Zweckverbänden, aber auch in den Bürgerinitiativen, die mit diesen Problemen zu tun haben, einmal in den Dialog tritt, um zu schauen, bei wel chem Thema wir welche Probleme haben und wie wir sie im Gesetz vielleicht besser regeln können. Dann wäre - so hieße aus unserer Sicht der Auftrag, den wir als Parlament der Re gierung heute geben könnten, wenn Rot-Rot mitmachen wür de - die Möglichkeit gegeben, die Landesregierung aufzufor dern, bis zum Ende des Jahres 2016 einen kompletten Gesetz entwurf zur Modernisierung des Kommunalabgabengesetzes vorzulegen.
Uns ist wichtig, dass die Bürger ein stärkeres Mitspracherecht bekommen. Wir wollen nicht, dass kommunale Bauvorhaben und Investitionsvorhaben auf die lange Bank geschoben und auf Eis gelegt werden können. Es ist aber für die Bürger an manchen Stellen auch nicht nachvollziehbar, wenn sie über haupt kein Mitspracherecht haben und nur das bezahlen sol len, was andere sich ausgedacht und für sie entschieden ha ben.
Ein Punkt, der mir immer wieder auffällt: Das Land hat im Grünen Netz bei Landesstraßen, die nicht zum Grundnetz ge hören, schon lange nichts mehr investiert. Aber auch Kommu nen sind in den letzten Jahren nicht immer ihrer Pflicht zur In standhaltung kommunaler Straßen in der Weise nachgekom men, dass es für die Bürger akzeptabel wäre.
Deshalb schlagen wir vor, bei der Modernisierung des KAG ei ne entsprechende Regelung aufzunehmen, dass es, wenn Kom munen grob fahrlässig gehandelt haben, in dem sie dem Verfall in vollem Bewusstsein zugesehen haben und ihrer Instandhal tungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sind, Abschläge bei der Kostenbeteiligung der Anwohner geben muss. Denn es kann nicht sein, dass die Bürger für die Versäumnisse anderer am Ende ihr Portmonee aufmachen und bezahlen müssen. Sol che Dinge muss man auch einmal gesetzlich klarstellen.
Deshalb denke ich, dass wir mit dem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion heute einen sehr vernünftigen, vermittelnden Kompromissvorschlag auf den Tisch gelegt haben, dem eigent lich alle zustimmen könnten, wenn man sich einen Ruck gäbe. Dann wären Ihre Gesetzentwürfe als Schnellschuss heute nicht sofort Realität geworden - das wären sie sowieso nicht -, und
Rot-Rot könnte den Bürgern zeigen, dass man die Belange der Bevölkerung doch ein Stück weit ernst nimmt. Denn nicht alles im KAG ist so gut, dass es für immer so bleiben muss. - Herz lichen Dank.
Bevor der nächste Redner ans Pult tritt, möchte ich die nächsten Gäste begrüßen: Seniorinnen und Senioren aus Großräschen. Herzlich willkommen bei uns im Plenarsaal!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Freien Wäh ler sind bemüht, sich populärer Themen anzunehmen und sie möglichst für sich in Anspruch zu nehmen. Das ist zunächst legitim. Dafür präsentieren sie einfache Lösungen, die zum großen Teil allerdings so neu nicht sind, sondern schon lange diskutiert und abgewogen wurden.
Mit den fünf Gesetzentwürfen zum KAG vermitteln sie den Eindruck, dass sie die Welt an einem Tag neu erfinden wollen. So stellen sie mal eben verschiedenste Wohltaten in Aussicht, ohne die damit verbundenen Folgen zu bedenken oder auch nur anzusprechen. Damit werden falsche Hoffnungen geweckt. Die Krönung dabei ist die Initiative zur Abschaffung von Altan schließerbeiträgen.
Sie wissen schon - zumindest Christoph Schulze, der sich hier gerade hingestellt hat, müsste es wissen -, dass mit einer sol chen Entscheidung das Konnexitätsprinzip greifen würde, also das Land mit hoher Wahrscheinlichkeit die kompletten Kosten tragen müsste. Da reden wir einmal locker über einen dreistel ligen Millionenbetrag.
Das ignorieren Sie völlig. Zudem ist sehr wahrscheinlich, dass die Gerichte ein solches Herangehen als einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ansehen würden.
Ähnlich ist es mit Ihrer Initiative, das Attribut „rechtswirksam“ für Satzungen aus dem KAG zu streichen. Das wirft grundsätz liche Folgeprobleme auf, zumal damit nur zukünftige Forde rungen umfasst werden. Aktuellen Problemlagen würden Sie so gar nicht gerecht werden können. Sie ignorieren damit auch den langen Prozess der Auseinandersetzung um dieses Thema, in dem sich die Linksfraktion - daran möchte ich noch einmal erinnern - mit ganzer Kraft für die Belange der Altanschließer eingesetzt hat. Wir waren 2003 die Einzigen, die sich gegen die Ergänzung des KAG um den Begriff „rechtswirksam“ ausge sprochen haben.
Herr Kollege Dr. Scharfenberg, vielen Dank für Ihre Ausfüh rungen. Ich möchte Sie fragen, wie Sie folgende programma tische Aussage der Linkspartei erklären, die ich in Ihrem Wahl programm 2009 finde:
„Wir fordern eine Änderung des Kommunalabgabenge setzes für das Land Brandenburg. Beitragsforderungen gegenüber so genannten ‚Altanschließern‘ aus DDRZeiten, die bis Ende 2003 verjährt gewesen waren, dürfen nicht wieder aufleben. Verjährte Beitragsforderungen müssen verjährt bleiben.“
Ich möchte Sie bitten, diesen Widerspruch zwischen dem, was Sie hier gesagt haben, und der programmatischen Aussage der Linkspartei zu erklären. - Vielen Dank.
Herr Schulze, ich frage mich schon, warum Sie 2009 nicht ein fach unserem Antrag auf Einführung einer Stichtagsregelung für eine damit verbundene Verjährung zugestimmt haben. Wa rum haben Sie das nicht getan, Herr Schulze,
Damals hätte eine solche Entscheidung noch Sinn gemacht - das wissen Sie ganz genau -, gerade angesichts der Diskussion, die seit 2008 um dieses Thema im Gange ist. Seitdem wissen Sie, dass die Verbände die Verantwortung dafür haben, wel chen Weg sie konkret gehen wollen. Das ist im Zuge dieser Entwicklung ganz eindeutig klar geworden.
Dafür hat das Land im Rahmen seiner Handlungsspielräume Unterstützung gegeben und verschiedene Optionen aufgezeigt, so mit der Umstellung auf das Gebührenmodell oder mit der Einführung differenzierter Herstellungsbeiträge.
Es gibt mittlerweile etliche Beispiele dafür, dass Verbände We ge gesucht und gefunden haben, um Altanschließer zu entla sten und damit zu einer Befriedung der Situation zu kommen. Mir fällt neben anderen das Beispiel Wittstock ein, wo diese Probleme mit viel Verantwortungsbewusstsein und Engage ment nahezu geräuschlos gelöst worden sind. Übrigens wird
dort jetzt ein neuer Bürgermeister gewählt. Ich habe mit Inte resse zur Kenntnis genommen, dass es dort keinen Wahlkampf gibt. Warum gibt es keinen Wahlkampf? Weil es nur einen Be werber gibt, nämlich den jetzigen Bürgermeister.
Das spielt keine Rolle. In dem Moment muss ich sagen: Die Lösung des Problems von Altanschließerbeiträgen, wie sie dort im Zusammenwirken aller Kräfte gefunden worden ist, finde ich beispielhaft.
Meine Damen und Herren, alles andere als neu ist auch die Ini tiative zu den Musterverfahren. Es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, dass solche Musterverfahren in Brandenburg nicht möglich seien. Sie sind sehr wohl möglich. Manche Kommu nen wie beispielsweise Kleinmachnow nutzen diese Möglich keit auch. Es ist aber auch zutreffend, dass Musterverfahren eher restriktiv zur Anwendung kommen. Wir werden an diesem Thema dranbleiben und nach Wegen suchen, wie man Musterverfahren befördern kann. Das soll aber nach unserem Selbstverständnis unter Wahrung der kommunalen Selbstver waltung geschehen.
Überlegenswert ist der Gesetzentwurf zur Mitbestimmung beim Anliegerstraßenbau. Wir alle kennen sicher Beispiele da für, dass solche Straßenausbaumaßnahmen auf hohem Niveau und mit dementsprechenden Herstellungskosten geplant wer den. Ich halte es für richtig, dass den Anliegern die Möglich keit eingeräumt wird, darauf Einfluss zu nehmen, dass der Aus bau bedarfsgerecht erfolgt. Der Weg, eine Befragung der be troffenen Anlieger durchzuführen und davon das weitere Vor gehen abhängig zu machen, ist praktikabel.
Eine ganze Reihe von Kommunen handhaben das schon so, zum Beispiel die Landeshauptstadt. Hier ist es so geregelt, dass die Anlieger vor Beginn einer solchen Maßnahme zu befragen sind. Wenn sich eine Mehrheit gegen den Straßenbau aus spricht, entscheidet die Stadtverordnetenversammlung, ob und in welchem Umfang das Vorhaben realisiert wird. Diese Rege lung hat sich bewährt. Wir haben in mehreren Fällen erreichen können, dass bedarfsgerecht gebaut wird.
Was ich für falsch halte, ist, die Anlieger über die Durchfüh rung von Straßenausbaumaßnahmen entscheiden zu lassen. Ei ne solche Festlegung für das gesamte Land zu treffen würde die Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit im Interesse der gesamten Gemeinde sehr erheblich beschränken. Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Wenn eine Gemeinde entscheidet, dass sie so verfährt, dann kann sie das tun. Aber eine Festle gung für das gesamte Land würde ich für problematisch halten.
Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist - dies haben meine Vorredner bereits angesprochen - das opulente Vorgehen der Freien Wähler, die Änderung eines Gesetzes über fünf ge trennte Gesetzentwürfe zu transportieren.