Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie müssen mehr Redezeit erhalten!)

Das ist, vorsichtig formuliert, ungewöhnlich. Wie man immer wieder lesen kann, haben Sie ja für sich den Anspruch gepach

tet, als Einzige in diesem Landtag fleißig zu arbeiten und sich der Probleme der Bürger anzunehmen. Wenn wir alle es auf diese Art und Weise machen, so glaube ich nicht, dass wir da mit glücklich würden. Denken Sie noch einmal darüber nach. Aber dieses Vorgehen erleichtert uns auch die Entscheidung, alle fünf Gesetzentwürfe abzulehnen.

Noch eine Bemerkung zum Entschließungsantrag der CDU: Ich staune über die Kreativität, die Sie entwickeln, meine Da men und Herren von der CDU.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Kompli ment! - Oh! bei der CDU)

Da scheint es überhaupt keine Grenzen zu geben.

(Zuruf von der CDU)

Sie sind sich hoffentlich darüber im Klaren, dass der Weg, den Sie beschreiten wollen, ein völliges Novum wäre. Das wissen Sie, denke ich. Ein Kommunalabgabengesetz, das im Bürgerdi alog kreiert wird, wäre sensationell. Ich bezweifle allerdings, dass dies funktionieren würde, und glaube nicht, dass Sie das wirklich ernst meinen. Ich weiß auch nicht, ob Sie darüber schon mit Ihren Bürgermeistern und Landräten gesprochen ha ben. Ich denke, diese sehen das aus ihrer praktischen Sicht et was anders. Ich empfehle Ihnen, sich stattdessen mit Ihren schöpferischen Überlegungen konstruktiv am Bürgerdialog zur Verwaltungsstrukturreform zu beteiligen.

(Wichmann [CDU]: Machen Sie sich mal keine Sorgen!)

Dort gehört das hin.

(Lachen des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Es wäre auch nicht schlecht, wenn Sie sich inhaltlich in die Diskussion der Enquetekommission zur Zukunft des länd lichen Raumes einbringen würden. Das ist allerdings nicht so spektakulär. Zudem ist es ein hartes Brot, und das ist ja nicht so Ihr Ding.

(Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Es bringt uns aber überhaupt nicht voran, ständig neue Formen zu erfinden. Wir lehnen diese Entschließung ab. Wir merken uns allerdings gut, wie weit Sie zu gehen bereit sind, meine Damen und Herren von der CDU. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Danke. - Der Abgeordnete Schulze hat eine Kurzintervention angekündigt. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schar fenberg, Sie haben viel geredet, aber auf meine Zwischenfrage haben Sie nicht geantwortet: wie Sie es erklären, dass Sie als Linkspartei die Abschaffung der Anliegerbeiträge fordern und dies jetzt, da wir Ihnen den Antrag auf den Tisch legen, ableh nen. Aber es ist halt so, auf frischer Tat ertappt.

Sie haben mich gefragt, warum ich im Jahr 2009 im Innenaus schuss und im - damals noch alten - Landtag der Stichtagsrege lung, die die Linksfraktion seinerzeit vorgeschlagen hat, nicht zugestimmt habe. Nun mag das erst mal verwundern, ich kann es Ihnen aber sehr einfach erklären: Wie Sie wissen, gab es da mals eine große Anhörung mit, ich glaube, fünf Verfassungsex perten. Wenn ich mich recht erinnere, hatte die Linksfraktion Herrn Prof. Benda für das Gutachten zu ihrer Position ver pflichtet. Am Ende der Anhörung des Innenausschusses war es so, dass vier Verfassungsexperten gesagt haben, diese Stich tagsregelung ginge nicht, und Ihr Experte hat gesagt: Sie geht. - Daher habe ich mich schlicht und einfach davon leiten lassen: Wenn vier Experten sagen, es geht nicht, und einer sagt, es geht, dann fühle ich mich bei der Mehrheit besser aufgeho ben. Das war die Diskussion, man kann es im Protokoll des In nenausschusses sowie im Plenarprotokoll nachlesen.

Aber, sehr geehrter Herr Dr. Scharfenberg, Sie wissen auch, dass wir eine neue Situation haben. Mit dem Urteil des Bun desverfassungsgerichts vom 5. März 2013 zum Bayerischen KAG hat die Welt einen neuen Anstrich bekommen, und das ist lediglich der Anlass, warum wir darüber sprechen können und müssen. Das gab es damals nicht. Wenn es das 2009 gegeben hätte, wäre die Sache anders ausgegangen. Im Übrigen war dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch für die rotrote Koalition der Anlass, das Gesetz so zu ändern - mit einer 25-jährigen Stichtagsregelung -, und das ist schon ein Hammer.

(Beifall der Abgeordneten Frau Schülzke und Vida [BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe])

Herr Kollege Dr. Scharfenberg, möchten Sie darauf entgeg nen? - Ja.

Herr Schulze, ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie Ihr schlechtes Gewissen, das Sie mit sich herumtragen, irgendwie verdrängen müssen.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Sehe ich auch so!)

Sie haben das Thema 2008 aufgemacht - mit allen Konse quenzen -, dass die Altanschließerbeiträge nicht zulässig und eine Ungerechtigkeit seien.

(Domres [DIE LINKE]: Ja, klar!)

Wir haben uns dieses Themas angenommen und es sozusagen zur Konsequenz geführt. Sich jetzt damit aus der Affäre ziehen zu wollen, dass Sie die Ergebnisse einer Anhörung eines Bes seren belehrt haben, ist nicht glaubwürdig.

Übrigens - ich möchte es noch einmal deutlich sagen - hätte man damals auch den anderen Weg mit der Stichtagsregelung einschlagen können, denn die Altanschließerproblematik ist damals neu auf den Tisch gekommen. Es war eine Problematik, die damals in den Blickpunkt der Politik geraten ist. Aber seit dem hat sich so viel vollzogen, das wissen Sie ganz genau.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Ja!)

Seitdem sind in den Verbänden vollendete Tatsachen geschaf fen worden, und ich nehme für uns Folgendes in Anspruch: Wir haben mit aller Konsequenz versucht, im Rahmen der vor handenen Möglichkeiten Druck zu machen und den Verbänden alle mögliche Hilfestellung zu geben. Deshalb bin ich nicht be reit, mich von Ihnen hier vorführen zu lassen, wie Sie das be absichtigen, sondern sage in aller Deutlichkeit:

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Was heißt vorführen?!)

Wir haben uns entsprechend den Möglichkeiten verhalten und versucht, in deren Rahmen für die Verbände und die Altan schließer Erleichterungen zu schaffen. Ich sage nochmals in aller Deutlichkeit: Ich bin enttäuscht darüber, wie es zum Teil vor Ort abläuft und wie mit diesen Möglichkeiten umgegangen wird - das gilt teilweise auch für unsere eigene Partei -,

(Beifall des Abgeordneten Schulze [BVB/FREIE WÄH LER Gruppe])

dass im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden.

(Beifall DIE LINKE - Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Ja, das stimmt! - Frau Große [DIE LINKE]: Ja, so ist es!)

Danke. - Das Wort erhält nun die AfD-Fraktion. Bitte, Herr Ab geordneter Jung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Meine Damen und Herren! Die ersten Worte unserer Ver fassung lauten:

„Wir, die Bürgerinnen und Bürger des Landes Branden burg (…)“

So beginnt die Präambel unserer wichtigsten Arbeitsgrundlage. Es ist sehr nützlich, sich auch diesen Teil unserer Verfassung immer wieder einmal anzuschauen und darüber nachzudenken. Er verdeutlicht, worum es bei unserer Arbeit eigentlich geht: um die Bürgerinnen und die Bürger dieses Landes. Ihre Pro bleme, Bedürfnisse und Wünsche sind es, die uns in unserer Arbeit leiten sollen - nicht die großen ideologischen Weltenent würfe.

Wir befassen uns bei diesem Tagesordnungspunkt mit einem ganzen Bündel unterschiedlicher Gesetzentwürfe, und doch verbindet sie eines: In ihnen geht es um die wirklichen Pro bleme der Menschen. Es geht um ihre Fragen, die sie tagtäglich in ihrem Leben bewegen, und es geht vor allem auch um ihren Geldbeutel.

Wir von der Alternative für Deutschland lassen uns bei unserer Arbeit für den Bürger immer von drei Grundsätzen leiten: Er stens - Subsidiarität, zweitens - demokratische Teilhabe und drittens - Gerechtigkeit.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Schöneburg [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren! Anliegerstraßenbau ist ein Problem, das die Menschen wirklich bewegt. Es geht dabei um das Geld der Menschen, und zwar um sehr viel Geld - Geld, das die Bür gerinnen und Bürger sich mühsam und hart erarbeiten müssen. Bei der Beurteilung der Gesetzentwürfe müssen wir uns des halb drei Fragen stellen:

Erstens: Sichert das Gesetz, dass die Entscheidungen mög lichst weit unten, also vom Bürger getroffen werden?

Zweitens: Stärken die Veränderungen im Gesetz die demokra tische Teilhabe der Bürger? Und drittens: Schafft das Gesetz mehr Gerechtigkeit?

Der Gesetzentwurf schafft in den drei Punkten - Subsidiarität, demokratische Teilhabe und Gerechtigkeit - Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Deshalb kön nen wir von der AfD ihm zustimmen. Mit den neuen Rege lungen weiten wir das Recht der Bürger aus, einer sie betref fenden Angelegenheit zuzustimmen oder sie abzulehnen. Wir verbessern damit auch das Recht, über ihre Geldausgaben selbst zu entscheiden.

Wenn eine Gemeinde eine Straße als Anliegerstraße einstuft, dann sollen diejenigen, die zahlen, auch selbst entscheiden dür febn, was gemacht wird. Wenn eine Behörde aber verhindern will, dass die Bürger mitentscheiden, weil sie meint, die Straße habe überörtlichen Charakter, dann kann sie sie als Sammel- oder Hauptanschließungsstraße klassifizieren. Dann muss die Behörde aber auch weniger Geld vom Anlieger verlangen. Das ist in unseren Augen nur gerecht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema Altanschließer beiträge ist ein nicht weniger strittiges Thema. Es bringt die Menschen auf die Barrikaden. Die derzeitige Regelung wird massiv abgelehnt. Sie hat das Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürgerinnen und Bürger erheblich verletzt. Viele Mitglieder unserer Partei in den Kommunen engagieren sich zusammen mit anderen Bürgern gegen die bestehende Regelung. Dazu ha ben sich überall und über Parteigrenzen hinweg Initiativen, Bündnisse und Vereine gegründet bzw. zusammengeschlossen. Das zeigt eines: Die immense und vor allem einseitige Kosten belastung der Bürger im ganzen Land ist ungerecht. Die Men schen akzeptieren das nicht länger. Wenn die Menschen den Glauben in die Politik verlieren bzw. die Akzeptanz verloren geht, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, ist es schlimm für eine Gesellschaft. Wir Politiker sollten uns dringend Ge danken machen, wie wir bei diesem Thema Gerechtigkeit wie derherstellen.

Um es kurz zu machen: Der Gesetzentwurf zur Abschaffung von Altanschließungsbeiträgen erfüllt ebenso wie die Vorschläge zu Gesetzesänderungen unsere Forderungen hinsichtlich der beste henden Regeln. Sie folgen dem Prinzip der Subsidiarität, sie weiten die demokratischen Teilhaberechte der Bürgerinnen und Bürger aus und bringen den Menschen mehr Gerechtigkeit. Des halb werden wir den Änderungen zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90 spricht die Kol legin Nonnemacher. Bitte schön.

Herr Präsident! Ich erlaube mir die Bemerkung, dass die Abge ordnete Nonnemacher auch für die Grünen spricht. - Meine Damen und Herren! Die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER hat uns fünf Gesetzentwürfe zur Änderung des Kommunalabga bengesetzes vorgelegt, die sachlich und inhaltlich in einem Ge setzentwurf hätten vorgelegt werden müssen. So hat es meine Fraktion übrigens im letzten Plenum mit dem Gesetzentwurf zur Vereinfachung der Kommunalabgabenerhebung selbstver ständlich getan. Ich hoffe, dass das Überstrapazieren unserer parlamentarischen Regeln nicht zu einem Dauerzustand wird. Ihrem Anliegen nützt diese Atomisierung von Anträgen zum Kommunalabgabengesetz jedenfalls nichts.