Der zweite Punkt ist, dass Sie nur mit einem lapidaren Neben satz erwähnen, dass Brandenburg ein digitales Entwicklungs land ist. Der Kollege Bretz hat es bereits gesagt, und auch ich wollte an Matthias Platzeck erinnern, der schon 2009 verspro chen hatte, die weißen Flecken bei der Internetversorgung zu beseitigen. Daraus ist nichts geworden.
Mitte 2015 war Brandenburg bei der Versorgung mit schnel lerem Internet als 50 Mbit/s an fünftletzter Stelle, gefolgt von den vier anderen neuen Bundesländern. Das finde ich schon ziemlich erschreckend. Erstaunlicherweise sind uns die alten Bundesländer dort einen guten Sprung voraus; ansonsten sind wir bei vielen Dingen der Infrastruktur einen Schritt voraus. Bei der LTE-Versorgung machen die anderen Ostländer einen Sprung und überholen teilweise sogar die alten Bundesländer, während Brandenburg nach dem Stand von Juli 2015 die rote Laterne hat.
Jetzt gibt es ja neue Versprechungen, aber Versprechungen ha ben wir schon öfter gehört; warten wir also einmal ab, was da raus wird. Auch wir sind der Meinung, dass man einen solchen IT-Gipfel sehr gut brauchen könnte, und zwar nicht nur als Wirtschaftsthema, sondern als Querschnittsthema; das ist ja der Reiz dieses Antrages.
Frau Kollegin, Sie haben Brandenburg in einem Atemzug mit Breitbandausbau und LTE-Ausbau erwähnt. Sie haben gesagt, beim LTE-Ausbau hätten wir die rote Laterne. Wer ist denn ver antwortlich für den LTE-Ausbau; ist das die Landesregierung?
Nein, das ist die Entscheidung freier Unternehmen. Reden Sie bitte nicht darüber, wenn Sie keine Ahnung haben!
Wenn wir einen solchen IT-Gipfel einberufen würden, könnten wir beispielsweise über Big Data reden, über die Verwertungs interessen der Kommunen und der Wirtschaft im Spannungs feld gegenüber dem Recht auf Privatsphäre und dem Recht auf Vergessen sowie darüber, warum wir auf EU-Ebene nach vier Jahren Verhandlungen immer noch kein Datenschutzgesetz ha ben und was das auch mit uns in Brandenburg zu tun hat.
Wir könnten auch über Dekarbonisierung reden, über die Re duktion von Ressourcenverbrauch; auch das hat etwas mit Di gitalisierung zu tun. Überlegen Sie einmal, wie viel Papier wir hier im Landtag sparen könnten, wenn das Projekt ELVIS, über das ebenfalls seit Jahren geredet wird, endlich Realität werden würde.
Wir könnten über Nachbarschaftsnetzwerke und Tauschbörsen reden - nach dem Motto „Teilen ist das neue Haben“. Wir könnten auch über Breitbandausbau als soziales Gerechtig keitsthema der Zukunft reden.
Digitalisierung schafft nämlich egalitäre Bildungszugänge. Denn heute muss natürlich jeder Englisch können, kann dann aber auch an den Vorlesungen amerikanischer Spitzenuniversi täten teilnehmen.
Wir könnten über Demokratie und ehrenamtliches Engagement reden, vom arabischen Frühling bis hin zur Flüchtlingshilfe in Brandenburg, wo es mithilfe digitaler Kommunikation gelungen ist, Hundertschaften innerhalb weniger Stunden zu mobilisieren.
Wir könnten auch über Arbeitnehmerrechte, Mindestlohn, in ternationale Konkurrenz und über die Frage reden, inwieweit der Onlinehandel unsere Gesellschaft verändert, und zwar auch in Brandenburg. Wir könnten über Open Data reden, denn auch das ist ein Brandenburger Thema und nicht nur ein Wirtschafts thema. Wir wissen aber trotzdem, dass mit diesen öffentlichen Daten, die ja schon mit öffentlichen Geldern generiert worden sind, der Öffentlichkeit aber nicht zur Verfügung stehen, nach Berechnungen der EU-Kommission etwa 40 Milliarden Euro pro Jahr an Wertschöpfung erzielt werden.
Wir könnten über E-Government reden, über den Umgang mit Heterogenität in der Bildung, über individuelles Lernen und Lernprogramme, die sich den Schülern anpassen. Auch diese gibt es bereits; Brandenburg ist noch weit davon entfernt.
Brandenburg 4.0 bedeutet Web 4.0 - das ist das Internet der Dinge. Hier geht es um fahrerlose Autos und um Kühlschrän ke, die automatisch einkaufen, wenn sie leer sind, es geht um den Scanner, der uns zusammen mit dem morgendlichen Kaf fee die aktuellen Gesundheitswerte präsentiert. Davon sind wir in Brandenburg noch weit entfernt; aber es würde sich lohnen, etwas mehr Tempo zu machen. Wahrscheinlich gäbe es dann auch bald eine App, die besser Flughäfen bauen kann als die Landesregierung.
Für viele ist allerdings die Digitalisierung tatsächlich nur Tro ckenschwimmen. Als Erstes brauchen wir die technische An bindung. Dazu, dass diese so miserabel ist, muss ich ehrlich sagen: Wenn die Rede davon ist, dass dieses Thema den Instru mentenkasten der Landesregierung übersteigt, wie das Herr Barthel gesagt hat, dann habe ich den Eindruck, dass es in der Breite des Ansatzes auch den Instrumentenkasten der die Re gierung tragenden Fraktionen übersteigt. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte fort. Für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER spricht die Abgeordnete Schülzke zu uns.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! In der Industrie 4.0 verzahnt sich die Produktion mit mo dernster Informations- und Kommunikationstechnik. Ziel ist es, die Potenziale der digitalen Revolution auszuschöpfen, um den Wohlstand und die Lebensqualität für alle zu steigern. Die Arbeitswelt wird sich durch die industrielle Revolution und die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft deutlich verändern. Die Kommunikation zwischen den Beteiligten verläuft oftmals naht- und drahtlos, sie ermöglicht eine effiziente Interaktion zwischen den Beschäftigten und den intelligenten Maschinen.
Diese Entwicklung eröffnet eine Neuorganisation der Arbeit, zum Beispiel für gesundheitsfreundlich gestaltete Arbeitsorte sowie familienfreundliche Arbeitszeitregelungen. So sind aber auch Standards für Aus- und Weiterbildung zügig anzupassen. Besonders der Mittelstand, also die kleinen und mittleren Un ternehmen, bedarf dabei besonderer Unterstützung. Es ist die Aufgabe der Wirtschaftspolitik, den Unternehmen ein Umfeld zu schaffen, das neue Entwicklungen fördert. Ein brandenbur gischer IT-Gipfel wäre der richtige Weg, um Erfahrungen aus zutauschen, Fehlentwicklungen oder Defizite zu identifizieren, Probleme zu erkennen und Lösungen anzusteuern.
So ist durch bestmögliche Qualifikation Personal zu entwi ckeln. Noch drängender ist es, auch die allgemeine Schulbil dung darauf auszurichten. Die IT-Ausrüstung der Schulen ist oftmals mangelhaft, die Qualifikation der Lehrer und Ausbil der muss auf diese Anforderungen eingestellt werden. Von der Qualität der Ausbildung hängt die Effektivität der Nutzbarkeit der digitalen Revolution ab.
Im Landkreis Elbe-Elster gibt es das Netzwerk Telelearning an 13 Schulen. Zusammenarbeit, Informationsaustausch und ge genseitiges Fördern waren und sind Ziele dieses Projektes. Das Projekt leidet aber derzeit an Überbürokratisierung, an der nicht zeitgemäßen Qualifikation des Lehrerpersonals, aber auch an voreingenommenen Gestrigen, die die Digitalisierung ablehnen und Computertechnik verteufeln. Es fehlt aber auch Geld.
Telelearning ist ein Qualifizierungsmodell, aber auch eine qua lifizierte Kommunikationsmöglichkeit, ähnlich wie die Tele medizin. Es wäre gut, solche Möglichkeiten zu nutzen und weiterzuentwickeln. Technischer Fortschritt und Revolution
Folgerichtig gehört dazu auch die schnelle Aufrüstung des Breitbandes. In der Presse sind gestern erneut große Mängel in unserem Land aufgezeigt worden. Gerade kleine Unterneh men, der Einzelhandel, aber auch die öffentliche Hand sind be troffen. Es gibt Aufholbedarf. Gegebenenfalls könnten Infor mationsaustausche mit Schweden oder Österreich gute Hilfe stellungen für die Aufrüstung der Breitbandgrundausstattung geben.
Darstellungen in der Kleinen Anfrage, dass die Sicherstellung in manchen Gebieten Brandenburgs wirtschaftlich nicht ver tretbar sei, können natürlich nicht akzeptiert werden, denn auch für die Land- und Forstwirtschaft sowie für Pflege- und Rettungsdienste ist die schnelle Datenübertragung unverzicht bar. Hochglanzprospekte braucht man in diesem Bereich erst gar nicht mehr zu fördern.
Wir unterstützen den Antrag der CDU, bitten ihn aufzugreifen und weiterzuentwickeln, auch um die Effizienz im öffentlichen Verwaltungshandeln zu fördern. - Danke.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag von Minister Gerber fort. Er spricht für die Landesregierung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auswirkungen der Digitalisierung auf Wirtschaft, Forschung, Gesellschaft, den Bürger und die Verwaltung sind groß, und sie sind es schon jetzt. Initiativen zu diesem Thema werden auf der Ebene der Europäischen Union - zum Beispiel durch die Schaf fung eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes -, des Bundes - zum Beispiel durch die digitale Agenda - sowie durch die Initiative Kompetenzzentren 4.0 der Länder und von Industrie verbänden gestartet.
Zur Digitalisierung finden allein für die Wirtschaft und im Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft Veranstaltungen zum Beispiel unter dem Titel „Brandenburg 4.0“ statt, die den wirtschaftspolitischen Aspekt der Digitalisierung betreffen.
Digitalisierung ist aber, na klar, viel mehr. Im Ergebnis sollen sich Abläufe ändern, sollen Ressourcen und Energie effizienter genutzt und Kundenwünsche punktgenau angesprochen wer den. Auch bisherige Doppelarbeit kann durch die Digitalisie rung künftig verhindert werden.
Letztlich geht es darum, meine Damen und Herren, die Bran denburger Unternehmen auf den sich wandelnden Märkten weiterhin wettbewerbsfähig zu halten. Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Das ist mittlerweile, glaube ich, ein All gemeingut. Digitalisierung bedeutet aber auch die Möglichkeit, aus verfügbaren Daten unterschiedlichster Quellen durch Kor relation neue Informationen, zum Beispiel Kaufempfehlungen und Kundeninformationen, abzuleiten, weshalb das Thema Big Data als strategisch wichtig erkannt worden ist.
Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass einerseits das immense kommerzielle Potenzial neuer Wertschöpfungsketten in Deutsch land und Europa wirksam wird. Auch ich verspreche mir davon eine Menge Chancen. Andererseits muss die digitale Selbstbe stimmung der Bürger gewahrt und müssen Firmengeheimnisse geschützt bleiben.
Meine Damen und Herren, gerade für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land Brandenburg stellt sich die Herausforderung der Digitalisierung im Rahmen ihrer Innovationsorientierung ganz konkret. Deshalb haben wir im Sommer dieses Jahres mit dem Innovationszentrum „Mo derne Industrie Brandenburg“ an der BTU Cottbus-Senften berg ein neues und bundesweit bisher einmaliges Beratungsan gebot geschaffen, mit dem die Verzahnung von unternehme rischen Herausforderungen und wissenschaftlichen Forschungs kompetenzen vorangetrieben werden soll. Mit den sogenannten Innovations-Check-Ups werden von diesem Cottbusser Infor mationszentrum die KMUs im Land Brandenburg beraten, welche konkreten - das ist mir ganz besonders wichtig - Maß nahmen der Innovation ihrer Produkte und Verfahren sie er greifen können, um mit Blick auf Brandenburg 4.0 konkret voranzukommen.
Die brandenburgischen Förderprogramme haben wir auch im Sinne der stärkeren Forschungsorientierung auf dieses Thema neu ausgerichtet. Es steht außer Frage, dass Digitalisierung, Automatisierung und technologische Fortentwicklung eine wichtige Rolle spielen und den Arbeitsalltag, aber auch das ge sellschaftliche Miteinander bei uns wesentlich beeinflussen werden.
Ich will noch einmal auf den Fördermittel-Punkt des CDU-An trags zurückkommen. Im Landtag haben wir darüber schon einmal diskutiert. Wir haben den entsprechenden Antrag an den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Dort findet die Debatte noch statt. Ich möchte deren Ergebnissen nicht vorgreifen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist in vielfa cher Hinsicht dabei, die Herausforderungen der Digitalisierung aufzugreifen und aktiv umzusetzen, soweit das die Landespoli tik zu tun hat. Ich plädiere hier dafür, dass wir uns verstärkt an gemeinschaftlichen Bund-Länder-Entwicklungen und Initiati ven der Europäischen Union beteiligen. Es geht darum, anhand konkreter Maßnahmen in Industrie, Verwaltung und Forschung und unter Nutzung unserer bestehenden Förderinstrumente weiter voranzukommen. - Vielen Dank.
Eines hat der Antrag schon einmal bewirkt, und zwar eine in tensive Diskussion hier im Parlament. Wir haben den ersten Antrag zum Thema Digitalisierung heute hier im Plenum dis kutiert, und bei der Diskussion ist klar geworden, dass jeder so seine eigenen Ansichten und Meinungen zur Digitalisierung hat. Was ganz oft erwähnt wurde, ist, dass Digitalisierung viel
fach gleichgesetzt wird mit Breitband. Breitband ist die Voraus setzung, um Digitalisierung wirtschaftlich nutzen zu können.
Worum es aber in diesem Antrag geht: Ja, Herr Minister, ich gebe Ihnen Recht, in Brandenburg passiert einiges. Das hatte ich auch in meiner Eingangsrede gesagt. Was wir aber verges sen, ist, dass die Kommunikation, obwohl wir viele Kommuni kationsmittel haben, viele Informationen, oft nicht zusammen kommt zwischen denen, die die Voraussetzungen für Internet of things - ob es Apps sind, Plattformen, entsprechende Soft ware - schaffen, und denjenigen, die es irgendwann einmal nut zen sollen oder müssen. Ich drücke das ausdrücklich so aus, da diese nicht da ist.
Es geht mir um den Klein- und Mittelstand bei uns in Branden burg. Wir haben eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur. Diesem Klein- und Mittelstand ist nicht im Ansatz bewusst - übrigens nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit, aber wir in Brandenburg leben von unserem Klein- und Mittelstand -, wie überlebenswichtig dieses Thema für ihn ist. Wir können nicht warten, bis wir Breitband ausgebaut haben. Ich bin mir sicher, dass das in den nächsten zwei Jahren passieren wird, mehr oder weniger. Vorhin ist es angesprochen worden. Herr Platzeck hatte schon einmal postuliert, 2009 100 % Abdeckung haben zu wollen; darüber möchte ich nicht diskutieren. Das ist ein Baustein.
Aber der Antrag reicht viel weiter. Wir müssen die Akteure zu sammenbringen. Wir müssen den Klein- und Mittelstand für dieses Thema sensibilisieren, dafür, sich damit zu beschäfti gen. Da geht es nicht nur darum, Daten schnell über das Breit band zu übermitteln oder Daten zu sammeln, sondern - wie es richtig angesprochen wurde - Daten zu nutzen. Dafür brauche ich das Breitband an der Stelle erst einmal nicht, sondern ich muss mir kreative Gedanken machen, wie ich für mein Pro dukt, das ich gerade anbiete, eine Plattform finde. Da denke ich nicht nur an den Bäcker, das Baugewerbe oder andere Bran chen - es wird alle Branchen betreffen. Sie denken darüber nicht nach, und das ist aufgrund ihrer Struktur verständlich. Dafür sind wir verantwortlich, nicht nur dafür, zu sensibilisie ren, sondern genauso dafür, gemeinsam mit Industrie- und Handwerkskammer und anderen Verbänden eine Plattform zu finden. Deswegen meine herzliche Bitte.