Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

(Genilke [CDU]: Den Spruch kenne ich schon!)

Es wäre mir lieb gewesen, wenn Sie etwas zum Bundesver kehrswegeplan und zur DB AG bzw. dazu, dass sie sich aus der Fläche zurückziehen will und es schon seit vielen Jahren tut - was halten wir für falsch -, gesagt hätten. Wir werden uns beim Landesentwicklungsplan wie dargestellt mit der Fortschrei bung des Landesnahverkehrsplans und der Mobilitätsstrategie die Karten legen. Was ist, wenn der Bund über die Höhe der Regionalisierungsmittel entschieden hat,

(Genilke [CDU]: Das ist doch längst entschieden!)

wenn er entschieden hat, welche Leistungen er in den Be reichen Schiene und Straße erbringt? Wenn wir darüber genau Kenntnis haben, können wir mit entsprechenden Ansätzen im Doppelhaushalt reagieren. Vor allem, Herr Genilke, können wir uns, wenn die Korridoruntersuchungen abgeschlossen sind, trefflich darüber streiten, welche Prioritäten wir setzen: die Stammbahn, den S-Bahn-Ausbau bzw. die S-Bahnverlänge rung? Ich bin eine Verfechterin der Stammbahn, trotzdem - das wissen Sie - müssen die anderen Varianten im Hinblick auf ihre Effektivität in den Fokus genommen werden. Wir haben viele Möglichkeiten und die große Verantwortung, den Bahnverkehr in Brandenburg zu stärken. Das werden wir auch tun. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache, und ich schließe den Tagesordnungspunkt 1 - die Aktuelle Stunde. Bevor ich Tagesordnungspunkt 2 eröffne, möchte ich weitere Besuchergruppen herzlich begrüßen: Jugendliche aus dem Evangelischen Pfarrsprengel Lindenau-Kroppen und aus Ortrand-Großkmehlen sowie Schülerinnen und Schüler der Otto-Tschirch-Oberschule Brandenburg und Sportlerinnen und Sportler der TSG Einheit Bernau und Panketal. Herzlich will kommen im Plenarsaal!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 6/4331

Drucksache 6/4304

und erteile dem Abgeordneten Wilke für die Dringliche An frage 10 (Kinderärztlicher Bereitschaftsdienst in Frankfurt [Oder] wird eingestellt) das Wort.

Uns in Frankfurt (Oder) hat am Wochenende die Nachricht er reicht, dass der Kinderärztliche Bereitschaftsdienst zum 30. Ju ni 2016 eingestellt werden soll. Das hat zu großer Bestürzung in der Stadt geführt, weil in den Sommermonaten durchschnitt lich bis zu 300 Kinder und in den Wintermonaten bis zu 500 Kinder dort versorgt werden. Wenn dieser Bereitschafts dienst wegfällt, bedeutet das im Klartext, dass Eltern von Kin dern, die außerhalb der üblichen Sprechzeiten erkrankt sind, ins Klinikum Markendorf fahren müssen. Das ist eine weite Strecke und insofern für viele mit eingeschränkter Mobilität schwierig. Vor allem in akuten Fällen kann es problematisch sein. Deswegen besteht große Sorge, wie die medizinische Ver sorgung im kinderärztlichen Bereich in Notfällen weiterhin ge währleistet werden kann.

Ich frage die Landesregierung, wie sie die Einstellung des Kin derärztlichen Bereitschaftsdienstes in Frankfurt (Oder) bewer tet.

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Ministerin Golze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wilke, ich be daure außerordentlich, dass dieses zusätzliche, freiwillige An gebot in Frankfurt (Oder) eingestellt wird. Das Problem ist, dass der angesprochene kinderärztliche Bereitschaftsdienst in Frankfurt (Oder) auf einem in den 90er-Jahren begonnenen freiwilligen Engagement der niedergelassenen Kinderärzte be ruhte. Im Gegensatz zum allgemeinärztlichen Bereitschafts dienst in Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung han delt es sich bei diesem fachärztlichen Bereitschaftsdienst um

keinen gesetzlichen Auftrag. Es ist ein freiwilliges, zusätz liches Angebot gewesen, welches eigenständig von niederge lassenen Kinderärzten organisiert wurde. Nun stehen dort - wie wir erfahren haben - zur Abdeckung dieses eigenständigen kinderärztlichen Bereitschaftsdienstes aufgrund des krank heits- und altersbedingten Ausfalls von Kinderärztinnen und -ärzten keine ausreichenden Ressourcen mehr zur Verfügung. Deswegen hat die KV Brandenburg der Beendigung dieses Be reitschaftsdienstes zum 30.06.2016 zugestimmt.

Wie gesagt, es ist sehr bedauerlich. Die KV hat jedoch mitge teilt, dass nach wie vor eine Versorgung der jüngsten Patien tinnen und Patienten sichergestellt ist: zum einen durch den allgemeinärztlichen Bereitschaftsdienst, den man außerhalb der Sprechzeiten der Kinderärztinnen und Kinderärzte über die Notrufnummer 116 117 erreichen kann, und zum anderen - das haben Sie selbst angesprochen - steht das Fachpersonal im Kli nikum Markendorf zu bestimmten Sprechzeiten an den Abenden und am Wochenende zur Verfügung.

Vielen Dank. Es gibt Nachfragen.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. Eine kurze Nachfrage: In der vergangenen Landtagssitzung hat meine Kollegin Bader ei ne Anfrage zur kinderärztlichen Versorgung in anderen Regionen gestellt. In der Antwort wurde auf Zahlen der Kassenärzt lichen Vereinigung zurückgegriffen. Und es hieß, dass die kin derärztliche Versorgung in Frankfurt (Oder) 310 % betrage. Nun können Sie nichts für diese Zahlen und diese Einschät zung. Aber meine Frage ist, ob es die Möglichkeit gibt, mit der Kassenärztlichen Vereinigung vielleicht noch einmal über die se Einschätzung des Versorgungsgrades zu sprechen. Denn wenn wir mit 310 % überversorgt wären, wäre die Einstellung des kinderärztlichen Bereitschaftsdienstes, glaube ich, nicht notwendig.

Ich habe in der letzten Landtagssitzung schon erklärt, dass die Statistik auf dem Papier und das reale Empfinden der Menschen zu Recht sehr unterschiedlich sind und Brandenburg sich im Ge meinsamen Bundesausschuss bemüht, auf Bundesebene eine Veränderung der statistischen Grundlage bzw. der Berechnungs modelle zu erreichen, damit sich Statistik und Realität annähern. Nach den Statistiken der KV ist die Versorgung mit Kinderärz ten in Frankfurt (Oder) nach wie vor gesichert. Das gilt auch für die normalen Sprechzeiten der Kinderärztinnen und Kinderärz te; sie können abgedeckt werden. Aber auch die Ärztinnen und Ärzte in Frankfurt (Oder) werden älter - so leid es uns tut - und haben deshalb beschlossen, dass sie dieses zusätzliche Angebot, nach den normalen Sprechzeiten und an den Wochenenden, nicht mehr aufrechterhalten können, zumal es noch deutlich mehr Kinderärztinnen und Kinderärzte in dieser Stadt gibt als in anderen Regionen des Landes. Wir werden uns weiterhin für die Veränderung der Statistik starkmachen. - Danke.

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 517 (Umweltaktivisten besetzen Braunkohletagebau). Es ist eigentlich eine Frage der

Abgeordneten Kircheis, aber sie wird von ihrem Fraktionskol legen Roick gestellt.

Die Frage der Abgeordneten Kircheis lautet wie folgt:

Umweltaktivisten besetzen Braunkohletagebau. Unter dem Motto „Ende Gelände“ haben zahlreiche Umweltaktivisten am Pfingstwochenende gegen den Tagebau Welzow-Süd und die Kohleverstromung im Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ protestiert. Zwischenzeitlich sind Teile des Kraftwerks und der För deranlagen besetzt und blockiert worden. Die Polizei nahm zahlreiche Aktivisten fest. Der Presse war zu entnehmen, dass der Staatsschutz ermittelt.

Ich frage die Landesregierung: In wie vielen Fällen/Vorkomm nissen ermitteln Staatsschutz und Staatsanwaltschaft gegen die Umweltaktivisten?

Vielen Dank. - Herr Innenminister Schröter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordneten! Der Polizei liegen derzeit 24 Strafanzeigen, unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruchs sowie Verstoßes gegen das Versammlungsrecht, vor. Die Er mittlungen richten sich derzeit gegen insgesamt 213 Personen. Eine abschließende Aussage, ob sich die Ermittlungen aus schließlich gegen sogenannte Umweltaktivisten richten, kann derzeit nicht getroffen werden.

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Domres.

Herr Innenminister, der Verein „Opferperspektive“ hat in seiner gestrigen Pressemitteilung von rechtsextremistischen Übergriffen im Rahmen des Klimacamps berichtet, und auch die Polizeisprecherin hat in Auswertung des Pfingstwochenendes davon gesprochen, dass es vermehrt rechtsextrem moti vierte Übergriffe gab. Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, ob in diesem Bereich ermittelt wird?

Ich sagte bereits, dass wir nicht abschließend mitteilen können, in welcher Richtung die Dinge ermittelt werden. Allerdings sind Teile der Pressemitteilung für mich nicht nachvollziehbar. Wir haben solche Dinge zu keinem Zeitpunkt verschwiegen oder verniedlicht, sondern von Anfang an von den Ereignissen berichtet, und wir sind ihnen entschieden entgegengetreten.

Es gibt eine weitere Nachfrage. Herr Abgeordneter Vogel, bit te.

Ich schließe mich unmittelbar an, Herr Innenminister, weil ja auch aus Ihrem Hause bekannt wurde, dass am Samstagabend Platzverweise gegen, ich glaube, 58 Personen mit rechtsex tremem Hintergrund ausgesprochen wurden. Wenn Sie jetzt davon reden, dass 213 Ermittlungsverfahren durchgeführt wer den, ist meine Frage, ob die Fälle der Rechtsextremisten dazu zählen oder nicht.

Das kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend sagen, Herr Vogel.

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 518 (Verfassungsschutz in Brandenburg personell aufstocken), die der Abgeordnete Lakenmacher stellt.

Im Jahr 2010 gab es noch 114 Personalstellen beim Verfas sungsschutz im Land Brandenburg. Zum 1. April 2016 hatte der Verfassungsschutz nur noch einen Personalbestand von 90 Stellen.

Ich frage die Landesregierung: Plant sie, die Anzahl der Perso nalstellen beim Verfassungsschutz in den kommenden beiden Haushaltsjahren 2017 und 2018 zu erhöhen?

Es antwortet wiederum Minister Schröter für die Landesregie rung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordne ter Lakenmacher, die Antwort lautet: Ja.

Herr Abgeordneter Lakenmacher, Sie können Ihre Nachfrage stellen.

Herzlichen Dank an den Minister. Endlich einmal eine klare und eindeutige Antwort. Können Sie das schon beziffern und konkrete Zahlen nennen, wie sich der Personalaufwuchs dar stellen soll?

Herr Lakenmacher, wir sind mitten im Verfahren der Haushalts aufstellung. Daher kann ich Ihnen nicht sagen, in welcher Weise sich die Dinge in den Jahresscheiben abbilden werden. Sie wer den sich verändern, und zwar in Richtung Personalzuwachs.

Wir kommen zur Frage 519 (Gerichtsentscheidung zu Min destlohn). Der Abgeordnete Dr. Bernig stellt sie.

Es geht um das Bundesarbeitsgerichtsurteil zum Mindestlohn. Die Anrechnung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den ge setzlichen Mindestlohn ist rechtens, wenn damit 8,50 Euro Stundenlohn erreicht werden. Mit diesem Urteil wird eine Um gehungsstrategie bestätigt. Geklagt hatte eine Brandenburge rin, deren Grundlohn unter der Mindestlohngrenze liegt. Nur durch die Aufteilung der betrieblich vereinbarten Sonderzah lung auf 12 Monate hält der Arbeitgeber das Mindestlohnge setz ein. Das Urteil macht gleichzeitig auf eine Gesetzeslücke aufmerksam, die Gewerkschaften und Betroffene von Anfang an beklagten. Das Mindestlohngesetz muss nachgebessert und alle Ausnahmen müssen abgeschafft werden.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie die Auswir kungen des Gerichtsurteils?

Für die Landesregierung antwortet Ministerin Golze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Bernig, ja, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Mai 2016 macht auf eine Schwachstelle des Bundesmindestlohngesetzes aufmerksam. Von dieser Schwach stelle sind ausgerechnet Menschen im Niedriglohnbereich be troffen, oftmals Frauen - wie auch im Fall der Klägerin. Ich fürchte, dass Arbeitgeber, die Sonderzahlungen bisher einmal im Jahr ausgezahlt haben, sich nunmehr durch das Urteil ange regt fühlen, diese Sonderzahlungen zu zwölfteln und monats weise auszuzahlen, um sie auf den Mindestlohn anrechnen zu können. Das heißt, gerade denjenigen, die vom Mindestlohn profitieren sollten, wird er vorenthalten. Sie sollten eine Lohn steigerung erfahren, aber diese erhalten sie nun nicht.

Herr Dr. Bernig, nicht nur Gewerkschaften und Betroffene ha ben in der öffentlichen Debatte um das Mindestlohngesetz des Bundes von Anfang an vor solchen Umgehungsmöglichkeiten gewarnt. Bereits im Jahr 2014 hatten auch die Bundesländer im Bundesratsverfahren zum Mindestlohngesetz die Bundesregie rung aufgefordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klar zustellen, ob - und wenn ja, welche - Lohnbestandteile auf das Stundenentgelt anzurechnen sind. Dies bezog sich ausdrück lich auch auf Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachts geld. Das hatte die Bundesregierung damals jedoch als „unnö tig“ abgelehnt. Nun rächt sich das.

Nach Auffassung der Landesregierung stellt der Mindestlohn ein Grundentgelt dar, auf das Zulagen, Zuschläge und Sonder zahlungen nicht angerechnet werden dürfen - diese sind zusätz lich zu zahlen. Ich denke, das Mindestlohngesetz muss an die ser Stelle nachgebessert werden. Ich werde meinen Kabinetts kolleginnen und -kollegen vorschlagen, uns mit einer Bundes ratsinitiative in das Verfahren zu begeben. Ich bin derzeit da bei, zu sondieren, welche Bundesländer sich von vornherein einer solchen Initiative anschließen bzw. ihr zustimmen wür den. Ich rechne damit, dass wir das noch vor der parlamenta rischen Sommerpause - wenn man es für den Bundesrat so be titeln kann - einreichen werden.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Nachfragen sind nicht angezeigt.