und erinnere daran, dass der Landtag Brandenburg mit Wir kung vom 1. Januar 2010 die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte als weiteres Element der Bürgerbeteiligung einge führt hat. Seither schreibt § 83 des Brandenburgischen Kom
munalwahlgesetzes bezüglich der Wahl und der Abwahl der Landrätinnen und Landräte vor, dass hierfür die Vorschriften des Abschnitts 8 des Kommunalwahlgesetzes, nämlich die zu den unmittelbaren Wahlen der Bürgermeisterinnen und Bürger meister, zur Anwendung kommen. Das ist also vereinheitlicht worden.
Ein Blick in die Begründung zum Gesetz zur Reform der Kom munalverfassung und zur Einführung der Direktwahl der Land räte sowie zur Änderung sonstiger kommunalrechtlicher Vor schriften - kurz: Kommunalrechtsreformgesetz - zeigt, dass es dem Gesetzgeber, also den Parlamentariern, die vor uns hier Verantwortung getragen haben, neben vielen anderen Beweg gründen gerade wichtig war, eine - ich zitiere - „Vereinheitli chung mit dem Wahlverfahren der Oberbürgermeister zu errei chen“ - und der Bürgermeister im Übrigen auch.
Seit dieser Neufassung definiert § 72 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes damit für die Bürgermeister und Land räte gleichlautend:
„Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat, sofern diese Mehrheit mindestens 15 vom Hundert der wahlberechtigten Per sonen umfasst.“
Das gleiche Mindestquorum gilt für etwaige notwendige Stich wahlen. Auch diese Frage will ich hier nicht lange herunterdo zieren, gebe Ihnen aber nachher die Quelle, wo Sie es nachle sen können.
Mit dem vorliegenden Antrag der AfD soll diese Einheitlich keit aufgegeben und das Quorum für die Landratswahl abge senkt werden. Warum diese Einheitlichkeit, die dem Landtag bei der Einführung der Direktwahl der Landrätinnen und Land räte so wichtig war, jetzt aufgegeben werden soll, lässt der An trag offen, und auch die einführenden Worte, die begründenden Ausführungen Ihres Redners haben dazu nichts beigetragen.
Und der Antrag enthält Zahlen, die an sich erst einmal nicht falsch sind, aber einen falschen Gesamteindruck vermitteln. Festzustellen ist: Ein Drittel aller Landratsdirektwahlen war er folgreich. Mindestens hier stimmt nicht, dass das Quorum zu hoch war. In allen anderen Fällen, in denen die Direktwahl ge scheitert ist, haben die Kreistage entschieden - so, wie es im Kommunalwahlgesetz vorgesehen ist. In diesen Fällen hat je weils eine Mehrheit der Mitglieder des Kreistages die Landrä tin oder den Landrat gewählt.
Die entsprechende Legitimation ergibt sich für diese Vertre tung aus dem Umstand, dass alle ihr angehörenden Kreistags mitglieder frei und direkt gewählt worden sind. Dabei lag die Wahlbeteiligung beispielsweise in Elbe-Elster bei über 50 %, in Oberhavel bei mehr als 46 % und in Teltow-Fläming bei über 43 %. Auch zur Frage des Übergangs des Wahlrechts auf den Kreistag für den Fall des Verfehlens des Quorums und
auch zur Höhe des Quorums enthält die Begründung des Kom munalrechtsreformgesetzes Ausführungen. Ich werde das jetzt nicht ausschweifend vortragen, empfehle Ihnen aber, meine Herren, insbesondere Herrn von Raemdonck, die Lektüre.
Ich fasse zusammen - erstens: Eine Absenkung des Quorums allein für die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte würde die Einheitlichkeit mit den Vorschriften für die Wahl der Bür germeister aufheben. Diese Einheitlichkeit war damals vom Landtag ausdrücklich gewollt. Eine Begründung für die Ab weichung wurde nicht vorgetragen.
Zweitens: Die Absenkung ist nicht notwendig, weil das Bran denburgische Kommunalwahlgesetz ein demokratisches und geeignetes Verfahren enthält, im Falle des Verfehlens des Quorums Landrätinnen und Landräte durch Kreistage wählen zu lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende An trag löst das Problem der mangelnden Beteiligung an Landrats direktwahlen nicht. Er leistet nicht einmal einen Beitrag dazu. Nein, er macht die Sache noch schlimmer. Herr von Raem donck sagte heute auch: Das muss uns doch zu denken geben! - Ich habe vorher schon darüber nachgedacht und Ihre Rede vom 19. März nachgelesen. Da sagten Sie auch: Da stellt sich doch die berechtigte Frage, ob das Quorum nicht gleich ganz abge schafft werden sollte. - Sie sind heute noch einmal darauf ein gegangen. Dann beantragen Sie es doch hier! Dann können wir das gleich komplett debattieren.
Meine Meinung ist: Wenn Bürgerinnen und Bürger, wenn Wählerinnen und Wähler nicht von ihrem Mitbestimmungs recht Gebrauch machen, dann muss uns das Sorge bereiten. Mir bereitet das Sorge. Die Lösung kann nur sein, dass wir die Menschen wieder für Demokratie begeistern. Das machen wir, das machen viele von Ihnen jeden Tag hier im Parlament, in den Wahlkreisen, in den Familien und im Freundeskreis. Viel leicht ist Letzteres manchmal das Schwerste.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lie be Kolleginnen und Kollegen! Wie funktioniert das eigentlich in der Alternative für Deutschland? Da gibt es eine Landrats wahl, dort wird das Quorum knapp verfehlt, und schon wird ein Gesetz geändert.
Nun haben wir uns in unserer Fraktion gefragt: Wie kommt ihr von 15 auf 12 %? Was ist da der wirkliche Unterschied? Jetzt haben wir es gehört: Weil dann die Mehrzahl der Wahlen in der Vergangenheit, wo das Quorum nicht erfüllt worden ist, gelun gen wäre. Das ist die Rückschau. Was aber ist, wenn es in Zu kunft wieder 200 oder 300 Stimmen sind, an denen wir schei tern? Kommt dann der nächste Antrag? Ändern wir dann wie der ein Gesetz?
Das Ganze zeugt davon, dass die AfD keine Alternative, son dern ein aktionistisches politisches Element hier im Landtag ist.
Es geht Ihnen allein darum, ein Problem, das zugegebenerma ßen da ist, aufzugreifen und den Leuten fälschlicherweise zu suggerieren, dass Sie die Lösung finden.
Richtig ist: Wir haben uns, als wir das damals einführten, auf einen Kompromiss verständigt, und dieser Kompromiss sah die 15 % vor. Es gibt auch aus meiner Sicht keine tiefere Be gründung für 15 %. Es könnten genauso 17 % sein, es könnten 12 % sein.
Und ich möchte daran erinnern, dass ich an dieser Stelle auch angesichts der Wahlbeteiligung an den letzten Wahlen - ob Landtagswahlen oder Kommunalwahl - dafür geworben habe, dass wir in Brandenburg in eine Diskussion darüber eintreten, wie wir Wahlen attraktiver machen können. Quorum entfällt, erster Wahlgang gilt, SMS einsetzen, Briefwahl verändern - all das habe ich hier schon einmal ausgeführt. Die Vorsitzenden der CDU-Fraktion Schierack und Senftleben haben das Glei che in der Öffentlichkeit getan. Von den Regierungsfraktionen sind diese Bitten und Anregungen wohl gehört, aber nicht auf gegriffen worden.
Ich kann auch nicht verstehen und akzeptieren, dass dieser Punkt im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform, durch die ja alles in Brandenburg besser werden soll - sogar die Verkehrs struktur, wie wir heute Morgen gehört haben -, überhaupt nicht beleuchtet wird. Das wäre vielleicht auch ein Punkt für die morgige Debatte - wenn so viel Veränderung noch möglich ist.
Ja, es ist richtig: Wir haben ein Problem; es ist aber falsch, da raus abzuleiten, dass wir in Brandenburg keine Demokratie hätten. Es ist falsch, aus diesem Problem abzuleiten, dass in Brandenburg eine Minderheit über die Mehrheit herrsche.
Es ist zwar politisch erlaubt, aber in der Sache unzulässig, hier im Landtag solche abstrusen Behauptungen aufzustellen.
Wir sind offen, was Maßnahmen - auch kreativer Art - und eine Diskussion darüber betrifft, wie wir zu mehr Wahlbeteiligung kommen. Aber es reicht nicht, wenn die CDU-Fraktion Dinge in die Debatte einbringt. Ich fordere insbesondere die Kollegen von der SPD auf, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden.
Ich fordere auch die Landesregierung auf, sich ihrer Verant wortung bewusst zu werden, jetzt in diesen Diskussionsprozess einzutreten. Wann sonst wollen wir das machen? Es ist immer schlecht, so etwas kurz vor Wahlen zu machen. Denn dann heißt es, da ginge es darum, irgendwelche Interessen zu befrie digen. Es muss einen gewissen zeitlichen Abstand geben. Wir haben schon vor längerer Zeit Vorschläge eingebracht und würden uns freuen, wenn diese Vorschläge, die wir noch nicht endgültig bewertet haben, auch von SPD, Linken und vor allem von der Landesregierung einer Bewertung unterzogen würden.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Bild einmal aufräumen: Wenn eine Landratswahl wegen 200 Stimmen schiefgeht, sollte man nicht nur das Scheitern beklagen, son dern auch die zweite Seite der Medaille erwähnen: Tausende Menschen sind zur Wahl gegangen und haben sich überlegt, wen sie wählen. Da haben sich vier bis sieben Bewerber einen Wahlkampf geliefert, Argumente und unterschiedliche Vorstel lungen ausgetauscht. Dass es dann einmal an ein paar hundert Stimmen scheitert, heißt nicht, dass wir mit der Direktwahl der Landräte insgesamt falsch liegen. Die Direktwahl der Landräte hat in Brandenburg viel zum Guten verändert - das meine ich nicht parteipolitisch, sondern beziehe mich damit auf den poli tischen und demokratischen Wettbewerb. Dieser politische und demokratische Wettbewerb tut nicht nur der SPD in Branden burg gut, liebe Kollegin Geywitz, sondern dem gesamten Land Brandenburg, und deswegen sollten wir daran festhalten. - Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf der Besuchertribüne! Seit der Einführung der Direkt wahl der Landräte im Jahr 2010 wurden zwölf Wahlen durch geführt. In nur vier Fällen war die Direktwahl erfolgreich: Im Landkreis Dahme-Spreewald und in der Prignitz wurden die Bewerber im ersten Wahlgang direkt gewählt, in den Landkrei sen Oberspreewald-Lausitz und Märkisch-Oderland im zwei ten Wahlgang. Die übrigen acht Wahlen fielen an die Kreistage zurück; einmal kam es dabei sogar zu einem Losentscheid - nämlich im Landkreis Barnim, lieber Herr Kurth.
Dieser beklagenswerte Zustand ist auf eine einmalige branden burgische Besonderheit zurückzuführen: das Zustimmungs quorum von 15 %, welches sonst nur aus der Volksgesetzge bung bekannt ist. In allen anderen Bundesländern - die Landrä te werden überwiegend direkt gewählt, nur in Baden-Württem berg und Schleswig-Holstein von den Kreistagen - genügt die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Die Verbindung von Zustimmungsquorum und niedriger Wahl beteiligung hat eine Direktwahl in Brandenburg also fast regel haft verhindert. Dem Souverän wird das Wahlrecht entzogen, die Kreisbürgerinnen und -bürger werden bestraft, wenn sie
von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen. Dies wirft zahl reiche Fragen auf, insbesondere da wir in unserem Staatswesen keinerlei Wahlpflicht verankert haben. Das Wahlrecht fällt an die Kreistage zurück, die auch nicht unbedingt auf üppige Wahl beteiligungen verweisen können. Außerdem ist eine Konkurrenz um die Wahlfunktion in der politischen Landschaft Deutsch lands absolut ungewöhnlich. Ein Vorrecht einer Vertretung auf die Wahl der Verwaltungsspitze lässt sich nicht begründen.
Natürlich sind niedrige Wahlbeteiligungen demokratietheore tisch nicht schön. Verfassungsrechtlich ist eine niedrige Wahl beteiligung für die Wahl von Bewerbern aber irrelevant, solan ge das Mehrheitsprinzip eingehalten wird. Die notwendige Le gitimation der Gewählten ist schon allein dadurch gewahrt, dass alle Wahlberechtigten sich an allgemeinen und freien Wahlen beteiligen können.
Wir halten fest: Ein Zustimmungsquorum ist zur Legitimation von Landratswahlen überflüssig und zeigt keinerlei mobilisie rende Wirkung. Das Gegenteil ist der Fall: Bürger, die bei zwei Wahlgängen ihre Stimme abgegeben haben, werden praktisch mit der Annullierung der Wahl bestraft und frustriert. Wahlabstinenz wird indirekt belohnt und kann als taktisches Mittel eingesetzt werden.