Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

Es gilt diesen Menschen Schutz und menschenwürdige Lebensbedingungen zu bieten. Insofern bin ich der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, denn auch mich machen die letzten Bundestags- und Bundesratsinitiativen zu Fragen der Asylpolitik in Deutschland besorgt. Daher werte ich Ihren Antrag, sehr geehrte Abgeordnete der Grünen-Fraktion, als Willensbekundung, den breiten überparteilichen Konsens der letzten Wahlperiode fortzusetzen und die Beschlüsse dieses Landtages durch die bundespolitischen Beschlusslagen nicht infrage zu stellen.

Aus Sicht der Landesregierung kann ich Ihnen versichern, dass wir alles daransetzen werden, dass Ihre Sorge unbegründet bleibt. Das Land Brandenburg stellt derzeit den Vorsitz der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder. Ministerpräsident Woidke hat mit Nachdruck dafür gesorgt, dass auch um heikle Fragen der Flüchtlingspolitik kein Bogen gemacht wird. Auch wir sagen, was Sache ist. So wird derzeit eine Länderabfrage durchgeführt, um die noch immer strittige Frage der Höhe der Pauschale zu klären, die der Bund zukünftig für die Unterbringung von Flüchtlingen bzw. Asylbe

werbern erstatten wird. Dies ist besonders für unsere Kommunen und Landkreise von enormer Bedeutung, da diese Pauschale für Asylbewerber gezahlt werden soll, die bereits durch den Erstbescheid länger als drei Monate in Deutschland bleiben werden - Menschen also, die für einen längeren Zeitraum eine Unterbringung brauchen, die ein Alltagsleben nach einer meist traumatischen Flucht möglich macht.

Gleichzeitig sind für die absehbar wachsende Zahl der Menschen, die in den nächsten Monaten auch in Brandenburg Zuflucht suchen werden, Lösungen nötig - Lösungen, die schnell gefunden werden, aber trotzdem menschenwürdig sein müssen. An diesen Erhebungen wird mit Nachdruck gearbeitet, um am 11. Dezember auf der Konferenz der Landeschefinnen und Landeschefs zu einem Ergebnis zu kommen. Brandenburg wird alles daransetzen, dass dieses Ergebnis den Intentionen des heute zu diskutierenden Antrags entspricht.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Nonnema- cher [B90/GRÜNE])

Brandenburg hat auch im aktuellen Gesetzgebungsverfahren seine bisherige Position vertreten. Wir stehen für die Abschaffung der - so schätze ich sie ein - menschenfeindlichen Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Wir befürworten eine direkte Integration der Flüchtlinge in die Regelsozialleistungssysteme

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

und unterstützen auch in Zukunft Bemühungen, die dringend notwendige Gesundheitsversorgung auf die Krankenkassen zu übertragen; hierbei sehen wir vor allem den Bund in der Pflicht. Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht, auch und erst recht für Flüchtlinge.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Linke steht, dass die Koalition die Kommunen auch weiterhin bei der Schaffung zusätzlicher Unterbringungsmöglichkeiten unterstützt - wo immer es geht, auch in Wohnungen. Dazu stehen wir auch nach den jüngsten Gesetzesänderungen. Ziel ist und bleibt es, selbstbestimmtes Wohnen und damit selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wir müssen uns dabei nicht verstecken - die Prignitz ist ein gutes Beispiel: Hier werden bisher alle Flüchtlinge direkt in Wohnungen untergebracht. Das ist der Weg, den Brandenburg weiterhin gehen will.

Die Mittel aus dem 5-Millionen-Sonderprogramm wurden den Kommunen für zusätzliche Personal- und Sachkosten zur Verfügung gestellt. Es sind Mittel, die unter anderem in den in Ihrem Antrag geforderten Zugang zu Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche geflossen sind. Über dieses Sonderprogramm wurde zum Beispiel seit dem Schuljahr 2013/14 eine Versorgung im schulischen Bereich bereits in der Erstunterbringung in Eisenhüttenstadt - also vor Ort - ermöglicht. Dieser Zeitraum war sonst für die Kinder und Jugendlichen verloren, weil in ihm die Schulpflicht ruhte. Wir wollten diese Zeit als deutschlandweit erstes Bundesland besser nutzen, denn Spracherwerb ist der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe; zu diesem Ziel stehen wir.

Ein kindgerechtes Aufwachsen und die bestmögliche Förde

rung von Kindern und Jugendlichen sind für uns von besonderer Bedeutung. Krieg, Verfolgung und Flucht sollen für sie nicht die bestimmende Erinnerung ihrer Kindheit sein. Deshalb werden wir die Kommunen natürlich auch dabei unterstützen, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer in Weiterbildungen zu qualifizieren, damit sie ihren Aufgaben nachkommen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Frau Schier, die Landesregierung ist sich der zu stemmenden Aufgabe bewusst. Wir arbeiten jetzt schon ressortübergreifend an den notwendigen Lösungen, die wir gemeinsam mit den Landkreisen, Städten und Kommunen suchen und - da bin ich sicher - finden werden. Wichtig ist aber: Auch die größten Bemühungen um eine gute, menschenwürdige und sozial integrierte Unterbringung von Flüchtlingen wird scheitern, wenn sie im direkten Umfeld Ablehnung erfahren. Auch darum bin ich für den Vorstoß der Grünen dankbar, weil die heutige Debatte zeigt, dass sich dieses Parlament seiner Verantwortung gegenüber Asylsuchenden stellt. Ich bin dankbar, dass auch aus den Reihen der Opposition deutlich gemacht wird, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in unserem Parlament und in unserem Land keinen Platz haben werden. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, B90/GRÜNE und der frak- tionslosen Abgeordneten Frau Schülzke, Schulze und Vi- da)

Danke. - Das Wort erhält der fraktionslose Abgeordnete Vida mit drei Minuten Redezeit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Ich danke den Grünen für diesen Antrag. Insbesondere danke ich dafür, dass er so früh in dieser Legislaturperiode kommt, denn der Antrag ist ein klares Bekenntnis zu Brandenburg als einem gastfreundlichen Bundesland.

Ich bitte um Nachsicht, wenn mein Redebeitrag weniger aus der Sicht eines MdL geprägt ist, sondern mehr aus meiner Funktion als Vorsitzender des Beirates für Migration und Integration des Landkreises Barnim. In dieser Funktion bin ich regelmäßig in Übergangswohnheimen unterwegs - auch ohne Presse oder ministerielle Begleitung -, um zu sehen, wie dort der Alltag aussieht.

Der Antrag, meine Damen und Herren, orientiert sich an neuesten migrationswissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach Unterbringung in Wohnungen die gesellschaftliche Teilhabe fördert, Integration beschleunigt und so auch zu größerer Akzeptanz beiträgt. Die Migrantenverbände in Land und Kreisen ringen seit langem darum, die dezentrale Unterbringung voranzutreiben. Hierbei ist Kultursensibilität gefragt, und viele engagierte Kräfte im ganzen Land arbeiten daran. Sie stoßen dabei auch an Kapazitätsgrenzen und brauchen Ihre Unterstützung, zum Beispiel ein Signal des Landtags, das deutlich macht, dass eine offene Willkommenskultur einen gesellschaftlichen Mehrwert darstellt, den es zu pflegen gilt.

Flucht und Vertreibung sind eine geopolitische Tatsache; Brandenburg als Bundesland muss hierfür Lösungen finden. Wir

brauchen eine Gesellschaft, die - durch Wohnen in Wohnungen für jedermann - auf Partizipation setzt. Insbesondere für Familien gilt es, schnell - nach spätestens drei Monaten - aus Übergangswohnheimen in Wohnungen zu kommen; so ist es im Wohnkonzept des Landkreises Barnim vorgesehen. Völlig zu Recht weisen die Antragsteller in der Begründung darauf hin, dass Notlösungen ohne den nötigen - auch politischen - Druck zu Dauerlösungen werden können; dem gilt es vorzubeugen. Und ja: Es bedarf einer Kraftanstrengung des Landes, der Kreise, Gemeinden und städtischen Wohnungsgesellschaften.

Ich bin der Überzeugung, dass Interesse, Begeisterung für kulturelle Vielfalt ein Klima des Miteinanders schafft. Bei dieser Diskussion braucht es Tiefgründigkeit, Toleranz und Empathie, denn sie sind die Säulen einer von Respekt und Aufgeschlossenheit getragenen Migrationspolitik. Dieser Antrag leistet einen guten Beitrag dazu. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Frau Schülzke und Schulze und bei B90/GRÜNE)

Danke schön. - Die Kollegin hat noch eine Restredezeit von anderthalb Minuten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss sagen, ich habe heute viel Zustimmendes gehört. Ich habe mich insbesondere sehr über die Worte unserer neuen Sozialministerin gefreut, die versichert hat, dass die rot-rote Landesregierung die Intention unseres Antrags weiterhin praktisch eins zu eins verfolgen will. Wenn wir das erreicht haben, ist das schon eine sehr schöne Sache.

Ich sehe nur so manche Widersprüche gar nicht, wie - von Frau Schier angedeutet -, wir würden die Kommunen in ein schlechtes Licht rücken. Das ist überhaupt nicht der Fall. Ich habe doch genau geschildert, welche Schwierigkeiten durchaus bestehen und habe das auch anerkannt. Wir wollen bloß nicht, dass in einer schwierigen Situation Tatsachen geschaffen werden, die uns integrationspolitisch in die völlig falsche Ecke führen, sondern dass notfallmäßige Unterbringungen, dass Ausnahmeregelungen wirklich auf ein absolutes Minimum begrenzt werden. Wenn das Konsens ist - das, was wir als UltimaRatio-Lösungen akzeptieren oder - wie Kollegin Johlige es sagte -, ja, es gibt auch Gewerbegebiete oder Gebäude in Gewerbegebieten, die an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen sind, die in gutem Zustand sind -, dann kann man darüber reden. Aber wir dürfen nicht dahin kommen, dass diese neuen bundesgesetzlich vorgegebenen Regelungen dazu ausgenutzt werden, dass wir wieder riesige Heime im Außenbereich und in Gewerbegebieten neu errichten, denn dann haben wir sie für die nächsten 25 Jahre an der Backe. Selbst die Industrieund Handelskammer weist darauf hin, dass da ein erhebliches Gefährdungspotenzial besteht. Diese Gebäude haben dann Bestandsschutz über die Befristung von 2019 hinaus.

Also vielen Dank für den vielen Zuspruch, wie jetzt auch von der Fraktion DIE LINKE, nach der Rede von Frau Johlige, die ich eigentlich eins zu eins im Sinne unseres Antrages werte. Hinzugefügt wurde jedoch, dass unser Antrag abgelehnt wer

den muss. Das sei Ihnen überlassen, aber das erschließt sich mir nicht ganz. Aber so ist halt die Koalitionsdisziplin.

(Beifall des fraktionslosen Abgeordneten Schulze)

Herr Jung, ich habe mich sogar gefreut, von Ihnen zu hören, dass die AfD einige unserer Forderungen teilen kann. Sieh an! Ich hätte es dann allerdings schön gefunden, wenn Sie nicht in Ihrem Beitrag auf die Sozialneiddebatte gekommen wären und wieder Abschiebung, Abschiebung, Abschiebung gefordert hätten, wohl wissend, dass wir steigende Anerkennungszahlen haben und dass bei vielen Flüchtlingen und Asylbewerbern …

(Beifall B90/GRÜNE)

Frau Kollegin, auch wenn Ihr Beitrag Zuspruch findet, die Redezeit ist eine Minute überzogen.

- Ich bin sofort fertig.

… Abschiebehindernisse bestehen. Deswegen haben diese Menschen eine Duldung. Wir können auch keine Flüchtlinge in Ebola-Gebiete abschieben, auch wenn für diese Gebiete kein offizieller Abschiebestopp erlassen ist.

(Beifall B90/GRÜNE und des fraktionslosen Abgeordne- ten Schulze)

Danke schön. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das Ende der Debatte erreicht. Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Flüchtlinge und Asylsuchende nicht am Stadtrand isolieren, sondern in unsere Kommunen integrieren -, Drucksache 6/95, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt nicht für diesen Antrag? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und zahlreichen Neinstimmen ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen mit dem Titel „Der humanitären Verantwortung gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden gerecht werden - die Unterbringung menschenwürdig gestalten!“, Drucksache 6/145, auf. Ich darf fragen: Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Gibt es Enthaltungen? - Ich stelle fest: Der Antrag ist mit einer breiten Mehrheit angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Das „Europäische Jahr der Entwicklung 2015“ - Auch in Brandenburg zur Entwicklungspolitik informieren, das Bewusstsein stärken und zum Mitgestalten anregen

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 6/100

Das Wort erhält die Abgeordnete Barbara Richstein von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland bekämpft zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft weltweit Armut. Sie kämpft für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, für eine faire Gestaltung der Globalisierung und für den Erhalt der Umwelt und der natürlichen Ressourcen.

Eines der wichtigsten Instrumente, um diese Ziele zu erreichen, ist die Entwicklungszusammenarbeit. Sie ist ein Gebot der Menschlichkeit und sie ist ein Gebot der Vernunft, denn sie sichert die Zukunft der Menschen in den Entwicklungsländern und damit auch unsere eigene Zukunft.

Armut bekämpfen, Hunger und Krankheit besiegen, Bildung schaffen, Demokratie und Frieden fördern, Menschenrechte und Chancengleichheit verwirklichen, Umwelt und Ressourcen bewahren, das sind die acht Ziele, die sich die Staats- und Regierungschefs aus 189 Ländern in der Millenniums-Erklärung vor 14 Jahren gesetzt haben. Sie einte die Vorstellung einer Welt ohne Armut und ohne Angst vor Verfolgung, um das Leben vieler Millionen Menschen in der ganzen Welt zu verbessern.

All dies sind Ziele, die eine gute Entwicklungszusammenarbeit zu einem elementaren Punkt politischen Handelns in allen Feldern machen. Entwicklungspolitik wird in der Bevölkerung heute schon erfreulicherweise stärker wahrgenommen als früher - auch in Brandenburg.

Meine Damen und Herren! Jede Veränderung beginnt vor der eigenen Haustür oder im eigenen Kopf. Daher ist auch die Arbeit bei uns hier im Land für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit wichtig. Als Brandenburger Politiker sollten wir unsere Verantwortung in der Welt wahrnehmen und auch zu Hause dazu beitragen, dass zu Entwicklungspolitik informiert, das Bewusstsein dafür gestärkt und zur Mitgestaltung angeregt wird.

(Beifall CDU)

Wir tragen die Verantwortung, die Querverbindung zwischen regionaler und internationaler Politik den Bürgerinnen und Bürgern überzeugend darzustellen und den Zusammenhang zu erklären.

Meine Damen und Herren! Im nächsten Jahr - im 15. Jahr nach der Verabschiedung der Millenniums-Erklärung - begeht Europa das Europäische Jahr der Entwicklung. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass sich die Landesregierung aktiv und vor allen Dingen ressortübergreifend in die Vorbereitung und Umsetzung des Europäischen Jahres der Entwicklung 2015 einbringt. Gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt, wo wir über diesen Antrag debattieren, trifft sich eine Vorbereitungsgruppe von Nichtregierungsorganisationen von lokalen und regionalen Partnern - auch grenzüberschreitend nach Polen - in Frankfurt (Oder) zur Gestaltung des Europäischen Jahres der Entwicklung. Eigentlich sollte auch ein Mitarbeiter - in Worten: ein Mitarbeiter - der Landesregierung dabei sein. Dieser Mitarbeiter, so wurde mir gesagt, darf heute stattdessen unserer Debatte beiwohnen. Es zeigt aber, dass es eben nur ein Mitarbeiter hätte sein sollen.