Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklungspolitik führt gewöhnlicherweise ein Schattendasein. Sie wird zwar sehr häufig plakativ anlässlich irgendwelcher Feiertage vermerkt, aber wenn man sich dann die realen Handlungsaktivitäten anschaut, stellt man fest, es wird sehr dünn. Die Bundesregierung hat sich - wie alle vorherigen Bundesregierungen - seit vielen Jahren dazu verpflichtet, 0,7 % des BIP für die Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie sich die Realität anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir bei 0,38 % liegen.

Die Europäische Union ist mittlerweile der größte Geber öffentlicher Entwicklungshilfe, und trotzdem handelt auch sie nicht immer im Sinne von Entwicklungspolitik. Die Chance, 2015 das Europäische Jahr der Entwicklung aufzugreifen, um mit ganz unterschiedlichen Menschen unterschiedlichste Dinge debattieren zu können - ob es Vereine, die Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen sind, ob es die WTO ist oder ob es Regierungsorganisationen sind -, ist groß, denn - dies steht im Übrigen auch in unserem Koalitionsvertrag - wir brauchen Nachhaltigkeit - im sozialen, im ökologischen und im ökonomischen Bereich sowie in der Politikgestaltung.

Wenn man das weiter auseinandernimmt, dann muss man sagen: Wenn wir Entwicklungspolitik betreiben wollen, dann müssen wir ein vollkommen anderes Grundverständnis entwi

ckeln. Wir haben weltweit eine extreme Kinderarmut. Wenn im Koalitionsvertrag steht, dass wir in Brandenburg die Kinderarmut bekämpfen wollen, dann muss dies ganz genauso für die Kinder in Bangladesch, Myanmar oder sonst wo auf dieser Welt gelten.

Was hängt daran? Daran hängt, dass wir in diesen Ländern eine Versorgung mit gesundem Wasser brauchen, die Genehmigung, mehr Generika zu produzieren und in diese Länder zu liefern, damit kranke Menschen dort behandelt werden können, die Medikamente für sie bezahlbar sind und sie eine Chance haben, dort zu bleiben.

Außerdem brauchen wir asymmetrische Handelsabkommen. Das heißt, wir, die starken Länder, müssen unsere Märkte für die Produkte der Entwicklungsländer öffnen. Wir dürfen aber nicht gleichzeitig verlangen, dass diese auch ihre Grenzen öffnen, weil wir dann unsere Produkte dorthin liefern und die Länder ihrerseits nicht mehr produzieren können.

(Beifall des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Das hatten wir sehr häufig, zum Beispiel bei der Baumwolle. Das war eines der großen Probleme. Wenn wir den Agrarexport subventionieren, dann geht das so nicht.

Das Land Brandenburg ist sich seiner Aufgabe sehr wohl bewusst. Wenn man das auf die einzelnen Bereiche bezieht, dann stellen sich folgende Fragen: Wie müssen wir andere Wirtschaftsstrukturen organisieren? Wie können wir gewährleisten, dass die Menschen in diesen Ländern unter ihren Bedingungen ihr eigenes Leben gestalten können? Das bedeutet erst einmal, dass sie überhaupt überleben können.

Dort, wo das noch nicht geht, sind wir in der Verantwortung, den Menschen zu helfen, wenn sie hierherkommen und um unsere Hilfe bitten. Die Debatte um die Flüchtlingspolitik hatten wir heute Morgen. Eine schlechte Entwicklungspolitik treibt Flüchtlinge immer mehr. Das Entscheidende ist: Wenn Sie sich anschauen, wie viele kriegerische Auseinandersetzungen es aus den unterschiedlichsten Gründen weltweit gibt, so stellen Sie fest: Sie haben nicht abgenommen, sie haben zugenommen.

Dass Menschen davor flüchten, ist doch das Selbstverständlichste in dieser Welt. Das würden Sie ganz genauso tun, wenn Sie in einer Region lebten, wo Sie den Tod fürchten müssen, weil dort militärische Auseinandersetzungen stattfinden, wo Sie keine Chance haben, eine Gesundheitsversorgung oder Bildung zu erhalten, wo das Nicht-Lesen- und Nicht-SchreibenKönnen zur Kindheit gehört.

Also, wir haben die einmalige Chance, dieses Jahr zu nutzen. Ich finde den Antrag sehr gut. Wir sollten im Ausschuss debattieren, wie wir es gemeinsam gestalten können und wie jeder seiner Verantwortung auch separat nachkommen kann. Also, was kann die Landesregierung auf ihren Gebieten, was können die Abgeordneten leisten? Wie viele Veranstaltungen werden wir in den Wahlkreisen initiieren, wie viele Veranstaltungen wird der Landtag machen? Die Europäische Union hat keinen guten Ruf. „Die Europäische Union ist immer fernab in Brüssel, die sind böse, die reden uns nur rein“ und was da alles gesagt wird. Wenn wir aber nachweisen können, dass dort ein tatsächlicher Mehrwert, eine Erhöhung des Gebrauchswerts, eine Minimierung von Armut, von kriegerischen Auseinanderset

zungen erreicht werden kann, wenn wir das mit jedem einzelnen Brandenburger debattieren - Sie sind immerhin 88 Abgeordnete, und es kommt noch die gesamte Landesregierung, die Abteilung Europa dazu, und das ist schon eine ganze Menge -, dann können wir auch zu einem besseren Verständnis der Notwendigkeit „Brandenburg in Europa, Europa in Brandenburg und weltweit“ beitragen. Wir sind gern dazu bereit.

Insofern freue ich mich auf die erste Ausschusssitzung, wo wir dies dann konkret untersetzen können. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Danke. - Das Wort erhält erneut die Abgeordnete Richstein.

Ich beginne einmal mit dem Positiven. Vielen Dank für Ihre zustimmenden Äußerungen zu dem Antrag. Wenn Frau Münch sagt, sie sei dankbar für den Antrag, und wenn der Herr Minister sogar sagt, es sei ein sehr guter Antrag, dann kann ich allerdings nicht verstehen, warum Sie diesem Antrag nicht einfach zustimmen. Wir können doch trotzdem im Ausschuss debattieren.

(Beifall CDU)

Aber - da gebe ich dem Minister durchaus Recht - es ist in der Tat oftmals plakativ. Wenn nämlich hier von den Regierungsfraktionen hervorgehoben wird, was für eine tolle Arbeit die BREBIT macht, dann frage ich mich: Wer von Ihnen war denn letzte Woche bei der Eröffnung? Es meldet sich keiner. Das ist auch nicht verwunderlich, weil von Ihnen keiner da war. Nimmt jemand überhaupt die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen wahr?

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Ja, aber Sie haben doch Fraktionskollegen. Wenn Sie selbst verhindert sind, hätten Sie jemand anders schicken können.

Und, Frau Münch, wenn Sie den Bund in der Pflicht sehen, was die Landesregierung anscheinend sehr gern macht: Der Bund hat seine Pflicht getan. Der Bund hat ein nationales Arbeitsprogramm erarbeitet. Aber das muss auch in den Ländern umgesetzt werden, da können Sie nicht nur auf den Bund schielen. Wenn Sie sagen, es sei alles super, es sei ein schöner Antrag, den wir am 10. Dezember behandeln wollten, dann ist das so, als ob Sie am 25. Dezember anfingen, sich darüber Gedanken zu machen, welche Weihnachtsgeschenke Sie kaufen wollten. Das finde ich sehr betrüblich. Ich hoffe, dass Sie über Ihren Schatten springen und einem Antrag, der gut ist, obwohl er von der Opposition kommt, zustimmen können.

Ich möchte an dieser Stelle noch etwas ganz Persönliches sagen. Es ist meine letzte Rede als Sprecherin für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik. Ich werde zukünftig Sprecherin für Kommunalpolitik sein. Das mag den einen oder anderen verwundern; ich hoffe, den Herrn Minister, der zwar nicht hier ist, freut es. Aber das ist ganz im Sinne der Rio-Deklaration von 1992, der sogenannten Agenda 21, wo es immer heißt: „Global denken - lokal handeln!“ Ich komme von der

globalen Entwicklungspolitik jetzt zur Lokalpolitik, und darauf freue ich mich. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Wir haben das Ende der Debatte erreicht und kommen zur Abstimmung. Die Fraktionen SPD und DIE LINKE beantragen die Überweisung des Antrags „Das ‚Europäische Jahr der Entwicklung 2015‘ - Auch in Brandenburg zur Entwicklungspolitik informieren, das Bewusstsein stärken und zum Mitgestalten anregen“, Drucksache 6/100, an den Ausschuss für Europaangelegenheiten, Entwicklungspolitik und Verbraucherschutz. Wer möchte diesem Überweisungsantrag zustimmen? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei einer deutlichen Mehrheit, mit einigen Neinstimmen und wenigen Enthaltungen, ist dieser Überweisungsantrag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Brandenburgisches Vergabegesetz an bundeseinheitliche Mindestlohnregelung anpassen

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 6/101

Ferner liegt Ihnen in der Drucksache 6/141 ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor.

Das Wort erhält die antragstellende Fraktion. Herr Abgeordneter Homeyer, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Licht ist schon etwas gedimmt. Ich hoffe aber, dass Sie bei meiner Rede nicht einschlafen. Ich werde mir jedenfalls Mühe geben.

Zunächst einmal möchte ich Sie von den weltpolitischen Herausforderungen wieder zu den brandenburgischen Problemen herunterholen. Die weltpolitischen Probleme können wir sicherlich nicht alle lösen. Aber, meine Damen und Herren, ich habe Ihnen ein Angebot zu machen, nämlich ein brandenburgisches Problem heute zu lösen. Sie brauchen nur unserem Antrag zuzustimmen, und innerhalb von zwei, drei Tagen hat es unsere Ministerialbürokratie im Griff, und wir können zügig zu einer vernünftigen Lösung kommen.

(Beifall CDU)

Worum geht es, meine Damen und Herren? Es geht mal wieder um das Brandenburgische Vergabegesetz. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode hier sehr viele Debatten geführt, ich will nicht sagen, die eine oder andere Schlacht geschlagen; das wäre sicherlich überhöht. Aber im Prinzip wissen wir alle, worum es geht. Es gibt unterschiedliche Auffassungen - sicherlich heute auch noch. Mir ist völlig bewusst, dass es Ihnen, meine Damen und Herren von Rot-Rot, bei diesem Gesetz immer um mehr ging als um reine Fachlichkeit, sondern im We

sentlichen natürlich darum, dass Sie Ihre „Ideologie“ durchsetzen wollten, also mit aller Macht, koste es, was es wolle, das Vergabegesetz und einen brandenburgischen Mindestlohn einzuführen.

Das Ergebnis, meine Damen und Herren, kennen wir alle. Das erfinde ich jetzt nicht, sondern es ist der von Ihnen in Auftrag gegebene Evaluierungsbericht vom Frühjahr dieses Jahres, der eindeutig diagnostiziert: Dieses Gesetz ist überflüssig, dieses Gesetz hat viel Geld gekostet, dieses Gesetz schadet der brandenburgischen Wirtschaft, und im Kern, so sagt es der Evaluierungsbericht, erfüllt es noch nicht einmal Ihr Grundanliegen, nämlich etwas für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun. Das wird nämlich auch bezweifelt.

Ich habe geglaubt, wir haben jetzt eine bundeseinheitliche Lösung - das neue Bundesgesetz wird ab 01.01.2015 in Kraft treten -, und ich habe geglaubt, das ist eine wunderbare Sache. Nun gibt es die Chance für Rot-Rot - auch für Sie, Herr Vogel; Sie waren auch dafür -, ohne Gesichtsverlust sich von diesem Bürokratiemonster zu befreien. Bis heute Vormittag war ich noch der festen Überzeugung, dass das so sein wird: dass Sie unserem Antrag zustimmen, dass Sie auch einsehen und verstehen, dass es überhaupt keinen Sinn ergibt, ab 01.01.2015 zwei Gesetze, nämlich Ihr Vergabegesetz und das neue Gesetz der schwarz-roten Bundesregierung, zu verabschieden, was ja eigentlich auch auf der Hand liegt. Das Bundesgesetz gilt. Es regelt für Ost und West ab 01.01.2015 eindeutig und klar: 8,50 Euro für jeden Arbeitnehmer. Es gibt eine Ausnahme: In Branchen, in denen es allgemeinverbindliche Tarifverträge gibt, sind diese bis 2016 noch möglich, aber spätestens ab 2017 gilt: 8,50 Euro für jeden Arbeitnehmer in Deutschland. Weiteren Ausnahmeregelungen, zum Beispiel für Erntehelfer befristet auf vier Jahre, haben Sie als Koalitionspartner zugestimmt. Aber im Prinzip gilt dieser Mindestlohn ab 1. Januar.

Es gibt also überhaupt keinen Grund, unser Brandenburgisches Vergabegesetz in der vorliegenden Form weiterhin existieren zu lassen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt - mit der festen Überzeugung, dass Sie das genauso sehen und auch zustimmen werden. Ich glaube, es wäre auch ein wichtiges Signal, unsere Unternehmen und auch unsere Kommunalverwaltungen von Bürokratie zu befreien. Damit wäre auch wirtschaftspolitisch ein Signal zu setzen, dass es für brandenburgische kleine und mittlere Unternehmen interessant und spannend ist, sich an öffentlichen Vergaben zu beteiligen. Wenn wir in unseren Wahlkreisen herumfahren, hören wir: Für kleine und mittlere Unternehmen ist dies in Brandenburg eben nicht mehr spannend. Im Gegenteil, man sagt: Das ist uns zu viel Bürokratie, das wollen wir nicht, das machen wir nicht, dann gehen wir lieber nach Berlin und beteiligen uns an diesen Dingen nicht. - Damit hätten wir jetzt eine Chance gehabt. Jetzt haben Sie aber einen Entschließungsantrag vorgelegt, meine Damen und Herren, und der macht mich misstrauisch.

(Beifall CDU)

Denn darin sagen Sie in zwei Punkten ganz klar: Das Mindestarbeitsentgelt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen soll die Landesregierung nach Vorliegen eines Vorschlags der Brandenburgischen Mindestlohnkommission im Frühjahr 2015 überprüfen und dem Landtag einen Entwurf zur Anpassung an die Änderung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlegen. Der zweite Punkt: Das brandenburgische Vergabegesetz

ist in der Folge zu novellieren und mit den bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen zu synchronisieren.

Was heißt das? Das heißt zunächst einmal, dass Sie sich Zeit lassen - bis zum Frühjahr, spätestens bis Anfang Mai; bis dahin hat die Kommission Zeit -, ohne Grund. Oder aber es heißt, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass in Brandenburg weiterhin ein höherer Mindestlohn gezahlt wird, eventuell 9,50 Euro oder 10 Euro. Das bedeutet aber in der Konsequenz wenn Sie das wirklich wollen; das werden wir nachher noch hören, Ihre Redner werden es ja sagen -, dass weiterhin parallel eine bundesgesetzliche Regelung und ein Landesgesetz in Kraft sind: 8,50 Euro für jeden Arbeitnehmer, mit wenig bzw. so gut wie ohne Bürokratieaufwand, und das brandenburgische Vergabegesetz mit einem höheren Mindestlohn, als das Bundesgesetz es fordert, und einem Bürokratieaufwand, den der Steuerzahler zu tragen hat, und all den Auswirkungen, die der Evaluierungsbericht uns aufgezeigt hat, nämlich: dass es ein sinnloses Gesetz ist.

Ich bin gespannt, wie Ihre Position dazu ist. Wir werden nachher sicherlich noch in eine muntere Debatte darüber eintreten können. - Ich bedanke mich.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Barthel.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Werte Damen und Herren! Der Kollege Homeyer hat Recht: Die Diskussion um das Mindestlohngesetz hat dieses Parlament schon sehr lange begleitet und wird es auch in Zukunft begleiten. Brandenburg gehörte zu den Vorreitern beim allgemeinen Mindestlohn in Deutschland. Mit dem Brandenburgischen Vergabegesetz für öffentliche Aufträge wurde frühzeitig das getan, was in unserer Macht steht, um gute Arbeit - darum geht es uns an dieser Stelle - ordentlich zu entlohnen.

(Beifall SPD - Bretz [CDU]: 8,50 Euro!)

Darüber hinaus haben wir uns auch gegenüber dem Bund für die Schaffung eines deutschlandweit einheitlichen Mindestlohngesetzes eingesetzt; es tritt zum 1. Januar 2015 in Kraft. Aber Sie haben zutreffend gesagt: Es gibt Übergangsregelungen und Fristen, und der Mindestlohn - die 8,50 Euro - kommt flächendeckend frühestens im Jahr 2017. Das heißt, es sind noch mindestens 2 Jahre, in denen es Ausschreibungen - auch vonseiten der öffentlichen Hand - geben kann, die nicht dem Mindestlohngesetz unterliegen, weil das Bundesgesetz zulässt, dass in Branchen, in denen Tarifverträge existieren, nach denen die Löhne unterhalb der im Vergabegesetz geregelten 8,50 Euro liegen, niedrigere Mindestlöhne gezahlt werden dürfen.

(Bretz [CDU]: Hat Frau Nahles das so gesagt?)