Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

(Bretz [CDU]: Hat Frau Nahles das so gesagt?)

- Das steht im Gesetz.

Schauen wir einmal konkret nach Brandenburg: Von der gesetzlichen Regelung sind diese Branchen unter anderem betroffen: das Bewachungsgewerbe mit einem gegenwärtigen Min

destlohn von 8,15 Euro und die Gebäudereiniger mit einem Mindestlohn von 7,96 Euro. Wenn Sie die bundesgesetzliche Regelung auf das Brandenburgische Vergabegesetz übertragen, heißt das im Klartext, dass Sie den Beschäftigten weniger zahlen wollen, als es mit dem Brandenburger Vergabegesetz derzeit vorgesehen ist.

(Bretz [CDU]: Wer ist denn eigentlich die Bundesarbeits- ministerin? Wer ist denn das?)

- Die Bundesarbeitsministerin und die SPD hätten gern eine andere Regelung gehabt, aber es gab Lobbyverbände, die sich dagegen gestellt haben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich darf Sie nur daran erinnern: Wenn der Mindestlohn nicht in dieser Ausführlichkeit in unserem Wahlprogramm gestanden hätte und nicht im Koalitionsvertrag vereinbart worden wäre, gäbe es das Bundesmindestlohngesetz heute nicht. Das sollte man nicht vergessen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ihr Antrag geht genau in diese Richtung: nämlich dass bestehende gesetzliche Regelungen für Arbeitnehmer zurückgedreht werden sollen. Und das von einer Partei, die ein C im Namen trägt. Das halte ich für sehr fragwürdig.

(Beifall SPD - Dr. Redmann [CDU]: Das ist lächerlich, das glauben Sie selbst nicht!)

Zurück zu unserem Antrag. Natürlich sehen auch wir Novellierungsbedarf in diesem Bereich des Gesetzes. Es gibt eine Doppelgesetzgebung.

(Bretz [CDU]: Aha!)

- Das hat keiner bestritten.

Ich komme zurück auf das, was Kollege Homeyer zur Mindestlohnkommission gesagt hat. Ich fände es gut und richtig, wenn die Mindestlohnkommission, nicht die Regierung, aufgrund der wirtschaftlichen Daten zu dem Schluss käme, dass wir einen höheren Mindestlohn als 8,50 Euro ansetzen sollten.

(Beifall DIE LINKE)

Schleswig-Holstein - ein Land, das mit Brandenburg durchaus vergleichbar ist - hat einen Mindestlohn von 9,21 Euro. Die Unternehmen zahlen diesen Mindestlohn.

(Bretz [CDU]: Haben Sie das Bundesgesetz eigentlich verstanden?)

- Sie haben es offensichtlich nicht verstanden.

(Frau Lehmann [SPD]: Nicht von Herrn Bretz beirren lassen!)

Natürlich sind wir dafür, dass die bürokratische Belastung der Kommunen aufgrund der umfangreichen Kontrolltätigkeit und Nachweispflicht sinkt. Um auf den Kollegen Homeyer zurückzukommen: Ich habe mir die Zahlen des Mittelabflusses geben

lassen, nämlich die Erstattung der Aufwendungen der Kommunen für das Vergabegesetz. Im Jahr 2013 waren es 118 696 Euro, im Jahr 2014 waren es 650 765 Euro. Im Haushalt bereitgestellt sind an dieser Stelle 10 Millionen Euro. Das heißt, der bürokratische Aufwand war deutlich geringer als ursprünglich geplant. So hoch kann der bürokratische Aufwand an der Stelle also nicht sein.

(Bretz [CDU]: Der Bürokratieaufwand ist geringer als ge- plant - das ist ein Wirtschaftspolitiker, wie ich ihn mir wünsche!)

Noch einmal zurück zum Thema Unternehmer.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Ende kommen. Die rote Lampe leuchtet.

Auch bei den Unternehmern ist der bürokratische Aufwand sehr gering.

(Zurufe von der CDU: Was?!)

Ich bin seit 20 Jahren selbstständig. Arbeitszeitnachweise müssen Sie ohnehin führen. Ansonsten brauchen Sie im Bewerbungsantrag nur zu unterschreiben, dass Sie den Mindestlohn zahlen. Das an dieser Stelle.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen. Sofort!

Ja. - Ich bitte Sie, unserem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. Wir wollen, dass der Mindestlohn verlässlich, existenzsichernd und klar gesetzlich geregelt ist. - Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich bitte darum, dass meiner ersten Aufforderung Folge geleistet wird. - Für die AfD-Fraktion bitte ich den Abgeordneten Königer nach vorn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen! Auf den relativ witzigen Einfall von Herrn Bretz, Herrn Barthel zu fragen, wie denn die Bundessozialministerin heiße, müsste man Herrn Bretz eigentlich fragen, wie denn die Kanzlerin heißt, der wir die Einführung des Mindestlohns zu verdanken haben.

(Bretz [CDU]: Das war ein gelungener Einstieg! Herz- lichen Glückwunsch!)

Die Alternative für Deutschland steht für Bürokratieabbau und wirtschaftliche Selbstbestimmung. Ein staatlich verordneter Mindestlohn entspricht nicht den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die eine Autonomie der Tarifpartner voraussetzt. Deshalb ist jeder in einem Gesetz festgeschriebene Bezug zu einem Mindestlohn zu streichen. Die Bestimmungen zu einem landesspezifisch geregelten Mindestlohn sollten schon allein deshalb aufgehoben werden, weil sie andernfalls aufgrund der gleichlautenden Regelungen auf Bundesebene zu Redundanzen führen, die zusätzliche Ressourcen binden würden.

Das Brandenburger Vergabegesetz steht für unsere Fraktion jedoch insgesamt für ein bürokratisches Hindernis, welches bis auf einige Einzelregelungen wie die in § 11 geregelte Listung von Auftragssperren aufgehoben werden sollte. Gebietskörperschaften haben sich idealerweise auf ihre Kernaufgaben zu beschränken und keine Aufgaben wahrzunehmen, die von Ämtern, Behörden und Kontrollorganen ausgeführt werden müssen. Ihrer vom Gesetzgeber zugeschriebenen Vorbildfunktion werden sie mit eigenständigem Handeln gerecht, wozu es keiner Gesetze bedarf.

Lohndumping wird mit diesem Instrument nicht wirksam bekämpft. Die Einhaltung des Datenschutzes ist problematisch und die zusätzlichen Pflichten der Verwaltung der Städte und Gemeinden verhindern einen wirksamen Bürokratieabbau. Mit der Einsichtnahme der Verwaltung in die Bücher des Auftragsnehmers zu Prüfungszwecken werden Kompetenz- und Aufgabenbereiche überschritten. Die Kompetenzen für die Prüfung zur Einhaltung gesetzlicher Standards sollten an der hierfür originär zuständigen Stelle aufgebaut werden. Die bürokratischen Hürden des Gesetzes zeigen überdeutlich, dass sich die Städte und Gemeinden mit der Antragstellung zur Kostenerstattung ihres Aufwandes durch das Land schwertun. Deshalb sollte das Gesetz insgesamt aufgehoben und sollten einzelne sinnvolle Bestimmungen an anderer Stelle kodifiziert werden. Die Fraktion der Alternative für Deutschland stimmt dem Antrag zu.

(Beifall AfD sowie vereinzelt CDU)

Danke schön. - Als nächsten Redner bitte ich Herrn Loehr nach vorne. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Brandenburger Vergabegesetz ist Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, schon lange ein Dorn im Auge; das wissen wir. Deswegen wollen Sie es nun - nein, nicht sofort abschaffen, aber entkernen. Das werden wir, das wird diese Koalition nicht zulassen. Der gesetzliche bundesweite Mindestlohn kommt, das ist ein Fakt - endlich, muss ich anfügen. Dass er kommt, ist auch ein Verdienst meiner Partei. Wir haben als erste politische Kraft dafür gekämpft. Es dauert lange, bis die CDU endlich gesellschaftliche Mehrheiten akzeptiert. Wir wollen weiterhin eine Vorreiterrolle beim Mindestlohn und bei der Ausgestaltung von guter Arbeit bei öffentlichen Aufträgen einnehmen. DIE LINKE in Brandenburg steht für einen bundesweiten existenzsichernden Mindestlohn, und zwar ohne Ausnahmen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie beantragen die Aufhebung aller Bestimmungen im Brandenburgischen Vergabegesetz, die einen landesspezifischen Mindestlohn regeln. So würde das löchrige Mindestlohngesetz des Bundes auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe in Brandenburg zur Anwendung kommen. Der bundesweite Mindestlohn von 8,50 Euro gilt nicht - wir haben es gerade gehört - für alle Berufsgruppen: nicht für Beschäftigte unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung, nicht für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung und auch nicht für Beschäftigte in Branchen, in denen allgemeingültige Tarifverträge unter 8,50 Euro bestehen.

(Dr. Redmann [CDU]: Das ist ja auch richtig so!)

Die Beispiele des Kollegen Barthel haben Sie gehört. Im Gegensatz zur CDU-Fraktion ist das für uns nicht akzeptabel. Deshalb spricht sich meine Fraktion hier in aller Deutlichkeit für die Beibehaltung der landesspezifischen Mindestlohnregelungen aus. Wir brauchen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ohne Ausnahmen, der dem Anspruch guter Arbeit Rechnung trägt. Dafür reichen 8,50 Euro im Jahr 2015 nicht aus. 10 Euro pro Stunde wären nötig, um mit Vollzeitarbeit aus der Erwerbsarmut herauszukommen und im Alter nicht von Sozialhilfe abhängig zu sein.

(Beifall DIE LINKE)

Das wissen auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Zahlen, mit welcher Rente man bei solch geringen Einkommen rechnen kann, sind lange bekannt. Dass wir diese Höhe in Brandenburg nicht von heute auf morgen bekommen werden, ist uns klar. Wir sind aber auf dem richtigen Weg, und da vertraue ich weiterhin der brandenburgischen Mindestlohnkommission. Sie wird uns im kommenden Jahr einen Vorschlag unterbreiten. Darauf, dass der Bund sich diesbezüglich weiterbewegt, wollen und können wir in Brandenburg nicht warten. Und ob sich auf Bundesebene überhaupt etwas in die richtige Richtung bewegt, bleibt abzuwarten. Deshalb ist uns die Regelung in § 3 Abs. 3 des Brandenburgischen Vergabegesetzes wichtig. Diese wollen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ja nicht ohne Grund abschaffen.

Im Übrigen: Welchen Spagat Sie heute hinlegen, finde ich durchaus erstaunlich. Sie fordern heute unter Tagesordnungspunkt 10 ein Konzept zur zielgerichteten Bekämpfung von Armut, und dann kommen Sie hier wie der Wolf im Schafspelz daher und wollen ein Instrument gegen Einkommensarmut im Land Brandenburg abschaffen. Ja, Armut ist oft mehr als die bloße Einkommensarmut, da gebe ich Ihnen Recht. Aber auch Einkommensarmut muss bekämpft werden. Und dazu leistet das Brandenburger Vergabegesetz einen Beitrag.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Schluss noch ein Hinweis: Anders als bei Ihnen in der Begründung zum Antrag heißt es im Informationsschreiben des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten vom 1. Oktober 2014, dass die öffentlichen Auftraggeber zum Teil vor nicht unerheblichen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Brandenburgischen Vergabegesetzes stehen könnten. Aber die differenzierte Betrachtung von Problemen war auch bisher nicht immer Ihre Stärke. - Ich bitte um Zustimmung zum Entschließungsantrag.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)