Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

- Ja, ich kann Ihnen das nicht ersparen.

(Domres [DIE LINKE]: Ja, ja!)

Ich glaube auch nicht, dass Sie damit gerechnet haben, weil der Fehlstart nun erfolgt ist. Ein neues Schuljahr hat begonnen. Im Vorfeld hatten Sie angekündigt, das neue Schuljahr sei der Beginn einer völlig neuen Zeit. Dieses Land brauche nicht mehr zu fürchten, dass es zu Unterrichtsausfall kommen werde.

(Wichmann [CDU]: Schön wäre es!)

Das waren Aussagen, die ich im Wahlkampf gelesen habe. Sie haben gesagt: Wir haben so viele Lehrer, die nach Brandenburg kommen wollen, dass wir uns vor Anmeldungen gar nicht retten können. Wir haben alle gefunden.

Heute, gestern, vorgestern sowie in den Tagen davor konnte man jedoch von verschiedenen Schulen etwas anderes lesen ich habe das aufgeschrieben; denn man kommt bei den ganzen Beispielen völlig durcheinander -, unter anderem von der Goetheschule in Zossen sowie von der Grund- und Oberschule in Rüdersdorf. Gestern Abend gab es den Anruf des besorgten Vaters eines Schülers am Gymnasium Dallgow-Döberitz. Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel - damit Sie nicht allgemein von 800 Schulen und 4 000 Lehrern sprechen -, wie es Eltern in diesem Land ergeht: letztes Jahr kein oder nur wenig Mathe; seit Schuljahresbeginn 2014 - Fehlstart - kein Deutsch bis zu den Herbstferien; jetzt, nach den Herbstferien, geht es weiter mit der tollen Nachricht: kein Unterricht in Englisch bis Jahresende. Das ist die Realität für die Brandenburgerinnen und Brandenburger in den Schulen dieses Landes.

Meine Damen und Herren, das Ende des Ganzen ist, dass die Eltern aus ihrem eigenen Geldbeutel, in den Sie auch greifen wollen, den versäumten Unterrichtsstoff im Nachhilfeunterricht bezahlen müssen. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Das geht doch nicht!

(Beifall CDU und AfD sowie vereinzelt B90/GRÜNE und des Abgeordneten Schulze [fraktionslos])

Sie haben ja nun den Sprecher an der Spitze des Bildungsministeriums ausgewechselt.

(Domres [DIE LINKE]: Sie auch! - Ness [SPD]: Mit Auswechseln kennen Sie sich ja aus! - Heiterkeit SPD)

- Ja, das ist kein Problem. Aber der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Sie regieren dieses Land und tragen die Verantwortung.

(Beifall und Zurufe SPD und DIE LINKE)

Sie entscheiden hier. Das ist der Unterschied. Deswegen: Wer regieren will, muss auch die Wahrheiten ertragen können. Das ist ebenfalls eine Ansage, meine Damen und Herren.

(Domres [DIE LINKE]: Genau! Aber auch die Opposition!)

Deshalb: Wie regiert die Landesregierung? Sie sagt wortwörtlich - das ist nicht meine Aussage, sondern die Aussage von Ihnen -:

„Wir können uns mitten im Schuljahr keine neuen Lehrer backen.“

Das ist Ihre Vision, Ihre Antwort auf die Fragen der besorgten Eltern und Lehrer, Ihre Antwort an die Kinder, die Sie doch davon haben Sie zumindest gesprochen - im Land behalten wollen. Denen sagen Sie: Wir können mitten im Schuljahr keine neuen Lehrer backen. - Das ist die Realität im Schuljahr 2014/2015, meine Damen und Herren.

Herr Baaske, ich glaube oder hoffe zumindest, dass Sie diesbezüglich einige neue Akzente setzen werden. Ich habe auch die Hoffnung, dass Sie endlich dazu beitragen, die Experimente zu beenden und als, glaube ich, fünfter Minister der SPD die Fakten ehrlich zu benennen und zur Kenntnis zu nehmen, um dann gemeinsam an die Lösung der Probleme zu gehen. Das ist meine Hoffnung, die ich in Sie persönlich setze, was ich an dieser Stelle loswerden wollte.

Ich habe heute auch Folgendes vernommen - das war sehr spannend -: Wir erleben in Brandenburg ein neues Zeitalter der Schulfusionen. - Einige wissen sicherlich, dass ich auch einmal Bürgermeister war.

(Frau Große [DIE LINKE]: Gemeinschaftsschule!)

- Sie haben „Einheitsschule“ gesagt, dass Sie sozusagen den Einstieg geschafft hätten.

(Domres [DIE LINKE]: Wir haben nie „Einheitsschule“ gesagt! - Frau Große [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)

- Sie haben gesagt, Sie hätten den Einstieg in die Einheitsschule geschafft, und haben das eben noch einmal von Herrn Woidke begründet bekommen.

Wissen Sie, was die Realität ist? In § 16 Abs. 3 des Schulgesetzes steht, dass bereits heute Fusionen von Grundschulen mit anderen Schulen möglich sind. Bereits heute! Ich kenne sogar Städte, die das bereits durchgeführt haben. Deswegen, Herr Görke: Sie haben Ihre ganze 18%-Partei an der Nase herumgeführt, als Sie gesagt haben: Eine Einheitsschule kommt in Brandenburg.

(Minister Görke: 18,6!)

Das ist nicht die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU und AfD)

Ein ebenfalls wichtiger Fakt ist - darüber haben wir in den vergangenen Jahren in diesem Landtag immer heftig debattiert -: In Brandenburg wird es den Kindern selbst überlassen, wie sie lesen und schreiben lernen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Ja, ja!)

- Ja, das ist so. - Das Thema „Schreib, wie du sprichst“ ist zum Inbegriff des Problems geworden. Da dürfen die Schüler erst drauflosschreiben, erlernen somit die falsche Schreibweise, um sich dann mühevoll in Klasse 2 und 3 die richtige Schreibweise anzueignen. Diese Logik ist die von Bildungsträumern, aber nicht von Pädagogen dieses Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU und AfD)

Ich habe sie noch zu Hause: Herr Baaske, wenn Sie möchten, nehmen Sie die Fibel zur Hand. Oder noch besser: Geben Sie den Kindern in diesem Land endlich die Fibel an die Hand, damit das ganze Thema ein Ende hat und vernünftige Dinge eine Rolle spielen.

Herr Ministerpräsident Dr. Woidke, Sie haben zu Beginn Ihrer ersten Regierungserklärung im August letzten Jahres auch den Konflikt in Syrien und die Folgen angesprochen. Sie haben das heute noch einmal dargestellt. Wir alle wissen natürlich, dass allein in diesem Jahr 6 000 neue Flüchtlinge in Brandenburg eine Unterkunft suchen.

Ich will deutlich machen, dass wir - bei allen Dingen, die uns vielleicht in diesem Haus trennen; ich habe gerade einige Dinge beschrieben, die uns auch in anderen Politikbereichen trennen - eines nicht vergessen dürfen: dass auch viele Deutsche, viele unserer Mitbürger in den zurückliegenden Jahren erleiden mussten, was Flucht bedeutet, und wissen, welche Dinge da eine Rolle spielen. Ich möchte daran erinnern, dass vor knapp 25 Jahren in Ungarn 36 000 DDR-Flüchtlinge in Zeltlagern darauf gewartet haben, in die Freiheit zu kommen. Sie wissen ja, von wo sie wegwollten. Durch das segensreiche Wirken von Freifrau von Boeselager und der Malteser in diesen Tagen - das haben wir gerade wieder erlebt; das ist leider zu wenig gewürdigt worden - wurden nämlich all die Menschen in Ungarn gut verpflegt und umsorgt.

(Beifall CDU und AfD)

Ich glaube, dass heute in Deutschland niemand mehr sein Leben riskieren muss, weil er sich seine Träume erfüllen will. Ich sage es Ihnen auch klar und deutlich - heute, in meiner ersten Rede in dieser Funktion -: Es ist schon ein Unterschied, ob jemandem wie mir mit 14 Jahren gesagt wurde: „Du darfst den Beruf nicht ausüben, den du gern ausüben möchtest“, weil das System damals das so wollte, oder ob man - wie heute - das aussprechen und auch leben kann, was man für wichtig hält. Das ist auch ein Verdienst friedlicher Revolutionen.

Meine Damen und Herren, eigentlich haben alle Menschen auf der Welt dieses Recht verdient, aber es ist eben nicht überall Realität. Es gibt auf der Welt leider immer mehr Kriege und Opfer von Gewalt. Deswegen kommen Menschen zu uns, die alles verloren haben, die Dinge erlebt haben, die man keinem anderen Menschen zumuten kann und auch nicht zumuten möchte.

Ich will deutlich machen, dass heute, am Buß- und Bettag, für uns alle klar ist, dass gerade das Thema Flüchtlinge, Unterbringung und Umsorgung auch mit christlicher Nächstenliebe zu tun hat. Nicht umsonst ist das Ganze auch im Grundgesetz so beschrieben: Verantwortung vor Gott und den Menschen. - Wir als CDU bekennen uns zu dieser Verantwortung klar und deutlich.

(Beifall CDU)

Wir werden den Flüchtlingen aus den Krisengebieten dieser Erde auch unsere Hilfe zukommen lassen. Kein Problem dieser Zeit darf dazu führen, dass Hilfesuchenden Hilfe nicht gewährt wird. Wir müssen dafür sorgen, dass Hilfe auch ankommt.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE und AfD)

Ich weiß, dass ein solcher Bogen, den ich jetzt spanne, immer eine gewisse Schwierigkeit birgt, sage aber: Die Bürger und die Kommunen wollen eingebunden werden, und Sie müssen im Vorfeld eingebunden werden. Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn man womöglich Dinge in Potsdam plant und meint, dass man die Bürger vor Ort dann vor vollendete Tatsachen stellen könne. Das ist nicht der richtige Weg. Da haben wir in den letzten Monaten etwas erlebt, was auch Sie heute, im Nachhinein vielleicht anders sehen. Ich biete Ihnen als Vorsitzender der Fraktion der CDU an - viele Kollegen in den Wahlkreisen haben damit Erfahrungen gemacht -, dass wir gemeinsam nach Lösungen in dieser wichtigen Frage suchen. Ich sage aber auch: am Anfang von Entscheidungen und nicht an deren Ende. Das ist meine Bitte an Sie: Binden Sie uns rechtzeitig ein, damit wir den Dingen in gemeinsamer Aktivität auf den Grund gehen können.

Ich möchte mich bei allen in Brandenburg bedanken, die in den letzten Wochen und Monaten dazu beigetragen haben, dass Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen werden, und die mit kleinen oder größeren Spenden dazu beigetragen haben, Menschen zu unterstützen. Dafür vielen herzlichen Dank!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, es gibt weitere wichtige Projekte, die diese Landesregierung angehen möchte - wir haben heute einiges davon gehört -, unter anderem die Kreisgebietsreform oder, wie wir sagen würden, Ihr Verständnis von Politik von oben nach unten. Sie wollen eine Reform. Sie wollen die Anzahl der Landkreise und der kreisfreien Städte reduzieren. Das war’s, mehr steht dazu nicht drin. Keine Idee, wie das Ganze aussehen soll. Ein Leitbild ist sozusagen Ihre generelle Grundmotivlage.

Herr Dr. Woidke, Sie haben - damals als Innenminister - Anfang 2013 drei verschiedene Varianten vorgelegt. Sie haben gesagt, wir könnten uns 12 Landkreise vorstellen, dann wieder 8 Landkreise oder auch 5 Landkreise - und natürlich Potsdam als kreisfreie Stadt, andere aber nicht mehr.

Dann kam Ihr Nachfolger, Herr Holzschuher, der noch im Wahlkampf sagte: Die kreisfreien Städte sind sicher. - Vielleicht meinte er nur eine, aber auf jeden Fall sagte er: Alle sind sicher. - Dann kam Ihr Wahlprogramm mit der Aussage: „Das ist, was wir tun.“ Und was steht da drin? Nichts von einer Gebietsreform, in welcher Form auch immer. Nichts davon steht da drin.

Und dann wird es, wie gesagt, für die Brandenburger relativ klar. Sie setzen einen Vertrag auf und schreiben hinein:

„Die Kreisebene wollen wir durch eine Kreisgebietsreform und die Einkreisung von kreisfreien Städten stärken. Wir halten grundsätzlich maximal zehn Kreisverwaltungen für ausreichend, auf die derzeit vom Land wahrgenommene Aufgaben übertragen werden.“

Warum sagen Sie das denn nicht vorher? Haben Sie sich vorher nicht getraut, das zu sagen? Wir haben uns das getraut. Wir haben ein klares Programm aufgestellt. Sie haben es nicht gemacht, meine Damen und Herren. Deswegen ist das nichts anderes als Wählertäuschung. Sie haben hier die Brandenburger getäuscht!

(Anhaltender Beifall CDU, AfD und B90/GRÜNE sowie der fraktionslosen Abgeordneten Schülzke, Schulze und Vida)