Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Optimismus sehr gutgläubig davon ausgehen, dieses Projekt sei noch zu retten. Das sehen wir kritischer. Der Flughafen „Willy Brandt“ ist ein Vorzeigeprojekt, mit dem sich die etab lierten Parteien in Brandenburg mittlerweile selber demontie ren. In diesem Zusammenhang kann ich mir nur wünschen, dass ich da falsch liege. Ich freue mich also, wenn dieser Flug hafen gelingt.

(Zuruf: Aha!)

Trotzdem bleibt das Projekt ein politisches. Es setzt so, wie es umgesetzt wird - oder eben nicht -, negative Maßstäbe, und die politischen Verantwortungsträger wollen es nicht wahrhaben. Sie machen weiter wie bisher und verkaufen uns sprichwört lich weiße Wände für grüne, Fertigbetonbauteile werden plötz lich zu Brandschutzmauern, und Desasterprojekte werden schon einmal zu Goldgruben.

Landesregierung und FBB versuchen, die Öffentlichkeit zu be ruhigen und Fragen wie Zweifel zu zerstreuen. Allein: Sie mer ken nicht, dass sie sich damit in unterschiedlichen Positionen als Landesregierung und FBB selbst diskreditieren.

Was heißt das nun für diesen Antrag? Ja, das Schallschutzpro gramm hätte in externe Hände gelegt werden müssen, und zwar von Anfang an. Aber was wären jetzt die Auswirkungen einer Ausgliederung? Es wäre eben keine gute Lösung für die Menschen: Die Ausgliederung des Schallschutzprogramms würde zu Verwerfungen in der FBB führen. Der Schallschutz wäre definitiv nicht in dem geplanten Terminband fertig, und die Geschäftsführung hätte die beste Entschuldigung frei Haus geliefert bekommen, weil die Eröffnung zu dem avisierten Termin sowieso nicht möglich wäre. Eine Ausgliederung des Schallschutzprogrammes wäre für den jetzt avisierten Eröff nungstermin kontraproduktiv. Lassen Sie uns über diese Idee reden, wenn das Terminband vielleicht wieder einmal offiziell als unhaltbar verkündet wird.

Aus den genannten Gründen wird die AfD-Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen; wir werden uns enthalten. Einer Überweisung stimmen wir jedoch gerne zu, weil wir damit das Thema auch im Ausschuss am Laufen halten. Das ist wichtig, das ist gut - das kann man gar nicht oft genug machen. Deshalb vielen Dank für diesen Antrag.

(Beifall AfD)

Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Schulze hat das Wort.

Wenn man so wenig Redezeit hat und es um ein so großes The ma geht, dann nutzt man eben jede Gelegenheit, Herr Kalbitz. Wie gesagt: Schulze - vielleicht beim nächsten Mal.

(Och! bei der CDU - Lachen, Zurufe und vereinzelt ironi scher Beifall bei der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen eines ganz klar: Es gibt einen schönen Spruch im Amerikanischen, der lautet: „Schlechtem Geld kein gutes hinterherwerfen!“ An die ser Stelle sage ich daher: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein

Schrecken ohne Ende. Warum wäre das gar nicht so schrecklich, Herr Kalbitz, wie Sie sagen? Erstens wäre ich grundsätzlich für einen anderen Flughafenstandort gewesen als Schönefeld.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie vereinzelt AfD und B90/GRÜNE)

Aber da stecken jetzt 7 Milliarden Euro drin, und einfach zu sagen, diese 7 Milliarden schreiben wir jetzt mal ab, ist auch schwierig. In Tegel wohnen auch Menschen. Es ist also nicht so einfach; da gebe ich denjenigen, die den Flughafen jetzt in politisch verantwortlicher Rolle bewältigen müssen, Recht, dass es keine ganz einfachen Lösungen gibt. Aber wenn dieser Flughafen demnächst irgendwann einmal in Betrieb gehen soll, müssen die Menschen geschützt sein, und dann kann man nicht so knausern wie jetzt.

Im Übrigen - das geht auch an Herrn Barthel und an den Kolle gen von der Linksfraktion -: Mit dem OVG-Urteil ist sowieso alles auf null gestellt. Alle ASE, die mit Schallschutz und Schalldämmlüftern zu tun haben, müssen völlig neu überarbei tet werden. Das ist alles Makulatur. Sie sagen: Wir haben jetzt 95 % abgearbeitet, deswegen können wir jetzt nicht zurück. - Entschuldigung - wir sind wieder bei fast null! Deswegen wäre es gar kein Problem; denn alles muss neu angefasst werden. Das sollten dann endlich einmal Leute machen, die nicht unter Kostendruck stehen.

Der zweite Punkt, den Sie auch immer wieder vergessen, ist Folgender: Sie haben von einem Pool von 45 Handwerkerfir men gesprochen. Ich weiß, dass Herr Barthel auch mit diesen Firmen gesprochen hat, und sie haben Herrn Barthel reinen Wein eingeschenkt und Klartext geredet.

Herr Schulze, die Kurzintervention richtet sich an den Vorred ner - das war nicht Herr Barthel, sondern Herr Königer.

(Zurufe: Nein, Herr Kalbitz! - Königer [AfD]: Mit den Namen klappt es schon jetzt nicht mehr! - Allgemeine Heiterkeit)

Ja, Entschuldigung. - Herr Königer hörte, wie Herr Barthel sagte, dass 45 Firmen im Handwerkerpool sind. Deswegen, Herr Kalbitz, sage ich Ihnen, dass diese Handwerksfirmen zum großen Teil überhaupt nicht mehr bereit sind, diesen Murks an Schallschutz einzubauen. Die Firmen, mit denen ich gespro chen habe, weigern sich, das zu machen. Sie sagen, sie gäben ihre Handwerkerehre nicht für diesen Pfusch hin und bauten es daher nicht ein. Deshalb ist es überhaupt kein Problem, hier jetzt einmal ein Stoppzeichen zu setzen.

Die Redezeit ist nun abgelaufen.

Wir fangen neu bei null an, und dann wird es vielleicht doch noch ein gutes Ende geben.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und AfD - Zu ruf: Christoph, du nervst!)

Möchten Sie auf diese Kurzintervention reagieren, Herr Kal bitz?

(Kalbitz [AfD]: Nein danke, kein Bedarf!)

Dann sind wir beim nächsten Redner; das ist Herr Abgeordne ter Raschke. Er spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir an diesem Standort ganz besonders viel Schallschutz brauchen, damit die Menschen dort wenigstens einigermaßen ruhig und gesund le ben können.

Nun hat uns Christoph Schulze hier einen ziemlich gewagten Vorschlag gemacht, nämlich dass die Zuständigkeit für den Schallschutz künftig statt der Flughafengesellschaft das Land Brandenburg übernehmen soll. Ausgerechnet das Land Bran denburg, das bisher in Sachen Flughafen nicht sehr geglänzt hat!

Wir Grüne sagen am Ende doch Ja dazu, es so zu machen, denn: Was Christoph Schulze vorschlägt, ist das kleinere Übel. Vielleicht kann das Land Brandenburg, wenn es demnächst die Zuständigkeit hat, dies zwar nicht besonders gut, aber es hat dann einen öffentlichen Auftrag. Die Flughafengesellschaft wiederum kann es nicht nur nicht gut, sondern sie will es auch gar nicht. Sie hat - das wurde in der Debatte jetzt herausgear beitet - immer zwei Interessen: Sie muss zunächst Geld verdie nen und Geld sparen und kann erst dann den Schallschutz reali sieren. Das wird auch in dieser Reihenfolge bleiben; an dieser Grundlogik kann man nichts ändern.

(Beifall B90/GRÜNE - Genilke [CDU]: Dann dürfte das Land aber auch keine Bildungspolitik mehr machen!)

Wir haben jetzt schon ausführlich die Genese gehört. Im Plan feststellungsbeschluss stand: Null Überflüge am Tage, bei de nen es im Innenraum lauter als 55 Dezibel ist. - Das hätte zur Folge, dass es ungefähr 730 Millionen Euro kostet. Ich möchte noch eine weitere Zahl ergänzen, warum die FBB versucht hat, das so deutlich zu reduzieren - zunächst auf 16, dann auf 6, anschließend auf 0,99 und schließlich auf 0,49 Überflüge pro Tag: Wenn man 0,49 Überflüge am Tag ansetzt, um sich das auf null schönzurechnen, dann hat man 150 Millionen Euro ge spart. Das sind 150 Millionen Euro weniger, die für echten Schallschutz ausgegeben werden. Dieses Gewinn- und Sparin teresse der FBB kann man nicht abstreiten. Deswegen sagen wir: Es ist richtig, dass das nicht länger in den Händen der FBB bleiben kann.

Jetzt wurde hier die These aufgestellt, mit dem OVG-Urteil gelte der Spruch „Ende gut - alles gut“. Mit dem neuen Ge schäftsführer sei eine neue Kultur in die FBB eingezogen. Beim besten Willen: Wir sehen nicht, dass das schon ausreicht.

Hier wurden schon einige Punkte benannt, die noch im Raum stehen. Erstens ist damit alles auf null zurückgestellt; Chris toph Schulze hat es dargestellt. Zweitens: Wenn in die Häuser

von Flughafenanwohnern Lüfter eingebaut wurden, dann bis her nur Billiglüfter, die lediglich Zuluft ins Haus führen. Wenn sie nachts nicht schlafen konnten, weil sie das Fenster nicht öffnen können, hat der Lüfter Luft von außen hineingepumpt. Jetzt hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass Zuluft alleine nicht reicht, sondern auch Abluft abgeführt werden muss. Das heißt: Dort sind 5 500 Geräte eingebaut, die jetzt al le überprüft und im Zweifel noch einmal ausgebaut und ge tauscht werden müssen. Hier kann man nicht davon reden, dass jetzt alles gut sei.

Weitere Punkte, die noch umstritten sind: Wenn Sie das Pech haben, dass Sie eine Wohnküche haben, die kleiner als 10 m² ist, dann wurde sie bisher nicht eingerechnet. Das kann eigent lich nicht sein und würde wahrscheinlich, wenn es in Händen des Landes läge, von den öffentlichen Behörden anders gese hen werden. Wenn Ihre Decke zu niedrig ist, ist es genau das Gleiche. Wer eigentlich eine Außendämmung braucht, hörte bislang von der FBB: Solange wir zuständig sind, gibt es nur eine Innendämmung. Das würden öffentliche Behörden, so sie ein originäres Interesse haben, den Schallschutz durchzuset zen, durchaus anders machen.

Schließlich bleibt noch der umstrittene Verkehrswert der Grundstücke. All das sind Punkte, die derzeit noch beklagt sind bzw. beklagt werden und die den gesamten Prozess noch deut lich verlängern. Deswegen bleibt festzuhalten: Die FBB kann das mit ihrer Grundlogik nicht. Wir können die Eröffnung des Flughafens gar nicht so oft verschieben, dass wir die Fertigstel lung des Schallschutzes noch vor der Eröffnung hinbekommen würden.

Auch mich nervt Christoph Schulze - als Kollege sitze ich di rekt neben ihm. Eines muss man ihm jedoch lassen: Er hat hier ein Korn gefunden. Deshalb bitten wir als Grüne um Zustim mung zu diesem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun Frau Ministerin Schneider für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um einen Antrag, nach dem die Flughafengesellschaft von der Aufgabe zur Umsetzung des Schallschutzprogramms ent bunden werden und eine Landesgesellschaft dies übernehmen soll. Nach Ihrer Analyse, Herr Schulze, wundert es mich, dass Sie dem Land überhaupt zutrauen, diese Aufgabe zu überneh men.

(Zuruf: Jetzt gibt es ja Sie!)

Die FBB ist Vorhabenträgerin für diesen Flughafen, sie ist Be treiberin des zukünftigen BER. Nach den rechtlichen Grundla gen ist es nun einmal so, dass alles, was in einem Planfeststel lungsbeschluss steht, gilt. Man kann natürlich die Standards in diesem Planfeststellungsbeschluss anpassen und ändern, wie Sie richtig gesagt haben. Aber die im Beschluss formulierten Verpflichtungen gelten immer für den, der den Antrag stellt,

den Vorhabenträger. Eine Übertragung dieser Pflichten auf Dritte, eine Übernahme durch die Behörden ist schlichtweg nicht möglich.

Das hat im Übrigen auch das OVG in dem von Ihnen, Herr Schulze, angesprochenen Urteil zum Tagschutz von 2014 be stätigt. Wenn Sie sich erinnern: Die Behörden haben damals Vollzugshinweise gegeben, um bestimmte Sachen auszulegen und voranzubringen. Das Gericht hat dazu gesagt: Maßgebend sind nicht die Vollzugshinweise, sondern Planfeststellungsbe schluss und Gesetz. - Die FBB ist nach dem Planfeststellungs beschluss immer die Verpflichtete, sofern sie in der Begrün dung des Antrags von behördlichen Verfahren in anderen Be reichen …

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja.

Bitte, Herr Abgeordneter Raschke.

Wir haben uns im Vorfeld auch damit beschäftigt, ob es über haupt möglich ist, den Plan zu ändern. Wir haben jetzt mehr fach gehört, das gehe nicht. Wir haben in der Recherche her ausgefunden, dass die FBB gerade plant, ein Low-Cost-Termi nal am Pier Nord zu bauen. Das ist ein erheblicher Eingriff, al so eine erhebliche Änderung. Auch das soll offenbar durchge winkt werden. Wir fragen uns: Wenn solche erheblichen Ände rungen durchgewinkt werden und man so den Planfeststel lungsbeschluss ändern kann, warum das nicht auch mit der Zuständigkeit gehen sollte.

Die Inhalte eines Planfeststellungsbeschlusses können natür lich geändert werden. Dann geht es darum, ein Gebäude zu än dern und in dem Fall vielleicht die Flugbetriebsflächen zu än dern. Aber eine Verpflichtung wie die, Schallschutz zu gewähr leisten, bezieht sich immer auf den Antragsteller. Das ist nun einmal so. Das ist eine Pflicht, die mit dem Vorhaben zusam menhängt.

Um auf die Behördenentscheidung zurückzukommen, die in der Begründung steht: Es handelt sich da möglicherweise - ich weiß nicht so genau, was Sie gemeint haben - um Verfahren nach § 10 Fluglärmgesetz. Diese Geltendmachung des Anspruchs auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm und der darauf erlassenen Rechtsverordnung bleibt den Anspruchs berechtigten natürlich unbenommen. Aber eines muss man dazu sagen: Die Höhe dieses Anspruchs ist in der Regel geringer als die eines Anspruchs aus der Planfeststellung zum BER.

Aber die FBB befasst sich im Zuge der Umsetzung des Schall schutzprogramms auch damit, dass es möglicherweise an der einen oder anderen Stelle Spezialfälle gibt, in denen noch et

was zusätzlich aus dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm folgt. Ja, es gab Defizite und Vertrauensverluste bei der Umset zung des Schallschutzprogramms. Aber die FBB ist inzwischen besser aufgestellt. Das kam hier schon zur Sprache, das brau che ich jetzt nicht zu wiederholen.