Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Unserer Gesellschaft täte - auch hier im Land - mehr Gemein schaftsgefühl und Toleranz gut, ein Klima, in dem Andersartig keit - sei es durch das Alter, die Existenz von Kindern, Hautfar be, sexuelle Orientierung oder Religion - als normal und nicht als Bedrohung angesehen wird. Das muss in einem Antrag zur Familien- und Kinderpolitik auch einmal ganz oben stehen. Stattdessen binden die Koalitionsfraktionen inhaltlich einen bunten Strauß aus diversen politischen Bereichen. Sie stellen den generationsübergreifenden Ansatz ganz nach oben, kurz dahinter rangiert der Ansatz der Großelternkompetenz.

Im letzten Jahr wurde unsere gemeinsam mit der CDU-Fraktion geforderte Einsetzung einer Landeskinderbeauftragten ab gelehnt. Bei aller Liebe zu Großelternkompetenz: Wir brau chen eine Kinderbeauftragte als Anwältin der Interessen und Zukunftsfragen von Kindern und Jugendlichen. Vielleicht passt das ja noch in das Programm.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Eine andere Idee für die Weiterentwicklung des Programms ha ben wir auch bei den Lokalen Netzwerken und Bündnissen.

Das Netzwerk Gesunde Kinder ist ein gutes Instrument, um junge Familien zu unterstützen. Es wirkt sozial integrierend und gesundheitskompensatorisch. Das freut uns genauso wie das große Engagement der über 1 000 ehrenamtlichen Patinnen und Paten, die das Herzstück des Projektes bilden. Aber insbe sondere bei Familien mit höheren Belastungen und eventuellen Überforderungssituationen reichen die durchschnittlich zehn Besuche einer ehrenamtlichen Patin nicht aus. Deswegen ha ben wir im letzten Jahr - ebenfalls gemeinsam mit der CDU - gefordert, mehr professionelle Kräfte in das Netzwerk einzufü gen. Auch diese Forderung wurde von Ihnen abgelehnt. Wir würden uns wie die jungen Familien, die Unterstützung brau chen, freuen, wenn im Rahmen des Familien- und Kinderpolitischen Programms mehr Familienhebammen zum Einsatz kämen.

Was wir ebenfalls schon lange wollen, sind deutlich bessere Regelungen zur Freistellung für Leitungsaufgaben in Kitas, für die Qualitätsentwicklung oder die bessere Anrechnung von Zeiten für mittelbare pädagogische Tätigkeiten. Damit könnten Sie den Punkt „Qualitative Weiterentwicklung der Kinderta gesbetreuung“ im Antrag füllen.

Neun große Themen werden im Antrag angerissen. In der kon kreten Ausgestaltung muss sich nun zeigen, wie ernst es den Koalitionären damit ist - große Themen, die hoffentlich zu kei nen kleinen Lösungen führen.

Dem bunten Antrag stimmen wir natürlich erst einmal zu. Dann werden wir schauen, was Sie davon umsetzen können. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Danke. - Für die Landesregierung spricht jetzt Ministerin Gol ze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gut Familien- und Kinderpolitik zu Fontane passt, könnte man wissen, wenn man Fontane gelesen hätte. Lesen Sie doch einmal das Gedicht über den Herrn von Ribbeck und den Birnbaum, von dem alten Mann, der sich um die Ernäh rung der Kinder kümmert. Und als die Kinder traurig sind, weil er gestorben ist, stellt sich heraus, dass er dafür gesorgt hat, dass auch nach seinem Ableben noch Birnen für die Kinder in Ribbeck wachsen. Vielleicht, Herr Königer - er hört leider nicht zu -, wäre das mal eine Fortbildungsmaßnahme.

(Beifall DIE LINKE und SPD sowie des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Familien politik und die Familienfreundlichkeit für viele Menschen in unserem Land eine wichtige Aufgabe sind, hat man nicht zu letzt am 15. Mai, dem Tag der Familie, gesehen. Landauf, land ab waren hier Menschen unterwegs und haben ihre zivilgesell schaftlichen Netzwerke und Kooperationen rings um Familien, für und mit Familien vorgestellt. Wichtige Partner dabei sind zum Beispiel die rund 50 Lokalen Bündnisse für Familie im Land.

Wir fördern mit Landesmitteln eine überregionale Koordinie rungsstelle. Sie soll den Bündnispartnern Informationen für die praktische Arbeit zur Verfügung stellen und insbesondere den Erfahrungsaustausch ermöglichen.

Weitere wichtige Verknüpfungspunkte des gesellschaftlichen Engagements für Familien sind die über 20 Mehrgenerationen häuser im Land Brandenburg. Hier fördert das MASGF die Landesarbeitsgemeinschaft der Mehrgenerationenhäuser und leistet damit auch eine strukturelle Unterstützung für deren weitere Etablierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 2005 - das wurde angesprochen - ist das damalige Familien- und Kinderpoliti sche Programm auf den Weg gebracht worden. Es hat dazu bei tragen sollen, Brandenburg zu einem noch familien- und kin derfreundlicheren Land zu machen.

Frau Nonnemacher, Sie haben hier eine fehlende Evaluierung angesprochen. Dem kann ich nicht zustimmen. Sie haben auch Bespiele genannt wie die Netzwerke Gesunde Kinder, an die ich an dieser Stelle auch gern erinnern wollte. Das ist genau eine Maßnahme aus dem damaligen Familien- und Kinderpoli tischen Maßnahmenpaket. Diese Maßnahme feiert eine Er folgsgeschichte: Das Netzwerk Gesunde Kinder wird in diesen Tagen zehn Jahre alt.

Auch die Erfolgsgeschichte des Familienpasses wurde heute schon - von Frau Alter - angesprochen. Über 600 Angebote werden in diesem Buch mit Rabatten für Kinder und ihre Fami lien zusammengefasst. Ich möchte auch das Begrüßungspaket für Neugeborene nennen, das zu diesem bunten Strauß an Maßnahmen gehört, die damals auf den Weg gebracht und in Fortsetzung dessen in der letzten Legislaturperiode entwickelt worden sind. Alle haben einen gemeinsamen Nenner, nämlich das Wohlergehen von Kindern und Familien in Brandenburg zu fördern.

Es kann auch nicht stehen bleiben, dass man sich hier nicht zu den Ergebnissen verständigt hätte, denn auch zu dem Familien- und Kinderpolitischen Maßnahmenprogramm der letzten Le gislaturperiode ist hier im Plenarsaal diskutiert worden. Da mals war ich noch nicht dabei, habe es mir aber erzählen las sen. Man hat sich also sehr genau angeschaut, welche Dinge sinnvoll und notwendig waren, welche unbedingt fortgeführt werden mussten. Deshalb hat man auch im Koalitionsvertrag für die laufende Wahlperiode verabredet, dieses Programm fortzuschreiben.

Nun haben die Koalitionsfraktionen diesen Antrag vorgelegt, um der Landesregierung mit auf den Weg zu geben, wie das genau passieren und auf welche Schwerpunkte dabei geachtet werden soll. Selbstverständlich - ich finde das auch nicht eh renrührig - wird die Landesregierung diese Hinweise aufneh men und bei der Neukonzeption berücksichtigen.

Ich habe gleich einen Vorschlag dazu: Ich möchte, dass wir uns auf weniger, dafür aber klar konturierte Schwerpunkte konzen trieren. In einem solchen Maßnahmenpaket muss nicht alles stehen, was an Familien- und Kinderpolitik im Land getan wird, denn nicht nur die Landesregierung und der Landtag sind für Familien- und Kinderpolitik zuständig. Neben dem Kern dessen, was in diesem Maßnahmenpaket steht, geschieht noch viel mehr in den verschiedenen Ressorts, was Familien und Kindern nützt und aufgebaut und finanziert wird. Wir sollten

auch rückblickend auf die 49 Maßnahmen in 70 Teilprojekten des letzten Programms noch einmal prüfen, ob man sich nicht konzentrieren könnte. Genau das ist die Zielrichtung des An trags, dass wir uns genau diese Themen anschauen.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, hat die Famili enpolitik als Querschnittsaufgabe auch vielfältige Bezüge zu anderen Programmen der Landesregierung - Frau Alter hat dar auf hingewiesen -, insbesondere zur Gleichstellungs-, Behin derten- oder Seniorenpolitik. Da wird natürlich auf die Schnitt stellen geachtet. Das geschieht, weil wir den familienpoliti schen Zusammenhang deutlich machen wollen, aber auch, um Doppelungen von Maßnahmen in den verschiedenen Program men zu vermeiden.

Der Entwurf des neuen Maßnahmenpakets, Frau Augustin, wird selbstverständlich nicht nur mit den Kommunalen Spitzenver bänden oder der Liga der Freien Wohlfahrtspflege diskutiert werden, sondern auch mit den Familienverbänden. All das ge hört zum Selbstverständnis des MASGF. Deshalb werden wir den Entwurf mit diesen Verbänden erörtern. Das steht im Übri gen auch in den mit ihnen geschlossenen Zielvereinbarungen, denn die Familienverbände werden auch als eine Maßnahme des vorangegangenen Pakets durch die Landesregierung beför dert.

Meine Damen und Herren, Familienfreundlichkeit kann die Politik nicht per Gesetz beschließen. Hier bedarf es unser aller Engagement - auch der Menschen vor Ort -, und ich hoffe, dass wir dies im Zusammenhang mit der Erstellung und Umsetzung des Maßnahmenpakets wieder deutlich machen können. - Herz lichen Dank.

Vielen Dank. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion DIE LINKE, für die die Abgeordnete Bader spricht.

Ja, Sie haben es richtig verstanden: Brandenburg ist noch nicht an dem Ziel, eine der kinder- und familienfreundlichsten Regionen Europas zu sein. Aber wir sind auf dem Weg - daher dieser Antrag. Damit setzen wir den Koalitionsvertrag um. Wir setzen Akzente, damit weiterhin gute Rahmenbedingungen ge schaffen werden, sodass sich Familien in Brandenburg wohl fühlen und sich weiter gut entwickeln können.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Ich schließe damit die Aussprache.

Ich rufe den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE „Weiterentwicklung des Familien- und Kinderpoliti schen Programms“, Drucksache 6/4290, zur Abstimmung auf. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? - Gibt es Gegenstim men? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mehr heitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungs punkt 14 auf:

200 Jahre Theodor Fontane - frühzeitig Planung für Jubiläumsjahr starten

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/4294

Dazu liegt mit Drucksache 6/4342 ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion vor.

Die Aussprache wird von der Fraktion DIE LINKE eröffnet. Frau Große, bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Sie bei den weichen, den Wohlfühlthemen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen wollen, noch im Saale sind! „Das ist ein zu weites Feld“. - Wer hat dieses Zitat nicht schon einmal be nutzt? Im politischen Raum wird es immer verwendet, wenn man sagen möchte, dass etwas zu komplex, zu übergreifend ist. Eigentlich hat es Effi Briests Vater in einer Situation geäußert, in der alles gescheitert ist und er sich nicht zu der Verantwor tung für das Scheitern hat bekennen können. Wir sollten mit Zitaten also sorgsam umgehen. Das sage ich insbesondere Ih nen, Herr Königer. Ich könnte Ihnen da noch eines entgegen schmettern, mache es aber nicht.

„Effi Briest“ war Pflichtlektüre in der DDR und gehörte zum Kanon. Manchmal wünsche ich mir einen Literaturkanon zu rück, da es etwas Verbindendes, Identitätsstiftendes hat, wenn alle Schüler einer Generation ein Werk zusammen lesen. So etwas haben wir jetzt nicht mehr.

(Vereinzelt Beifall AfD sowie des Abgeordneten Lütt mann [SPD])

Wir haben hier gestern sehr viel über Heimat gehört - Gutes wie Diffuses -; Identität spielte jedenfalls immer wieder eine Rolle im Zusammenhang mit der Verwaltungsstrukturreform. Wenn jemand in diesem Land auf einer anderen Ebene Identi tät stiften kann, ist es Theodor Fontane, dessen 200. Geburtstag wir 2019 feiern werden. Natürlich tragen die Dichter in diesem Land wie Kleist und Fontane zur Identität der Brandenburger bei. Ein Jubiläum ist immer auch ein Anlass, sich noch einmal der Rezeption des Werkes zu stellen. Das heißt eben nicht, dass man alles toll finden muss und es idealisiert. Das heißt, dass man sich bewusst wird, was Fontane - er hat erst mit 60 Jahren begonnen, seine tollen Romane zu schreiben - seinerzeit hat sa gen wollen, was er uns heute sagt. Wir können dem nachgehen und uns kritisch mit ihm auseinandersetzen, auch politisch, denn es war nicht alles korrekt, was er so von sich gegeben hat. Wir sollten ihn nicht instrumentalisieren, auch nicht nur ver markten und im touristischen Interesse verwerten. Bei diesem Jubiläum geht es um sehr viel mehr.

Natürlich ist Fontane in diesem Land omnipräsent. Es gibt 15 Schulen im Land Brandenburg, die seinen Namen tragen, es gibt eine Hochschule - unsere medizinische -, eine Therme, ein Fontane-Archiv, eine Fontanestadt, es gibt einen Fontane-Klub in Brandenburg an der Havel - nicht in Neuruppin -, eine Fon

tanebar, eine Fontane-Klinik, im Norden Brandenburgs sogar eine Gesundheitsregion „Fontane“. Fontane hat mit seinen fünf Bänden „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, die zwi schen 1862 und 1889 erschienen sind, nicht nur unser Land be schrieben und bekannt gemacht, sondern zahlreichen Orten damit auch ein Denkmal gesetzt. Er ist immer noch der Bran denburg-Autor und prägt mit diesen Erzählungen bis heute das Bild unseres Bundeslandes.

Fünf Regionen hat Fontane in 27 Jahren erwandert und in sei nen Bänden verewigt: die Grafschaft Ruppin, das Oderland, das Havelland, das Spreeland und im letzten Band die Schlös ser. Die Idee zu den Wanderungen kam ihm übrigens in Schott land. So ist es ja oft: Wenn man woanders ist, bekommt man plötzlich einen ganz anderen, auch verklärteren Blick auf das, was sich Heimat nennt. So erging es auch Fontane.

Warum also jetzt ein Antrag, von dem ich annehme, dass gro ßer Konsens darüber herrscht, was die Identitätsstiftung be trifft? - Ich denke, dass in diesem Land eine Konzeption wich tig ist. In Neuruppin stehen ja schon hundert Skulpturen - klei ne Fontanefiguren aus Plastik -, zu denen man eine unterschied liche ästhetische Auffassung haben kann, aber immerhin ist die Beschäftigung mit dem Fontanejahr 2019 eingeläutet. Wir ha ben gute Erfahrungen mit den großen Würdigungen von Kleist und Friedrich gemacht; im letzten Jahr hatten wir eine große Ausstellung.

Wir sollten das in einem Guss denken, und dazu braucht es ei nen Zeitvorlauf. Wir müssen uns auf das Wesentliche konzent rieren und all die in ihrer Vielfalt ansprechen, die sich gern da mit beschäftigen wollen. Vor allem soll es uns gelingen, Kin dern und Jugendlichen Fontane zugänglich zu machen. Wir möchten, dass sich die Gruppen des Darstellenden Spiels an unseren Schulen und in den Theaterarbeitsgemeinschaften mit Fontane auseinandersetzen. Fontane hat mit seinen wunderba ren Frauenfiguren Effi Briest, Jenny Treibel, Stine auch un glaublich viel in Bezug auf das Frauenbild geleistet. Wir möch ten, dass das in den Vordergrund rückt, und durch die Beschäf tigung mit seinem literarischen Werk sein Frauenbild erschlie ßen.

Wir wollen und müssen Synergieeffekte durch ein intensiveres Zusammenwirken des Fontane-Archivs und der Universität Potsdam erzeugen und möchten, dass die Laga in Wittstock da von lebt. Die Oranienburger Laga hatte damals sehr schöne Themenzimmer mit Zitaten von Herman van Veen, die immer noch dort hängen. Aus der schönen Sprache van Veens zusam men mit den Blumen und der Laga entstand ein Gesamtkunst werk, das wir uns auch für Wittstock wünschten.

Zum Entschließungsantrag der CDU: Die CDU möchte, dass das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zentra ler Ort ist und auch die Verantwortung übernimmt. Das sehen wir ein bisschen kritisch. Wir möchten schon, dass Neuruppin, die Fontanestadt, zentraler Ort bleibt. Das HBPG wird sich be teiligen, möglicherweise sogar mit einer Ausstellung, das will ich nicht ausschließen. Aber die Federführung wollen wir doch dem Ort lassen, an den Fontane tatsächlich gehört.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Dass die Kreise sich als Akteure daran beteiligen sollten, wün schen Sie auch in Ihrem Antrag, Frau Abgeordnete Heinrich.

Das ist auch für uns selbstverständlich, dem kann ich zustim men. Problematisch finde ich allerdings, dass Sie in diesem Zuge noch die Straßen um Neuruppin ausbauen wollen. Das kann ich hier einfach nicht zusagen. Ich wünschte es mir natür lich, aber das möchte ich im Antrag eigentlich nicht mit ver wurstet haben.