und haben versucht, Brücken zur SPD zur schlagen. Sie wissen aber ganz genau, dass wir mit unseren Vorschlägen dafür ge sorgt haben, dass dort ein Konzept entwickelt worden ist, das tragfähig und vermittelbar ist. Das hat Ihnen nicht gepasst. Im Übrigen …
Wissen Sie, was Sie damals mit Ihrem Minderheitenvotum ge macht haben? Sie haben darauf bestanden - das ist alles nach vollziehbar -, kenntlich zu machen, welche Aufgaben Sie alle nicht kommunalisieren wollten.
Wäre das mehrheitsfähig gewesen, hätten wir in der Enquete kommission mehr als die Hälfte der Aufgaben streichen müs sen. Wir haben dafür gesorgt, dass dieses Paket zusammenge halten wurde, und genau das tun wir jetzt wieder.
Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Vergangene Woche wurden 41 Vertreter der Kommunen sowie Gewerkschafterinnen über 17 Stunden zum Leitbildentwurf der Landesregierung und dessen Weiterent wicklung in Form der Beschlussempfehlung der Koalitions fraktionen angehört. Bemerkenswert war übrigens, Herr Köni ger, dass die AfD-Fraktion das beachtliche Kunststück voll bracht hat, in der gesamten Zeit so gut wie keine Frage zu stellen, da es dazu eines Minimums an Sachkenntnis bedurft hätte.
Sie stehen aber - wie üblich - nur desorientiert irgendwo auf der Barrikade herum und haben - wie üblich - keinerlei Lö sungsansätze im Gepäck.
Und wenn Sie mit den „tausend freiheitsliebenden Bürgern“ den Betriebsausflug einiger Stadtverwaltungen meinen, sage ich Ihnen: Das kann man auch anders sehen.
Im Herbst 2014 war die Tinte unter dem Koalitionsvertrag noch nicht getrocknet, da hatten die Reformgegner schon ihren Widerstand organisiert und starke Bilder für die Gegenkampagne entworfen: Der gepanzerte Roland mit Schwert und Schild, die Kreisfreiheit verteidigend, sollte ein solches Symbol wer den, genauso wie die Mär von dem vermeintlichen Verrat an der Heimat und dem ländlichen Raum. Die Größe eines Land kreises bemaß sich zur Zeit der Stein-Hardenbergschen Refor men an der Tagesreise einer Postkutsche.
Im Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts haben wir andere Kriterien für Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit.
Ausdruck einer verstörenden Kommunikationsunfähigkeit ist, dass die rot-rote Koalition nie in der Lage war, eine plausible und verständliche Erzählung zu ihrem - in unseren Augen be rechtigten und notwendigen - Reformprojekt zu finden. Der Diskurs wurde medial immer von der Gegenseite beherrscht.
Während der anfänglich widerstrebende Koalitionspartner DIE LINKE immer mehr zum Impulsgeber wurde, erlaubten sich die Sozialdemokraten bis in die jüngste Zeit eine schier un glaubliche Kakophonie und haben den sprichwörtlich roten Fa den erst sehr spät gefunden. Wer noch sechs Wochen vor der entscheidenden Abstimmung über den Leitbildprozess im Landtag glaubt, er könne vielbeschäftigte Hauptverwaltungsbe amte sowie Gewerkschaftsvertreterinnen sechs bis acht Stunden auf Gelegenheit für die Abgabe ihres Statements in einer chaoti schen Anhörung warten lassen, hat bis zuletzt von Wertschät zung der kommunalen Familie, von Werbung für ein Gemein schaftsprojekt und Austausch auf Augenhöhe nichts verstanden.
Frau Kollegin, wie erklären Sie dann - so habe ich Ihre Kritik an der CDU-Fraktion verstanden -, dass alle Oberbürgermeis ter und Landräte diese Reform rückhaltlos ablehnen?
Herr Schulze, das erkläre ich im Weiteren. Hören Sie einfach zu, dann ist die Frage auch beantwortet.
Kommen wir nach der B-Note „ungenügend“ zur A-Note, dem technischen Wert, den eigentlichen Inhalten: Zu Beginn des Jahres 2011, als die Enquetekommission 5/1 auf den Weg ge bracht wurde, einte eigentlich alle politischen Kräfte die Ein schätzung: Ja, es gibt erhebliche Probleme und dringenden Handlungsbedarf in puncto Zukunftsfähigkeit. - Dies schlug sich auch in dem immer wieder zitierten und viel gelobten Abschlussbericht der Enquetekommission nieder. Inzwischen scheint es - möglicherweise ein Tribut an einen rückwärtsge wandten Zeitgeist - schick geworden zu sein, sich in Problem verleugnung und Gefühlsduselei zu ergehen. Da wird schnell einmal der demografische Wandel in seinen Auswirkungen ge leugnet; da werden seit Jahren bestehende statistische Trends infrage gestellt; da werden ansonsten ungeliebte Flüchtlinge als Trendwende verkauft
und wird ein diffuses Heimatgefühl als Ersatz für rationale Problemlösungsstrategien heraufbeschworen.
Wer seine Heimat, sein Land Brandenburg liebt, muss sich mit den Problemen auseinandersetzen und darf nicht abtauchen.
Er darf sich nicht damit zufrieden geben, dass sich Gemeinden unter 3 000 Einwohnern als zukunftsfähig deklarieren,
dass überschuldete Kommunen am Dauertropf hängen, dass sich Landkreise mit rapide sinkenden Einwohnerzahlen als verwaltungsstark apostrophieren.
Die Erweiterung der kommunalen Kooperation ist kein Ersatz für eine Verwaltungsstrukturreform. Das hat die Enquetekom mission 5/1 so gesehen, das wird im Leitbildentwurf begründet und wird auch durch Heimattümelei nicht entkräftet. Freiwillige Zusammenarbeit geht mit tendenziell unübersichtlichen, mangelhaft legitimierten und kontrollierten Strukturen, erhöh tem Koordinationsaufwand und größerer Instabilität einher - manche Zweckverbände sind uns da eine Mahnung.