Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Ich danke der Landesregierung für den vorgelegten Bericht, den wir diskutieren. Er bietet uns wertvolle Erkenntnisse. Nicht überraschend ist natürlich, dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung gestiegen ist. Allerdings ist auch ein Anstieg der brandenburgischen Bevölkerung zu verzeichnen, und zwar - was mich freut - nicht nur im Berliner Umland, sondern auch im weiteren Metropolenraum. Das führt mich zu einem Leitgedan ken unserer Integrationspolitik: Es muss Chancengerechtigkeit geben - sowohl für die Flüchtlinge als auch für die einheimische Bevölkerung. Diese muss unbedingt gefördert werden. Förder maßnahmen wie beispielsweise im Wohnungsbau, in der Kin der- und Ganztagsbetreuung und im Bereich schulische Bildung müssen wie bisher beiden Gruppen zugutekommen und natür lich dem steigenden Bedarf angepasst werden.

Kritisch anzumerken ist die unzureichende Darstellung der Zahlen unter Punkt 3: Flüchtlinge und geduldete Personen. Sie unterscheiden nicht zwischen Flüchtlingen und geduldeten Personen und führen aus, dass die Daten der Auszüge aus dem Zentralregister eben keine Aufschlüsselung zulassen. Es war aber durch eine einfache Nachfrage beispielsweise in Mär kisch-Oderland möglich zu erfahren, dass dort 1 805 Flüchtlin ge leben, von denen 567 geduldet, das heißt grundsätzlich aus reisepflichtig sind. Eine differenzierte Darstellung ist also durchaus möglich.

An dieser Stelle möchten wir wie schon vorgestern darauf hin weisen, dass wir uns für eine Durchsetzung des Aufenthalts rechts, einschließlich der Ausreisepflicht, einsetzen. Mir ist bewusst, dass es dabei immer um Einzelschicksale geht und die freiwillige Ausreise immer Vorrang hat. Sie hatten unseren Entschließungsantrag abgelehnt. Ein Argument war, dass es sinnvoll sei, die Rückführung in den Händen der Kreise zu be

lassen, da die kommunalen Ausländerbehörden einen umfas senden Überblick über die betreffenden Personen hätten und diese gut kennen würden. Dem möchte ich widersprechen. Diejenigen, die in den Kommunen einen Zugang zu den von Abschiebung betroffenen Personen haben, sind wohl eher die vielen ehrenamtlichen Helfer und vor allem die Sozialpädago gen in den Einrichtungen, also diejenigen, die mehr als acht Stunden am Tag mit den Flüchtlingen verbringen. Ich möchte den ehrenamtlich Tätigen von dieser Stelle aus noch einmal ausdrücklich Dank sagen, dass sie so viel Engagement zeigen. Dennoch: Die anhaltenden Defizite bei der Umsetzung der staatlichen Rückführungspflicht machen deutlich, dass das Land Brandenburg bei dieser Aufgabe noch Nachholbedarf hat und diese nicht effektiv ausübt.

Meine Damen und Herren, auf Bundesebene wird der Entwurf eines Integrationsgesetzes diskutiert. Ich wäre gern noch näher darauf eingegangen, aber meine Redezeit ist abgelaufen. Ich denke, dass uns das zur Verfügung gestellte Datenmaterial sehr behilflich sein wird, wenn die Umsetzung des Bundesintegrati onsgesetzes zur Diskussion steht und wir vielleicht auch ein Integrationsgesetz für das Land Brandenburg bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abge ordnete Johlige.

Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Ich danke der Landesregierung sehr für den vorgelegten Bericht. Im vergan genen Jahr lag unser Fokus ja vor allem auf den täglich ankom menden Flüchtlingen. Dabei ist Migration sehr viel mehr, und genau das macht dieser Bericht auch deutlich.

Meine Damen und Herren! Statistiken sind immer ein bisschen sperrig, und dem einen oder anderen fehlt vielleicht auch ein Stück weit die Vorstellungskraft. Deswegen habe ich mir über legt, meine Rede heute einmal anders, das heißt praktisch zu gestalten. Stellen wir uns einfach vor: Würden das gesamte Parlament und die Regierung - ungefähr 100 Menschen - ins Verhältnis zur Brandenburger Bevölkerung gesetzt, hieße das, dass 5 von uns - also einer aus jeder Fraktion - einen Migrati onshintergrund hätten. Es kann sich gern aus jeder Fraktion jemand melden. 3 von diesen 5 Personen hätten keinen deut schen Pass und genau eine Person wäre im vergangenen Jahr als Flüchtling zu uns gekommen.

Allein das zeigt, dass das Schüren von Überfremdungsängsten völlig absurd ist. Diese drei Personen ohne deutschen Pass oder der eine Flüchtling würden uns weder ihre Religion auf drücken, sofern sie überhaupt eine haben, noch die Debatten und Themen hier völlig verändern. Im Gegenteil: Durch andere Erfahrungshorizonte würde zumindest der eine oder andere ein Stück weit bereichert werden und in dem einen oder anderen vielleicht auch ein wenig mehr Verständnis, Empathie und So lidarität wachsen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Viel mehr würde sich wahrscheinlich aber nicht ändern.

Der Bericht sagt uns aber noch mehr. Ich bleibe einmal bei dem Bild der 100 Personen, aber jetzt stellen wir uns vor, dass wir alle einen Migrationshintergrund haben. Dem einen oder anderen wird es etwas schwerfallen, sich das vorzustellen, aber versuchen wir es. Menschen mit Migrationshintergrund sind gemäß diesem Bericht nach 1945 Zugewanderte, in Deutsch land geborene Ausländer und diejenigen, die mindestens einen Elternteil haben, auf den das zutrifft. Unter uns 100 Menschen mit Migrationshintergrund leben 48 im berlinnahen und 52 in berlinferneren Regionen. 51 von uns sind Frauen und 49 Män ner. ca. die Hälfte von uns hat einen deutschen Pass. 38 Perso nen - also die gesamte CDU-Fraktion und die gesamte Links fraktion - haben eine abgeschlossene Berufsausbildung.

(Allgemeine Heiterkeit)

In der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund wären es 63.

(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Und die Grünen ha ben Hochschulbildung! - Lachen bei der SPD)

- Nein, nein, Frau Nonnemacher.

Vorn liegen wir bei den Fachhochschul- und Hochschulausbil dungen: 28 Personen, also die gesamte SPD-Fraktion bis auf 2 Personen - haben einen Fachhochschul- oder Hochschulab schluss; in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind es übrigens nur 16.

(Zuruf von der AfD)

26 von uns Hundert haben keinen Berufsabschluss. Dafür su che ich lieber kein Beispiel im Parlament.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das alles schützt uns aber nicht vor Armut. 34 Personen - das heißt die gesamte CDU und die AfD sowie die fraktionslosen Abgeordneten - sind armutsgefährdet.

(Hein [fraktionslos]: Der Fraktionslose? - Das nehmen Sie zurück!)

Ja, Herr Hein, auch Sie in dem Moment.

(Hein [fraktionslos]: Was machen wir denn jetzt?)

Bei den Menschen ohne Migrationshintergrund wären es nur 13. Die Personen mit Migrationshintergrund haben auch ein höhe res Risiko, erwerbslos zu sein: 14 von uns, also alle Minister plus 4 Staatssekretäre, wären also derzeit erwerbslos. In der Bevölkerung ohne Migrationsgrund wären es nur 7.

Meine Damen und Herren, schon diese Zahlen zeigen: Als Menschen mit Migrationshintergrund sind wir benachteiligt, sowohl bei der Bildung als auch beim Zugang zum Arbeits markt. Was also brauchen wir Menschen mit Migrationshinter grund? Für diejenigen, die noch nicht gut Deutsch können, brauchen wir einen schnellen Zugang zu Deutschkursen. Wir brauchen eine gute Bildung für unsere Kinder. Ihre Bildungs chancen müssen durch den Abbau von Hemmnissen sozialer und sprachlicher Natur verbessert werden. Wir brauchen Hilfe

stellung bei der Integration in den Arbeitsmarkt, das heißt be sondere Förderung zum Abbau von Vermittlungshemmnissen. Und, meine Damen und Herren, wir brauchen den Abbau von Vorurteilen, damit wir, die wir ja teilweise sehr gut ausgebildet sind, nicht nur deshalb keinen Job bekommen, weil wir einen Migrationshintergrund haben. Genau das brauchen wir, und der Ball liegt bei der Landespolitik, diese Voraussetzungen zu schaffen. Menschen mit Migrationshintergrund sollen in die sem Land die gleichen Chancen wie alle hier lebenden Men schen haben. Lassen Sie uns damit beginnen! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Königer.

(Unmut und Zurufe von SPD und B90/GRÜNE)

Warum nur habe ich nicht erwartet, dass Sie mir vorab Applaus spenden?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stehe einmal wieder an diesem Pult und freue mich, Ihnen wie so oft die Realität ein bisschen zu erklären.

(Lachen und Beifall AfD - Domres [DIE LINKE]: Darauf haben wir den ganzen Tag gewartet!)

Frau Richstein, Sie erwähnten, dass in Brandenburg jemand gefasst worden ist - Gott sei Dank -, der sich des Terrorismus nicht nur verdächtig gemacht hat, sondern der konkrete Pläne für Anschläge in unserem Land hatte. Bei mir ist die Frage auf gekommen, wie es eigentlich passieren konnte, dass der Tat verdächtige hier einreisen und sich so wunderbar integriert ge ben konnte und dann doch ganz andere Pläne im Hinterkopf hatte.

(Zurufe von SPD und CDU: Das können nur Leute wie Sie fragen!)

Die Koalitionsfraktionen und ihr gerade beim Flüchtlingsthe ma gefühlter Koalitionspartner B90/GRÜNE haben die Regie rung beauftragt, einen Bericht zu aktuellen Daten, Fakten und zur Entwicklung der Migration und Integration im Land Bran denburg zu geben. Auch wenn sich der ursprüngliche Antrag mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigte, ging es bei dem Um setzungsauftrag - so viel darf ich bereits vorwegnehmen - ei gentlich um Zuwanderung.

Aber es ist ja nichts Neues, dass die Herrschaften von Rot-RotGrün immer offensichtlicher den Unterschied zwischen Schutz und Hilfe auf Zeit und rein wirtschaftlich motivierter Einwan derung unter Missbrauch des deutschen Asylrechts wieder und wieder verwischen. So kann man bereits in der Einführung le sen, wie das Mantra dieser Regierung lautet: Damit erlebt das Land Brandenburg wie die gesamte Bundesrepublik einen Flüchtlingszugang von historischem Ausmaß, der das Land im Hinblick auf gelingende Integration vor große Herausforderun gen stellt, zugleich aber auch große Chancen für unsere Gesell

schaft eröffnet. - Eine solche gelungene Integration haben eini ge Fraktionsreferenten gerade vor der Tür erlebt: Da saßen 200 Muslime auf dem Bürgersteig und beteten. Ist das für Sie gelungene Integration?

Hier wird also schon zu Beginn die Mär vom Goldtopf impli ziert, der am Ende des Regenbogens auf die Brandenburger wartet, wobei natürlich schon diverse Geldtöpfe bei den weni gen Profiteuren angekommen sind. Aber das ist ein anderes Thema.

Kommen wir nun zum eigentlichen Grund für den abgeforder ten Bericht. Überschrieben ist das Kapitel mit „Flüchtlinge und geduldete Personen“. Man könnte davon ausgehen, dass tat sächlich zwischen Menschen mit legitimem Rechtsanspruch auf Asyl und jenen ohne Rechtsanspruch unterschieden wird. Doch weit gefehlt. Es wird zwar ausgeführt, dass es sich bei geduldeten Personen um abgelehnte Asylbewerber handelt, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, aber die Abschiebung ist aufgrund bestehender Hindernisse ausgesetzt.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Das gibt es!)

Ausgerechnet die Kollegin Nonnemacher erwähnte gestern das brillanteste Beispiel an gelungener Integration: den Co-Trainer von Welcome United 03. Frau Kollegin Nonnemacher, ich kann gern meine Informationen, die ich aus meiner Aktenein sicht gewonnen habe, mit Ihnen teilen. Dann würden Sie viel leicht anders darüber denken.

Konsequenterweise wurde dann auch auf eine separate Erfas sung verzichtet, sodass der Bericht, das Zahlenwerk, faktisch jeden Asylsuchenden als Asylberechtigten führt; zumindest wird dies impliziert. Meine Damen und Herren! Tatsachen werden zwar nicht geschaffen, aber über den Umweg der Sta tistik zementiert. Der weitergeführte Rechtsbruch und die im letzten Jahr gestartete massenweise Einwanderung unter dem Deckmantel des deutschen Asylrechts werden damit weiter le galisiert.

Sehen wir aber einmal von dieser Vermischung und Verwi schung ab, wird bei aller Mühe, die sich die Autoren gegeben haben, eines überdeutlich: Wovor die AfD seit Monaten und Jahren warnt, ist weder Hetze noch Zündeln, noch hatte es mit sonstigen Attributen der linken Verbalrabulistik zu tun.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Es ist genau das!)

Denn trotz bester Kaschiererei und Taschenspielerticks wird deutlich: Der Familienanteil der aus Syrien und Pakistan Ein gereisten ist überschaubar. Wir reden nicht über lauter Ärzte und Ingenieure, sondern zum größten Teil über ungebildete und minderqualifizierte Menschen. Ein großer Anteil der soge nannten unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber ist kaum bis gar nicht als minderjährig zu identifizieren. Und so weiter und so fort.

Meine Damen und Herren, wenn Sie tatsächlich an einer ehrli chen Debatte und einer sachbezogenen Asyl- und Zuwande rungspolitik interessiert wären, hätten Ihre Reden ein gewisses Maß an Realismus erwarten lassen. Fehlanzeige! Wie immer lügen Sie zuerst sich selbst und dann den Menschen draußen im Land in die Tasche. Und wenn es dafür eines Beweises be

durft hätte, dann liefert ihn dieser Bericht. - Vielen Dank! Ap plaus!

(Beifall AfD - Domres [DIE LINKE]: Peinlich!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Ab geordnete Nonnemacher.