Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

Zum einen ist die bislang fehlende wissenschaftliche Veranke rung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Studium eine Hürde, die abgebaut werden muss. Zum anderen erhalten Fach ärztinnen und -ärzte, die aus der Klinik in ein Gesundheitsamt wechseln möchten, dort nach dem Tarif des öffentlichen Diens tes das Gehalt eines Berufsanfängers. Schon diese Gehaltsdif ferenz erschwert es, für eine Tätigkeit im Öffentlichen Gesund heitsdienst zu werben. Hier haben sich in vielen Landkreisen aus der Not heraus bereits unterschiedliche Vergütungsmodelle entwickelt, die von der Zahlung individueller Zulagen bis zur Anwendung des Tarifs des Marburger Bundes reichen.

Ein genaues Bild der personellen Lage in den Brandenburger Gesundheitsämtern soll uns der mit dieser Beschlussempfeh lung geforderte Bericht der Landesregierung an den Fachaus schuss im 3. Quartal 2016 liefern. An diesem Lagebericht, der unbedingt auch die altersbedingten Abgänge der nächsten Jah re berücksichtigen sollte, muss sich unser weiteres Handeln ausrichten.

(Beifall CDU)

Unabhängig davon halten wir es im Ergebnis der Anhörung für sinnvoll, wenn das Land Brandenburg der Akademie für öf fentliches Gesundheitswesen Düsseldorf beitritt und den Kom munen damit ein einheitliches Angebot zur Aus- und Weiterbil dung des Personals der Gesundheitsämter ermöglicht. Insofern hoffen wir, dass der in der Beschlussempfehlung enthaltene Prüfauftrag tatsächlich zu einem positiven Ergebnis führt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem aber gilt es zu vermeiden, dass die Landespolitik die Verantwortung für die auskömmliche Ausstattung der Gesundheitsämter mit ärztli chem Personal unter Verweis auf die Aufgabenübertragung an die Kommunen abgibt. Dies hätte unweigerlich zur Folge, dass finanzstärkere Kommunen perspektivisch einen leistungsfähi geren ÖGD vorhalten würden, während Regionen mit finanzi ellen Problemen auch in diesem Bereich schlechter gestellt würden. Die Gesamtverantwortung für einen Öffentlichen Ge sundheitsdienst, der seine Aufgaben auch zukünftig flächende ckend im Land erfüllen soll, liegt bei der Landesregierung.

(Beifall CDU)

Lösungsansätze sollten daher auf Landesebene und durch uns gefunden werden. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abge ordnete Bader.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Da men und Herren! Haben Sie schon einmal gesehen, wie begeis tert Kita-Kinder Zähne putzen, und gehört, was Fünfjährige al les über gesunde Ernährung und Zahnpflege wissen? Das ist ein Ergebnis der Arbeit des Zahnärztlichen Dienstes der Ge sundheitsämter, der unter anderem für die zahnärztliche Grup penprophylaxe bei Kindern vom zweiten bis zum zwölften Le bensjahr und für Angebote zur Förderung der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen zuständig ist.

In Elbe-Elster hatte beispielsweise im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der Fünfjährigen ein kariesfreies Milchgebiss. Im Berliner Umland ist das Ergebnis mit 72,6 % deutlich besser als in den berlinfernen Regionen. Gesundheit und soziale Lage sind eng miteinander verbunden. Der Zahnärztliche Dienst ist nur ein Mosaikstein der vielfältigen Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Selbstverständlich sind wir für eine Stärkung des ÖGD, denn er ist wichtig für die gesundheitliche Versorgung der Bevölke rung, beispielsweise beim Infektionsschutz. Er kümmert sich aber auch um Gesundheitsförderung und Prävention. Die Ge sundheitsämter vor Ort sind oft erste Ansprechpartner, wenn es um gesundheitsfördernde Lebensverhältnisse, die Vermeidung von Gesundheitsrisiken und gesundheitliche Chancengleich heit geht. Gerade der letzte Punkt ist uns wichtig: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Hier müs sen wir gegensteuern.

(Genilke [CDU]: Stimmt doch gar nicht!)

Wir werden uns nicht damit abfinden, dass ein Teil der Bürge rinnen und Bürger finanziell und infolgedessen auch gesund heitlich benachteiligt ist.

(Beifall DIE LINKE - Zurufe der Abgeordneten Laken macher und Petke [CDU])

Die Stärkung des ÖGD ist eine ständige Aufgabe, nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit.

Seit Jahren gibt es Schwierigkeiten bei der Besetzung von Facharztstellen in den öffentlichen Verwaltungen. Um die ak tuelle Situation besser abschätzen zu können, wollen wir uns im 3. Quartal im Fachausschuss mit der aktuellen Personalsitu ation befassen.

Ehrlicherweise müssen wir an dieser Stelle aber feststellen: Dem Landtag und der Landesregierung sind hier weitgehend die Hände gebunden. Die Landkreise und kreisfreien Städte er füllen die ihnen mit dem Gesundheitsdienstgesetz übertrage nen Aufgaben in eigener Verantwortung.

(Dr. Redmann [CDU]: Ist ja ’n Ding!)

Damit die Gesundheitsämter ihre Funktion im Rahmen der Da seinsvorsorge wahrnehmen können, ist eine gute finanzielle und personelle Ausstattung notwendig. Auch die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter sind wichtig. In einer Anhö rung unseres Fachausschusses wurde das vom Chef des Lan desverbandes Brandenburg und Berlin sowie von den Ärztin nen und Ärzten des ÖGD erneut bestätigt.

(Lakenmacher [CDU]: Na, wenn die das sagen!)

Uns bleibt an dieser Stelle, einen Appell an die Verantwortlichen in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu richten, um beispielsweise die finanzielle Situation der Fachärzte zu verbessern.

(Zurufe der Abgeordneten Lakenmacher und Petke [CDU])

Bereits 2014 hatten sich die damalige Gesundheitsministerin Anita Tack und der Vorsitzende des Gruppenausschusses für Verwaltung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberver bände mit einem Schreiben an die Landräte und Bürgermeister gewandt und sie gebeten, über Gehaltszulagen für Fachärztin nen und Fachärzte des ÖGD nachzudenken. Die diesjährige Gesundheitsministerkonferenz hat diesen Appell erneuert. Hamburg als Stadtstaat ist es gelungen, durch gleiche Bezah lung wie in Kliniken die notwendigen Stellen im ÖGD zu be setzen.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Aus- und Weiterbildung. Hier geht es unter anderem um eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze und bessere Angebote zur Fortbildung. Das Land kann die Kommunen unterstützen, beispielsweise durch einen Beitritt zur Akademie für öffentliches Gesundheitswesen. Die Akademie bietet Lehrgänge und jährlich über 100 ein- und mehrtägige Fortbildungsveranstaltungen an. Finanziert wird die Einrichtung durch die Mitgliedsländer. Berlin hat unlängst eine assoziierte Trägerschaft vereinbart. Das sichert dem Land Berlin bis Ende 2016 ein Kontingent von 168 Teilnahmeplät zen in Akademieveranstaltungen.

(Lakenmacher [CDU]: Ist doch super!)

Diese finden dann in Berlin statt, was auch Brandenburg künf tig zugutekäme.

(Beifall des Abgeordneten Lüttmann [SPD])

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, den Beitritt zur Akademie für öffentliches Gesundheitswesen zu prüfen.

Ich bitte um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Aus schusses. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. van Raemdonck.

(Zuruf von der CDU: Es wird nicht besser!)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Eine Publikation des Landes Berlin aus dem Jahr 2010 trägt den Titel: „Sicherung der Fachkräfte für den Öffent lichen Gesundheitsdienst in Berlin. Anforderungen an die Le gislaturperiode 2011 - 2016“. Die Inhalte dieser Publikation reichen von den Strukturen des Öffentlichen Gesundheits dienstes in Berlin über den Fachkräftebedarf und die Fachkräf tesicherung bis hin zum Aus- und Weiterbildungsbedarf im Öf fentlichen Gesundheitsdienst von Berlin - kurzum: ein lesens wertes Dokument.

Was ist das Hauptproblem, meine Damen und Herren? Der ausbleibende Nachwuchs. Hinzu kommt eine Altersfluktuation bei den Ärzten. Ich zitiere aus der genannten Quelle:

„Ein wesentlicher Grund ist die sich in den kommenden Jahren beschleunigende Altersfluktuation, bei der aus scheidende qualifizierte und erfahrene Beschäftigte nicht in ausreichendem Maße durch neue Fachkräfte ersetzt werden können.“

Meine Damen und Herren, das Dokument benennt auch die Gründe für den Mangel an Fachkräften und gibt einen Über blick: Als Fachkräftehindernis werden erstens der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, also die Gehaltsstruktur, zweitens die Fortbildungsdauer und drittens die mangelnde Präsenz des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Medizinstudium gesehen.

Und was wollen die Fraktionen von CDU und Grünen? Inhalt lich wollen sie dieses Papier für Brandenburg, aber nicht hun dertprozentig: Sie wünschen sich auch einen Rückblick auf die Entwicklung im Öffentlichen Gesundheitsdienst seit dem Jahr 2005. Warum ausgerechnet 2005? Das erschließt sich erst ein mal nicht. Vielleicht will die CDU aber aufgearbeitet haben, was ihr Koalitionspartner, die SPD, damals im Sozialministerium überhaupt gemacht hat. Werte Kollegen von der CDU und von den Grünen, auf den Punkt gebracht: Erwarten Sie beim Öffent lichen Gesundheitsdienst in Brandenburg ein anderes Ergebnis?

(Dr. Redmann [CDU]: Was für eine laue Rede!)

Ich bin davon überzeugt, dass es auf ein sehr ähnliches Doku ment mit aktuellen Quellenbezügen hinausläuft. Werten Sie doch lieber das Dokument aus Berlin aus und fragen Sie mit tels Kleiner Anfragen nach. Überraschungen werden Sie dies bezüglich nicht erleben.

(Dr. Redmann [CDU]: Aha!)

Wenn Sie den Fachkräftemangel im medizinischen Bereich be seitigen wollen, müssen Sie sich für eine Reduzierung der Bü rokratie einsetzen

(Dr. Redmann [CDU]: So viel Lustlosigkeit!)

und finanzielle Anreize für Mediziner im Öffentlichen Gesund heitsdienst schaffen. Ein weiteres Dokument nach dem Vorbild aus Berlin bringt keine Linderung für den Öffentlichen Ge sundheitsdienst.

Dieser Antrag ist ein Schaufensterantrag und löst mitnichten die Probleme des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Aus die sem Grund lehnt die AfD-Fraktion den Antrag ab. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Arme und sozial benachteiligte Menschen sind häufiger

krank als andere. Dafür, wie stark das Risiko, chronisch krank zu sein, mit der sozioökonomischen Situation eines Menschen zusammenhängt, gibt es einen für Brandenburg leider wenig schmeichelhaften, aber umso augenfälligeren Vergleich: Wäh rend die Auftretenswahrscheinlichkeit für einen Diabetes - eine Zuckerkrankheit - im vornehmen Hamburg-Blankenese bei le diglich 4,3 % liegt, beträgt sie in Bad Belzig sage und schreibe 13,5 %. Für uns Bündnisgrüne ist das einer der Gründe, warum wir einen handlungsfähigen Öffentlichen Gesundheitsdienst in den Kommunen brauchen. Es braucht Angebote und Institutio nen, die die schlechteren gesundheitlichen Chancen von ärme ren und benachteiligten Menschen ausgleichen. Diese Angebo te müssen für die Menschen kommunal zugänglich, mitten in ihrem Gemeinwesen verankert sein.

Ein gut aufgestellter Öffentlicher Gesundheitsdienst stellt für ärmere Menschen einen wichtigen, oft den einzigen Zugangs punkt zur Gesundheitsversorgung dar. Er kann besonders dort viel leisten, wo Menschen durch zielgruppenspezifische Ange bote und direkte Ansprache erreicht werden müssen. Die Be schäftigten kennen sich im sozialen Quartier aus, sie wissen über die Lebensbedingungen der Menschen Bescheid und kön nen so die oft schon vorhandenen Angebote vernetzen oder passende Präventionsangebote machen.

Deshalb haben wir gemeinsam mit der CDU-Fraktion gefragt, was die Landesregierung tun kann, um den Öffentlichen Ge sundheitsdienst in den Brandenburger Kommunen zu stärken. Die Fachleute beklagten in der Anhörung im Ausschuss viele Defizite, ganz vornean den Personalmangel. Eine konkurrenz fähige Verdienstmöglichkeit ist unabdingbar, um mehr Perso nal zu gewinnen. Hier ist landesseitig sicher nicht viel zu er warten. Immerhin haben wir uns mit der Forderung nach einer Auswertung und Verbesserung der Personalsituation noch in diesem Herbst durchsetzen können.