Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

(Beifall CDU)

Dies wird nicht zuletzt auch die Beschlüsse zum Haushalt 2017/2018 betreffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDU-Fraktion legt den Schwerpunkt ihrer Aufmerksamkeit in den Bereich der Lebenswelt Schule, insbesondere in den Bereich der Grund schule. Die Gründe dafür will ich Ihnen nicht vorenthalten:

Dank der allgemeinen Schulpflicht und der Einheitlichkeit der Grundschulbildung werden alle Kinder in dieser Altersstufe er reicht. Die Vermittlung von Grundlagenwissen ist für diese Schüler Lernalltag. Informationen zu körperlichen und auch seelischen Bedürfnissen werden ebenso bereitwillig aufgenom men wie das kleine Einmaleins. Kinder in diesem Alter emp finden es nicht als Bevormundung, wenn ihnen Wissen über gesunde Ernährung, Bewegung, Gefahren von Suchtmitteln oder Ähnliches präsentiert wird. Da ohnehin alle Entscheidun gen noch von den Eltern getroffen werden, werden die betref fenden Informationen neutral als Erkenntnis betrachtet, nicht, wie in höheren Klassen, als versuchte Maßregelung. Im Zwei fel ist sowieso immer die Mama schuld.

Grundschüler, die an langfristigen Präventionskursen teilge nommen haben, machen ihre ersten Nikotin- und Alkohlerfah rungen später als ihre Altersgenossen. Der Anteil regelmäßiger Konsumenten dieser Suchtmittel ist bei Jugendlichen geringer.

Ich habe mich im Vorfeld dieser Debatte mit Schülern der fünf ten und sechsten Klasse einer zertifizierten „gesunden Grund

schule“ unterhalten, die Dank der Präventionsarbeit einer Krankenkasse von der ersten Klasse an Wissen auf den Gebie ten Stressbewältigung, Rückenschule, gesunde Ernährung und stark werden gegen Gewalt und Sucht gesammelt haben. Mit vielen Grüßen von diesen Schülern aus Spremberg soll ich aus richten, dass sie es toll finden würden, wenn alle Brandenbur ger Schulen Kinder für ihr Leben stark machen würden.

(Beifall CDU)

Ein Fünftklässler sagte abschließend:

„Es geht hier nicht darum, Dinge zu tun oder zu lassen. Es geht darum, dass wir wissen, wenn man diese Dinge tut, hat es diese Folgen, und dann kann man überlegen, was man tut und was man lässt.“

Wissen um den eigenen Körper und um die eigene Psyche macht Kinder zu den besten Anwälten ihrer eigenen Persön lichkeit. Kontinuierliche Wissensvermittlung für alle schafft nur das System Schule.

Deshalb muss an der Entwicklung eines Präventionsansatzes für diese Lebenswelt gearbeitet werden, der jede Schule in die sem Land auch erreichen kann. Bislang gibt es einen Flicken teppich von Angeboten, von denen viele nicht nachhaltig an den Kindern wirken. Ein Gemüselaster auf dem Schulfest wird niemanden zu einer anderen Ernährung motivieren. Die Erfah rung, ein ganzes Schuljahr lang mit einer Ernährungsberaterin gemeinsam gesunde Lebensmittel zu etwas zu verarbeiten, was hinterher allen schmeckt, hört sich bei Schülern so an: Ich fand es toll. Jetzt weiß ich nämlich, was gesund ist, und was weni ger. Die Gerichte haben so geschmeckt wie Süßigkeiten.

Wissen haben, mündig sein und dann eigene Entscheidungen treffen, das finden Kinder gut. Sie essen auch weiterhin Süßig keiten und trinken auch gern ihre Cola. Sie entscheiden sich damit aber bewusst für ein gewisses Risiko. Damit sie aber überhaupt diese bewusste Entscheidung treffen können, benöti gen sie eine gute Grundlage.

Wenn wir uns dabei nicht nur auf die Elternhäuser verlassen wollen, muss die Lebenswelt Schule den Kindern die Grundla ge anbieten - nicht als Ausnahme, sondern regelhaft. Daran müssen die Partner der Landesrahmenvereinbarung gemein sam arbeiten.

(Beifall CDU)

Die finanziellen Mittel der Beitragszahler sollen möglichst vie le Menschen erreichen. Das wird nur gelingen, wenn konkur rierende Angebote vermieden, Inhalte abgestimmt und von Landesseite administrativ und finanziell auch unterstützt wer den. Dies kann für die Lebenswelt Schule in der Übernahme einer Koordinierungsfunktion zwischen Kassen und Schulen liegen, auch in einer finanziellen Beteiligung an Sachmitteln zur Durchführung von Präventionskursen und anderen ergän zenden Hilfen.

Wir werden auch dem Antrag der Regierungskoalition zustim men, aber wir erwarten mehr als eine erneute Beschreibung des Ist-Zustandes. Ich erinnere an das Zitat aus der Bundesrahmen empfehlung: Kita-Gesetz, Schulgesetz, Lehrplangestaltung und

die nötigen Haushaltsmittel. Der Landtag ist in der Verantwor tung, und ich freue mich auf die Debatte.

(Beifall CDU und der Abgeordneten Nonnemacher [B90/ GRÜNE])

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Müller für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 18.37 Uhr - wir sitzen hier mit einigen kurzen Pausen bereits seit achteinhalb Stunden im Plenarsaal und verfolgen - der eine mehr, der andere weniger aufmerksam - die Debatten. Das ist zumindest bei bestimmten Anträgen nicht nur „Kollektive Le benszeitverschwendung“, wie die „Lausitzer Rundschau“ am Wochenende titelte, nein, wir setzen uns auch einem gesund heitlichen Risiko aus - und das nicht nur wegen der Klimaanla ge, die uns gestern etwas zu schaffen machte. Nein, zu vieles Sitzen verkürzt die Lebenszeit.

(Frau Schier [CDU]: Das stimmt! - Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Das Sitzen ist das neue Rauchen!)

Zu vieles Sitzen verkürzt - Frau Nonnemacher nickt wohlwol lend - die Lebenszeit. Bewegungsmangel ist mit Adipositas as soziiert und führt zu einem ungünstigen metabolischen Profil und wahrscheinlich auch zu einem geschwächten Immunsys tem. Daten aus der Forschung zeigen, dass schon Personen, die nur die Hälfte des Tages sitzend verbringen, im Vergleich zu Personen, die den ganzen Tag sitzen, ein um ca. 25 % verrin gertes Sterberisiko haben.

Alarmierender wird es mit Blick auf unsere Kinder. Nur ein kleiner Teil erreicht die Empfehlung von täglich 60 Minuten moderater bis intensiver körperlicher Aktivität. Dazu kommen ungesundes Ernährungs- und Essverhalten, das meine Kollegin Tina Fischer heute bereits mit ihrem Antrag zur Qualitätsoffen sive für die Verpflegung von Kindern und Jugendlichen thema tisiert hat. Sie hat dort bereits die Häufigkeit und Prävalenz zahlen vom Robert-Koch-Institut zitiert. Auch Frau Nonnema cher machte auf die Diabetes-Prävalenz in Bad Belzig von 13 % aufmerksam. Das sind die Folgen - die Zunahme von Übergewicht und Adipositas -, die dazu führen, dass zuneh mend mehr Kinder und Jugendliche mit Diabetes Typ 2 diag nostiziert werden, um hier nur eine Erkrankung zu nennen.

Da ist es nicht verwunderlich, dass die Lebenserwartung, die in den letzten Jahrzehnten permanent ansteigend war, nun an fängt, rückläufig zu werden. So haben Kinder, die heute gebo ren werden, unter den von mir genannten Lebenszielfaktoren eine geringere Lebenserwartung als noch die Generation vor ihr. Wissenschaftler verwenden in ihren Begründungen dafür häufig das Wort „Wohlstandsdilemma“.

Führen die Folgen einer Erkrankung auf individueller Ebene zu gesundheitlichen Einbußen bis hin zur Lebenszeitverkürzung, kommt es auf der Organisationsebene zum Verlust von Hu mankapital, dem infolge höherer Kosten ein materieller und immaterieller Verlust entsteht. Unter Betrachtung der volks

wirtschaftlichen Gesamtrechnung führt das für die Gesamtge sellschaft zu einem Anstieg der Gesundheits- und Pflegeausga ben, ebenso zu einem Anstieg der Sozialleistungen, zum Bei spiel im Bereich der Frühberentung.

Eine zunehmend alternde Gesellschaft kann sich diesen Verlust von Humankapital und die damit verbundene Kostenexplosion nicht leisten. Daher gewinnen Prävention und Gesundheits maßnahmen sowohl auf der Verhaltens- als auch auf der Ver hältnisebene zunehmend an großer Bedeutung, womit ich nun zum eigentlichen Thema komme: der Prävention und Gesund heitsförderung mit dem seit 2015 bestehenden Präventionsge setz. Lange wurde darum gerungen und es hat mehrere Anläufe gebraucht, aber nun ist es da. Es ist als Chance zu begreifen, die auch in Brandenburg nicht ungenutzt bleiben darf,

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU)

als Chance, Prävention und Gesundheitsförderungsangebote in Brandenburg weiter zu stärken, ihre Vernetzung zu verbessern und nicht zuletzt die zur Verfügung stehenden Ressourcen opti mierend einzusetzen, das heißt, eine Verzahnung mit den Gesundheitszielen und Gesundheitszielprozessen des Landes Brandenburg - zum Beispiel die bestehenden Netzwerke „Ge sund aufwachsen“ und „Gesund älter werden“ - und den Ziel setzungen der Landesverbände der Krankenkassen vorzuneh men.

Herr Nowka hat es bereits angesprochen: Das Geld kommt von den Krankenkassen, und dass diese nicht kongruent in ihren Zielen sind, ist naturgemäß. Es ist das originäre Ziel der Kran kenkassen, Mitglieder zu gewinnen, während das Land die Da seinsvorsorge, hier die Gesundheitsvorsorge, mit den zur Ver fügung stehenden Mitteln befördern muss. Deshalb ist es bei der Prävention und Gesundheitsförderung so wichtig, dass kei ne parallel laufenden, sondern zusammenführende Aktionen zur Förderung der Gesundheit angestrebt und die Mittel der Krankenkassen zur Gesundheitsförderung durch das Präventionsgesetz mit den Gesundheitszielen und Prozessen des Lan des verbunden werden. Lange genug wurde durch institutionel le Fragmentierung, fehlende Koordinierung und fehlende Ziel orientierung einiger Akteure weder eine flächendeckende Ver ankerung noch eine ausreichende Prävention und Gesundheits förderung im Land erreicht.

Für die Zusammenführung der Aktion bzw. deren Bündelung ist daher die Landesrahmenvereinbarung, die Herr Nowka be reits angesprochen hat, ein notwendiger und wichtiger Schritt, wenn es darum geht, gemeinsame Präventionsziele zu errei chen und die Gesundheit im Land zu stärken. Um diese ge meinsame Strategie zu vertiefen, soll ein geeignetes Dialogfor mat entwickelt werden, zum Beispiel die Brandenburger Prä ventionskonferenz.

Das Präventionsgesetz und die daraus folgende nationale Stra tegie werden durch die Rahmenvereinbarung der Krankenkas sen, der Ersatzkassen, der Träger der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung und dem Land Brandenburg in einigen Stellen umgesetzt. Das war das „Trockene“, Herr Nowka, was Sie bereits zitiert hatten. So sollen Modellprojekte für Ziel gruppen, die trotz aller bisherigen Bemühungen nicht erreicht werden konnten - hier spreche ich besonders von Langzeitar beitslosen, Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migra tionshintergrund und Alleinerziehenden -, aufgebaut werden.

Wir müssen unsere Anstrengungen vertiefen, vor allem für so zial benachteiligte Menschen Präventionsangebote zu entwi ckeln.

Herr Nowka sprach die Lebenswelt Schule an. Ja, die Zielgrup pe sind Kinder - natürlich. In diesem Lebensalter auftretende chronische Krankheiten bzw. Krankheitsfolgen bleiben häufig im Erwachsenenalter bestehen und können die spätere Leis tungsfähigkeit im Erwerbsleben gefährden oder beeinträchti gen. Bedeutung gewinnt die Präventionsarbeit bei Jugendli chen und jungen Erwachsenen durch die Tatsache, dass dieses Alter als optimale Entwicklungs- und Lernphase für gesund heitsförderndes Verhalten gewertet wird.

Es gibt tatsächlich viele, leider konkurrierende Aktivitäten im Bildungsbereich, in der Kita, der Schule und der Hochschule. Auch das soll mit dem Auf- und Ausbau von Präventionsketten und kassenübergreifenden Aktivitäten optimiert werden.

Auch der Lebensraum Arbeitswelt ist ein weites Feld, in dem zwar viele Programme existieren, doch auch hier kann eine ge meinsame Strategie der im Gesundheitswesen Verantwortli chen noch Verbesserungen erzielen.

Ich möchte kurz auf den Antrag der CDU eingehen und darauf, warum wir unseren empfehlen. Ihr Antrag verliert sich leider in Details.

(Dr. Redmann [CDU]: Ist doch schon mal nicht schlecht!)

Wenn Herr Nowka zuhören würde? - Er verliert sich in Details, zum Beispiel beim Impfschutz, der plötzlich mit zwei Einzel maßnahmen auftaucht. Die Überprüfung des Impfstatus ist nur eine von sehr vielen Präventionsmaßnahmen, die im Rahmen einer strategischen Überlegung eingesetzt werden sollen.

Einig sind wir uns dagegen beim Gesundheitssport. Die prä ventiven Möglichkeiten des Sports müssen verstärkt in den Blick genommen und weiter ausgebaut werden. Jeder neue Sportplatz in Brandenburg, wie der des SV Grün-Weiß Ahrens felde, ist eine gesundheitliche Präventionsmaßnahme.

Nun könnte man denken, dass die Kollegen, die meiner Rede und der sich anschließenden Debatte gefolgt sind, einem er höhten Krankheitsrisiko unterliegen, weil sie sitzen geblieben sind und zugehört haben.

(Heiterkeit)

Nein, sie haben durch ihr Zuhören ihr Bewusstsein für die Be deutung von Prävention und Gesundheitsförderung und die Notwendigkeit, dies als eine dringliche Aufgabe zu begreifen, geschärft. Daher bitte ich die verbliebenen Abgeordneten um ihre Zustimmung zum Antrag.

Herr Nowka, eines noch: Warum sind immer die Mütter schuld? Wenn ich mir die Lebenserwartung der Geschlechter anschaue, stelle ich fest: Es sind doch die Männer, die fünf Jahre vorher ableben. Wenn ich mir das Risikoverhalten der Jungs anschaue, sehe ich, dass die jungen Männer häufig zu schnell Motorrad fahren - das ist die Ursache - und gleichzeitig andere Aktivitä ten betreiben. Hier sind nicht oder nicht nur die Mütter schuld, die ungesunde Lebensweisen vorleben. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass man beide Elternteile einbeziehen kann, wenn es

darum geht, für einen gesunden Lebensstil zu sensibilisieren. - Danke.

(Beifall SPD, vereinzelt DIE LINKE sowie der Abgeord neten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Es spricht der Abgeordnete Dr. van Raemdonck für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie ber Gast auf der Tribüne! Das im letzten Jahr verabschiedete Präventionsgesetz hat eine sehr lange Vorgeschichte. Dass es nach Jahrzehnten doch noch beschlossen wurde, ist allein der Tatsache geschuldet, dass alle Parteien die Notwendigkeit schließlich eingesehen haben.

Die demografische Entwicklung mit einer anhaltend niedrigen Geburtenrate, einem erfreulichen Anstieg der Lebenserwartung und der damit verbundenen Alterung der Bevölkerung sowie der Wandel des Krankheitsspektrums zu chronisch-degenerati ven und psychischen Erkrankungen und die veränderten Anfor derungen der Arbeitswelt erfordern eine effektive Gesundheits förderung und Prävention.

Trotz einiger Kritikpunkte wie der einseitigen Finanzierung, die allein durch die gesetzlich Versicherten geleistet werden soll, oder der fragwürdigen Quersubventionierung der Bun deszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist das Präventi onsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung. Umso verwun derlicher ist es, dass die Landesregierung erst durch einen Antrag der Opposition darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass für die Umsetzung auch die Länder verantwortlich sind.