Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon witzig: Man versucht - gestern Nachmittag um 17 Uhr das erste Mal - aus dem Plenarsaal heraus eine Rede zum The ma E-Government auszudrucken. Nachdem das nicht funktio niert hat, auch am heutigen Vormittag nicht, habe ich mir in der Mittagspause die wesentlichen Stichpunkte aus meiner Rede aufgeschrieben. So viel zum Nachholbedarf, den wir vielleicht auch in diesem Haus haben.

(Vereinzelt Beifall CDU und AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein bisschen Spaß muss sein, wobei es auch ein bisschen ernst war.

Wenn wir über Digitalisierung sprechen, fällt mir auf, dass wir diesen Begriff nehmen und auf ihn einpeitschen und versu chen, das nach vorne zu tragen. An vielen Punkten wird nicht mehr hinterfragt, was hinter diesem Prozess steht, was eigent lich Ziele, Möglichkeiten, aber auch Schwächen und Risiken dessen sind, was mit Digitalisierung umschrieben wird. Immer, wenn man Anträge oder Texte dazu liest, erfährt man: Wir müssen das schneller machen, weiter, höher, breiter - immer diese Superlative. Was mir fehlt, ist Steuerung und zu schauen: Wo brauche ich es, und wo brauche ich es nicht?

Denn es ist nicht nur in der Politik so, sondern auch für die Verwaltung muss gelten - und aus meiner Sicht gilt das in die sem Land -: Sie sind für die Menschen da. Und Menschen, meine Damen und Herren, sind zutiefst analoge Wesen.

(Vereinzelt Beifall SPD - Kurth [SPD]: Da mussten wir jetzt erst einen Moment überlegen! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Nein. Es widerstrebt uns, in solche Raster geprägt zu werden. Manch einer lässt sich nicht einmal durch Normen, die wir in

Gesetzen und anderen Kodizes festgelegt haben, hineinpres sen. Nun soll man auch noch in ein Raster aus Einsen und Nul len passen. Das ist eine Kunst, die man erst einmal hinbekom men muss, und dabei muss man aufpassen. Wir haben nicht nur das Problem, nachdem wir einmal digitalisiert, nachdem wir einmal lebensweltliche Komplexität in Daten verwandelt ha ben, diese Daten möglichst schnell und ohne Verluste durch die Leitungen zu jagen, sie miteinander zu verrechnen. Nein, wir haben auch das Problem, dass bei diesen Übertragungen Fehler passieren, dass Komplexität reduziert wird, dass vom Leben, das wir miteinander leben, etwas verlorengeht, und dass auch bei der Rückübertragung ins normale Leben von dem, was in digitaler Verwaltung passiert, manchmal etwas untergeht. Das ist das, was in diesen Debatten immer wieder eine zu geringe Rolle spielt.

Heute wird uns vorgeschlagen, einen Staatsvertrag zu initiie ren. Das ist ein Beweis großen Vertrauens in Rudolf Zeeb, der damals als Finanzstaatssekretär nicht nur an dem ELSTERProgramm mitgewirkt hat, sondern als Chef der Staatskanzlei nun auch dafür zuständig wäre, solche Staatsverträge voranzu bringen. Das ehrt ihn, weil er ein echter Macher ist.

Aber anders herum stellt sich die Frage: Bringt uns das hier jetzt weiter? Haben wir tatsächlich nur dieses immer wieder beschriebene Umsetzungsproblem? Nein, meine Damen und Herren, wir haben im Bereich Digitalisierung noch ein erhebli ches Erkenntnisinteresse. Wir müssen uns fragen: Was wollen wir mit der Digitalisierung erreichen?

Wir müssen den Beweis erbringen, dass die Digitalisierung der Verwaltung dazu beiträgt, bürokratischen Aufwand abzubauen. Er wird nicht dadurch geringer, dass ich ein Formular per EMail abschicke. Da muss ich trotzdem Fragen beantworten.

(Wichmann [CDU]: Was ist die Alternative? Die Brief taube oder was?)

- Ach, mein Lieber. Ich finde es erstens ungehörig, hier einfach reinzupöbeln, lieber Kollege Wichmann.

(Oh! Oh! bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Wich mann [CDU])

- Ja, das gehört sich überhaupt nicht.

(Zurufe von der CDU)

Demjenigen, der angesichts der Probleme, die wir bei der Digi talisierung der Gesellschaft haben, sagt, wir müssen auch ein mal innehalten, um uns diese Probleme anzusehen, entgegen zuhalten,

(Wichmann [CDU]: Das macht ihr seit 25 Jahren!)

dass man auf einer Brieftaube durch den Landtag fliegen könn te, also, meiner lieber Kollege Wichmann, das greift zu kurz. Das greift auch in der Uckermark zu kurz. Das muss man ein mal deutlich sagen.

(Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Verwaltungsprozesse werden nicht dadurch einfacher abgewi ckelt, dass man Maschinen einsetzt. Dadurch ist auch noch kei ne Bürgerfreundlichkeit gegeben. Bürgerfreundlichkeit ist da,

wo Menschen mit Menschen sprechen - auch in den Verwal tungen.

(Ah! bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

- Das ist völlig falsch, Herr Genilke. Wir schaffen die Verwal tung nicht ab, wir gestalten sie effizient.

(Widerspruch von der CDU)

Wir haben ganz klar gesagt: Wir sehen einen wesentlichen Punkt darin, dass wir in dieser Verwaltungsstrukturreform auch E-Government-Lösungen brauchen. Die brauchen wir und die bringen wir voran. Hier einfach über „wilde Staatsverträge“ zu spekulieren, wo wieder einmal andere die Probleme lösen sol len, die man erst selber durchdenken muss, das machen wir nicht miteinander.

(Wichmann [CDU]: Und das passt alles zusammen?)

Wir nehmen unsere Aufgabe ernst in den Bereichen E-Govern ment, E-Politik und E-Demokratie. Das sind Facetten, die Sie in Ihrem Antrag nicht einmal erwähnen, weil Sie gar nicht wis sen, dass sie zum Thema dazugehören, meine Damen und Her ren. Deswegen können wir das mit Ihnen hier so nicht ma chen. - Danke.

(Beifall SPD - Lachen bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Jung.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein in teressanter Erkenntnisgewinn: Die Regierung auf dem analo gen Trip. Das finde ich auch gut, ja.

Digitale Transformation, ja, aber bitte nicht um jeden Preis. Seit Jahren ist das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und das E-Government kommt hier in Brandenburg nicht recht voran. Schon vor 13 Jahren hat der IT-Fachmann Tino Schuppan in seiner Studie auf die Fehler hingewiesen.

Was sind die Gründe? Meiner Ansicht nach ist hier im Land Brandenburg seit 2009 eine falsche Priorität gesetzt worden. Man hat das Breitbandnetz nicht ausgebaut. Man hat in einem ersten Schritt diese ganzen Infrastrukturmaßnahmen durchge führt und dann in einem zweiten Schritt das E-Government einfach so eingeführt, damit die Verwaltung entsprechend aus gestattet ist. Wenn die Bürger ihre Geschäfte mit den Kreisen und den Kommunen abwickeln könnten, wären sie zufrieden. Dann wäre in einem dritten Schritt auch die Akzeptanz für eine Kreisgebietsreform viel größer gewesen. So haben Sie die Si tuation, dass drei Viertel der Brandenburger dagegen sind. Wenn dieses System anders aufgebaut worden wäre, wenn Sie das anders angefasst hätten, wäre die Bereitschaft auf alle Fälle wesentlich größer.

Wir erinnern uns, das Beispiel Estland wurde erwähnt. Ich ha be es bei einem Freund, der nach Neuseeland ausgewandert ist, erlebt: Es waren Klicks am Computer, mit denen er sich eine

Aufenthaltsgenehmigung für Neuseeland ausdrucken konnte. Das ist ein typisches Beispiel - genauso wie die Beispiele aus Estland -, dass es auch so geht. Es gibt Bundesländer in Deutschland - ich erinnere an Bayern mit dem Slogan „Laptop und der Lederhose“ -, die das für sich zum Programm gemacht haben, um fortschrittlich zu sein.

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich als Anwalt habe jahrelang Ein wohnermeldeamtsanfragen an Kommunen gestellt. Da be kommt man mit, wie unterschiedlich die Kommunen ticken und wie unterschiedlich diese ganzen Prozesse sind. Von der Seite aus fordere ich auch eine digitale Barrierefreiheit bei die sen ganzen Maßnahmen. Daran muss auch gedacht werden.

Wenn die Bevölkerung in Brandenburg feststellt, dass das alles über Computer funktioniert, ist es denkbar - und ich hoffe es -, dass die Akzeptanz zur Kreisgebietsreform eine größere wird. So, wie Sie es eingespielt haben, war es der völlig falsche Weg. In dem Sinne sollten Sie an dieser Transformation kräftig und schnell mitarbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lakenmacher, Sie haben Recht. E-Government kann neue zukunftsweisende und demokratiefördernde Möglichkeiten der Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern befördern. Dazu müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen, ansonsten kann E-Government auch das Gegenteil bewirken: Bürokratisierung, enorme Kos ten und Entdemokratisierung.

(Beifall des Abgeordneten Kosanke [SPD])

Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim E-Govern ment ist in der Nationalen E-Government-Strategie geregelt. Eine solche gemeinsame Ziel- und Maßnahmenplanung muss fortgeschrieben und mittelfristig umgesetzt werden.

Der jetzt vorgelegte Bericht des Normenkontrollrates reicht für die Antragsteller von der CDU-Fraktion als Anlass dafür, jetzt schon einen neuen bundesweiten E-Government-Staatsvertrag einzufordern, ohne aber zu hinterfragen, ob die von der Bun desregierung vertretene E-Government-Strategie für unser Land Brandenburg so sinnvoll ist oder sich allzu einseitig auf zentra le Vorgaben beschränkt.

Zugleich frage ich mich aber auch, wie realistisch solche Stu dien sind, die Deutschland regelmäßig einen hinteren Platz bei zukunftsorientierten Technologien zuweisen.

(Frau von Halem [B90/GRÜNE]: Fragen Sie doch selber einmal woanders nach!)

Die Ziele dieser Strategie, aber auch der folgenden Landesstra tegie müssen sich konkret an den tatsächlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ausrichten und nicht an einer abstrakt ausgearbeiteten technischen Machbarkeit.

Die Vorteile sind in Relation zu den Folgekosten für Hardware, Software und vermehrten Personalaufwand, vor allem aber zum unmittelbaren Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger zu setzen. Diese Modellrechnung geht sehr häufig eben nicht auf, denn die Kosten solcher Neuerungen sind immens.

Und so wird in dem Bericht auch festgestellt:

„Allzu oft dreht sich E-Government im Teufelskreis: We nig Nachfrage bei gleichzeitig hohen Kosten demotiviert die Verwaltung, weitere Angebote zu entwickeln und noch mehr Geld in Design und Nutzerfreundlichkeit zu investieren.“

Dazu kommt, dass eine technisch hochgerüstete Verwaltung nicht zwangsläufig eine bürgernähere Verwaltung ist und dar aus entstehende Akzeptanzprobleme ernst zu nehmen sind.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [BVB/FREIE WÄH LER Gruppe])