Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 36. Plenarsitzung des Landtages Brandenburg. Eigentlich sollen jetzt Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums auf der Besuchertribüne sitzen - da sie aber nicht dort sind, kann ich sie nicht begrüßen. Die Gäste, die anwesend sind, sind uns aber besonders lieb: Wir begrüßen Mitglieder des Ständigen Ausschusses für nationale Sicherheit und Außenbeziehungen des kenianischen Senats. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Zur Tagesordnung: Ich informiere Sie darüber, dass der Ihnen auf Drucksache 6/5410 zum Tagesordnungspunkt 10 vorliegende Änderungsantrag der AfD-Fraktion vom Antragsteller zurückgezogen wurde.

Gibt es von Ihrer Seite Bemerkungen zur Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer die Tagesordnung so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Tagesordnung einstimmig beschlossen.

Für die heutige Sitzung wurden folgende Abwesenheiten angemeldet: Herr Minister Baaske ist ganztägig abwesend und wird von Minister Schröter vertreten. Die Abgeordnete Lehmann ist ganztägig und die Abgeordneten Folgart und Frau Dr. Ludwig sind zeitweise entschuldigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Internet im ländlichen Raum - Telekommunikation und Verbindungen zeitnah verbessern und zukunfts- sicher gestalten

Antrag

der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe

Drucksache 6/5348

Die Aussprache wird von Frau Schülzke von der einbringenden Gruppe eröffnet. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Gestern war die „Zukunftsstrategie Digitales Brandenburg“ - zunächst in einem Antrag der CDUFraktion, dann in einem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und Linken - hier Beratungsgegenstand. In unserer Aktuellen Stunde soll dieses Thema wiederum in den Mittelpunkt gestellt werden. Als wir unseren Antrag formuliert und eingereicht haben, war uns der Antrag der CDU-Fraktion noch nicht bekannt. Zum Ausdruck kommt jedoch, wie wichtig dieses Thema für uns alle ist, auch für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes.

Kommunikation, die Möglichkeit, sich miteinander zu verständigen und Informationen auszutauschen, ist für die Wirtschaft und die Bevölkerung ein wichtiges Kriterium bei der Standort- bzw. Wohnortwahl geworden. Ein unverzichtbarer Baustein in der Infrastruktur ist das schnelle Internet, aber noch wichtiger sind Telefon- und Mobiltelefonverbindungen - eben ein flächendeckendes Netz -, denn die Nutzung des Internets ist von den verschiedensten Orten aus notwendig, oftmals über Telefon.

Seit einiger Zeit ist festzustellen, dass sich neben den bekannten Netzlücken weitere Lücken auftun. Gerade im ländlichen Raum kommt es an verschiedenen Stellen zu deutlichen Verschlechterungen im Bereich der Netzzugänge und der Telekommunikation, insbesondere bei den Funknetzen. Die großen Telekommunikationsunternehmen wie Telekom, Vodafone, E-Plus und O2 verweisen auf ihren Netzabdeckungskarten auf einen Überblick über die Netzversorgung. Auf den entsprechenden Internetseiten wird dargestellt, dass es heutzutage in puncto Handytelefonie bei der Grundversorgung nur noch in abgelegenen Orten ein Problem gibt.

Dies mag vor mehr als drei Jahren zutreffend gewesen sein. Heute ist das Bild ein ganz anderes. In meinem Heimatort gibt es eine Reihe kleiner Unternehmen. Der Handyempfang war vor Jahren kein Problem. Heute gibt es in den Häusern kaum Empfang, außen ist er sehr lückenhaft. Vielen Unternehmen ist ein großer Nachteil entstanden. Zwischen Herzberg und Doberlug-Kirchhain bzw. Jüterbog gibt es über viele Kilometer keinen Netzempfang mehr.

Bei einem Telefongespräch mit dem Landrat des Landkreises Spree-Neiße berichtete dieser vor einigen Wochen, dass er beim Durchfahren der Stadt Cottbus zeitweise keinen Mobilnetzempfang hat. Die Verbindungen seien immer wieder abgerissen. Dies trifft auch auf den Bereich Ludwigsfelde Richtung Thyrow entlang der B 101 zu. Überraschenderweise tritt dieses Phänomen neuerdings auch im Bereich der Autobahnabfahrt Babelsberg Richtung Nutheschnellstraße auf.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Post und Telefonie waren staatliche Aufgaben. Sie wurden privatisiert, Netzfrequenzen wurden versteigert. Heute treten Probleme auf; es werden ständig mehr. Mein Telefon hat die große Aufschrift „LTE“, auch als „4G“ bekannt. Mit der monatlichen Rechnung bekomme ich - wie tausende andere Telekom-SmartphoneNutzer - „tolle“ Flyer zugeschickt: „Arbeiten Sie doch, wo Sie wollen. Nutzen Sie die modernen Möglichkeiten der Kommunikation.“ In der Zeit, in der das Funktelefon, das Minister Schröter zu den Regionalkonferenzen herumgezeigt hat, genutzt wurde, wurden solche Behauptungen und Darstellungen als Hochstapelei bezeichnet. Im Brief- und Mailaustausch, den es nun seit August dieses Jahres zu diesem Problem mit dem Vorstand der Telekom gibt, weist er auf die vielen Naturschutzgebiete in Brandenburg hin, die für die Probleme verantwortlich seien. Damit will sich das Unternehmen Telekom aus der Affäre ziehen.

Mangel- oder lückenhafte Mobilfunkverbindungen führen zu Nachteilen für Bürgerinnen und Bürger vor Ort, Gewerbetreibende sowie Touristen und damit für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der betroffenen Regionen. Unverständlich sind die Auskünfte des Wirtschaftsministeriums, dass die Bereitstellung zuverlässiger Mobilfunkverbindungen

nicht unter den Begriff „Universaldienst“ falle. Erreichbarkeit und zuverlässige Netzverbindungen im Gleichklang mit dem Internet sind inzwischen existenznotwendig.

Es wird nicht erwartet, dass das Land die Mobilfunknetze selbst betreibt und weiterentwickelt. Es wird jedoch erwartet, dass sich die zuständigen Behörden und Ämter schnellstens dieser Probleme annehmen, sich mit den Telekommunikationsanbietern in Verbindung setzen und Lösungen erarbeiten. Die 5G-Netztechnologie steht vor dem Start. Eine der Anwendungen soll das autonome Fahren sein. Stellen Sie sich vor, wie die Mercedes-LKWs in Ludwigsfelde auf dem Weg zur Bundesstraße stehen bleiben oder wie das Landesstraßenamt regelmäßig über Lücken im Mobilfunknetz in Brandenburg berichten muss, weil moderne Autos dort nicht fahren können.

Ich möchte Sie bitten, dieses Thema ernsthaft und zügig aufzugreifen. Gestern war es Bestandteil der Zukunftsstrategie. Die Landesregierung wurde gebeten zu handeln. Ich meine, hier müssen konkrete Aufträge her. Auch eine mittelfristige Lösung in fünf Jahren ist einfach nicht zeitgemäß, denn die Kritik, dass wir hinter der wirtschaftlichen Entwicklung der westlichen Bundesländer zurückbleiben, sollte Ansporn genug sein, dass sich der Wirtschaftsausschuss insbesondere mit einem verbindlichen Zeitplan und dessen Kontrolle beschäftigt, um für abrechenbare, zeitnahe Lösungen zu sorgen. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, AfD und B90/ GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Barthel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Es ist in der Tat so: Fährt man durch unser schönes Land, gerät man immer wieder in Funklöcher. Dieses Phänomen ist sehr ärgerlich - da stimme ich Kollegin Schülzke durchaus zu, die das sehr deutlich gemacht hat. Immerhin beginnen die Funklöcher bereits 30 Kilometer außerhalb des Autobahnrings; selbst innerhalb des Autobahnrings haben wir Funklöcher. Nicht immer ist die Topographie dafür verantwortlich. Nervende Funklöcher gibt es auch entlang der wichtigen Regionalbahnlinien. WLAN bietet die Bahn in den Regionalzügen nicht an. Das durfte ich in den letzten Wo- chen - beispielsweise auf einer Fahrt von Ludwigsfelde nach Schwedt - erleben.

Was sind die Ursachen dieses unbefriedigenden Zustands, und was kann und muss die Politik an dieser Stelle tun? Kann sie Abhilfe schaffen? Fakt ist: In Deutschland gehört das flächendeckende Angebot von Mobilfunk und schnellem Internet leider nicht zur gesetzlich geregelten Daseinsvorsorge. Umfang und Preis dieser Telekommunikationsangebote unterliegen den Regeln der Marktwirtschaft und denen der Bundesnetzagentur. Beide sind nicht leicht zu durchschauen und volatil. Es handelt sich also um einen Markt, der partiell durch staatliche Interventionen reguliert wird.

Telekommunikationsunternehmen überlegen sich angesichts der hohen Marktzugangskosten durch die Versteigerungen der Frequenzen und die hohen Investitionskosten sehr genau, wo

sie in welche Technologien investieren, geht es doch darum, möglichst zeitnah einen Return on Investment zu erreichen. Den erreicht man wiederum nur dort, wo es hohe Nutzerzahlen gibt. Das ist in Ballungsgebieten und nicht im ländlichen Raum der Fall.

Lassen Sie uns an dieser Stelle einen kurzen Blick auf den Telekommunikationsmarkt werfen. Der Heise-Newsletter konstatiert am 19.10.2016: Der deutsche TK-Markt wächst nur wenig, nämlich um 0,8 %. Glasfaser - hier besteht ein enger Zusammenhang zwischen Funknetzen und dem glasfaserbasierten Internet; die Zwischenstellen werden mit Glasfaser ausgeglichen - ist noch kein Publikumsrenner. - Von den in Deutschland geschalteten FTTH- bzw. FTTB-Anschlüssen wird tatsächlich nur ein Drittel aktiv genutzt. Der Kunde ist noch nicht bereit, die hohen Kosten für FTTH bzw. FTTB zu zahlen. Ursache dafür ist unter anderem das billigere Vectoring-basierte Angebot der Telekom. Hier sei angemerkt: Die Telekom besitzt nur etwa 10 % der Glasfaseranschlüsse in Deutschland.

Etwas anders sieht es, wie gesagt, auf dem Mobilfunkmarkt aus. Hier gibt es ein deutliches Wachstum - besonders beim Traffic, nicht bei der Netzerweiterung. Der Preiskampf um die Kunden führt zu Flatrate-Angeboten für Telefonie, SMS und das Surfen. Um hier mitzuhalten, musste kräftig in die Netzin- frastruktur investiert werden - dort, wo die meisten User leben. Aber auch das reicht noch nicht aus; das zeigen die Beispiele aus dem Umfeld von Potsdam bzw. Ludwigsfelde, die soeben genannt wurden.

Mit der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur im letzten Jahr soll und wird es einen weiteren qualitativen und quantitativen Ausbau des Mobilfunknetzes in Deutschland geben. Das verspricht zumindest die Bundesnetzagentur. Es bleibt zu hoffen, dass die Unternehmen die in diesem Zusammenhang gemachten Zusagen, entlang von Autobahnen und Schienenwegen ein durchgängiges und leistungsfähiges Mobilfunknetz zu installieren, einhalten. Tatsächliche Sanktionsmöglichkeiten beim Bruch dieses Versprechens gibt es nicht bzw. sind begrenzt. Stattdessen springt der Staat ein, wenn Unternehmen wegen einer Wirtschaftlichkeitslücke den Ausbau des Netzes nicht vornehmen und die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet und Mobilfunk nicht anbieten. Die öffentliche Hand tut mit ihrer Marktintervention zwei Dinge: Sie verschafft dem Bürger Zugang zu Marktangeboten und subventioniert gleichzeitig Telekommunikationsunternehmen.

Wir alle wissen, dass ohne eine stabile und leistungsfähige digitale Infrastruktur das, was wir gestern als digitales Zukunftsprogramm für Brandenburg auf den Weg gebracht haben, nicht umzusetzen ist. Brandenburg steht an diesem Punkt aber nicht ganz am Anfang. Mit dem Programm Glasfaser 2020, das in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt wurde, hat Brandenburg viel getan. Die dafür genutzten EFRE-Mittel sind gut eingesetztes Geld.

Der ergänzende Ausbau der digitalen Infrastruktur im Spreewald wird bekanntlich aus Teilen der Mittel der Digitalen Dividende, dem Anteil Brandenburgs an der Frequenzversteigerung, aus dem letzten Jahr bezahlt. Der Rest - das wissen Sie - geht in die Kofinanzierung des Bundesprogramms.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eigentlich vorgesehen war, die Erlöse der Digitalen Dividende komplett an die Länder

weiterzugeben. Stattdessen kam das Bundesprogramm. Also nicht der Bund allein finanziert seine selbst gesteckten - wenn auch richtigen - Ziele der Modernisierung der digitalen Infrastruktur, sondern Länder und Kommunen werden beteiligt. Damit sind die ostdeutschen Länder in zweierlei Hinsicht benachteiligt: Sowohl die ostdeutschen Länder als auch die ostdeutschen Kommunen verfügen über eine geringere Finanzkraft als vergleichbare Flächenländer und Kommunen im Westen, auch wenn das mit einem eventuell höheren Fördersatz ausgeglichen wird.

Brandenburg wird sich der Aufgabe stellen und die bewilligten Vorhaben aus der Umsetzung des Bundesprogramms kofinanzieren. Das wird den Landeshaushalt ca. 70 bis 75 Millionen Euro kosten.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Ich möchte ausdrücklich dafür werben, dass der Wirtschaftsausschuss, der morgen tagt, der Finanzausschuss und natürlich das Plenum diesem Vorhaben zustimmen.

Beim Ausbau haben die Landkreise insbesondere den ländlichen Raum im Blick, gibt es hier doch den größten Nachholbedarf. Unterstützung erhalten die Landkreise bei der Konzipierung ihrer Förderanträge durch die Task-Force des Ministeriums. Die Friktionen beim Anlauf der Programmnutzung in Brandenburg haben aber auch auf einige Probleme aufmerksam gemacht. Nur in wenigen Landkreisen gab es die notwendige Kenntnis über den Ist-Stand und den Bedarf. Der Landkreis Dahme-Spreewald war hier Vorreiter, weil er vorher Geld in die Hand genommen hat. Andere Landkreise gingen erst mit Bundesunterstützung in die Analyse und die Planungsphase. Auch hier spielte - das sagte ich bereits - das Geld die entscheidende Rolle. Das erklärt auch die geringe Beteiligung Brandenburger Kommunen an den ersten Calls des Programms. Dass bestimmte Länder hier einen Vorlauf hatten, findet seine Erklärung vielleicht in den jeweiligen Beziehungen zum Bundesverkehrsminister bzw. „Digitalminister“. Das trifft nämlich insbesondere auf Bayern und auch auf den Wahlkreis - wenn man das einmal ganz konkret benennen will; man muss sich das einmal angucken - von Frau Merkel zu.

(Zurufe von der CDU)

Beziehungen schaden nur dem, der keine hat.

Zweifellos beeindruckt die Summe, mit der sich MecklenburgVorpommern in dem Programm engagiert. Berücksichtigt werden muss dabei aber auch, wo unser Nachbarland steht.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Derzeit gibt es sowohl bei den 30-Mbit-Anschlüssen als auch bei den 50-Mbit-Anschlüssen eine Differenz von 10 % im Vergleich zur Situation in Brandenburg.

Dass das Thema den Mecklenburger SPD-Kolleginnen und -Kollegen bewusst war, haben sie uns hier bereits vor 16 Monaten im Landtag erklärt.

Das Thema digitale Infrastruktur prioritär zu behandeln, ist also nicht nur eine Geldfrage, sondern auch eine politisch begründete Entscheidung. Auch Brandenburg wird an dieser Stelle nachsteuern.

Wir sollten uns die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern genau ansehen und aufgrund dessen prüfen, was für unsere eigene Arbeit verwertbar ist. Insbesondere sollten wir prüfen, ob es Sinn macht, eine Struktur auf Landesebene zu schaffen, die über das Know-how in Sachen Ausbau digitaler Infrastruktur verfügt und sowohl strategische als auch lokale Themen lösen hilft. Ich meine damit eine Struktur außerhalb des Ministeriums.

Eine letzte Anmerkung noch mit Blick auf den Platz Deutschlands im Ranking der digitalen Infrastruktur: Hier muss der Bund für gleichwertige Lebensbedingungen sorgen.

(Genilke [CDU]: Sie nicht?)

Dafür gibt es zwei Wege: schnelles Internet - erstens - als Teil der Daseinsvorsorge gesetzlich zu verankern und damit auch zu finanzieren oder - zweitens - im Markt solche Anreize zu schaffen, dass Telekommunikationsunternehmen die notwendige Infrastruktur finanzieren und zeitnah wettbewerbsfähig ausbauen. Ich plädiere für Ersteres, Telekommunikation und Internet als Teil der Daseinsvorsorge. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und der Abgeordneten Mächtig [DIE LIN- KE])