Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Meine Damen und Herren, diese Herausforderung können wir mit den Mitteln der Geschäftsordnung des Landtages nicht meistern. Dennoch ist es richtig, dass wir neben der Nutzung technischer Möglichkeiten wie etwa dem filmischen Mitschnitt unserer Reden und ihrer Verbreitung in sozialen Medien versuchen, die Diskussionskultur im Plenum attraktiver zu gestalten. Ich glaube, dass die Möglichkeiten zur lebendigen Debatte im Landtag Brandenburg schon recht gut sind. Wir haben prioritäre Debatten, die wir vorne auf der Tagesordnung platzieren, Fragestunden mit der Möglichkeit Dringlicher Anfragen, das Mittel der Kurzintervention, und es gibt die Möglichkeit, Zwischenfragen zu stellen. All dies belebt unsere Debatten.

Mit der heutigen Änderung der Geschäftsordnung fügen wir weitere Verbesserungen hinzu, die wir zum Teil bereits in den letzten Sitzungen ausprobiert haben. Einen Teil der Änderungen, die wir heute beschließen, kann man vielleicht unter dem Stichwort „In der Kürze liegt die Würze“ zusammenfassen. Wir führen eine neue Redezeit - drei Minuten - fest ein, wir regeln, dass zusätzliche Redezeit für die einbringende Fraktion nur einmal vergeben wird. Auch die Zusammenberatung von Anträgen wird festgeschrieben. Wir vermeiden damit doppelte Debatten an einem Tag oder an zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen.

Auf Antrag von SPD, Linken und Grünen soll zudem künftig ein Gebärdendolmetscher Beratungen des Landtages von zentraler Bedeutung begleiten. Damit erleichtern wir hörgeschädigten Menschen den Zugang zu unserer Politik.

Weitere Änderungen, die wir heute für die Geschäftsordnung beschließen, hat uns das Landesverfassungsgericht aufgegeben. Die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER bekommt künftig ebenfalls die Möglichkeit, Aktuelle Stunden anzumelden, prioritäre Anträge zu benennen, und mehr Redezeit an einem eventuellen dritten Plenartag. Keinen Anspruch hat die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER auf einen Platz im Präsidium. Um der Gruppe allerdings die Mitarbeit im Vorfeld der Plenardebatten zu erleichtern, haben wir ihr einen Platz in der vorbereitenden Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer eingeräumt - wie ich finde, ein sinnvolles, kollegiales Entgegenkommen.

Sind die vorgenannten Änderungen der Geschäftsordnung weitgehend unstrittig und hier einstimmig beschlossen worden, so gibt es im Hinblick auf zwei Neuregelungen keine einheitliche Meinung. CDU und Grüne haben deshalb Änderungsanträge vorbereitet.

Die Koalitionsfraktionen sind sich einig, dass wir Regierungserklärungen und Haushaltsgesetze künftig in der Regel an erster Stelle der Tagesordnung behandeln sollten, auch wenn dadurch eine Aktuelle Stunde verschoben wird. Wir sehen die Haushaltsgesetze als Königsrecht der Parlamentarier - und insofern mit besonderer Wichtigkeit und Aktualität ausgestattet - an, was diese Priorisierung rechtfertigt. Deswegen werden wir den CDUAntrag, der eine weichere Formulierung vorsieht, ablehnen.

Der zweite Punkt, zu dem keine Einigkeit hergestellt werden konnte, betrifft die Gestaltung der Fragestunde. Es mag nach der heutigen Fragestunde nicht verwundern, dass es hier unterschiedliche Vorstellungen gibt. Wir möchten eine, wie wir meinen, bessere Strukturierung, um eventuell auch mehr Abgeordneten die Chance zu geben, eine Frage zu stellen. Wir haben heute erlebt, dass es passieren kann, dass das Beantwortungsprozedere zum Teil sehr lange dauert und manche nicht mehr dazu kommen, ihre Frage zu stellen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE - Genilke [CDU]: Man könnte natürlich auch die Frage beantworten!)

- Sie haben jedes Recht, Fragen beantwortet zu bekommen, und das sollen Sie auch erhalten.

(Lachen bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

CDU und Grüne setzen sich außerdem für eine spontane Regierungsbefragung ein. Auch das lehnen wir ab. Wir sehen keinen Mehrwert darin, Ministerinnen und Minister unvorbereitet zu befragen. Das Ziel dabei sind aus unserer Sicht bloß weitere Showveranstaltungen,

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

an deren Ende die Opposition den Ministerinnen und Ministern Uninformiertheit nachweisen oder sie auf ungeprüfte Aussagen festnageln möchte. Dies würde aus meiner Sicht eher zu mehr als zu weniger Politikverdrossenheit führen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Bretz [CDU]: Das nennt man den vorsorgenden SPD-Staat! - Oh! bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Auf den Großteil der Neuerungen in der Geschäftsordnung haben wir uns aber einvernehmlich einigen können, und dafür möchte ich dieser Runde meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich habe die Beratungen als eine sehr angenehme kollegiale Zusammenarbeit empfunden und denke, dass es mit der Neufassung der Geschäftsordnung jetzt keine Ausreden mehr gibt, wenn Debatten in diesem Hause nicht gehört werden. Nutzen wir die Chancen, die sich uns bieten. - Vielen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE und B90/ GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Redmann. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Lüttmann, es wird Sie nicht verwundern, aber ich finde, Ihre Rede eben hat zu dem, was wir gleich beschließen wollen, in weiten Teilen einfach nicht gepasst. Sie haben zunächst sehr ausführlich dargestellt, welchen hohen Anforderungen dieses Parlament ausgesetzt ist, wie wichtig es wäre, eine engagierte, aktuelle Debatte zu führen, auch kontrovers zu führen, damit sich die Leute dafür interessieren, eine mediale Berichterstattung stattfindet und dieses Parlament wieder verstärkt zum zentralen Ort der öffentlichen Debatte wird.

Aber das Ansinnen, das die Grünen-Fraktion zugegebenermaßen berechtigterweise mit einem Antrag hereingetragen hat, der dann vom Parlament an den Hauptausschuss überwiesen wurde - wir haben Anhörungen dazu durchgeführt und haben das ausführlich beraten -, nutzen SPD und Linke dafür, das genaue Gegenteil zu tun: Maßnahmen zu beschließen, die die Parlamentsdebatte langweiliger machen werden.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Jung [AfD])

Sie wollen die Nachfragemöglichkeiten in der Fragestunde beschränken. Alles soll jetzt schön en bloc gestellt werden, sodass der Fragende nicht mehr die Möglichkeit hat, den Minister darauf hinzuweisen, dass die Frage gar nicht beantwortet worden ist.

(Lüttmann [SPD]: Das stimmt nicht!)

Sie wollen die Anzahl der Aktuellen Stunden reduzieren. Die Aktuellen Stunden gehören zum Interessantesten, was wir in der Parlamentsdebatte zu bieten haben, weil wir uns relativ kurzfristig darüber verständigen können, welche Themen den Menschen auf den Nägeln brennen.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Ihre Behauptung, dass die Haushalts- bzw. Nachtragshaushaltsgesetzentwürfe hier schon in der Vergangenheit regelmäßig anstelle der Aktuellen Stunden behandelt wurden, stimmt einfach nicht. Vereinzelt haben wir das gemacht; wir haben es für die Einbringung oder auch mal für die 3. Lesung gemacht, aber bei den Nachtragshaushaltsgesetzentwürfen sogar mehrheitlich nicht. Da hat die Aktuelle Stunde stattgefunden. Es spricht doch auch nichts dagegen, einen Haushaltsentwurf zu behandeln und trotzdem eine Aktuelle Stunde abzuhalten. Da fällt nichts hinten runter.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD - Zuruf des Abgeord- neten Lüttmann [SPD])

Es wäre eine deutlich spannendere Debatte. Warum soll man sich einen spannenden Tagesordnungspunkt sparen, nur weil man noch einen anderen spannenden Tagesordnungspunkt, nämlich eine Haushaltsdebatte, hat? Ihre Argumentation widerspricht sich doch.

Den Vorschlag der Grünen mit den Regierungsbefragungen hätte man zumindest einmal ausprobieren können. Die Berliner praktizieren das, und zwar, wie wir in unserer Anhörung im Hauptausschuss gehört haben, mit recht guten Erfahrungen. Es

ist ja nicht so, dass das ein großes Schauspiel ist, bei dem die Minister vorgeführt werden.

(Zurufe der Abgeordneten Lüttmann und Lieske [SPD])

Natürlich kann in so einer Regierungsbefragung ein Minister, wenn er zu einem Punkt angesprochen ist, den er spontan nicht beantworten kann, auch sagen, dass er es recherchieren und dann schriftlich eine Antwort dazu geben wird. Das ist ganz normal; niemand kann alles wissen, und das erwartet auch keiner.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Warum wir uns nicht trauen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Debatten zu beleben, sie interessanter zu machen, verstehe, wer will. - Na ja, ich verstehe es schon - ich habe ja heute auch die Fragestunde erlebt -: In Wirklichkeit haben Sie Angst vor einer lebhaften Parlamentsdebatte.

(Beifall CDU, AfD und B90/GRÜNE)

Dass Sie, SPD und Linke, mit dem Verlauf der vergangenen Plenarsitzung unzufrieden sind, kann ich gut nachvollziehen, weil die Themen, die Sie zu Aktuellen Stunden angemeldet haben, in der Regel anschließend in der Presse kaum Widerhall gefunden haben. Dass es Ihnen, warum auch immer, nicht gelingt, einen Beitrag dazu zu leisten, die Plenardebatten spannend zu machen, ist Ihre Sache; das müssen Sie hinterfragen. Aber daraus die Schlussfolgerung zu ziehen: „Die Debatte läuft nicht in unserem Sinne, wir sammeln mit dieser Parlamentsdebatte keine Pluspunkte; dann beschließen wir doch gleich ein paar Maßnahmen, die die Debatte noch langweiliger machen, dann schauen noch weniger Leute zu und dann fällt es gar nicht mehr so auf“

(Lüttmann [SPD]: Welche denn?)

- Zum Beispiel die Aktuellen Stunden; ich habe doch gerade darüber gesprochen.

(Lüttmann [SPD]: Ist doch Quatsch!)

- das ist der falsche Weg. So fördert man Politikverdrossenheit, so wird man ihr nicht entgegenwirken, und dem Anspruch des sehr guten Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dies erst recht nicht gerecht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE sowie vereinzelt AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Domres.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Beschluss beenden wir eine etwas längere Debatte über unsere Geschäftsordnung. Parallel zur Geschäftsordnung haben wir uns intensiv mit dem Antrag der Grünen „Das Parlament zum zentralen Ort der öffentlichen Debatte machen!“ beschäftigt. Die Anhörung im Hauptausschuss

führte bei allen Beteiligten sowohl zu Erkenntnisgewinn als auch zur Bestätigung der jeweiligen Positionen.

Insgesamt möchte ich aber feststellen, dass die Debatte von dem Ziel geprägt war - und da verstehe ich die Aufregung des Kollegen Redmann nicht -, dass mit allen Fraktionen und der Gruppe eine größtmögliche Akzeptanz dieser Geschäftsordnung erreicht werden soll. Selbstverständlich ist nicht jeder Vorschlag umsetzbar, aus verschiedenen Gründen. So halte ich zum Beispiel - anders als der Kollege Redmann - eine spontane Fragestunde für nicht praktikabel. Was sind zum Beispiel, wie im Antrag der Grünen formuliert, Fragen von allgemeinem Interesse? Wer entscheidet das?

(Vogel [B90/GRÜNE]: Na der Antragsteller!)

Machen Antworten mit Verweis auf eine schriftliche Antwort das Parlament wirklich lebendiger? Die Fragestunden zeigen heute schon: Viele Fragen sind wirklich sehr spezifisch und wahlkreisbezogen, sodass eine entsprechende Recherche innerhalb der Ressorts vor der Beantwortung notwendig ist. Selbstverständlich kann auch die Fragestunde lebendiger gestaltet werden; das setzt aber zuallererst kurze Fragestellungen und kurze Antworten voraus. Das wird jedoch keine Geschäftsordnung dieser Welt klären.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Es liegt an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wir das gestalten. Ob 20 Nachfragen die Fragestunde interessanter machen, mag auch höchst strittig zu diskutieren sein, und wenn man sich dann bewusst von schon verabredeten Regeln in der Fragestunde verabschiedet, trägt das auch nicht zu einer lebendigen Parlamentsdebatte bei.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Ebenso haben wir über die Kurzintervention gesprochen und uns darauf verständigt, keine Veränderungen vorzunehmen. Werben möchte ich jedoch dafür, dieses Instrument in einem angemessenen Umfang anzuwenden. Es ist eben kein Instrument, um sich zusätzliche Redezeit zu verschaffen oder vorbereitete Beiträge für YouTube vorzutragen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE sowie der Abgeordneten Lieske [SPD])