Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Wir können die Leute nicht am Klagen hindern, ganz klar, aber wir haben jetzt folgende Situation: Ein Rechtsanwalt behauptet in der „MAZ“, die Geschäftsführer stünden in persönlicher Haftung. Ein Abteilungsleiter aus dem Innenministerium sagte in der ersten oder zweiten AIK-Sitzung zu diesem Thema: Wenn die Verbände Geld zurückzahlen, machen sie sich mögli cherweise der Untreue schuldig. - Also von beiden Seiten wer den die Geschäftsführer der Zweckverbände angegriffen. Das MIK sagt: Wenn ihr zurückzahlt und das Geld nicht habt, ist es Untreue. - Ein Rechtsanwalt sagt in der „MAZ“: Wenn ihr nicht zurückzahlt, könnte das ein Straftatbestand sein.

Diese Situation hat etwas mit der mangelnden Informationspo litik des Innenministeriums zu tun. Wir als CDU-Fraktion ha ben in einem der ersten Anträge zu dem Thema gefordert, dass das Innenministerium eine Homepage, eine Rubrik FAQ ein richtet und ein Stück weit aufklärt. Der Innenminister hat ge meint: Alles kommunale Selbstverwaltung. - Die Verzögerung hat einen Namen: Karl-Heinz Schröter.

(Beifall CDU)

Da sind die entscheidenden Monate verloren gegangen. Auch deshalb haben wir jetzt diese aufgeheizte Situation.

Was die Reform des KAG betrifft, haben Sie dankenswerter weise mal einen Antrag von uns an den Innenausschuss über wiesen. Punkt 6 war die Reform des KAG. Denn das betrifft ja nicht nur Altanschließer, das betrifft ja Straßenbaumaßnahmen und anderes. Kollege Kurth, Sie haben damals gesagt: Brau chen wir alles nicht! - Aber klar brauchen wir das. Wir müssen vorangehen, und wirklichen Fortschritt erreichen wir nur, wenn wir das Kommunalabgabengesetz reformieren.

Herr Abgeordneter, Sie müssten zum Schluss kommen.

Aber solange das Innenministerium mit der Kreisreform be schäftigt ist, wird es die Zeit dafür nicht finden. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Jetzt hat der Innenminister noch einmal um das Wort gebeten. Die Zeit erhalten die Fraktionen dann ebenfalls, wenn noch je mand von Ihnen dazu sprechen möchte. Dann besteht Gelegen heit für die nächste Runde. Aber zunächst einmal erhält der In nenminister das Wort.

Herr Petke, ich habe ganz ausdrücklich denen, die hier in der Vergangenheit bestimmte gesetzliche Regelungen beschlossen haben, kein schlechtes Zeugnis ausgestellt.

(Petke [CDU]: Nein!)

- Herr Petke, was Sie in Worte oder Sätze hineininterpretieren, ist häufig, sehr häufig ganz weit neben der Realität.

(Beifall SPD)

Ich wiederhole: Diejenigen, die hier Gesetze in diesem Zusam menhang beschlossen haben, haben Dinge heilen wollen, die durch die Rechtsprechung, die ja immer unterschiedlich war, aber auch durch die Rechtsanwendung an Problemen auf den Tisch gekommen sind. Es war immer ein guter Vorsatz und niemals irgendwo etwas wie „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger oder die Zweckverbände gängeln, drangsalieren oder sonst irgendetwas machen“.

Im Übrigen will ich Ihnen zur Kenntnis geben, dass der Rechts beistand des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Scharmüt zelsee-Storkow/Mark, gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) Berufung eingelegt hat. Wir werden also noch eine ganze Weile brauchen, bis wir wissen, wie die Rechtssitu ation mit der Staatshaftung und den in Rede stehenden Prozes sen - Bürger gegen Trink- und Abwasserzweckverbände - tat sächlich zu sehen ist.

Meine Damen und Herren, das zeigt, dass die rechtliche Situa tion viel komplizierter ist, als dass man sie mit zwei Sätzen er klären könnte, und dass wir uns anderthalb Jahre Zeit genom men haben, um vernünftig rechtlich aufzuarbeiten und auch EU-beihilferechtlich sicher zu machen, was wir an Hilfskonst ruktionen vorlegen. Das, denke ich, braucht Zeit. Gut Ding will immer Weile haben.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Jetzt die Frage an die anderen Fraktionen und die Gruppe: Möchte noch jemand die Redezeit nutzen? - Herr Schulze hatte es schon angezeigt. Bitte schön.

Herr Minister, das ist ja das grundsätzliche Problem: Was ha ben wir hier für ein Problem? Haben wir hier ein rechtliches oder ein politisches Problem?

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Beides!)

Ich glaube, da haben wir zuerst einmal ein politisches Problem. Das Ganze ist politisch verursacht worden, ganz früh in den Anfängen dieses Landes mit vielen Dingen, die man heute bes ser weiß, aber die ich, wie Sie zu Recht sagen, den Leuten nicht vorwerfen will.

Politische Probleme kann man nun einmal nicht juristisch lö sen, sondern politische Probleme muss man politisch lösen, und das genau ist das Problem. So, wie ich Sie verstanden ha be - korrigieren Sie mich bitte -, setzen Sie auf die juristische Schiene, und das wird voll in die Hose gehen.

(Beifall des Abgeordneten Jung [AfD])

Politische Probleme muss man politisch lösen, juristische Pro bleme muss man juristisch lösen, und deswegen sind wir hier als Gesetzgeber gefragt - ich sage das einmal sehr vereinfacht -, einen politischen Schlussstrich unter die letzten 20 Jahre zu ziehen.

Ich habe die letzten 20 Jahre - die Abwassermisere hat unge fähr 1995/96 angefangen -, also die volle Episode, die volle Zeit mit allen Dingen ausgekostet, mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Überlegungen, Ideen, mit Heilungsideen etc. Der Punkt ist: Wir müssen doch heute feststellen: Wir sind geschei tert mit den vielen Heilungsversuchen, haben manche Dinge nur noch schlimmer gemacht.

Und wie es eben so ist: Wenn man die Karre in den Dreck ge fahren hat, kann man nicht rückwärtsfahren, man muss vor wärts. Und das ist das Problem, das hier einige offensichtlich nicht akzeptieren und anerkennen wollen, dass man einen Schlussstrich ziehen muss. Und da kommen wir nicht hin, wenn wir in dem bisherigen Klein-Klein - ach, wir gehen in die nächste Instanz, und wir warten mal, was das Bundesverfas sungsgericht oder der BGH sagt - verbleiben. Die Frage ist, ob der BGH da überhaupt zuständig ist oder ob man eine Sprungrevision machen kann und wie man zum Bundesverfas sungsgericht kommt etc. Deswegen sage ich auch ganz klar noch einmal: Meine Bitte und der Vorschlag ist, dass wir ein mal die Zwistigkeiten, die wir in verschiedenen Sachen mitein ander haben, hintanstellen und uns fragen: Wie können wir die ses Land befrieden? Das wird nur funktionieren, wenn wir hier einen großen gemeinsamen politischen Wurf machen und nicht versuchen, dem anderen ein Stöckchen hinzuhalten, um ihn da zu zu veranlassen, darüber zu springen. Der Punkt ist: Es be rührt Hundertausende von Menschen, die es tagtäglich im In neren zerfrisst, und damit muss Schluss sein, und das geht nur, wenn wir unsere kleinen Nickeleien, die wir miteinander ha ben, hintanstellen.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Noch einmal die Frage an die anderen Fraktionen: 1:47 - wer möchte diese Redezeit noch nutzen? - Offensichtlich niemand. Dann sind wir am Ende der Aussprache angelangt und kom men zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst über den Antrag der CDU-Fraktion „Rechtsfrieden für Altanschließer in Brandenburg“, Drucksa che 6/6571, ab. Wer diesem Antrag der CDU-Fraktion folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthal tungen? - Damit ist das mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE „Rechtssi cherheit für Altanschließer schaffen“ in der Drucksache 6/6627. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dem Entschlie ßungsantrag mehrheitlich gefolgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungs punkt 14 auf:

Gedenkstätten als wichtige Orte in der Auseinander setzung mit Geschichte besser fördern

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/6388

Dazu liegen Ihnen ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 6/6620 und ein Entschließungsantrag der AfDFraktion in der Drucksache 6/6626 vor.

Bevor ich die Aussprache zu diesem Beratungspunkt eröffne, möchte ich sehr herzlich den Direktor der Stiftung Branden burgische Gedenkstätten Herrn Prof. Dr. Morsch oben auf der Besuchertribüne begrüßen. Herzlich willkommen im Plenar saal!

(Allgemeiner Beifall)

Wir beginnen die Aussprache, und es spricht zu uns Frau Abge ordnete Prof. Dr. Liedtke für die SPD-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Verehrter Herr Prof. Morsch! Der vorliegende Antrag ist ein Bekenntnisantrag, ein Bekenntnis zu Gedenk stätten als Ort kollektiven Erinnerns, ein Bekenntnis zur Ausei nandersetzung mit eigener Geschichte, ein Bekenntnis zur För derung, zur besseren Förderung der Gedenkstätten, die an Ver brechen, an Menschenverachtung und an unsägliches Leid er innern, aber auch an Mut und Widerstand Einzelner in Diktatu ren. Gedenkstättenkultur ist Wertekultur.

Im vorliegenden Antrag geht es um die langfristige Förderung der Gedenkstätten, also auch um bauliche Maßnahmen. Es geht aber auch um Regionalforschung in einer globalisierten Zeit, um die Unterstützung von Initiativen vor Ort, denn den Aus stellungsbesuch ergänzt die eigene Aktivität, die Verinnerli chung des Geschehens, das Bewusstsein der Einheimischen für eigene Geschichte in eigener Heimat.

Man möchte meinen, es sei völlig selbstverständlich, ehemali ger Konzentrationslager wie Sachsenhausen und Ravensbrück mahnend zu gedenken. Dass dem nicht so ist, belegen Zahlen und Darstellungen des Innenministeriums über Rechtsextreme in Brandenburg, über rechtsradikale Gruppen, basierend auf Geschichtsrevisionismus und nationalsozialistischem Gedan kengut. Wir erfahren von Symbolen und Kennzeichen der rechten Szene in Schulen - vielleicht unbedacht übernommen -, aber auch von Verführung zu falschen Idolen.

Eigentlich kann die AfD dem vorliegenden Antrag heute zu stimmen. Sie müsste freilich zugeben, dass das Gedenkstätten konzept Brandenburgs angemessen Erinnerung an Gewaltherr schaften sicherstellt. Der Zweifel daran, meine Damen und Herren, ist unangemessen.

(Beifall SPD und vereinzelt CDU)

Die Umsiedlungsbeschlüsse des Potsdamer Abkommens und ihre Umsetzung in ihrem völkerrechtlichen und historischen Kontext beschäftigen die Wissenschaft. Publikationen mit dif ferenzierten Ergebnissen dazu liegen vor. Und wo es keinen Kommunismus gab, gab es auch keine kommunistische Ge waltherrschaft. Sie haben lange gesucht, um etwas in Ihren Entschließungsantrag schreiben zu können.

Erinnerungskultur in Brandenburg auf der Basis seriöser For schung und klarer humanistischer Wertevorstellungen wird dargestellt. Jede Ausstellung bietet vielfältige Ansätze weiter

zudenken, zu begreifen, neue gedankliche Verbindungen her zustellen. Auch deshalb verändert sich das Konzept „Geschich te vor Ort: Erinnerungskultur im Land Brandenburg für die Zeit von 1933 bis 1990“. Gedenkstättenpädagogische Arbeit wird umso wichtiger, je jünger die Lehrer werden, Zeitzeugen werden weniger, vieles gerät in Vergessenheit. Immer wieder fragen mich die Rheinsberger Touristen, was es denn mit dem Todesmarsch nach Sachsenhausen auf sich habe, und ich muss erklären, dass dieser Todesmarsch von Sachsenhausen weg führte, dass die Räumung des KZ Sachsenhausen ab 21. April 1945 der Grund dafür war, dass 33 000 Menschen zu Fuß in Fünfhundertergruppen über heutige Urlaubsorte getrieben wur den - über Löwenberg, Lindow, Rheinsberg oder Herzberg, Neuruppin, Herzsprung nach Wittstock. Und die wenigsten vor Ort wissen, was damals geschehen ist.

14 000 Häftlinge im Belower Wald haben elendig gehungert, bis sie ihren Todesmarsch Richtung Schwerin fortsetzten. Die alten Einheimischen erinnern sich daran, aber sie haben nicht darüber gesprochen. Ich habe das in einem Theaterprojekt ver sucht herauszukitzeln. Es sind die grausamen Ereignisse aus Kindertagen, die nicht weitergegeben wurden, und wir verdan ken es der Erinnerungskultur in Brandenburg, dass wir Genau eres davon wissen.

Alle Brandenburger Schülerinnen und Schüler sollen die Mög lichkeit haben, im Laufe ihrer Schulzeit wenigstens einmal so wohl einen Gedenkort der Opfer des Nationalsozialismus als auch der SED-Diktatur zu besuchen. Erinnerungskultur entwi ckelt sich permanent weiter. Die Vorschläge im Entschlie ßungsantrag der CDU, gemeinsam mit Berlin zu denken und explizit auch Themen aufzunehmen, die in unserem Antrag nicht stehen, werden sicherlich in ein Konzept aufgenommen, das jetzt geschrieben wird, und sie sind mit Sicherheit auch schon mitgedacht worden.

Neue Forschungsergebnisse ergänzen die Geschichtsschrei bung, Aufklärung und Aufarbeitung in Europa, verändern das internationale Interesse und regen den internationalen Aus tausch an. Auch neue Erinnerungsorte rücken ins Bewusstsein, etwa das Militärgefängnis in Schwedt, das einzige Militärge fängnis der DDR. Wer hier inhaftiert war, hat auch lange nicht über seine Erlebnisse gesprochen.

Gedenkstättenkonzepte verändern sich, müssen überarbeitet, evaluiert werden, werden Prioritäten auch ab und zu anders setzen. Folgerichtig entsteht eine wissensbasierte und immer mehr objektive Grundlage für die Wertung historischer Ereig nisse. In diesem Sinne bin ich gespannt auf das Konzept im Herbst.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)