Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Ich glaube - das ist meine Sicht der Dinge -, dass die Einspa rungen den demokratischen Nachteil, den wir hier erleiden, bei Weitem nicht aufwiegen. Es wird hier noch viel zu zurückhal tend diskutiert. Was passiert hier eigentlich konkret? Ein hal bes Jahr vor Ablauf der Amtszeiten mancher Landräte wird, damit Sie Ihr - aus meiner Sicht fragwürdiges - Prestigeprojekt Kreisgebietsreform durchbekommen, einfach gesagt: Die Land räte machen ein Jahr bis anderthalb Jahre weiter. - Damit Ihr Gefährdungsprojekt Kreisgebietsreform durchgeht, wird weg geräumt, was im Weg steht. Und es erfüllt niemanden mit Scham.

Wir als BVB/FREIE WÄHLER Gruppe fordern nichts Exoti sches, sondern lediglich, dass die Bürger zu einem Zeitpunkt wählen können sollen, der ihnen bei der letzten Wahl verspro chen worden ist, so, wie es bei jeder demokratischen Macht übertragung, Kompetenzübertragung auf Zeit der Fall ist. Das funktioniert so in jeder Demokratie der Welt.

Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen: Wenn Sie davon abwei chen wollen, müssen Sie Gründe dafür vorbringen. Sie müssen auch für Spezial- und Sonderfälle eine Lösung finden. SpreeNeiße/Cottbus ist eine Sondersituation. Das ist ganz klar.

Sie haben, wenn bis dahin verlängert wird, zur Kommunalwahl 2019 das Auslaufen der Amtszeiten des Landrates und aller Beigeordneten, die in Betracht kämen, das Amt fortzuführen. Der Kreistag kann das nicht beschließen, weil am Tag der Kommunalwahl im Mai 2019 die Gebietskörperschaft nicht mehr bestehen wird, wenn die Kreisgebietsreform durchkom men sollte. Das heißt, der Kreistag kann diesen Beschluss dann gar nicht mehr fassen, weil er für einen nicht zuständigen Landkreis handeln würde, und der neue Großkreistag ist noch nicht konstituiert, er kann den Beschluss auch nicht fassen. Das heißt, am Tag nach der Kommunalwahl haben Sie ein Gebiet ohne Hauptverwaltungsbeamten.

(Wichmann [CDU]: Das ist ein starkes Stück!)

Das ist vielleicht ein Sonderfall, aber Sie müssen Sonderfälle vorsehen, wenn Sie vom Regelfall der Periodizität von Wahlen abweichen wollen. Und wenn wir - oder in diesem Fall die CDU - darauf hinweisen,

(Wichmann [CDU]: Dafür sind wir hier!)

dann ist das kein Showgehabe, sondern weist auf eine Lücke hin, die Sie unnötigerweise reißen. Das ist die Rolle der Oppo sition, das ist normales parlamentarisches Vorgehen.

(Genilke [CDU]: Ja!)

Der Städte- und Gemeindebund empfiehlt die Ablehnung die ses Gesetzentwurfes, und zwar nicht, weil er allgemein gegen die Kreisgebietsreform ist, sondern aufgrund des genannten demokratischen Defizits. Der Städte- und Gemeindebund ist nicht unbedingt von BVB/FREIE WÄHLER-Hauptamtsland räten oder -Bürgermeistern durchsetzt, das kann man nun lei der nicht behaupten.

Meine Damen und Herren, ich habe in der 1. Lesung die Frage gestellt: Was machen Sie, wenn die Volksinitiative oder der Volksentscheid erfolgreich ist? Denn dann werden Sie einen demokratiewidrigen, selbst nach Ihrer Auslegung des öffentli chen Wohls dann nicht mehr gerechtfertigten Eingriff haben, weil dann nämlich die Zusammenlegung, die das vielleicht rechtfertigen mag, nicht kommt.

(Wichmann [CDU]: So ist es!)

Was passiert dann?

(Wichmann [CDU]: Tja!)

Wer zahlt dann die Demokratieablöse? Das würde ich gern von Ihnen wissen.

Ich muss ganz deutlich sagen: Dieser Handstreich muss und wird genauso scheitern wie die Kreisgebietsreform in Gänze.

(Beifall des Abgeordneten Dr. van Raemdonck [AfD])

Ich glaube, dass schon der Respekt vor den 130 000 Unter schriften es geboten hätte, nicht so zu handeln. Sie tun es trotz

dem. Deswegen muss es dabei bleiben, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Die Volksinitiative „Bürgernähe erhalten - Kreis reform stoppen“ muss Erfolg haben, muss mit Händen und Fü ßen unterstützt und die Unterschriftensammlung mit allen Kräften verfolgt werden, damit genau dieses Vorhaben obsolet wird und die Kreise in der Struktur erhalten bleiben, wie wir sie kennen und lieben.

Ich finde, dass die Auswüchse Ihres Handelns mittlerweile ein unerträgliches Ausmaß angenommen haben. Dem muss man mit Entschiedenheit entgegentreten, ob in der 2. oder in der 3. Lesung, aber auf jeden Fall mit der Ablehnung dieses Vorha bens. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie vereinzelt CDU und AfD)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Abstimmung.

(Dr. Redmann [CDU]: Wir haben noch Redezeit!)

- Entschuldigung, gut, okay. - Manche Fraktionen haben noch Redezeit. Die CDU-Fraktion möchte von ihrer Redezeit Ge brauch machen. Bitte schön.

Kollegin Nonnemacher, es würde den Grünen vielleicht guttun, sich in dieser Frage mal aus dem Windschatten von Rot-Rot zu lösen.

(Beifall CDU und AfD - Wichmann [CDU]: Ja, genau!)

Da gibt es einfach ein Problem.

Herr Minister, Sie können doch nicht einfach so über das, was die Experten festgestellt haben, hinweggehen! Sie könnten dar über hinweggehen, wenn Sie geplant haben, dass es genau so kommt, damit Sie in Ihrem Ministerium einen „Cottbus-Kom missar“ einsetzen und bestimmen können, welche Frau oder welcher Mann das wird. Wir wissen, wie Sie zu Cottbus ste hen, das haben Sie mehrfach öffentlich gesagt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LIN KE])

Um zu klären, was an diesen Dingen dran ist, ist eine 3. Lesung notwendig. - Danke schön.

(Beifall CDU, BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und AfD - Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LIN KE])

Möchten andere Fraktionen auch von der Restredezeit Ge brauch machen? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales, Drucksache 6/6855, zum Gesetz zur Regelung der Amtszeiten der Landrä tinnen und Landräte vor den allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2019. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es

Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit sind die Be schlussempfehlung und das Gesetz in 2. Lesung mehrheitlich angenommen.

Gemäß § 46 der Geschäftsordnung des Landtages findet eine 3. Lesung statt, deshalb erübrigt sich heute die Abstimmung über den vorliegenden Entschließungsantrag. Dieser wird nach der Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf zur Abstim mung gestellt.

Damit kann ich den Tagesordnungspunkt 6 schließen und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Fünftes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 6/6045

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport

Drucksache 6/6854

Des Weiteren liegen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 6/6839, ein Änderungsan trag der CDU-Fraktion, Drucksache 6/6873, und ein Entschlie ßungsantrag der AfD-Fraktion, Drucksache 6/6884, vor.

Die Aussprache wird von der SPD-Fraktion, der Abgeordneten Koß eröffnet.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher des Brandenburger Landtages! Die Ihnen vorliegende Schulgesetzänderung trägt folgenden Dingen Rechnung: der Erweiterung der demokratischen Teil habe von Schülerinnen und Schülern, der Umsetzung der Kon zeption des gemeinsamen Lernens, der Aufnahme von Flücht lingskindern in unser Schulsystem, der Umsetzung der Kon zeption zur Bildung von Schulzentren, der Veränderung des Besoldungsgesetzes - ich gehe einmal davon aus, dass es mor gen beschlossen wird - sowie dem Urteil des Oberverwaltungs gerichtes zur Finanzierung der freien Schulen.

Mit dem hier Vorliegenden ist uns ein guter Wurf - sprich: Ent wurf - gelungen. Dies zeigte auch die Anhörung im Bildungs ausschuss. Besonders gefreut hat mich, dass erstmalig Vertreter des Landesschülerrates anwesend waren und ihre Stellungnah men abgegeben haben.

Wir waren uns mit den Anzuhörenden in der positiven Bewer tung der Änderung bezüglich schulischer Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern einig. Es ist gut, dass nun auch in den Klassen 1 bis 3 Klassensprecherinnen und Klassensprecher gewählt werden können, die Teilnahme an der Konferenz der Schülerinnen und Schüler ab Klasse 4 gesichert ist und die Konferenz der Schülerinnen und Schüler beschließen kann,

dass Schülersprecherinnen und -sprecher der Schule direkt ge wählt werden; das ist ein Riesenerfolg.

(Beifall der Abgeordneten Kurth [SPD], Dannenberg und Große [DIE LINKE])

- Danke.

Dies, meine Damen und Herren, ist der richtige Weg, um De mokratie schon von Kindesbeinen an erlebbar und erlernbar zu machen.

Wenn Schule sich immer mehr öffnen und kompetenzorientiert unterrichtet werden soll, dann ist allerdings auch ein Umden ken in der Zensierung bzw. Notengebung notwendig.