Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Noch eine Bemerkung aus unserer Fraktion: Wir sehen es als wichtig an, dass wir die verabredeten Terminstellungen einhal ten. Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns ernsthaft mit den Anträgen beschäftigen. Dazu braucht man etwas Reaktionszeit, und das muss man auch jedem Mitglied der Enquetekommissi on zubilligen.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Zum Antrag auf Fristverlängerung für den Zwischenbericht der Enquetekommission 6/1 ist viel gesagt worden. Ich werbe auch dafür, diesem Antrag zuzustimmen, weil die Zeit einfach noch benötigt wird, da sich Situationen ergeben haben, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Die einzelnen Berichterstattergruppen von 1 bis 5 haben intensiv gearbeitet und im Laufe der letzten zwei Jahre Vorschläge und Stellungnahmen eingebracht. Diese waren in der Enquetekommission insgesamt unstrittig. Nun hat sich einen Tag vor der Abstimmung ergeben, dass es noch viele strittige Punkte gibt, dass vieles verändert werden sollte. So soll das Thema Schulbildung komplett herausgenommen werden; dafür hatte sich der Landkreistag starkgemacht. Das war für mich nicht verständlich.

Ansonsten ist das, was hier heute früh schon diskutiert wurde, auch Konsens in der Enquetekommission. Deswegen hat es mich - das kann ich mit einigem Abstand jetzt sagen - schon verwundert, aber auch ein bisschen schockiert, wie Sie hier all gemein auf unseren Antrag reagiert haben. Das ist nicht der gute Ton, den man hier pflegen sollte, und das ist übrigens auch nicht der Ton, den wir in der Enquetekommission pflegen. Dort gehen wir vernünftig miteinander um, und dort macht auch keiner dem anderen irgendwelche sinnlosen Vorwürfe. Das Einzige, was ich bedaure, ist, dass die AfD immer nur sehr selten genannt wird, obwohl wir in drei Berichterstattergruppen tätig sind. Insofern will ich hier noch einmal unterstreichen: Auch wir als Alternati ve für Deutschland sind sehr stark an dem Ergebnis beteiligt.

(Beifall AfD)

Insofern noch einmal mein Appell an Sie: Stimmen Sie dem Antrag zu, damit wir vernünftig weiter arbeiten können. - Vie len Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Raschke.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Gäste! Liebe Kol leginnen und Kollegen! Noch mal: Warum sind wir hier? Wir - CDU, Grüne und FREIE WÄHLER - haben am Anfang der Legislatur die Enquetekommission eingerichtet, weil wir den Blickwinkel auf ländliche Räume ändern wollten. Wir wollten wegkommen von dem Bild: In Potsdam wird irgendwas ent schieden, und die Vielfalt und die Potenziale des ländlichen Raums werden nicht gesehen. - Dazu haben wir die Enquete kommission so aufgebaut, dass wir Sitzungen vor Ort und Bür gersprechstunden durchführen und es ein Dialogportal und ei nen Livestream gibt. Das alles hat dazu geführt, dass dieser neue Blick auf die ländlichen Räume fast schon Mainstream geworden ist, zumindest in der Enquetekommission. Da haben wir große Fortschritte erzielt; das ist wirklich gut.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜ NE])

Aber: Nach der Aufregung am letzten Freitag muss ich feststel len: Dieser Mainstream scheint nur in der Enquetekommission, bei den Mitgliedern der Enquetekommission, angekommen zu sein und noch nicht darüber hinaus. Er ist offenbar - Wolfgang Roick hat es gerade gesagt - sogar bis in den SPD-Parteitag gelangt, aber nicht in Gänze in den Städte- und Gemeindebund und auch nicht in die SPD-Fraktion. Deswegen gab es kurz vor knapp noch Änderungsanträge, die so weitreichend waren, dass wir sie am Freitag nicht diskutieren konnten. Wir tun gut daran, dies im Rahmen einer Verlängerung zu tun. Wir sollten uns die se Verlängerung gönnen und den Zwischenbericht im Januar vorlegen.

Ich habe damit verbunden die dringende Bitte, dass für den Endbericht - wir üben ja auch für den Endbericht - insbesonde re seitens SPD-Fraktion mehr Augenmerk darauf gelegt wird. Das ist aus unserer Sicht eine relativ wichtige Kommission, und die Panne, die da passiert ist, lag - das will ich ausdrücklich sagen - nicht an den Kommissionsmitgliedern der SPD. Insbe sondere Frau Simona Koß, mit der ich in meiner Berichterstat tergruppe gut zusammenarbeite, hat noch Brücken geschlagen, die es uns ermöglicht haben, überhaupt weiterzumachen. Dafür bin ich sehr dankbar. Alles in allem halte ich das, was am Frei tag passiert ist, eher für ein reinigendes Gewitter.

(Wichmann [CDU]: Genau!)

Gut, Schwamm drüber, wir machen weiter. Und wenn da noch ein fernes Donnergrollen aus der Ecke der CDU kommt, wird auch das über Weihnachten abklingen. Wir werden mit der En quetekommission weitermachen.

(Zuruf von SPD)

Wir haben noch viel vor uns. Ich freue mich auf die Zusammen arbeit und denke, dass wir einen sehr guten Zwischenbericht

und einen noch besseren Abschlussbericht vorlegen werden. Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und SPD)

Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Roick „Vorla ge eines Zwischenberichts und eines Abschlussberichts gemäß Einsetzungsbeschluss 6/1481-B“ auf Drucksache 6/7770, Neu druck. Ich darf Sie fragen: Wer möchte diesem Antrag zustim men? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungs punkt 15 auf:

Initiative zur Abschaffung des Paragrafen 219a StGB ergreifen

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/7729

Die Aussprache wird von der Fraktion DIE LINKE eröffnet. Frau Bader, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich krank bin und zum Facharzt gehen muss, dann überlege ich mir schon, zu wem ich gehe. Ich frage Freunde und die Familie, ob sie jemanden empfehlen können, und ich infor miere mich im Internet, welche Leistungen beispielsweise der Facharzt für Orthopädie, den ich aufsuchen möchte, anbietet. Bietet er ambulante oder stationäre Operationen unter Einsatz der Arthroskopie an? Gibt es spezielle Erfahrungen im Bereich der Sportmedizin? Gibt es besondere Zertifizierungen, Untersu chungsmethoden oder Therapien?

Es ist heutzutage ganz normal, sich vorab zu informieren und sich zielgerichtet für einen Facharzt zu entscheiden. Und nie mand käme auf die Idee - bleiben wir einmal bei der Orthopädischen Praxis -, den Orthopäden zu verklagen, weil auf der Internetseite steht: Ein Schwerpunkt unserer Praxis ist die Kreuzband- und Kniechirurgie. - Ganz anders sieht es aus, wenn eine Gynäkologin als Teil ihres Leistungsspektrums auf ihrer Internetseite das Wort „Schwangerschaftsabbruch“ an gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben es sicher lich alle mitbekommen: Am 24.11. wurde die Frauenärztin Kristina Hänel aus diesem Grund zur einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt.

(Königer [AfD]: Unglaublich, was Sie da machen!)

Grundlage war der § 219a StGB, das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche.

(Zurufe von der AfD)

- Darf ich meine Rede zu Ende halten? Danke. - Die Vorsitzen de Richterin begründete das Urteil folgendermaßen:

„Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwan gerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache.“

Nun frage ich mich: Wo sind wir hier eigentlich? Sind wir im Mittelalter oder im 21. Jahrhundert?

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Danke. - Warum gibt es den § 219a? Hintergrund ist zum einen die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik, als der Tatbestand des Werbeverbots in der Strafrechtsreform im Mai 1933 eingeführt wurde. Zum anderen ist die religiöse Vorstellung aus den Glaubensnormen des Christentums prägend: Bereits ab der Beseelung der befruchteten Eizelle wird eine Abtreibung mit der strengsten Kirchenstrafe, der Exkommuni kation, belegt, und ein Abtreibungsverbot wird als ein grundle gendes Element der staatlichen Gesetzgebung eingefordert.

Da ist es nur konsequent, dass Frauen zwar eine Schwanger schaft straffrei abbrechen, sich aber über Möglichkeiten, Me thoden und Praxen nicht frei informieren dürfen. Frauen haben nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz die Pflicht, eine Be ratung wahrzunehmen, aber nicht das Recht, diese Informatio nen selbstbestimmt einzuholen. Also dürfen Informationen über Abtreibungen an Ärzte gehen, aber nicht direkt an die Frauen.

Es gibt aber immer weniger Ärztinnen und Ärzte, die Schwan gerschaftsabbrüche vornehmen. Das ist offenbar das Ziel der selbsternannten Lebensschützerinnen und -schützer. Sie ver kennen, dass sich das ungeborene Leben niemals gegen den Willen der Mutter schützen lässt.

(Dr. Redmann [CDU]: Das ist respektlos, was Sie hier sa gen! - Gegenrufe von der Fraktion DIE LINKE)

Was Sie erreichen: Sie verunsichern Ärzte und Betroffene und kriminalisieren legale medizinische Leistungen. Das macht es für Frauen, insbesondere im ländlichen Raum, zunehmend schwieriger, Ärzte und Kliniken zu finden, die Abtreibungen durchführen. Meine Fraktion sagt: § 219a StGB gehört endlich abgeschafft.

(Starker Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Denn er folgt religiösen Glaubensvorstellungen und der nationalsozialistischen Weltanschauung, die mit einem demokratischen,

weltanschaulich neutralen Rechtsstaat in der Ausrichtung auf die Europäische Menschenrechtskonvention unverträglich ist.

(Königer [AfD]: Was Sie da fordern, ist Euthanasie!)

§ 219a ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Zurufe von der AfD)

Die LAG LINKE Frauen in Brandenburg steht hinter Kristina Hänel und hat sich mit ihr solidarisiert. Auch ich habe die Peti tion „Informationsrecht für Frauen zum Schwangerschaftsab bruch“ unterschrieben, die dem Deutschen Bundestag gestern mit über 150 000 Unterschriften überreicht wurde.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Denn wie, bitte schön, soll sich eine Frau informieren, welcher Arzt einen Schwangerschaftsabbruch anbietet und welcher nicht? Somit ist das Recht auf freie Arztwahl total ausgehebelt.

(Zuruf von der AfD: Dafür gibt es die Schwangerschafts beratung!)