Sie hätten jetzt die Chance gehabt, dieses Gesetz zu entschla cken. Was tun Sie? Sie legen noch eine Schippe an Bürokratie drauf und verfestigen die Differenz zwischen Bundesmindest lohn und Landesmindestlohn. Auch Ihr Koalitionsvertrag hält Sie davon nicht ab. Auf Seite 24 heißt es nämlich:
„… dass ab dem 30. Juni 2019 die Lohnuntergrenze im Brandenburgischen Vergabegesetz mit dem gesetzlich festgelegten Mindestlohn übereinstimmen soll.“
Meine Damen und Herren, der gesetzliche Bundesmindestlohn wurde am 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro pro Stunde angehoben. Es wäre für die Landesregierung überhaupt kein Problem ge wesen, sich an dieser Stelle einzufädeln. Der Landesmindest lohn wäre erhöht, der Koalitionsvertrag umgesetzt und einiges an Bürokratie abgebaut.
Lieber Kollege Domres, Sie sind mir in den letzten fünf Jahren dadurch aufgefallen, dass Sie in Ihren Reden, aber auch in Ih ren Pressemitteilungen und öffentlichen Stellungnahmen im mer auf den Koalitionsvertrag abheben.
Bei jeder Begründung wurde der Koalitionsvertrag angeführt, der Sie als linke Fraktion daran hindere, irgendetwas zu bewe gen, als linke Fraktion irgendetwas zu tun.
Jetzt spielt das aber keine Rolle mehr; jetzt gilt das halt nicht. - Wir kommen später darauf zu sprechen, warum das so ist.
Meine Damen und Herren, wissen Sie, dass ein Unternehmen für die Abgabe eines Angebotes aktuell 20 Stunden für diverse Formulare, Erklärungen, Nachweise aufwenden muss? Stellen Sie sich bitte einmal vor: Man bewirbt sich auf einen Job und arbeitet erst einmal 20 Stunden auf Probe, ohne zu wissen, ob man den Job bekommt. Diese 20 Stunden arbeitet man auch noch unentgeltlich. Jeder von Ihnen würde sofort sagen: Das ist keinem Arbeitnehmer zuzumuten!
Dabei wäre dieser Bürokratieabbau in Zeiten von Investitio nen - ob Straßenbau, Breitbandausbau oder viele andere Auf träge - enorm wichtig für Brandenburg. 57 % der Unternehmen nehmen heute schon nicht mehr an öffentlichen Ausschreibun gen teil - Tendenz steigend. Ich frage mich: Wie wollen Sie die vielen zukünftigen Investitionen umsetzen, wenn Sie nicht un sere kleinen und mittelständischen Unternehmen an Ihrer Seite haben?
Jedes Gesetz ist nur so gut wie seine Wirkung. Deshalb hat die CDU-Fraktion immer wieder Kleine Anfragen an die Landes regierung gerichtet und nachgefragt, wie viele Beschäftigte vom Vergabemindestlohn in Brandenburg profitieren. Es gibt keine Zahlen der Landesregierung. Man hat also ein Gesetz ge ändert, man tut das regelmäßig und weiß nicht, wie viele Men schen davon betroffen sind und davon profitieren. Das kann doch nicht wahr sein. Es ist doch klar, dass es in dieser Situation jedes Mal nur ein Feigenblatt sein kann.
Die Umsetzung des Gesetzes wird auch nicht kontrolliert, wie wir in der Anhörung gehört haben, weil die Kommunen keine Kapazitäten dafür haben. Wir haben es hier mit reiner Symbol politik zu tun.
Um das ganz klar zu sagen: Wir sind nicht gegen den gesetzli chen Mindestlohn. Wir haben den Bundesmindestlohn, der re gelmäßig steigt und angepasst wird. Dafür gibt es eine Kom mission. Das geschieht nicht, weil Frau Merkel das so be stimmt, sondern das alles hat seine gesetzliche Grundlage.
Wir wehren uns dagegen, dass Sie einen Popanz aufbauen und ihn wie eine Monstranz vor sich hertragen und nur aus reiner Ideologie und aus dem Bauch heraus einen Landesvergabemin destlohn geradezu abfeiern, der bei den Arbeitnehmern aber nicht ankommt. Im Gegenteil, er sorgt für so viel Bürokratie, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer in Brandenburg kein Interesse an öffentlichen Aufträgen haben.
Deshalb meinen wir, dass der Vergabemindestlohn nicht geeig net ist, das Lohnniveau in Brandenburg anzuheben.
Wir meinen: Der Vergabemindestlohn ist nicht geeignet, das Lohnniveau in Brandenburg anzuheben, da er deutlich unter den Löhnen nahezu aller Branchen liegt, die sich an öffentli chen Aufträgen beteiligen. Im Gegenteil: Er unterläuft die Ta rifverträge.
Ich komme zum Schluss; ich bedanke mich. - Sie haben eine Chance verpasst, ein anwenderfreundliches und mittelstands freundliches Gesetz zu machen. - Vielen Dank.
Erstens: Wie ist das eigentlich - wird einem Bewerber die Zeit, die er für die Bewerbung auf einen Job aufwendet, auch bezahlt?
- Das ist genau das Gleiche. Ich habe ein Unternehmen geführt. Bewerbungen bei anderen Unternehmen beispielsweise wer den auch nicht vergütet.
(Vereinzelt Beifall SPD - Bommert [CDU]: Ach, hör doch auf jetzt! - Dr. van Raemdonck [AfD]: Frau Präsi dentin!)
Es gibt keine gesetzliche Regelung, dass Bewerbungen bzw. Pitches - in dem Bereich, wo ich tätig war - oder Ähnliches zu vergüten sind. Das fordern Sie jetzt bei der Bewerbung um öf fentliche Aufträge. Das kann es ja wohl nicht sein.
Zweitens, zu öffentlichen Ausschreibungen: In diesem Gesetz geht es um die Erhöhung des Mindestlohns. Das Gesetz hat durchaus - das ist in der Anhörung deutlich geworden - büro kratische Hürden, über die man diskutieren muss. Aber das ist nicht Gegenstand der heutigen Gesetzesänderung.
Drittens zu der Frage, warum sich Unternehmen nicht an öf fentlichen Ausschreibungen beteiligen: Klar, wenn es einen Markt gibt, der mir viele Varianten bietet, gehe ich dorthin, wo ich den geringsten Aufwand habe, um einen Auftrag zu erhal ten. Das kann uns aber nicht dazu verleiten, nicht darauf zu achten, dass bei öffentlichen Aufträgen ein Minimum an recht lichen Rahmenbedingungen - dazu gehört für mich der Lohn - eingehalten wird.
Lieber Kollege Barthel, lieber Helmut! Da hast du mich falsch verstanden. Ich habe natürlich nicht gefordert, dass unsere Unternehmen die Zeit, die sie darauf verwenden, sich für öf fentliche Aufträge zu bewerben, vergütet bekommen. Das ist Quatsch. Das war eine Metapher. Ich wollte einfach nur deut lich machen, dass mit diesem Landesvergabegesetz die Büro kratie nicht weniger wird, sondern Sie noch eine Schippe drauflegen und die Unternehmer mittlerweile 20 Stunden brauchen, um sich an einer Ausschreibung vernünftig zu betei ligen.