Lieber Kollege Barthel, lieber Helmut! Da hast du mich falsch verstanden. Ich habe natürlich nicht gefordert, dass unsere Unternehmen die Zeit, die sie darauf verwenden, sich für öf fentliche Aufträge zu bewerben, vergütet bekommen. Das ist Quatsch. Das war eine Metapher. Ich wollte einfach nur deut lich machen, dass mit diesem Landesvergabegesetz die Büro kratie nicht weniger wird, sondern Sie noch eine Schippe drauflegen und die Unternehmer mittlerweile 20 Stunden brauchen, um sich an einer Ausschreibung vernünftig zu betei ligen.
Du warst doch bei der Anhörung dabei und hast gehört, was man uns ins Stammbuch geschrieben hat. Das Problem ist nur: Ihr ignoriert das, es interessiert euch nicht!
Wir sind hier im Parlament; und Gesetze werden gemacht, da mit sie Anwendung finden. Sonst macht es doch keinen Sinn. Es ist wichtig, dass ein Gesetz auch Wirkung entfaltet. Aber dieses Gesetz entfaltet nicht die Wirkung, die ihr euch vorstellt. Denn es ist in Brandenburg nun einmal so, dass die Unterneh men, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, meistens ta riflich - auch außertariflich - schon mehr als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen und es nur noch ganz wenige Branchen gibt, wo das anders ist - zum Beispiel Reinigungsunternehmen, die aber übrigens nächstes Jahr auch ihren Tarifvertrag über den Landesvergabemindestlohn anheben werden. Ansonsten betrifft es kaum noch jemanden. Das ist auch der Grund, war um sich keiner mehr beteiligt. Das muss man doch einsehen!
Es ist halt euer Ding. Da kann ich noch so viel argumentieren. Ich möchte aber, dass wenigstens deutlich wird, dass es in Brandenburg keine Wirkung entfaltet und ich nach wie vor als alter Parlamentarier überzeugt bin: Gesetze, die keine Wirkung entfalten, sollten keine Gesetze sein. Die Verabschiedung un terlässt man. - Danke schön.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht Dr. Bernig für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir es auch eben wieder gehört haben, werden in der Auseinanderset zung über das Vergabegesetz immer wieder Schlagwörter ver wendet, die aus meiner Sicht den Blick auf den Kern des Gan zen verstellen. Da wird Verschiedenes in den Raum gestellt: Ein zu hoher Mindestlohn überfordere die Unternehmen, eine Mindestlohnuntergrenze, die von dem bundesweit geltenden Mindestlohn abweiche, führe zu mehr Bürokratie; oder aber die Beachtung der Tarifautonomie wird angemahnt. Dass es um die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrung und Niedrig löhnen geht, sagt keiner.
Der Unternehmerverband schreibt in seiner Stellungnahme an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie: Würde der branden burgische Landtag nun den Empfehlungen der unabhängigen Kommission folgen, wäre dies ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. - Weiter heißt es dort: Insofern ist aus Sicht der Wirtschaft zwingend darzulegen, welche Gründe es recht fertigen, über den gesetzlichen Mindestlohn des Bundes im Land Brandenburg hinauszugehen. - Da sind wir meiner Mei nung nach beim eigentlichen Kern des Brandenburgischen Ver gabegesetzes. Es geht nach dem Verständnis meiner Fraktion doch um Folgendes:
Sowohl im europäischen als auch im deutschen Vergaberecht werden soziale Aspekte inzwischen explizit als mögliche Zu schlagskriterien benannt. Im Rahmen der Europäischen Säule sozialer Rechte wird über die Einführung eines europäischen Mindestlohns diskutiert, der bei 60 % des Medians der jeweili gen Länder liegen soll. Das deutsche Vergaberecht ermächtigt die Bundesländer weitestgehend, soziale Vorschriften für die Ausführung öffentlicher Aufträge festzulegen. Die öffentliche Hand im Land Brandenburg kauft Leistungen ein und knüpft die Vergabe deshalb an bestimmte Bedingungen - in unserem konkreten Fall an eine vergabespezifische Mindestlohnunter grenze von 10,50 Euro. Warum machen wir das? Weil es aus unserer Sicht politisch gewollt sein muss, dass der Auftragneh mer seinen Beschäftigten einen anständigen Lohn zahlt, und weil das Land damit beispielgebend vorangeht, was nicht un wichtig ist, wenn zum Beispiel die Politik gegenüber der Wirt schaft die Forderung nach guter Arbeit und guten Löhnen er hebt.
Wenn unter dem Strich, Herr Homeyer, nur eine Arbeitneh merin bzw. ein Arbeitnehmer durch die neue Lohnuntergrenze von 10,50 Euro ab 1. Mai mehr in der Geldbörse hat, verstoße ich sehr gern gegen die Regelung des Koalitionsvertrages.
Und, meine Damen und Herren, wir synchronisieren, indem wir die Bundesregelung zur prozentualen Steigerung überneh men.
Ein weiteres Argument, welches im Zusammenhang mit einer Lohnuntergrenze auf Landesebene oftmals angeführt wird, lautet, es treffe überhaupt keine Arbeitnehmerinnen und Ar beitnehmer, weil die hier im Land schon alle mehr verdienen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da frage ich Sie: Was ist denn nun wahr? Bezahlen die Unternehmerinnen und Unternehmer bei öffentlichen Aufträgen heute schon alle mehr als das, was wir hier festschreiben wollen? Oder werden die Unternehmen tatsächlich mehr belastet, weil sie heute alle weniger bezahlen? Nur eins von beidem kann die Wahrheit sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Land Brandenburg bleibt bei einer Lohnuntergrenze von 10,50 Euro für die öffentliche Vergabe Vorreiter. Dies ist dringend notwendig, denn es ist ein Schritt in Richtung armutsfester und existenzsichernder Min destlöhne. Nach Berechnungen der Bundesregierung müsste der Mindestlohn mindestens 12,63 Euro in der Stunde betra gen, damit die Nettorente oberhalb der Grundsicherung liegt. Mit unseren 10,50 Euro zum 1. Mai 2019 und 10,68 Euro zum 1. Januar 2020 kommen wir dem Ziel eines armutsfesten Min destlohns auf Landesebene ein kleines Stück näher. Weitere Schritte, wie in unserem Entschließungsantrag beschrieben, müssen zeitnah erfolgen. Die Linksfraktion im Landtag Bran denburg sieht sich verpflichtet, schnellstmöglich einen Min destlohn durchzusetzen, der Lohn und Rente oberhalb der Ar mutsgrenze garantiert.
Die öffentliche Hand muss das Vergaberecht weiterhin nutzen, um die Rechte der Beschäftigten und gleichzeitig tarifliche Vereinbarungen zu stärken. Daran werden wir weiterarbeiten.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Schade für die AfD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich denke, wir sind uns nach wie vor grundsätzlich darüber einig, dass die Bürger in unserem Land von ihrer Hände Arbeit gut leben können müssen und auskömmliche Löhne erhalten sol len. So sind wir als AfD auch für einen sozialverträglichen Mindestlohn, erst recht angesichts steigender Lebenshaltungs kosten. Warum er aber auf Dauer höher sein muss als der bun
desweit geltende Mindestlohn, erschließt sich mir - gerade nach der Diskussion im Ausschuss - immer noch nicht.
- Quatschen Sie nicht ständig dazwischen, Herr Domres. Ma chen Sie eine Kurzintervention, dann funktioniert das. Ja?
(Bischoff [SPD]: Was ist denn das für ein Ton? - Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Das ist im Übrigen erlaubt!)
Sie bemängeln immer, dass es noch immer keine Angleichung der Löhne und Renten in Ost und West gibt - und jetzt schaffen Sie auch noch entgegen Ihrer Versprechungen im Koalitions vertrag hier in Brandenburg selbst eine solche Ungerechtigkeit. Das macht Ihre Politik unglaubwürdiger, als sie eh schon ist. Setzen Sie sich beim Bund vernünftig dafür ein, dass es grund sätzlich für ganz Deutschland einen auskömmlichen Mindest lohn gibt. Das wäre vernünftig und sozial gerecht. Die Stel lungnahmen der Anzuhörenden von Unternehmerverbänden, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund waren gelinde ge sagt vernichtend.
Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dass die Regierungskoalition doch noch zur Vernunft kommt und Abstand von diesem Ge setz nimmt. Denn Sie sind erstens nicht in der Lage, die Ein haltung des Brandenburger Vergabelohns ausreichend zu kont rollieren. Sie sind nicht in der Lage, mit den Ihnen zur Verfü gung stehenden Instrumenten so umzugehen, dass die Bran denburger Unternehmen nicht benachteiligt werden. Sie sind, wenn Sie bei einer der seltenen Kontrollen bei einem Unter nehmen einmal einen Verstoß feststellen, auch nicht in der Lage, dies auf Ihrer eigenen Sperrliste auch aufzuführen. Und zusätz lich sind Sie noch nicht einmal in der Lage, Ihren eigenen Koali tionsvertrag einzuhalten. Ich finde das äußerst bedenklich.
Wir als AfD haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das Brandenburgische Vergabegesetz entbürokratisiert werden muss. Dies betrifft aufgeblasene Regelungen zum Haushalts recht und zu den Kontrollpflichten der Vergabestellen. Mit un serem Antrag wollen wir nun im Rahmen des Bürokratieab baus den für Brandenburg so typischen Klein- und Kleinstun ternehmen eine Möglichkeit eröffnen, wieder an den Vergaben öffentlicher Aufträge teilzunehmen, und damit die Eingangs hürden senken. So stellt auch der Landkreistag fest, dass die Bieter sich ob der zunehmenden Formularflut verärgert und verunsichert zurückziehen. Der Handwerkskammertag monier te den immensen Buchhaltungsaufwand. Als Beispiel nannte er die Abrechnung eines Gebäudereinigers, der vormittags drei Stunden in Berlin arbeiten geht, nachmittags zwei Stunden in einem privaten Unternehmen tätig ist und dann noch drei Stun den im brandenburgischen Landtag arbeitet. Hier sieht man, mit welchem erheblichen zusätzlichen Aufwand der branden
burgische Sonderweg verbunden ist. Mit unserer Erhöhung des geschätzten Auftragswertes für Liefer-, Dienst- und Bauleis tungen von 3 000 auf 10 000 Euro kann der überbordenden Bü rokratie spürbar entgegengewirkt werden; öffentliche Aufträge verbleiben im günstigsten Fall im eigenen Land, und eine nach haltige Wirtschaftspolitik kann langfristig das Ergebnis sein.
Die Erhöhung des Mindestentgelts ab 2020 wird zunächst zu einer spürbaren zusätzlichen Belastung der kommunalen Haus halte führen, stellt aber auf der anderen Seite sicher, dass gera de geringqualifizierte Personen von ihrer Hände Arbeit auch leben können, und stellt somit eine Motivation dar, aktiv am Berufsleben teilzunehmen. Im Klartext muss es darum gehen, dass der Mindestlohn bundesweit auf ein Maß erhöht wird, von dem die Menschen grundsätzlich leben können, dass der Min destlohn nicht dazu führt, dass kleine Unternehmen aufgrund der hohen Bürokratie von öffentlichen Aufträgen ausgeschlos sen bleiben. Und es muss darum gehen, dass der Mindestlohn nicht für einen ideologiegetriebenen Überbietungswettbewerb missbraucht wird. Ganz wichtig ist uns, dass bei der weiteren Festlegung der Höhe des Mindestlohns größtmögliche Trans parenz gewahrt wird. Darum muss die Arbeit der Mindestlohn konferenz nachvollziehbar sein und protokolliert werden.
Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zum vergabespezi fischen Mindestlohn der Koalition würde das Land Branden burg auf Dauer den höchsten Mindestlohn zahlen. Das kann mit den verbundenen Nachteilen nicht Sinn und Zweck des Ge setzes sein. Der Umgang mit dem Instrument Mindestlohn muss unter Berücksichtigung aller Beteiligten ausgewogen und fair gestaltet werden. Nur so kann er seine Wirkung voll entfal ten und im besten Fall irgendwann wieder überflüssig wer den. - Vielen Dank für Ihre so geschätzte Aufmerksamkeit, Herr Domres.
Vielen Dank. - Liebe Kollegen, ich möchte noch einmal allge mein darum bitten, dass wir einen respektvollen Umgang mit einander pflegen. Dazu passt es irgendwie nicht, sich gegensei tig - vorhin und jetzt auch - zu unterstellen, Quatsch zu erzäh len. Das machen Abgeordnete von Amts wegen nicht;
Nun setzen wir die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abge ordnete Schinowsky für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt überle ge ich immer noch, wie viel Quatsch ich hier schon geredet habe oder noch nicht. Aber das können wir auf später verschieben.
Die Erhöhung des Vergabemindestlohns ist ein richtiger Schritt. Uns muss aber bewusst sein, dass die Auswirkungen auf den Geldbeutel der Betroffenen gleichwohl leider sehr gering aus fallen; damit sein Leben zu finanzieren, bleibt schwierig - dar auf wurde schon hingewiesen.
Wir unterstützen auch den von der Brandenburger Mindest lohnkommission vorgeschlagenen Anpassungsautomatismus. Hiermit wird festgeschrieben, dass das Mindestentgelt bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch in Zukunft höher ausfällt als der allgemeine Mindestlohn.
Unseres Erachtens sollte aber die Sinnhaftigkeit dieser Rege lung bei zukünftigen Anpassungen des Gesetzes überprüft wer den. Langfristig sollte es einen bundesweit einheitlichen Min destlohn geben, auch weil unterschiedliche Mindestlohnhö hen - wie hier bei uns in Berlin und Brandenburg - zu Proble men führen.
Das Vergabegesetz muss aber weit mehr regeln als den Min destlohn. Das Land Brandenburg gibt jährlich rund 1 Milliar de Euro für Beschaffungen aus. Die Kommunen erhöhen die Nachfrage der öffentlichen Hand hierzulande um weitere 2 Milliarden Euro. Mindestens 1 Milliarde Euro gewährt das Land Unternehmen, Vereinen und Verbänden in Form von Zu wendungen.
Das ist eine beträchtliche Nachfragemacht, mit der das Land erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Unternehmen im Lande hat. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist dabei nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Wertschöpfung. Die Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe entscheiden auch wesentlich mit, ob sich Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch Niedrig löhne, Verletzung elementarer Arbeitsnormen oder unverhält nismäßiger Belastung der Umwelt verschaffen können.