Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

- zum einen, weil der Antrag in sich widersprüchlich ist, und zum anderen, weil er die Aufgabe der Unternehmen bei der be

trieblichen Ausbildung vernachlässigt. Was im Übrigen auch fehlt, sind die Chancen der Zuwanderung. Aber dazu ist vorhin schon einiges gesagt worden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Schier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Wir sehen uns heute mit einem sehr umfangreichen An trag der AfD-Fraktion konfrontiert. Thematisch legt dieser An trag durchaus den Finger in eine offene Wunde. Das weiß auch die Koalition. Deshalb gab es vor etwa einem Jahr den Antrag „Gute Ausbildung für alle - Berufsausbildungsbeihilfe novel lieren und gesetzliche Mindestausbildungsvergütung einfüh ren“; wir haben darüber hier in diesem Hause gesprochen. Der aus diesem Antrag hervorgehende Bericht der Landesregierung zur Situation der Auszubildenden ist sehr aufschlussreich und stellt unter anderem dar, dass die Vertragslösungsquote mit 32 % leider deutlich über derjenigen in der gesamten Republik, nämlich 25,8 %, liegt.

Die Landesregierung stellt oftmals darauf ab, dass die Ausbil dungsvergütung das Problem bei der Ausbildung sei. Das, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, stimmt in den meisten Fällen nicht. Ich vertraue auf die Weitsicht der Unternehmen. Sie haben längst erkannt, dass die jungen Leute bestimmte An sprüche an ihre Ausbildung stellen; sie sind nämlich selbstbe wusster geworden. Jedem und jeder Auszubildenden ist vor Antritt der Ausbildung klar, was er oder sie als Vergütung be kommt - zumal die IHK mir bei einem Gespräch versicherte, dass die Unternehmen sehr wohl wissen, was sie zu zahlen ha ben, um vernünftiges Personal akquirieren zu können. Und je der von uns, der Ausbildungsmessen besucht, hört im Vorbei gehen immer mal: „Wir bezahlen Ihnen den Führerschein“, „Brauchen Sie eine Wohnung? Wir übernehmen für die Dauer der Ausbildung die Miete“ - die Unternehmer sind da sehr er finderisch. Heute sind andere Faktoren im Betrieb wichtig, et wa Gesundheitsmanagement, Freizeitausgleich, flexible Ar beitszeiten usw.

Wenn ich auf die Aufgaben einer Landesregierung blicke, fällt mir hierzu die Bildungspolitik ein. Das ist ein Politikfeld, auf dem Sie in der Vergangenheit viel Verunsicherung geschaffen haben. Und ich rede jetzt nicht nur über die Eltern, sondern auch über die Lehrerinnen und Lehrer sowie insbesondere über die Schüler. Sie sollten keine Noten mehr bekommen, werden zu einem großen Teil nur noch von Quereinsteigern unterrich tet; sie beenden im besten Fall die Schule, wissen dann aber nicht, wie weiter. An dieser Stelle benötigen wir erfolgreiche Modelle der Berufsorientierung. Dazu zählen insbesondere Praktika und das Praxislernen sowie zum Beispiel - wie heute Morgen in der Fragestunde thematisiert - der Ausbau der Be rufseinstiegsbegleitung.

Vor allem dürfen wir die Mobilität nicht vergessen. Das 365-Euro-Ticket muss auch für Schüler und die Freiwilligen dienste gelten,

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

denn dann könnten auch sie größere Distanzen zurücklegen, um zum Beispiel zu einer Praktikumsstelle zu kommen.

Inhaltlich liegt die AfD aus Sicht der CDU-Fraktion in nicht allen Punkten richtig. Aus diesem Grund haben wir uns für ei nen Entschließungsantrag entschieden. Wir wissen bereits rela tiv gut, was funktioniert - und vor allem, was wir benötigen: Wir brauchen starke Oberschulen, ausreichend und gutes Per sonal sowie ein starkes Netzwerk von Oberstufenzentren. Da her haben wir diese Maßnahmen in unserem Entschließungsan trag verankert. Der Ausbildungskonsens aus dem Jahr 2003, der zwar im letzten Jahr bis zum Jahr 2020 verlängert wurde, gehört trotzdem überarbeitet. Fakt ist doch wohl eins: Seit 2009, seit dem Auftakt von Rot-Rot, ist die Anzahl der Ausbil dungsverträge um ein Drittel gesunken - nämlich von 15 000 auf 10 000.

(Beifall der Abgeordneten Schade [AfD])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie verkennen auch, wie viele Jugendliche keinen Schulabschluss haben. Allein in Potsdam-Mittelmark ist die Zahl binnen der letzten zwei Jahre um 30 % gestiegen. Der Ausbau der Jugendberufsagenturen liegt mir besonders am Herzen. Die rechtskreisübergreifende Arbeit lohnt sich wirklich. Von mir aus können wir die Arbeit der Agenturen vorab auch noch einmal extern evaluieren las sen. Tatsache ist aber, dass wir hier als starker Staat junge Menschen an die Hand nehmen, sie für die Zukunft, für den Arbeitsmarkt fit und attraktiv machen.

(Vereinzelt Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Brandenburg kann es sich nicht leisten, Ausbildungsplätze un besetzt zu lassen. Wir konkurrieren einfach mit zu vielen ande ren Regionen um attraktive Arbeitsplätze und somit auch um Fachkräfte. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem An trag. - Ich danke für Ihr Zuhören.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abge ordnete Dannenberg.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kol legen! Sehr verehrte Gäste! Auf die Herausforderung in der schulischen Bildung, Berufs- und Studienorientierung sowie Ausbildung hinzuweisen bzw. Lösungswege aufzuzeigen, ist durchaus legitim. Aber wenn ein Antrag eher Brandenburgun tergangsstimmung verbreitet, gespickt mit Halbwahrheiten, da zu in einem Duktus der Kontrolle und Reglementierung von Schulen, und man dann auch noch glaubt, dass dies zur Moti vation von Lehrkräften beitrage, fällt mir nichts mehr ein.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE])

So wichtig Berufs- und Studienorientierung ist und so sehr wir sie an der Schule ausbauen und qualifizieren wollen, genauso drängt es mich, zu sagen, dass Schule nicht nur auf einen späte

ren Beruf vorbereiten darf. Schule soll Kinder und Jugendliche allgemein bilden, soll Persönlichkeit, soziale Kompetenzen, Kreativität fördern.

(Galau und Frau Schade [AfD]: Macht sie aber nicht!)

Schule hat daher viel mehr Aufgaben, und das soll auch künftig so bleiben. Dabei brauchen die Lehrkräfte Unterstützung und keine verbindliche Zertifizierung …

(Telefonklingeln auf der Regierungsbank - Frau Lehmann [SPD]: Frau Dannenberg, Telefon!)

- So viel zum Thema Knigge in der Schule.

(Lachen der Abgeordneten Lehmann [SPD] - Beifall DIE LINKE und SPD)

Sie brauchen keine verbindliche Zertifizierung, kein Qualitäts siegel, keine Kennzahlen und auch keinen zusätzlichen Wett bewerb. Gute Bildung und Ausbildung sind in erster Linie ein Baustein für ein selbstbestimmtes und glückliches Leben der Heranwachsenden.

(Schröder [AfD]: Alles nur Worthülsen!)

Im Übrigen profitiert die Wirtschaft davon - so herum passt der Schuh.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Brandenburg hat frühzeitig mit der Wirtschaft und den Sozial partnern den Ausbildungskonsens ins Leben gerufen - Kollege Baer hat schon darauf aufmerksam gemacht -, und Sie spre chen hier von Zielverfehlung. Das stimmt nicht: 2017 waren es in Summe 10 221 Ausbildungsverträge. Ich weiß nicht, woher die AfD ihre Daten nimmt.

Deutlich wird auch die fehlende fundierte Auseinandersetzung der AfD mit den Ergebnissen des Bildungsmonitors vom Au gust 2018. Wer genau lesen will, wird feststellen: Gerade in den von Ihnen angesprochenen Bereichen schneidet Branden burg überdurchschnittlich gut ab. Vermeidung von Bildungsar mut: 4. Platz; Schulqualität: 5. Platz; Betreuungsbedingungen für Azubis: Platz 2.

(Königer [fraktionslos]: Und insgesamt?)

Natürlich gibt es zu viele Jugendliche in Brandenburg, die un versorgt sind. Wir verzeichnen eine hohe Vertragslösungsquo te, zu viele unbesetzte Ausbildungsstellen. Die Ursachen sind vielschichtig: Wegen des demografischen Wandels haben wir eben nicht mehr so viele Jugendliche.

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Und es gibt Passungsprobleme, die auch auf unattraktive Aus bildungsbedingungen hinsichtlich Arbeitszeit, Vergütung, feh lende Unterstützung der Azubis in den Betrieben zurückzufüh ren sind. Die Jugendlichen sind nun einmal keine jungen Er wachsenen; sie brauchen noch Unterstützung. So wie sich die Schulen auf die stärkere Heterogenität der Schülerinnen und

Schüler einstellen mussten, müssen das zukünftig auch die Ausbildungsbetriebe tun.

(Beifall DIE LINKE sowie der Abgeordneten Lieske [SPD])

Und richtig: Eine gute Berufsorientierung an den Schulen stärkt die Jugendlichen in Ihrer Selbstfindung. Genau das Ziel hat die Koalition seit Beginn dieser Legislatur konsequent ver folgt. Die nochmalige Systematisierung der unterschiedlichen Maßnahmen im Rahmen des Konzeptes der Landesregierung „Übergang Schule - Beruf“, die Aufdeckung von Lücken, die Befassung mit den Jugendberufsagenturen im Ausschuss, die Förderung von Schul- und Migrationsarbeit, die Umsetzung von INISEK, Potenzialanalysen, Praxislernen - all das tun wir. Wir qualifizieren auch Seiteneinsteiger, und wir haben letztens die Flexible Schulausgangsphase für Schülerinnen und Schü ler, die mehr Zeit und Unterstützung für ihren Abschluss brau chen, besprochen.

Natürlich braucht es Zeit, bis die Maßnahmen spürbar wirken - da ist auch noch Luft nach oben, das möchte ich nicht in Abre de stellen -, aber die Schulen nutzen die vorhandenen Instru mente, und das ist okay.

Die Herausforderung sehe ich ganz woanders: Wenn wir die Kinder und Jugendlichen schon in der Schule verlieren, wer den wir sie später kaum durch teure Programme zurückholen.

(Beifall DIE LINKE)

Der Fokus muss weiter auf der Unterstützung der Schulen lie gen: Absicherung des Unterrichts, kleinere Klassen, Schulsozi alarbeit, Sonderpädagogen, Personal, das sich auch um Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund kümmert, bessere Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe, vor allem Ermöglichung von Projekten ohne lange bürokratische Wege und im Übrigen auch Wertschätzung. Und, Frau Schier: Zu sagen, unsere Schü ler würden nur noch von Seiteneinsteigern unterrichtet, ist eine Frechheit!

Vieles, was in den Anträgen aufgezählt wurde, wird gemacht, haben wir im Blick, muss vielleicht auch noch besser umge setzt werden.

Kurz zum Antrag der CDU: Sie fordern, die assistierte Ausbil dung auszubauen. Ich verweise hier auf den Doppelhaushalt, Frau Schier: 2017 600 000 Euro, 2019/20 3,4 Millionen Euro.

Sie wollen ein Sonderprogramm zum Qualifizierungserwerb in Berufsbranchen mit Fachkräfteengpässen. Das ist nicht erfor derlich: Hierzu gibt es schon einige Programme, und jetzt in das Programm der generalistischen Pflegeausbildung einzu greifen, wäre eher kontraproduktiv.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Zur Mobilität von Jugendlichen: Ich verweise auf das AzubiTicket.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Die freie Schülerbeförderung könnte und muss in allen Land kreisen durchgesetzt werden.

Von daher lehnen wir beide Anträge ab. - Vielen Dank.