Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Ich möchte jetzt aber anknüpfend an Herrn Christoffers auch noch auf die anderen Verfassungsänderungen hinweisen, und zwar insbesondere auf Artikel 55. Nun ist es nicht selbst verständlich, dass, wenn wir einen Antrag zur Schuldenbremse einbringen, plötzlich auch ganz andere Artikel geändert werden; aber wir Grünen haben uns den Änderungsbegehren angeschlossen - nicht nur bei den Punkten, die schon länger vorbereitet waren, wie der Änderung bei Untersuchungsaus schüssen oder in der Volksgesetzgebung, wo es um eine Verlängerung von Fristen geht, um die Zusammenlegung von Volksabstimmungen und Wahlen zu ermöglichen, sondern auch bei der Bestimmung der Aufgaben des Landtages. Bisher hieß es hier kurz und bündig: „Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes.“

In Zukunft soll es lauten - ich lese den gesamten Absatz vor, weil ich denke, er ist für uns alle wichtig -:

„Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes und Stätte der politischen Willensbildung. Er beschließt Gesetze und den Landeshaushalt, kontrolliert die vollzie hende Gewalt, behandelt öffentliche Angelegenheiten, wirkt in bundes- und europapolitischen Fragen an der Willensbildung des Landes mit und erfüllt andere, ihm nach dieser Verfassung zustehende Aufgaben.“

Wer glaubt, dass hier nur Selbstverständlichkeiten zusammen gefasst und wiederholt werden, täuscht sich. Gerade die Mit wirkung des Landtags an der Willensbildung des Landes in „bundes- und europapolitischen Fragen“ stellt zwar die gängi ge Praxis in Brandenburg dar, ist aber in vielen Ländern ein heiß umstrittenes Thema. So gab und gibt es womöglich auch heute noch Bundesländer, in denen Anträge der Opposition zu Bundesratsinitiativen gar nicht erst auf die Tagesordnung des Plenums gelangen, da der Bundesrat erklärtermaßen eine Ver tretung der Landesregierungen und nicht der Landesparlamen te ist. Diese Argumentation ist natürlich absurd und wurde in Brandenburg auch nie zur Anwendung gebracht. Sie ist des wegen absurd, weil man berücksichtigen muss, dass die Landesgesetzgebung heute vielfach die Umsetzung von Bundesgesetzen und EU-Richtlinien beinhaltet, denen eine Beschlussfassung im Bundesrat vorausgegangen ist.

So diskutieren wir zum Beispiel heute und am Freitag ganz selbstverständlich über die Grundsteuerreform, die zwar formal ein vom Bundestag zu verabschiedendes Bundesgesetz darstellt, aber gravierende Auswirkungen auf die Länder und ihre Kommunen hat. Solche Selbstverständlichkeiten, das Recht, hierüber zu diskutieren, dauerhaft in der Verfassung zu verankern und damit die Rechte der Opposition gegenüber einer möglicherweise später restriktiveren Auffassung anderer Parlamentsmehrheiten zu schützen - auch dazu dient die hier zur Beschlussfassung vorgelegte Verfassungsänderung. Ich bitte deswegen alle um Zustimmung. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Görke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ab dem 1. Januar 2020, wenn die Schuldenregel im Grundgesetz in Kraft tritt, sind die Haushalte der Länder grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Sie wissen, dass ich mich mit dieser Art der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz sehr schwergetan und das aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt habe, doch wir müssen nun mit den Gegebenheiten, mit der Gesetzeslage umgehen - und die besagt: Eine Kreditaufnahme wird nur noch in wenigen, eng gefassten Ausnahmefällen zulässig sein.

Um diese Ausnahmen in Anspruch nehmen zu können, bedarf es einer landesrechtlichen Regelung, welche von den Fraktio nen SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN gemeinsam in den Gesetzentwurf eingebracht worden ist. Um es mit anderen Worten zu sagen: Nähme Brandenburg kei ne landesrechtliche Verankerung der Schuldenregel vor, würde die grundgesetzliche Regelung greifen und wäre dem Land jegliche Kreditaufnahme - auch in Notsituationen - verwehrt. Es kann nicht das Ziel von Landespolitik sein, sich selbst in Ausnahmesituationen so zu beschränken.

Der Gesetzentwurf wurde in den Ausschüssen beraten, es wur den Experten angehört, schließlich wurde von den Fraktionen SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine gemeinsame Ergänzung des Gesetzentwurfs eingebracht - hier hat sich noch einmal gezeigt, dass ein breites Anliegen auch über Parteigrenzen hinweg bearbeitet und verfolgt werden kann.

Am Ende des Prozesses steht ein Gesetzentwurf, der die Ver fassung des Landes Brandenburg an die Vorgaben des Grund gesetzes anpasst und den Weg für eine weiterhin nachhaltige und erfolgreiche Haushalts- und Finanzpolitik ebnet - „weiter hin“, weil Brandenburg auch ohne Schuldenregel seit dem Jahr 2010 keine Schulden mehr aufgenommen und mittlerweile 890 Millionen Euro Schulden getilgt hat.

Der Haushalt, meine Damen und Herren, steht damit auf einem grundsoliden Fundament. Brandenburg ist gut auf die neue Zeit vorbereitet. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache. Ich lasse über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Hauptausschusses zum „Siebenten Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg“ auf Drucksache 6/11341 abstimmen. Wer der Beschlussvorlage des Hauptausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstim men? - Keine. Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen wur de dem zugestimmt.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tages ordnungspunkt 7 auf:

Gesetz über die Errichtung der Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf (KSWiepG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 6/10961

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur

Drucksache 6/11339

Es ist vereinbart worden, keine Debatte zu führen. Damit kom men wir direkt zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung und den Bericht auf Drucksache 6/11339 des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur, das „Gesetz über die Errichtung der Kulturstiftung Schloss Wie persdorf“. Wer dieser Ausschussvorlage folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? Keine. - Enthaltungen? - Auch keine. - Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungs punkt 8 auf:

Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Hochschul zulassung

Gesetzentwurf der Landesregierung

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 6/11333

Es wurde verabredet, keine Debatte zu führen. Damit kommen wir direkt zur Abstimmung. Wir stimmen ab über die Be schlussempfehlung und den Bericht auf der Drucksa che 6/11333 - eine Beschlussvorlage des Hauptausschusses -, „Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Hochschulzulassung“. Wer da folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? Keine. - Enthaltungen? - Auch keine.

(Zuruf: Doch!)

Wo denn? - Ach hier. - Einige Enthaltungen. - Damit ist die Vorlage mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesord nungspunkt 9 auf:

Gesetz zur Chancengerechtigkeit bei der politischen Teilhabe (Brandenburgisches Chancengerechtigkeits gesetz - BbgChG)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales

Drucksache 6/11363

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/11389 vor.

Ich eröffne die Aussprache. Zu uns spricht Abgeordnete Geywitz.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gesetz der CDU ist ein Sollgesetz. Wir haben über den Sinn und den Unsinn von Sollbestimmungen - ob sie etwas bringen oder auch nicht - anlässlich der Diskussion um das Parité-Gesetz zu den Landtagswahlen intensiv gesprochen. Ich bleibe dabei: Die Zeit von Sollen ist vorbei. Wir brauchen schärfere Waffen.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Das Anliegen der CDU, Chancengerechtigkeit zu erreichen, in dem die Aufwendungen für die Kinderbetreuung der Mandats träger übernommen werden - sowohl bei Vätern als auch bei Müttern selbstverständlich -, unterstützen wir sehr gerne. Wir weisen aber darauf hin, dass wir dies bereits in die Wege gelei tet haben. In einem gemeinsamen Antrag haben wir die Landesregierung aufgefordert, die kommunalen Entschädi gungsverordnungen entsprechend zu überarbeiten. Viele Kolle ginnen und Kollegen von uns wissen auch aus ihrer kommuna len Praxis, dass das bereits zahlreiche Kommunen im Land machen.

(Dr. Redmann [CDU]: Viele aber auch nicht!)

- Ja, deswegen haben wir die Landesregierung aufgefordert, das entsprechend zu verankern.

Anders ist es bei einem Punkt im Gesetz, der geschlechtsspezi fischen Analyse der Frage: Wer kandidiert? Wer kandidiert nicht? Hier stimmen wir der CDU zu: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir wollen dabei aber weiter gehen. Das Gesetz bezieht sich im Gegensatz zum Parité-Gesetz nicht auf die Landtags wahlen, sondern auf die Kommunalwahlen. Hier haben wir es mit einem ganz anderen Wahlsystem zu tun. Bei den Landtags wahlen können die Wählerinnen und Wähler eine starre Liste ankreuzen. Das ist bei den Kommunalwahlen nicht der Fall.

Auch das werden viele Bürgerinnen und Bürger in den nächs ten Tagen vor den Kommunalwahlen sehen: Sie haben drei Stimmen, die sie verteilen können, wie sie möchten. Das heißt, man kann mit einer Stimme die Frau von der SPD wählen, dann seinen Nachbarn, der vielleicht auf Platz 7 bei den Grü nen ist, und vielleicht auch noch eine Stimme dem letzten Kan didierenden auf der Liste der Tierschutzpartei geben. Die Wäh lerinnen und Wähler haben es also selbst in der Hand, Männer und Frauen zu wählen.

Wir wollen wissenschaftlich begutachten lassen, was für Aus wirkungen dieses Wahlsystem - das man Panaschieren und Ku mulieren nennt - auf die Wahlchancen von Frauen hat. Wir glauben nach wie vor, dass es sinnvoll ist, eine Regelung zu finden, die verbindlicher ist als eine Sollregelung. Aber wir glauben, dass wir gerade im Bereich der kommunalen Ebene noch sehr viel Vorarbeit leisten müssen. Deswegen gibt es die sen Entschließungsantrag. Ich möchte Sie aber darauf hinwei sen, dass zum Beispiel unser Nachbarland Polen da deutlich weiter ist als wir momentan. Da gibt es bereits seit 2011 ein entsprechendes Gesetz mit einer Vorschrift für eine feste Quote bei den Frauen von 35 %. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der Frauen, die kandidieren, von knapp 30 % im Jahr 2010 auf immerhin 45,8 % im Jahr 2018 gestiegen ist. Es ist noch ein weiter Weg, bis wir soweit sind, aber dieser Entschließungsan trag zu dem CDU-Gesetz ist ein erster Schritt in diese Rich tung. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE, B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Augustin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Dreieinhalb Monate ist es nunmehr her, dass der Gesetzentwurf hier in 1. Lesung beraten und im glei chen Atemzug das Parité-Gesetz mit den Stimmen von SPD, Linken und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verabschiedet wur de. Beide Ansätze verfolgten und verfolgen ein Ziel: die politi sche Teilhabe von Frauen in der Politik gerecht zu gestalten, Parität auch in Parlamenten und den kommunalen Vertretungen zu ermöglichen.

Ich habe seinerzeit dargelegt, warum das Parité-Gesetz mit der reinen Vorschrift zur paritätischen Listenbesetzung bei Land tagswahlen dabei nicht gänzlich durchdacht ist. Dennoch wer den Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktio nen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht müde, den Erfolg zu feiern und das erste Parité-Gesetz in Deutschland zu loben und ihm zu huldigen - trotz bekannter Mängel und Kritikpunk te. Es tut mir leid: Das hehre Ziel der Parität allein macht das Gesetz noch nicht gut.