Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

- Das stimmt, aber am 1. September findet die Landtagswahl statt. Das bedeutet Diskontinuität und dass danach alles in den Orkus des Vergessens geht.

(Barthel [SPD]: 4G-Ausbau ist eine Bundesaufgabe!)

Anders als bei dem Antrag zum Klimanotstand, über den wir nachher reden, geht es Ihnen hier nicht darum, ein gemeinsa mes Zeichen zu setzen. Ihr Antrag soll explizit nur auf die Ver säumnisse hinweisen. Statt „Kick-Start“ könnte man auch „Kick ass“ sagen. Das ist zwar beeindruckend, trägt aber nicht wirklich zur sorgfältigen Problemlösung bei.

Dritter Punkt - die Kosten: Das kann ich kurzmachen. Sie ha ben zu keinem Ihrer Punkte die Kosten abgeschätzt. Sehen Sie es mir nach: Die Katze im Sack kaufe ich nicht - schon aus Tierschutzgründen.

(Heiterkeit B90/GRÜNE)

Viertens: Digitalisierung ist bei Ihnen Selbstzweck. Sie haben einen sehr kleinteiligen Antrag mit Dutzenden von Einzelvor schlägen eingebracht. Offenbar haben Sie alles zusammenge schrieben, was Ihnen zu dem Thema eingefallen ist. Das ist ei ne ganze Menge. Vieles davon weist in die richtige Richtung, zum Beispiel die Punkte 13 bis 15 - Open Access - und der Punkt 36, in dem es darum geht, die Umsetzung der Mobilitäts strategie mit der Digitalisierung zu verbinden. Sehr gut! Dabei haben Sie uns voll an Ihrer Seite. Das hilft auch dagegen, dass abgehängte Regionen entstehen.

Was aber passiert, wenn man alle Forderungen zusammen nimmt? Dann machen wir einen großen Schritt. Wohin eigent lich? Es ist nicht klar, wohin Sie wollen; das ist eine Schwach stelle Ihres Antrags. Digitalisierung ist für Sie reiner Selbst zweck. Die Aufgabe der Politik ist es nicht nur, Digitalisierung zu realisieren, sondern auch, den Rahmen dafür zu setzen. Bür gerrechte gehören dazu, Datenschutz gehört dazu. Ich verweise nur auf die massenhafte Erfassung von Kennzeichen an Bran denburger Autobahnen, auch digital - KESY. Zu diesem Rah men gehört noch mehr.

Was ist eigentlich Ihr Ziel, das Sie mit der Digitalisierung ver folgen? Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse herstel len. Wir wollen Landlust schaffen. Wir wollen Ressourcen spa ren. Aber welches Ziel verbinden Sie mit Digitalisierung? Da zu schweigt Ihr Antrag.

Fünftens: Es sind auch einige nicht ganz ausgereifte Projekte dabei. Ich will ja wirklich nicht kleinlich sein, zumal viele Ini tiativen durchdacht sind; aber manches ist unausgegoren. Zum Beispiel lese ich zum Bildungsbereich viel Gutes; aber es ist sehr technikfixiert. Wer soll das denn machen? Das alles kann nicht funktionieren, wenn wir an den Schulen nicht IT- und Medienbetreuerinnen und -betreuer haben. Diese brauchen wir, schon um die sensiblen Daten der Schülerinnen und Schüler zu schützen.

(Dr. Redmann [CDU]: Darüber haben wir doch gestern schon diskutiert!)

Sechstens und letztens: Es gibt auch Inhalte, die wir nicht mit tragen können. So fordern Sie unter Punkt 52 die Einführung eines „Gemeinsamen Amtes für Sicherheit in der Informations technik“ für die Region Brandenburg-Berlin-Sachsen. Ja, aber mit welchen Kompetenzen? Und wo ist die Abgrenzung zu dem unter Punkt 50 angeführten Cyber-Competence-Center beim LKA? Warum genau diese drei Bundesländer und nicht andere?

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie haben einen be eindruckenden Antrag vorgelegt. Aber: unrealistischer Zeitrah men, unklare Kosten, Digitalisierung als Selbstzweck, einige nicht ausgereifte Projekte. Gut, dass wir darüber gesprochen haben. Wir freuen uns auf die nächste Legislaturperiode.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Bevor gleich Staatssekretär Kralinski das Wort ergreift, möchte ich wieder zahlreiche Schülerinnen und Schü ler begrüßen. Alle Bänke oben sind voll; das freut uns. Wir be grüßen Schülerinnen und Schüler der Katholischen Marien schule Potsdam sowie Schülerinnen und Schüler der Leonardoda-Vinci-Gesamtschule Potsdam. Ihnen allen ein herzliches Willkommen! Schön, dass Sie da sind!

(Allgemeiner Beifall)

Staatssekretär Kralinski hat das Wort. Bitte schön.

Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund und für Medien und Internationale Beziehungen Staatssekretär Kralinski:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst Danke sagen für die Debatte, weil sie ge zeigt hat, dass die Digitalisierung in allen Politikfeldern ange kommen ist. Sie hat auch gezeigt, welche kultur-, wirtschafts- und gesellschaftsverändernde Kraft Digitalisierung hat und welche Chancen wir für unser Land darin sehen.

Ich möchte gern noch drei oder vier Punkte ansprechen. Wann immer wir über Digitalisierung reden, kommt schnell die Frage nach der digitalen Infrastruktur. Das halte ich für vollkommen normal; das ist vollkommen in Ordnung. Deswegen ist das auch das erste Handlungsfeld unserer Digitalisierungsstrategie.

Für den Breitbandausbau - das ist schon gesagt worden - stellt die Landesregierung eine halbe Milliarde Euro bereit. Das ist wirklich kein Pappenstiel. Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar, dass sie das Breitbandausbauziel auf 1 Gigabit erhöht hat. Damit werden wir in Brandenburg bis 2025 ein breitbandi ges Gigabit-Netz auf Glasfaserbasis realisieren können. Allen muss aber auch klar sein: Der Breitbandausbau und generell der Ausbau der digitalen Infrastruktur werden damit nicht zu Ende sein. Nach 100 MBit kommt 1 GBit; danach kommen 10 GBit. So wird es weitergehen.

Das ist auch beim Mobilfunk der Fall. Wir sind mit der Mobil funkausstattung natürlich nicht zufrieden. Ich will aber daran erinnern: Wir befinden uns hier in einem Markt. Da hat der Staat nur sehr geringe Eingriffsmöglichkeiten, ein Land noch weniger. Aber wir tun, was wir können. Wir haben einen Mo bilfunkgipfel durchgeführt. Wir haben Polizeifunkmasten be reitgestellt. In Brüssel liegt ein Programm zur Förderung des Baus von Mobilfunkmasten zur Prüfung vor; ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen die Notifizierung bekommen. Dann können wir mit 100 Millionen Euro loslegen. Wir begin nen mit dem WLAN-Ausbau. Da sind wir übrigens wesentlich ambitionierter als die Antragsteller. Wir wollen nämlich bis Ende September deutlich mehr als 100 kostenlose WLAN-Hot spots haben. Sie sehen: Wir werden in den nächsten Jahren ei ne kontinuierliche, schrittweise Verbesserung digitaler Infra struktur erreichen.

Man wird aber auch Veränderungen in den Köpfen brauchen; dabei können Sie alle ein bisschen mithelfen. Beim Thema Mobilfunkmasten gibt es insbesondere im Zusammenhang mit dem 5G-Ausbau viele Leute, die die Politik des „Not in my backyard“ verfolgen. Das wird so nicht funktionieren. Da ist jede Hilfe, jede Unterstützung notwendig.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Wir haben vor über zwei Jahren mit der Arbeit an der Digitalisierungsstrategie begonnen. Das war unser Kick-Start. Sie sind weiß Gott zu spät mit Ihrem Antrag, verehrter Herr Redmann. Wenn wir jetzt einen Kick-Start machen würden, würde uns das zurückwerfen und nicht nach vorn bringen. Das bezeichnet man, glaube ich, als klassische Fehlzündung.

(Beifall SPD)

Wir haben für diese Digitalisierungsstrategie viel Lob bekom men,

(Frau Schade [AfD]: Von wem?)

auch viel Kritik; das ist vollkommen in Ordnung. Die Entwick lung muss weitergehen. Wir haben in Bezug auf dieses Thema einen Bewusstseinswandel im Land hinbekommen, auch in den Ressorts. Es spielt mittlerweile eine ganz andere Rolle als früher. Wir haben die Digitalagentur gegründet.

Herr Kralinski, lassen Sie eine Frage zu?

Bitte.

Herr Bretz, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Herr Staatsse kretär. Ich habe eine konkrete Nachfrage zur Digitalisierung in Brandenburg. Die Landesregierung versucht seit einigen Jah ren, die Lehrerinnen und Lehrer mit E-Mail-Adressen auszu statten. Meine Frage an Sie - ein einfaches Ja oder Nein reicht mir -: Hat jetzt jeder Lehrer, jede Lehrerin in Brandenburg eine eigene E-Mail-Adresse?

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Ich glaube, Sie unterschätzen die Komplexität eines solchen Produktes. Es hat ja keinen Sinn, ein Outlook-Programm zu in stallieren. Es muss doch am Ende kompatibel sein - mit der Kommunikation in den Schulen, mit der Kommunikation zwi schen den Schulen, mit der Schul-Cloud. Im nächsten Schul jahr wird es losgehen. Dann werden die Lehrer auch eine EMail-Adresse haben.

Wir haben die Digitalagentur gegründet. Im Gegensatz zu dem, was im Antrag steht, arbeitet sie bereits. Ich bin der ILB sehr dankbar, dass sie mit großem Engagement unterstützend wirkt. Wir bringen die Schul-Cloud an die Schulen, zuerst - ab Au gust - an gut 50 Schulen. Das wird auch ein wichtiger Beitrag dazu sein, die Art und Weise, wie wir Bildung wahrnehmen, zu verändern, weil es zu anderen Kommunikationsformen kom men wird. Es wird auch andere Methoden geben. Wir machen das mit viel Energie, aber auch mit einer ganzen Menge Res pekt, weil da noch viele Fragen offen sind.

Wir arbeiten mit Hochdruck an der Digitalisierung der Verwal tung. Wir arbeiten an einer Open-Government-Strategie, der Rechtsverordnung zum E-Government-Gesetz. Dazu werden wir noch ein anderes Ziel formulieren. Wir müssen weg von E-Government und - langfristig - hin zu Mobile-Government bzw. M-Government. Die Rechtsverordnungen werden noch in diesem Sommer auf den Weg gebracht.

Wir brauchen eine ganze Reihe von gesetzlichen Anpassungen. Die Anpassung des Schriftformerfordernisses sei nur als Bei spiel genannt. Der Chef des Bundeskanzleramts - es geht nur im Schulterschluss mit dem Bund - hatte vor geraumer Zeit an gekündigt, dass der Bund alle halbe Jahre ein Sammelgesetz machen will, in dem die entsprechenden Änderungen enthalten sind. Darauf warten wir bis heute.

Wie geht es weiter? Deutlich geworden ist, dass die Digitalisie rung in der nächsten Wahlperiode einen ganz anderen Stellen wert haben wird, und das ist auch gut so. Wir haben schon eine ganze Reihe von Vorarbeiten erledigt. Wir entwickeln die Digi talisierungsstrategie auch weiter; das habe ich in der damaligen Debatte des Landtags schon gesagt. Mir ist vollkommen klar, dass sie schon am Tag nach der Verabschiedung veraltet war, weil Digitalisierung ein hochkomplexer und vor allen Dingen ein sehr schneller Prozess ist.

(Beifall SPD - Zuruf des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])

Wir sind dabei, die Digitalisierungsstrategie umzusetzen und weiterzuentwickeln. Das hat auch eine Reihe von finanziellen Konsequenzen. Ich kann den Finanzminister - er ist heute nicht da - durchaus verstehen, wenn er sagt, dass man am Ende Prio ritäten wird setzen müssen.

Wir sorgen für die Vernetzung der Bundesländer untereinander. Für nächste Woche habe ich die Digitalkoordinatoren der Bun desländer nach Potsdam eingeladen. Wenn Sie so wollen, ist das der erste kleine „Digitalgipfel“, auf dem wir Länder uns vernetzen und austauschen wollen.

Wir wollen den Kulturwandel vorantreiben. Wir wollen auch ein anderes Bewusstsein schaffen.

Wir arbeiten bereits mit Berlin zusammen. Wir haben den Dia log mit Berlin aufgenommen - das kommt in dem vorliegenden Antrag überhaupt nicht vor -, weil das ein zentraler Baustein ist, um Win-win-Situationen für uns und die große Metropole in unserer Mitte hinzubekommen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann sehen, wel che Chancen in der Digitalisierung stecken, gerade auch für den ländlichen Raum, welche Chancen wir haben, das Leben in Brandenburg ein bisschen einfacher und ein bisschen besser zu machen - auch und gerade dank der Digitalisierung.

Dazu gehört auch, dass wir stärker in Korridoren denken müs sen, dass wir schauen müssen, dass wir uns mit der Metropole in unserer Mitte und mit den Metropolen um uns herum vernet zen. Man sieht an vielen Orten im Land, was da schon alles passiert und unterwegs ist.

Wir werden in Wittenberge einen „digitalen Sommer“ - wir nennen das „Summer of Pioneers“ - haben, wo man einmal ge

nau sehen kann, wie sich neues Wohnen, neues Arbeiten dar stellen können. Wir unterstützen das auch mit einer ganzen Menge Geld.

Wir sind dabei, die Wissenschaftsparks und die Start-up-Szene von Berlin mit uns, mit dem Land Brandenburg, zu verknüp fen. Morgen - ich muss sagen, das freut mich ganz besonders - findet der Kick-off - so sagt man, glaube ich, neudeutsch -, also der Start für ein neues Dorf in Brandenburg statt, in Wiesen burg. Da werden wir sehen, welche Kraft in Digitalisierung stecken kann, wenn wir neue Formen von Wohnen, neue For men von Leben, neue Formen von Arbeiten in unserem Land etablieren können. Darin steckt so viel Pioniergeist und so viel Aufbruchsstimmung. Darauf können wir stolz sein.

Meine Damen und Herren, ich danke noch einmal ausdrücklich für die Debatte hier im Landtag. Ich habe daraus eine ganze Reihe von Anregungen mitgenommen. Ich empfinde das auch als Ermutigung und ein Stück weit als Ansporn und im Übrigen den Antrag auch ein bisschen als Kompliment an unsere Digi talisierungsstrategie. Denn in dem Antrag steckt ganz viel, was wir schon längst aufgeschrieben haben. Ich glaube, man kann sehen, dass wir an vielen Stellen viel weiter sind, als wir manchmal selbst glauben. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. - Das Wort erhält nun noch einmal Herr Dr. Red mann. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Die Debatte hat eines ganz deutlich gezeigt: Es liegt ein sehr unterschiedlicher Ansatz bei der Beur teilung dessen vor, was ein gelungener Start ist: Sie klopfen ei nander auf die Schulter dafür, dass Sie viel aufgeschrieben ha ben, dass Sie viel in Strategien formuliert haben; wir erwarten, dass umgesetzt wird.