Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

Meine Damen und Herren! Die Debatte hat eines ganz deutlich gezeigt: Es liegt ein sehr unterschiedlicher Ansatz bei der Beur teilung dessen vor, was ein gelungener Start ist: Sie klopfen ei nander auf die Schulter dafür, dass Sie viel aufgeschrieben ha ben, dass Sie viel in Strategien formuliert haben; wir erwarten, dass umgesetzt wird.

(Beifall CDU)

Wir haben mit sehr vielen Kleinen Anfragen in allen Fachbe reichen gefragt, wie weit wir denn bei der Umsetzung sind. Das Ergebnis ist so ernüchternd. Ihren hehren Worten folgen zu wenige Taten. Das ist der Grund dafür, warum wir hier im Landtag noch einmal darüber reden mussten.

(Beifall CDU)

Richtig ist: Für den Bereich Wirtschaft ist eine Teilstrategie im Ausschuss diskutiert worden, Herr Barthel. Aber es geht nicht nur um den Wirtschaftsausschuss. Digitalisierung betrifft alle Ausschüsse. Es ist bisher leider die einzige Teilstrategie, die irgendwo verabschiedet wurde.

Die Digitalagentur - ja, sie hat sich gegründet, aber sie ist doch noch gar nicht operativ tätig gegenüber den Kommunen. Auch sie kann das, was sie eigentlich tun soll, noch nicht abliefern.

Breitband - was verbirgt sich dahinter? - Es ist doch eine Mogel packung, wenn man glaubt, dass 6 Mbit auch Breitband sind. Das reicht doch nicht aus. Wir müssen noch viel schneller werden.

Ich sage Ihnen, wir dürfen - deshalb war es richtig, diesen An trag auch kurz vor der Sommerpause zu stellen - in diesem Be reich die nächsten Monate nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wenn wir hier im Herbst als Landtag wieder zusammenkom men und feststellen, dass wir immer noch nicht weiter sind als jetzt, dann haben wir wiederum viele Monate versäumt. Das ist bei diesem Thema, bei dem sich so viel entwickelt, bei dem es so schnell vorangeht, einfach nicht in Ordnung. Denn Branden burg darf nicht abgehängt werden. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Wir stimmen über den Antrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 6/11499, „Kick-Start für ein Digitales Brandenburg“, ab. Wer dem Antrag folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltun gen? - Bei einigen Stimmenthaltungen und vielen Gegenstim men ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 21 und rufe Tagesordnungs punkt 22 auf:

Klimanotstand anerkennen - Klimakrise bekämpfen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/11494

Dazu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 6/11546, und ein Entschließungsantrag der Frakti on der SPD und der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 6/11576, vor.

Ich eröffne die Aussprache. Zu uns spricht der Abgeordnete Raschke für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist ernst. Sie ist sehr ernst. Weltweit steigt der Meeresspiegel, und im Westen der Antarktis stehen wir of fenbar kurz vor dem Kipppunkt. Erst gestern haben uns Klima forscher informiert, dass der Meeresspiegel allein um 3 m anstei gen wird, wenn dieser Teil des ewigen Eises in die Ozeane kippt.

Die Welthungerhilfe stellt heute schon massive Auswirkungen gerade in den ärmsten Ländern dieser Welt fest. Ernten gehen verloren, Häuser und Felder werden zerstört, ganze Gegenden werden unbewohnbar. Die Weltbank warnt: Wenn wir nicht so fort und dringend etwas tun, dann werden 2030 - das ist in knapp zehn Jahren - 100 Millionen Menschen mehr auf der Welt von Hunger und Armut bedroht sein.

In Europa hat schon der Hitzesommer 2003 Zehntausende von Hitzetoten gefordert - meistens starben sie still und heimlich alleine zu Hause, ohne große dramatische Bilder in der Presse. Der Marburger Bund fordert inzwischen, Klimapolitik als oberste gesundheitspolitische Aufgabe zu betrachten. Der ver gangene Sommer war in Deutschland der trockenste seit Be ginn der Wetteraufzeichnungen - und das war immerhin im

Jahr 1781. Wir rasen von Rekord zu Rekord, wir verbrennen fossile Brennstoffe, als gäbe es kein Morgen.

Und in Brandenburg? - In Brandenburg hat letztes Jahr der Landesbauernverband Ernteverluste durch die Dürre von 30 bis 80 % - je nach Standort - beklagt. Letztes Jahr mussten wir auch Notschlachtungen von Tieren mit ansehen, weil es für sie kein Futter mehr gab. Allein letztes Jahr haben wir über 60 Millionen Euro der Rücklage entnommen, um Dürrehilfen aus zuzahlen.

Der Eichenprozessionsspinner und seine Freunde fühlen sich wegen der hier herrschenden Temperaturen inzwischen sehr wohl.

(Zuruf von der Regierungsbank: Und wir dürfen die nicht bekämpfen!)

Bei uns im Spreewald füllen wir inzwischen die Flüsse künst lich auf - mit Wasser aus der Talsperre in Spremberg. Allein dieses Jahr haben wir dort eine Million Kubikmeter Wasser entnommen.

Über die Waldbrände haben wir gestern diskutiert. Letztes Jahr haben wir mehr als 1 000 Hektar Wald sowie Zehntausende Pflanzen und Tiere verloren. Das sind unfassbare Wirtschafts werte. Die Brandbekämpfung forderte unzählige Einsatzstun den der Feuerwehrfrauen und -männer.

Und das alles ist nur die aktuelle Lage. Die Prognose kann man so zusammenfassen: Bei uns wird es mehr geben - mehr Hoch wasser, mehr Dürre, mehr extreme Hitzewochen, mehr extre me Niederschläge. Weltweit wird es mehr Missernten, mehr Dürreperioden geben. Die Zahl der bewaffneten Konflikte wird steigen; das haben uns gestern Forscher der Stanford Universi ty berichtet. Und die Armut wird gerade bei den Ärmsten zu nehmen, denn sie können sich nicht schützen, sie können sich nicht absichern und nicht versichern.

(Dr. van Raemdonck [AfD]: Die können sich auch kein Elektroauto kaufen!)

- Die können sich auch kein Elektroauto kaufen. Vielen Dank, dass selbst die AfD das erkennt!

(Lachen bei der AfD)

Ich könnte noch lange so weitermachen, aber ich höre jetzt auf. Ich höre jetzt auf, weil man den harten Fakten ins Gesicht se hen muss; daran kommt man nicht vorbei. Aber das darf uns auch nicht den Mut rauben - das muss es auch nicht. Denn die Hoffnung und die Zuversicht sind auf dem Vormarsch. Es ge hen weltweit junge Menschen für ihre Zukunft auf die Straße.

(Jung [AfD]: Statt in die Schule zu gehen!)

Es machen sich weltweit Dörfer, Städte, ganze Länder auf den Weg und sagen: Ja, wir sind bereit für mehr Klimaschutz.

Auch bei mir wächst die Zuversicht. Das liegt auch an der Dis kussion über unseren Antrag in den letzten Tagen und Wochen. Denn was wird das Ergebnis sein? - Ja, natürlich, Sie haben es schon gesagt, Sie werden unseren Antrag hier aus formalen Gründen ablehnen. Weil Sie mit dem Begriff „Notstand“ nichts

anfangen können, werden Sie ihn ablehnen. Aber was bleibt dann am Ende?

(Zuruf von der SPD)

Am Ende bleibt, dass wir heute, am 14. Juni 2019, im Landtag Brandenburg anerkennen werden, dass wir mitten in der Kli makrise sind. Wir werden heute anerkennen, dass wir bisher nicht genug getan haben, und wir werden anerkennen, dass wir in Zukunft deutlich mehr tun müssen.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)

Wir Grünen nennen das in unserem Antrag „den Klimanot stand anerkennen“, und wir fordern, dass ab sofort jedes Han deln dieses Landtags einem Klimacheck unterzogen wird. Wir fordern, dass jedes Gesetz, das diesen Landtag passiert, darauf ausgerichtet ist, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu er füllen, darauf ausgerichtet ist, dass wir die weltweite Erwär mung unter 1,5 °C halten können.

Darauf hat die CDU-Fraktion mit einem Antrag reagiert. Sie formulieren, dass die eingegangenen internationalen Verpflich tungen „zu mehr Klimaschutz“ führen und die „Klimaschutz ziele […] in Zukunft auch bei politischen Entscheidungen stär ker berücksichtigt“ werden müssen. Deswegen seien auch im Land Brandenburg weitere Anstrengungen nötig, um die ver einbarten Klimaschutzziele zu erreichen.

Auch die SPD und DIE LINKE, die Koalition, haben mit ei nem Antrag reagiert. Bei ihnen lautet das so:

„[…] Wassermangel, Missernten, Waldbrände, Starkre gen, Überschwemmungen - all das sind Ereignisse, die auch im Land Brandenburg in den letzten Jahren verstärkt aufgetreten sind.“

Während die CDU fordert, dass es eine Klimafolgenabschät zung geben soll, nennen Sie das Ganze „eine Nachhaltigkeits prüfung unter prioritärer Berücksichtigung von Klimaschutz zielen“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie den Begriff Klimanotstand ablehnen und sagen, Sie könnten nicht mit un serem Antrag mitgehen, bleibt am Ende des Tages, dass die weit überwiegende Mehrheit dieses Hauses sagt: Ja, wir sind in der Klimakrise. Ja, wir müssen mehr tun. Und ja, in Zukunft muss sich jedes Gesetz an den Pariser Klimazielen orientieren. - Bei aller Kritik, die auch wir an Ihren Anträgen haben: Dafür ein großes Dankeschön von uns!

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Ja, natürlich, das ist alles symbolisch. Alle drei Anträge werden in die Diskontinuitätsfalle tappen; sie sind ab September nicht mehr gültig.

(Bischoff [SPD]: Das ist aber euer Antrag!)

Alle drei Anträge haben den gleichen Fehler, nämlich dass das, was darin gefordert wird, bis zum Beginn der nächsten Legis laturperiode nicht mehr zu schaffen ist. Es ist reine Symbolpo litik.

(Bischoff [SPD]: Das ist doch euer Antrag!)

- Nein, Herr Bischoff, das gilt für alle drei Anträge gleicherma ßen. Sonst können Sie mir gern erklären, wie Sie die Ziele, die in Ihrem Antrag stehen, bis September erreichen wollen.

Es ist ein Symbol, aber egal, es ist ein wichtiges Symbol, ein Signal an die Jugend, an dem auch der kommende Landtag nicht vorbeikommen wird, und das ist gut so. Es ist sogar mehr als ein Symbol. Denn stellen Sie sich einmal vor, wir hätten den Klimacheck - egal, wie wir ihn nennen; ob er Klimacheck oder Nachhaltigkeitsprüfung mit prioritärer Berücksichtigung oder Klimafolgenabschätzung heißt - schon in dieser Legisla turperiode gehabt und angewendet. Dann hätten wir das Wald gesetz nicht einfach durchgewunken. Dann hätten wir bei dem größten Umweltprojekt, das wir dieses Jahr hatten, nämlich dem Wassergesetz, ganz andere Ergebnisse. Dann hätten wir nicht mehr 20 Millionen Euro indirekte Subvention der Braun kohle durchgewunken.

(Königer [fraktionslos]: Und keine Mitglieder mehr!)