Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

Nein, Herr Präsident. Ich habe gerade mein Schlusswort ge sprochen.

(Vereinzelt Heiterkeit - Beifall SPD, B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Danke. - Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Ab stimmung.

Wir stimmen über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales - Ausbildungs duldung integrations- und wirtschaftsfreundlich gestalten - auf Drucksache 6/11575 ab. Wer stimmt der Beschlussempfehlung und dem Bericht zu? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen ist die Beschlussempfehlung an genommen.

Wir stimmen über den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE ohne Titel auf Drucksache 6/11580 ab. Wer stimmt dem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenom men.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 28 und rufe Tagesordnungs punkt 29 auf:

Unverkäufliche Lebensmittel wohltätigen Organisati onen spenden

Antrag des Abgeordneten Péter Vida (fraktionslos)

Drucksache 6/11484

Die Aussprache wird vom Abgeordneten Vida eröffnet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Le bensmittelverschwendung ist eine der größten Sünden unseres Kulturkreises. Während Millionen Menschen auf der Welt Hunger leiden, wird bei uns in einem Überfluss produziert, dass man verwöhnt wird - verwöhnt derart, dass selbst die Dienstleister in quasi vorauseilendem Gehorsam Produkte mit kleinsten optischen Mängeln für unverkäuflich erklären. Der Ressourcenaufwand, der entsteht, um all das noch einmal her zustellen und zu importieren, ist ethisch nicht vertretbar. Auf diesem Wege werden in Deutschland pro Jahr 7 Millionen Ton nen Lebensmittel weggeworfen. Das ist ein Zustand, der uns unruhig machen muss.

Deswegen schlage ich mit diesem Antrag vor, eine Bundesrats initiative zu starten, die fordert, dass Großhändler, Gastrono miebetriebe und Supermärkte einer Spendenpflicht für unver käufliche, aber genießbare Lebensmittel unterworfen werden.

Viele unverkäufliche Lebensmittel werden vom Handel weg geworfen, obwohl sie genießbar sind - das ist unstrittig. Es ist möglich, dieses Problem weitestgehend zu lösen, wenn die Le bensmittel kostenlos wohltätigen Organisationen angeboten werden müssen. Deswegen sieht der Antrag vor, die bundes weiten Regelungen insoweit zu ändern, als noch verzehrbare Lebensmittel zuerst entsprechenden Einrichtungen - etwa Ta feln und anderen - als Spende angeboten werden müssen und nur weggeworfen werden dürfen, wenn sich hiernach kein Ab nehmer findet. Der Weg hierzu könnte simpel über eine Web seite zur Meldung von Lebensmittelspenden erfolgen, wo sich dann entsprechende Organisationen informieren können.

Richtig ist, dass im Zuge der Ausarbeitung eine Untergrenze für die Unternehmensgröße festgelegt werden muss, damit nur die erfasst werden, die über ausreichende Lieferketten oder entsprechende Logistik verfügen. Ebenso braucht es eine Vor planung, damit die Spenden steuerlich und rechtlich abgesi chert werden, um negative Folgen für die Unternehmen zu ver meiden.

Ich ahne ja schon, welcher Einwand kommen wird, nämlich, dass die meisten Lebensmittel in Privathaushalten verschwen det werden. Das ist mir wohl bekannt. Aber nur, weil es die meisten sind, sind es nicht alle. Zum Punkt Privathaushalte: Vor drei Jahren habe ich hier den Antrag gestellt, der Rolle der Lebensmittelverschwendung im LER-Unterricht eine größere Bedeutung einzuräumen. Der Antrag wurde abgelehnt. Ich ha be aber den entsprechenden Ausschussprotokollen entnehmen können, dass das jetzt umgesetzt wird.

Aber wir müssen auch an die Unternehmen ran, damit Lebens mittel wenigstens gespendet werden müssen. Bananen werden schon wegen eines braunen Flecks und Konserven wegen einer Delle aus dem Verkauf genommen und aussortiert.

Auch der Justizsenator von Hamburg hat mit seinem Vorstoß des Legalisierens des Containerns deutlich gemacht, dass man auch bei den Unternehmen tätig werden muss und diesen Be reich nicht mit dem Verweis auf Privathaushalte aussparen kann.

Die Lebensmittelspenden führen dazu, dass die Unternehmen keinen Nachteil haben, aber viele Bedürftige profitieren. Und selbst wenn Nichtbedürftige profitieren, wird zumindest der Ressourcenverschwendung entgegengewirkt. Eine vergleich bare Regelung gibt es seit drei Jahren in Frankreich und seit Anfang letzten Jahres auch in Tschechien. In Dänemark wer den seit 2016 Projekte zur Vermeidung von Lebensmittelabfäl len etwa durch Spenden vom Staat finanziell unterstützt. Auch Italien tut dies bereits seit drei Jahren. An diesen Vorbildern sollten wir uns orientieren, um eine Reduktion der Lebensmit telverschwendung in Brandenburg zu erzielen bzw. eine ent sprechende bundesweite Regelung anzuregen.

Bevor es heißt, dass diese oder jene AWO- oder Tafel-Filiale bzw. -Stelle keine Lebensmittelspenden braucht, weil sie genü gend hat: Es mag ja sein, dass die eine oder andere Einrichtung genügend hat, aber genauso gibt es Stellen, die nicht genügend haben. Dieser Antrag sieht ja auch nicht vor, Organisationen zu zwingen, Spenden entgegenzunehmen, sondern ihnen die Möglichkeit einzuräumen. Wer sie nicht braucht, nimmt sie nicht, aber wer sie braucht, nimmt sie umso eher. Wenn sich keine wohltätige Organisation findet, können immer noch pri

vate Abnehmer zum Zuge kommen, etwa durch Einbindung von foodsharing.de - sicherlich bekannt. Falls sich dann immer noch niemand findet, kann man die Lebensmittel immer noch wie bisher entsorgen.

Zumindest sollte man alle Möglichkeiten ausschöpfen, der Ver schwendung entgegenzutreten. Die aktuelle Ressourcenver schwendung ist ökonomisch nicht sinnvoll und ökologisch so wie ethisch nicht vertretbar. Dieser Antrag kann, wenn er um gesetzt wird, einen Beitrag dazu leisten, der Ressourcenver schwendung zu begegnen. Das Thema wurde und wird von je der Partei als dringlich erkannt und eingestuft. Daher hoffe ich, dass es möglich ist, dies hier zumindest auf den Weg zu brin gen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der Abgeordneten Wiese [AfD] und Hein [frakti onslos])

Vielen Dank, Herr Vida. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Fischer für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Herr Vida, Sie haben absolut recht, wenn Sie sagen: Le bensmittelverschwendung ist ein Skandal erster Güte. Es ist ein großes Thema. - Es ist völlig richtig, dass wir das hier im Parlament immer wieder und auch mit Leidenschaft und Verve miteinander diskutieren. Deswegen haben wir als Koalition nicht erst heute, sondern bereits Ende 2015 die Landesregie rung aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um genau diese Lebensmittelverschwendung wirksam einzudämmen. Deswe gen haben wir nicht erst heute, sondern bereits im letzten Dop pelhaushalt dieses Thema finanziell untersetzt und gesagt: Lie be Landesregierung, tue, mache, wende dich dem Thema zu!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Denn dieser Wahnsinn - da sind wir hier völlig einig - muss aufhören. Sie haben die Zahlen genannt, wie viele Lebensmit tel im Jahr pro Person auch in den Privathaushalten einfach weggeschmissen werden.

Zu Ihrem Antrag möchte ich zwei Bemerkungen machen. Das eine ist, dass wir schon jetzt die Situation haben, dass Unter nehmen Lebensmittel kostenlos abgeben.

(Vida [fraktionslos]: Können!)

Sie haben es gesagt: Es gibt Organisationen wie foodsharing, die mit über 5 000 Lebensmittelbetrieben kooperieren. Die Ta feln sind ein großer und wichtiger Partner. Allein in Branden burg haben wir 43 Tafeln, teilweise mit mehreren Ausgabestel len. Ich will gar nicht sagen, dass es an dieser Idee Kritik gibt, denn das spitzt es unnötig zu, aber es gibt ein paar offene Fra gen - ich formuliere es bewusst auf diese Art -, die nicht von mir oder meiner Fraktion, sondern von den Tafeln selbst aufge worfen werden: Was machen wir, was Trocknung, Kühlung, und Tiefkühlung betrifft? Was ist mit den Lagerflächen? Und was ist - was Sie völlig zu Recht angesprochen haben - mit den Transporten aus den Regionen, in denen es einen Überschuss

an Lebensmitteln gibt, in die Fläche? - Das sind die Fragen, die auch Sie behandelt haben.

Ich bin fest überzeugt, dass wir diese Fragen beantwortet be kommen. Das glaube ich schon - aber ich glaube, nicht in der Form des Müssens, wie Sie das formuliert haben, sondern wir sollten diese Fragen zusammen mit den Tafeln klären. Ich er warte von unserer Landesregierung - um das hier auch so deut lich zu sagen -, dass sie sich auf Bundesebene aktiv darum kümmert und zusammen mit den Tafeln eine Lösung findet. Deswegen müssen wir Ihren Antrag heute erst einmal ableh nen. Aber ich hoffe, dass wir mit einem praktikablen Weg im neuen Landtag die Sache ganz schnell angehen, anpacken und umsetzen können. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht Herr Dr. Große für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lie be Gäste! Uns geht es gut. Uns geht es sogar sehr gut. - So ha be ich schon einmal angefangen, als ich eine Rede zu gezu ckerter Schulmilch gehalten habe. Das trifft auch hier zu. In Deutschland entstehen statistisch für jeden, der hier sitzt und der da draußen wohnt, 82 kg Lebensmittelabfälle pro Jahr. 82 Kilogramm!

Insofern ist es wichtig, dass wir uns Gedanken machen, wie einerseits diese Abfälle vermieden und andererseits genießbare Lebensmittel noch verwendet werden können. Gerade erst in der letzten Woche haben die Justizminister der Länder be schlossen, dass das sogenannte Containern, also das Einsam meln von Lebensmitteln aus Müllcontainern von Supermärk ten, weiterhin strafbewehrt bleiben soll. Der Antrag des Kolle gen Vida stellt darauf ab, dass nicht abverkaufte, aber weiter hin genießbare Lebensmittel vor ihrer Entsorgung zunächst wohltätigen Organisationen kostenlos angeboten werden sollen und hierfür - wie schon gesagt - ähnlich wie in Frankreich oder Tschechien eine gesetzliche Verpflichtung eingeführt wird.

Auch die Verbraucherschutzministerkonferenz im Mai hat sich damit befasst. Bislang setzt die Bundesregierung mit ihrer Na tionalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelver schwendung lediglich auf Freiwilligkeit und Information, um die Lebensmittelverschwendung entlang der gesamten Wert schöpfungskette zu minimieren. Wir denken, dass ein Antiweg werfgesetz - oder wie man es auch nennt - ebenfalls ein Bau stein sein kann, um die Verschwendung einzudämmen und noch genießbare Nahrungsmittel über wohltätige Organisatio nen wie die Tafeln oder das DRK bedürftigen Menschen kos tenlos zur Verfügung zu stellen.

Ich gebe allerdings zu bedenken, dass der Vergleich mit Frank reich hinkt; denn was Frankreich per Gesetz für Supermärkte ab einer bestimmten Größe verordnet hat, ist in Deutschland längst gelebte Praxis. Denn zahlreiche Supermärkte geben seit Jahren unverkaufte und noch genießbare Lebensmittel an die Tafeln oder andere soziale Einrichtungen. So erhält die Tafel in

Deutschland pro Jahr 260 000 Tonnen Lebensmittel aus etwa 30 000 Supermärkten. In Frankreich sind es lediglich 46 000 Tonnen, also ein Bruchteil davon.

Zu bedenken geben möchte ich auch, dass sich die Tafeln be reits 2016 gegen die Einführung eines Gesetzes nach französi schem Vorbild ausgesprochen haben. Ein wesentliches Argu ment war, dass die Zuständigkeit für die Entsorgung nicht ver teilter Lebensmittel von den Supermärkten auf die Tafeln ver schoben wird. Den Tafeln ist nicht damit gedient, wenn sie un abhängig von ihrem Bedarf große Mengen an Lebensmitteln erhalten, die sie nicht verteilen können und dann selbst weg werfen. Deshalb ist neben einem Antiwegwerfgesetz auch die Betrachtung ganzer Liefer- und Abnahmeketten wichtig. - Wir werden uns enthalten.

Frau Präsidentin, ich möchte mich auch beim Gremium verab schieden. Ich wurde angenehm aufgenommen - vielen Dank dafür -, ich habe Erfahrungen gesammelt - vielen Dank - und ich wünsche denen, die nach der Landtagswahl hier sitzen, eine glückliche Hand für Brandenburg und für die Brandenburger. - Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Wir danken Ihnen, lieber Kollege, und wünschen Ihnen auch alles Gute.

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Büchel für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die He rausforderung, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, ja sogar zu vermeiden, ist ein wichtiges Ziel und eine dringli che Aufgabe, ein Thema, das uns alle angeht - aus ethischen, aber auch aus Gründen des Ressourcenschutzes im Kontext der Nachhaltigkeit.

Sie haben Recht, Herr Vida, das ist ein Thema, das auch für uns als Linke von enormer Dringlichkeit ist, welches wir auch an gehen. Ich will ganz deutlich sagen: Das ist kein Thema, das erst heute hier durch Sie im Landtag platziert und diskutiert wurde, sondern das gerade auch wir immer wieder als Schwer punkt gesetzt haben, und vor allem haben wir bereits gehan delt.

(Zuruf des fraktionslosen Abgeordneten Vida)

Da will ich Sie gerne mitnehmen und - da Sie nicht allzu oft die ganze Zeit im Plenum anwesend waren - Ihnen mitteilen, was hier im Plenum bereits passiert ist.

Erstens: Wir haben eine Verbraucherpolitische Strategie auf den Weg gebracht und mehrheitlich hier in diesem Haus be schlossen. Ein Bestandteil der Verbraucherpolitischen Strategie ist unter anderem eine klare Position zur Eindämmung der Le bensmittelverschwendung und insbesondere ein Auftrag an die Landesregierung, an das zuständige Verbraucherschutzministe

rium, in Brandenburg ein Forum zur Reduzierung von Lebens mittelverschwendung zu schaffen. Wir haben durch Berichte des Ministers erfahren dürfen, dass dies auf den Weg gebracht wurde und das Verbraucherschutzministerium unter Führung von Stefan Ludwig bereits mit Akteuren insbesondere aus dem Bereich der Logistik und der Industrie im Gespräch ist, wie es gelingt, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Zweitens: Es gab kürzlich eine Verbraucherschutzministerkon ferenz, die genau das aufgenommen hat, was Sie heute von uns verlangen, hier zu beschließen, nämlich den Auftrag an den Bund, eine entsprechende gesetzliche Regelung zur Verpflich tung zur Abgabe von noch genießbaren, lebensmittelhygie nisch einwandfreien Lebensmitteln zu prüfen. Brandenburg hat - darüber bin ich sehr froh und dankbar - mit anderen Bundes ländern klar und deutlich die Position vertreten, dass eine Re gelung kommen muss, auch - wie Sie selbst sagen - in Anleh nung an die Regelung in Frankreich und Tschechien. Branden burg ist hier also genau auf dem richtigen Weg.

Ich habe mir einmal das Agieren Bayerns auf der Verbraucher schutzministerkonferenz angeschaut. Bayern ist das Bundes land, das diese Regelung nicht möchte. Ich kann Ihnen, Herr Vida, nur empfehlen: Reden Sie bitte auch mit Ihren Kollegen in Bayern; denn soweit ich weiß, sind die Freien Wähler jetzt dort mit in der Regierungsverantwortung. Wenn auch Bayern mitmacht, ich glaube, dann können wir vielleicht irgendwann darüber reden, im Bundesrat mit entsprechender Mehrheit et was auf den Weg zu bringen. Aber ich bin froh darüber, dass die Verbraucherschutzministerkonferenz ohne Unterstützung Bayerns und der dortigen Freien Wähler ein klares Votum auf den Weg gebracht hat.