Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Eine kleine Erwiderung an Herrn Büchel: Sie hatten es ja für nötig befunden, zu sagen, ich sei nicht da gewesen - vielleicht waren Sie gerade nicht im Raum, als ich am 28. April 2015 den Ände rungsantrag eingereicht und am 18. November 2015 das Son derrederecht im Verbraucherschutzausschuss beantragt habe, um Änderungsanträge und Gegenvorschläge zum Maßnah menpaket einzubringen. Insofern würdige ich die Aktivität, die im Jahr 2015 erfolgt ist, weise aber darauf hin, dass ich mich damals intensiv eingebracht habe, gerade was den Bereich pri vater Lebensmittelverschwendung betraf.

Die damaligen Maßnahmenpakete schließen heutige weiterge hende Maßnahmen allerdings nicht aus. Es ist völlig korrekt, dass heute bereits freiwillige Spenden erfolgen, und der Abge ordnete Dr. Große hat darauf hingewiesen, dass die Tafeln auf diesem Wege einen beträchtlichen Teil an Lebensmitteln retten. Dieser Anteil macht gemessen an der Gesamtverschwendung aber nur 3 bis 4 % aus.

Was die Abgrenzung zwischen Bitte und Auftrag zur Bundes ratsinitiative anbelangt: Ich habe die Protokolle gelesen und zur Kenntnis genommen, dass sich unser Justiz- und Verbrau cherschutzminister entsprechend geäußert hat. Es ist aber ein Unterschied, ob ich Prüfaufträge mit der Bundesregierung be spreche oder eine förmliche Bundesratsinitiative starte. Beim Thema Containern hat auch keiner eingewandt, der Vorschlag vom Hamburger Justizsenator der Grünen sei rechtliches Neu land und da müsse man noch viel prüfen, sondern da wird erst einmal ein Vorstoß gewagt und eine Forderung formuliert, die dann im Rahmen der Ausarbeitung der Initiative und der Erar beitung des Gesetzes detaillierter konkretisiert wird. Genau das Gleiche würde hier passieren. Zu klären, wo wir die Untergren ze festlegen, und einen Dialog mit den Tafeln oder anderen Einrichtungen zu führen, ist doch Teil des Gesetzgebungspro zesses - da sind auch steuerrechtliche Aspekte zu berücksichti gen. Man kann doch nicht jede Initiative mit dem Einwand ab würgen, dass in der konkreten Ausgestaltung noch viele Details zu erarbeiten sind. Jedes Mal muss am Anfang ein politischer Wille formuliert werden, der dann im Rahmen des Gesetzge bungsprozesses eine Konkretisierung erfährt. Nichts anderes wird hier vorgeschlagen.

Was den Einwand anbelangt, dass die Lager- und Kühlkapazi täten bei vielen Tafeln ein Problem sind: Das ist völlig richtig; das ist bekannt. Im Rahmen der Ausgestaltung der Initiative könnte man auch eine finanzielle Unterstützung oder eine Be reitstellung der nötigen Infrastruktur vonseiten des Staats vor sehen bzw. steuerliche Anreize schaffen, damit der Aufbau ent sprechender Infrastruktur bei den Organisationen unterstützt oder ihnen diese zumindest temporär zur Verfügung gestellt wird.

Die hier vorgetragenen Einwendungen müssten bei der konkre ten Ausgestaltung Berücksichtigung finden, sind allerdings

keine so stichhaltigen Argumente, dass der Auftaktbeschluss zur Initiative ihretwegen Ablehnung erfahren sollte. Als aus Hamburg die Initiative kam, das Containern zu legalisieren, hat der Verbraucherschutzminister von Brandenburg ohne Auftrag des Landtages gesagt: Ich bekenne mich dazu - einfach weil ich die politische Überzeugung teile.

(Büchel [DIE LINKE]: Es gab Aufträge des Landtags!)

- Das ist auch kein Vorwurf.

Genauso kann man hier nicht Detailfragen als Argument gegen den Grundsatzbeschluss ins Feld führen. Ich bitte Sie, das zu überdenken.

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Wir stimmen über den Antrag des Abgeordneten Vida „Unverkäufliche Lebensmittel wohltätigen Organisationen spenden“ auf Drucksache 6/11484 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag bei einigen Ent haltungen mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 29 und rufe Tagesordnungs punkt 30 auf:

Einführung eines Familientages für berufstätige Eltern

Antrag der Fraktion der AfD

Ich eröffne die Aussprache. Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Bessin.

Frau Präsidentin! Geehrte Kollegen! Liebe Gäste! Die AfDFraktion hat einen Antrag zur Einführung eines modernen Fa milientages vorgelegt - eine Abwandlung des Haushaltstages, wie ihn der eine oder andere von Ihnen vielleicht noch kennt.

(Frau Lehmann [SPD]: Mann!)

Der Haushaltstag war keineswegs eine Erfindung der DDR, denn schon das kaiserliche Deutschland hatte Frauen mit der Gewerbeordnung von 1891 einen vorzeitigen Arbeitsschluss vor Sonn- und Feiertagen erlaubt.

(Unmut und Zurufe weiblicher Abgeordneter der Fraktio nen von SPD, CDU, DIE LINKE sowie B90/GRÜNE)

In der DDR gab es ihn länger als vier Jahrzehnte, und auch in den Bundesländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gab es bis 1979 eine gesetzliche Rege lung, die es berufstätigen Frauen ermöglichte, einen Tag im Monat bezahlt freigestellt zu werden.

Einige von Ihnen wissen das vielleicht: Gerade Eltern haben aufgrund der hohen Anforderungen im Berufsleben häufig

Schwierigkeiten, Termine bei Behörden, Ärzten, mit Handwer kern und Ähnliches in ihrem Alltag zu koordinieren. Als Er leichterung schlagen wir deswegen vor, die bewährte Regelung - wir nennen es einen Familientag - wiedereinzuführen, jedoch mit der Änderung, dass er heute nicht nur für Frauen gilt, son dern auch für Männer. Jedem Elternteil mit Kindern im Alter von bis zu 14 Jahren, der in Vollzeit sozialversicherungspflich tig beschäftigt ist oder mehr als einer sozialversicherungs pflichtigen Beschäftigung nachgeht - und diese Beschäftigun gen einer Vollzeitbeschäftigung entsprechen -, sollen drei Fa milientage pro Jahr zustehen, von denen pro Monat einer in Anspruch genommen werden kann. Somit kann eine Familie in sechs Monaten jeweils einen Tag als Familientag nutzen, um bestimmte Dinge zu regeln. Alleinerziehende sollen die vollen sechs Familientage in Anspruch nehmen können - auch jeweils maximal einen pro Monat. Für diesen Familientag soll An spruch auf Lohnersatzleistungen gewährt werden, die vom Land Brandenburg erbracht werden.

Wenn wir schauen, ob man auch schon in anderen Bundeslän dern an den Haushaltstag zurückgedacht hat, stellen wir fest: 2018 plädierte Sachsens Ministerin Köpping - der SPD zuge hörig - für die Wiedereinführung arbeitsfreier Haushaltstage wie in der DDR. Sie schlug vor, fünf bezahlte Behördentage im Jahr für alle Arbeitnehmer einzuführen, und zwar mit ähnli chen Argumenten wie den bereits vorgetragenen. 2012 hat auch die Linkspartei in Sachsen einen solchen Vorschlag unter breitet, und zwar in Form eines Elternbonus im Urlaubsgesetz. - Wechseln wir das Bundesland und schauen nach Thüringen: Dort gab es eine Initiative, einen Haushaltstag einzuführen. Nach der Vorstellung des dortigen Landesfrauenrats sollte der freie Tag von Alleinerziehenden und pflegenden Angehörigen für Behördengänge oder Arztbesuche genutzt werden können.

Das Thema Pflegenotstand haben wir in diesem Landtag in dieser Legislaturperiode im Plenum diskutiert. Unsere Fraktion hat dazu zwei Anträge vorgelegt, und ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne daran, dass nach der Ausschussanhö rung im Plenum leider keinerlei Maßnahmen zur Verhinderung des Pflegenotstands beschlossen wurden. Gerne erinnere ich auch an die Aussage der Sozialausschussvorsitzenden Leh mann von der SPD, AfD-Anträge brauche man zu dem Thema nicht - wir könnten uns den Anträgen der SPD-Fraktion an schließen. Ergebnis am letzten Tag dieser Legislaturperiode: Zum Thema Pflegenotstand gab es keinen einzigen Antrag der SPD-Fraktion - nur nebenbei bemerkt.

Ja, ein Familientag, auch für pflegende Familienangehörige, wäre eine tolle Ergänzung zu dem von uns jetzt vorgelegten Antrag, die in einem zweiten Schritt vorgenommen werden könnte. Wie man diesen Tag nun nennt - Familientag, Haus haltstag, Urlaubstag -, glaube ich, ist völlig nebensächlich. Es geht darum, dass Familien unterstützt werden.

Wie schon in der Vergangenheit würde ein solcher Familientag den Alltag für berufstätige Eltern erheblich erleichtern. Wer selbst Kinder hat, weiß genau, wie schwierig es ist, Beruf und Kind und vielleicht sogar noch ein eigenes Hobby in Einklang zu bringen. Wir alle wissen genau, wie schwer es mittlerweile geworden ist, einen passenden Facharzttermin zu erhalten, vor allem, weil jeder am liebsten einen Termin am frühen Morgen vor der Arbeit, vor der Schule oder am späten Nachmittag nach der Arbeit haben möchte. Aber: Es ist in Brandenburg ja grund sätzlich schwierig, zeitnah einen Facharzttermin zu erhalten.

Wir wissen auch, wie mühsam es ist, heutzutage einen Hand werkertermin zu bekommen oder die anfallenden Behördenbe suche durchzuführen. Onlinebehördengänge sind in Branden burg immer noch nicht möglich - von daher gibt es leider keine Erleichterung.

All diese und viele weitere Lebenssituationen lassen sich mit einem Familientag wesentlich einfacher gestalten. Wir würden uns freuen, wenn Sie am letzten Tag dieser Legislaturperiode gemeinsam mit uns ein Zeichen für Familien setzen würden. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Baer für die Fraktionen SPD und DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin nen und Kollegen! Der vorliegende Antrag fordert, dass das Land Brandenburg familienfreundlicher wird und eine - ich zi tiere - „Willkommenskultur für Kinder“ gestaltet. Dafür feiert sich die AfD-Fraktion in den sozialen Medien schon seit eini gen Tagen ordentlich selbst. Als Mittel der Wahl soll - wie eben dargestellt - ein Familientag dienen, für den der Haushaltstag in der DDR zum Vorbild genommen wurde.

Der Vollständigkeit halber sei hier für geschichtlich Interes sierte angemerkt, dass die Einführung des Haushaltstages durchaus schon etwas länger zurückliegt: In der Zeit des Natio nalsozialismus wurde der Haushaltstag 1939 als monatlicher Waschtag von den Nationalsozialisten zugunsten der für die Rüstungswirtschaft kriegsverpflichteten Frauen eingeführt.

(Frau Bessin [AfD]: Den Tag gab es davor auch schon! - Galau [AfD]: Dann haben die Sozialisten von den Natio nalsozialisten gelernt! Na, so was!)

Im Oktober 1943 erhielt er dann den Gesetzesrang für alle - al lerdings nur nichtjüdischen - erwerbstätigen Frauen.

Der Familientag, meine Damen und Herren, beschäftigt die AfD in Brandenburg übrigens schon seit 2014, als er vor der Landtagswahl von Herrn Gauland in einem Gespräch mit der „MAZ“ als Forderung der AfD thematisiert wurde. Nun hat es fast fünf Jahre gedauert, bis daraus ein Antrag - wieder kurz vor der Landtagswahl - wurde.

(Kalbitz [AfD]: Sie schaffen doch in 25 Jahren keinen Flughafen! Was erzählen Sie denn da?!)

- Ach, wissen Sie, Herr Kalbitz, ich sitze da hinten in der drit ten Reihe seit knapp einem Jahr und höre mir Ihre Reden an, was manchmal schwerfällt.

(Frau Bessin [AfD]: Sie tun das ja freiwillig!)

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir wenigstens am letzten Sitzungstag den gleichen Respekt entgegenbrächten und mir zuhörten.

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU sowie B90/GRÜNE)

Ja, selbst wenn diesem Antrag heute - das wissen Sie - zuge stimmt würde, was wir natürlich nicht tun werden, wäre er rein zeitlich nicht mehr umsetzbar.

(Frau Bessin [AfD]: Natürlich ist er das!)

Das wissen wir alle hier und weiß natürlich auch die AfD-Frak tion. Frau Bessin, Sie sprachen hier gestern erst von einem an deren Antrag als Schaufensterantrag - jetzt weiß ich, was damit gemeint ist.

(Beifall und Heiterkeit SPD und DIE LINKE)

Der Antrag ist wieder einmal ein Paradebeispiel dafür, wie Lö sungen ohne jeden Wirklichkeitsbezug versprochen werden. Aber: Es klingt natürlich auch erst einmal nett: Alle Eltern sol len drei Tage pro Kalenderjahr freibekommen. Übergeordnetes Ziel ist, dass sich mehr Familien ihren Kinderwunsch erfüllen. - Ich weiß ja nicht, in welcher Welt Sie leben, aber ich kenne kein Paar, das die Entscheidung für oder gegen ein Kind von sechs freien Tagen im Jahr abhängig macht.

Es geht um ausreichend qualitativ gut ausgestattete Kitaplätze, bezahlbaren Wohnraum und eine wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf - das sind doch die Themen, die Paare auf dem Weg zur Familiengründung umtreiben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ob Sie es hören wollen oder nicht: Das sind genau die Berei che, in denen die rot-rote Landesregierung dieses Land deut lich vorangebracht hat.

Wo wir gerade über Familiengründung sprechen: Es ist doch Ihre Fraktion, die hier regelmäßig definieren will, was eine Fa milie ist und was nicht, wer eine Familie gründen sollte und wer nicht.

(Frau Lieske [SPD]: Richtig!)

Ich betone das deshalb hier noch einmal: Familie ist überall dort, wo Menschen einander lieben und Verantwortung fürein ander übernehmen.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie B90/GRÜNE)