Protokoll der Sitzung vom 18.06.2024

(Beifall BVB/FW Gruppe)

Man hat versucht, den Wiederbeschaffungszeitwert in die Kalkulation der Benutzergebühren hineinzumogeln. Das hätte natürlich was bewirkt? Sie ahnen es bereits: massive Gebühren- und Beitragserhöhungen im Trinkwasser- und Schmutzwasserbereich, womit erneut die Nutzer belastet worden wären - und das nach der Vorgeschichte Brandenburgs in den letzten 20 Jahren. Das war schon ein starkes Stück.

Nun war das aber, wie wir gesehen haben, ein untauglicher Versuch, denn das Parlament hat sich dem doch tapfer entgegengestellt. Darüber sind wir sehr froh.

Natürlich sind wir uns auch dessen bewusst, dass einige Abwasserverbände durchaus finanzielle Schwierigkeiten haben. Allerdings resultieren diese gerade im Bereich Altanschließerbeiträge durchaus auch aus Fehlern, die hier im Land gemacht worden sind - von der Landesregierung, aber auch vom Landtag der vorvergangenen Wahlperiode. Und es ist nicht hinnehmbar, dass für alle Fehler, die hier gemacht werden, jedes Mal die Beitragszahler bzw. Gebührenzahler zur Kasse gebeten werden,

(Beifall BVB/FW Gruppe)

die sich dann über Jahrzehnte in Prozessen dagegen wehren müssen. Am Ende bekommen sie zwar Recht - so bei den Altanschließerbeiträgen, bei den gesplitteten Gebühren, die hier mit großer Gebärde verteidigt worden sind, bis sie dann vorm Bundesverwaltungsgericht bzw. Bundesverfassungsgericht kläglich gescheitert sind -, aber dieser Prozess führt zu Vertrauensverlust in der Bevölkerung sowie dazu, dass Menschen frustriert und mit Kosten überzogen werden.

Nun ist es so: Das Abwasser spült die Wahrheit und die Gerechtigkeit schon zum Vorschein,

(Heiterkeit der Abgeordneten Keller [SPD] und Bretz [CDU])

aber der Weg dahin ist eben lang, und die Nerven, die Zeit und das Geld dafür haben die Beitragszahler - sie sind auch Wähler - nun einmal nicht.

Deswegen sind wir froh, dass Abstand davon genommen wird, den Wiederbeschaffungszeitwert im Zusammenhang mit der Kalkulation in das Gesetz einzuführen. Unseres Erachtens sollte das nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft nicht erfolgen, denn wie wir in der Anhörung deutlich gemacht haben, sind weitere finanzielle Belastungen der Bürger in diesem Bereich nicht hinnehmbar - gerade in Brandenburg nicht.

(Beifall des Abgeordneten Stefke [BVB/FW Gruppe])

Deswegen möchte ich mich ausdrücklich auch bei der Heldin der Anhörung, Frau Gerlinde Schermer,

(Stefke [BVB/FW Gruppe]: SPD!)

bedanken, die dort als Expertin deutlich gemacht hat, wohin diese Entwicklung führen würde, welche Folgen sie im Hinblick auf die Gebührenkalkulation und welche Auswirkungen sie auch auf das Vertrauen in das Verwaltungshandeln hätte, welche rechtlichen Probleme sich daraus ergäben. Ich glaube, die intensive Anhörung sowie die intensive und kritische Befragung haben sich gelohnt. Sie haben gezeigt, dass dieses Vorhaben nicht hinnehmbar ist und, wie mein Vorvorredner schon gesagt hat, durchaus den Geruch eines Umgehungstatbestandes im Hinblick auf die Altanschließerbeiträge an sich trug, einen noch stärkeren Geruch als den Geruch in Kläranlagen - und das will was heißen!

(Heiterkeit und Beifall BVB/FW Gruppe)

Und deswegen, meine Damen und Herren, freuen wir uns über diese Änderung. Sie haben da einen richtigen Punkt, und wir hatten ihn auch. Deswegen finden wir das richtig.

Eine weitere Änderung sehen wir durchaus kritisch; das wird uns aber von dem Javotum nicht abbringen. Wir wollen Sie auch nicht enttäuschen. Das ist uns sehr wichtig.

(Oh! bei der AfD)

- Ja. Wir haben hier eine gemischte Darstellung. So, wie eine gemischte Gebührenkalkulation erfolgt, gibt es auch ein gemischtes Urteil zu diesem Gesetz. Aber in Summe überwiegen die Vorteile.

Kritisch sehen wir die Verlängerung der Kalkulationsperiode. Es ist schon so, dass die rollierende Berechnung außer Diskussion stand und richtig ist. Wir sind der Auffassung: Wenn man die Extremwerte heranzieht, sind es vier Jahre - wenn man zwei Jahre Fehlkalkulation oder zu hohe Kalkulation annimmt, kann das, bis es durchgereicht wird, durchaus in Extremfällen vier Jahre bedeuten. In Zukunft sind es sechs Jahre. Das ist schon ein Pro-

blem, weil es auch darum geht, gerade bei Eigenbetrieben, wenn es also unmittelbar der Kontrolle der Gemeindevertretung unterliegt, eine sehr zeitnahe, möglichst wahlperiodenimmanente Kontrolle dessen zu ermöglichen, was dort passiert. Das wird mit einer sechsjährigen Maximaldistanz natürlich etwas erschwert.

Die Änderung in § 11 - da verstehe ich auch den Einwand der AfD nicht - im Hinblick auf die Möglichkeit, eigene Entscheidungen hinsichtlich Kur-, Gäste- und Tourismusbeiträgen zu treffen, ist exakt das, was die Kommunen bzw. die Spitzenverbände fordern - durchgängig fordern. Insofern ist das eine gute Regelung.

Deswegen, meine Damen und Herren, überwiegt am Ende das Positive. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Und ja, wir kommen erneut zu der Erkenntnis: Gebühren- und Beitragsgerechtigkeit müssen in Brandenburg hart erkämpft werden - härter als in anderen Bundesländern. Dazu leisten wir unseren Beitrag und werden natürlich immer kritisch hinschauen sowie gerade beim Abwasser auch hinriechen, damit solche versteckten Sachen schnell erkannt werden. Das ist jetzt gelungen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BVB/FW Gruppe - Zuruf des Abgeordneten Keller [SPD])

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stübgen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung berücksichtigt überwiegend Anregungen aus der kommunalen Praxis. Es verwundert daher nicht, dass die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und die Vertreter des Tourismusver… Terroris… - oje! - des Tourismusverbandes die vorgesehene Änderung begrüßen.

(Vereinzelt Heiterkeit - Frau Johlige [Die Linke]: Wenn der Horizont so eingeschränkt ist!)

Die Erweiterung der Erhebungsmöglichkeiten der Gemeinden im Bereich der Tourismusfinanzierung stärkt den Ausbau und Erhalt touristischer Infrastrukturen. Insbesondere sollen künftig alle Gemeinden Gastbeiträge erheben können. Die zulässige Kalkulationsperiode wird nach dem Entwurf auf bis zu drei Jahre verlängert. Ich meine, wir sollten nicht an der bundesweit kürzesten Frist festhalten, die bisher galt, sondern den Gestaltungsspielraum der Kommunen in dieser Hinsicht erweitern.

Zudem können künftig außerplanmäßige Abschreibungen im Rahmen der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden. Die Schaffung der Optionsregelung stärkt die kommunale Selbstverwaltung. Mit der Abschaffung des Genehmigungsvorbehaltes für neue Steuern werden zudem fragwürdige Standards, die es in unseren Gesetzen bisher gab, abgebaut. Ich halte das für äußerst sinnvoll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gleich gerichteten Änderungsvorschläge der Fraktion Die Linke und der AfD

(Frau Johlige [Die Linke]: Die sind nicht gleich gerichtet!)

betreffen nicht das KAG, sondern § 69 Abs. 6 der Kommunalverfassung. Diese Regelung ist allerdings nicht neu, sondern wurde bereits im Dezember 2020 beschlossen. Danach dürfen Haushaltssatzungen für das Haushaltsjahr 2025 nur veröffentlicht werden, wenn der Jahresabschluss 2022 beschlossen und der Jahresabschluss 2023 aufgestellt und dem Rechnungsprüfungsamt sowie der Kommunalaufsicht vorgelegt worden ist. Denn für eine verlässliche Haushaltsplanung benötigen die Gemeindevertretungen - das ist hier schon mehrfach ausgeführt worden - die Haushaltsdaten.

Die Frage bleibt - wir haben sie schon zur 1. Lesung des Gesetzes im letzten Plenum intensiv diskutiert, noch intensiver in der vergangenen Sitzung des Innenausschusses -: Wie viele Gemeinden werden das nicht schaffen? Valide können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellen, wie viele Gemeinden davon betroffen sein werden. 50 werden es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht sein.

(Frau Johlige [Die Linke]: Dann hätten Sie meine Anfrage ja beantworten können!)

- Ich habe schon letztes Mal deutlich erklärt, dass ich von einer einstelligen Zahl von Gemeinden ausgehe. - Zu Beginn eines Haushaltsjahres befinden sich regelmäßig viele Gemeinden in der vorläufigen Haushaltsführung. Ursachen dafür sind: nicht rechtzeitig beschlossene Haushaltssatzungen, fehlerhafte Beschlüsse, noch nicht abgeschlossene Genehmigungsverfahren oder nicht genehmigungsfähige Haushaltssicherungskonzepte.

Die erneute Abfrage zum Stand der vorliegenden Jahresabschlüsse lässt insofern keine Schlussfolgerungen dahin gehend zu, wie viele Kommunen aufgrund der Regelungen ab dem Haushaltsjahr 2025 zusätzlich in die vorläufige Haushaltssicherung geraten oder dort verbleiben.

Die Abfrage zeigt jedoch, dass die Kommunen mit Hochdruck daran arbeiten, die noch bestehenden Rückstände bei der Aufstellung von und Beschlussfassung zu Jahresabschlüssen aufzuholen. Wir konnten in diesem Jahr feststellen, dass sich die Zahl der Abschlüsse mehr als verdoppelt hat - schon bis jetzt. Aufgrund der sehr dynamischen Entwicklung erwarten wir keine erheblichen Verwerfungen im kommunalen Bereich aufgrund der Fristsetzung in § 69 Abs. 6 des Kommunalverfassungsgesetzes.

Ich empfehle daher die Zustimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung und die Ablehnung der gleich gerichteten Anträge von den Fraktionen AfD und Die Linke.

(Frau Johlige [Die Linke]: Die sind nicht gleich gerichtet!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU sowie vereinzelt SPD und B90/GRÜNE)

Danke schön. - Herr Abgeordneter Freiherr von Lützow hat noch einmal das Wort. Bitte sehr.

(Beifall AfD)

Frau Präsidentin! Ich fange einmal hinten an: Herr Stübgen, die Aussage, die Sie gerade getätigt haben, zeigt mir, dass die Regierung - Tatsache - planlos ist. Und das ist bei dem Thema sehr schade. Gerade Sie haben ja mit den Bürgermeistern zusammengesessen, Sie haben in Neuhardenberg gesessen, und danach ging der Sturm los - der Sturm auf die Koalitionsfraktionen vonseiten Ihrer eigenen Bürgermeister. Planlosigkeit kurz vor den Wahlen ist immer nicht so gut, aber gut, es ist halt das Innenministerium.

Herr Schaller hat vorhin von dem Anspruch geredet, den Gemeindevertreter haben. Ja, den Anspruch habe ich als Gemeindevertreter auch; das ist richtig. Aber dazu brauche ich Fachkräfte. Und Sie als ehemaliger Bürgermeister wissen doch selbst, wie schwer es ist, einen Kämmerer oder entsprechendes Fachpersonal zu finden. Ihre Raketenwissenschaftler und Herzchirurgen, die Sie alle - gerade auch die CDU - seit 2015 eingeführt haben, können das nicht leisten. Das sind nicht die Spezialisten, die wir dafür brauchen.

(Zuruf von der CDU)

Genau das ist es nämlich. Und wenn ich nicht genug Leute finde, die das vernünftig können, habe ich ein Problem. Gerade kleinere Kommunen, die nicht im Speckgürtel liegen, haben echt ein Problem mit dem Personal.

(Bretz [CDU]: Ihr doch aber auch!)

Die Rechnungsprüfungsämter … - Sie haben gar keine Ahnung!

(Bretz [CDU]: Wie viele Plätze könnt ihr nicht besetzen, ihr Fachleute? - Unruhe)

Rechnungsprüfungsämter in den Kreisen, die unterbesetzt sind - das kommt alles mit dazu.