Protokoll der Sitzung vom 18.06.2024

Einerseits sind Finanzermittlungen künftig auch dann möglich, wenn keine Hinweise auf Gewalt oder Hass vorliegen. Die heutige Bedrohungslage führt immer wieder vor Augen, dass von extremistischen Bestrebungen - egal aus welchem Phänomenbereich - erhebliche Gefahren für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehen können, selbst wenn nicht explizit zu Gewalt aufgerufen wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn durch Propaganda oder die systematische Verbreitung von Falschinformationen gegen die Verfasstheit unseres Staates vorgegangen wird. Daher ist es wichtig, dass der Verfassungsschutz künftig auch diese Bestrebungen in den Blick nehmen kann.

Zugleich wird durch die Voraussetzung der „schwerwiegende[n] Gefahr“ sichergestellt, dass die materiellen Voraussetzungen für derartige Finanzermittlungen weiterhin sehr hoch sein und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Beachtung finden werden. Auch dürfen Finanzermittlungen gemäß § 14a Abs. 2 nur mit der Zustimmung der G10-Kommission erfolgen. Diese prüft also zusätzlich und unabhängig, ob die vom Verfassungsschutz geplante Maßnahme geboten und verhältnismäßig ist.

Der zweite, sehr wichtige Baustein dieses Gesetzes ist, dass durch die Gesetzesänderung erstmalig die Kontostammdatenabfrage eingeführt wird. Sie ist faktisch Grundvoraussetzung, um überhaupt Finanzermittlungen durchführen zu können. Diese Möglichkeit besteht schon in zahlreichen anderen Landesgesetzen und auch im Bundesverfassungsschutzgesetz. Durch die Abfrage beim Bundeszentralamt für Steuern können etwaige Konten der Betroffenen überhaupt erst in Erfahrung gebracht werden. Dabei bleibt es nicht der bisher zufälligen Kenntnis derartiger Daten überlassen, ob Finanzermittlungen durchgeführt werden können oder nicht.

Mit beiden Maßnahmen - der Einführung der Kontostammdatenabfrage und der Anpassung der Voraussetzungen für Finanzermittlungen an die moderne Bedrohungslage - hat der Verfassungsschutz Brandenburg künftig ein weiteres wirksames Instrument in der Hand, um als Frühwarnsystem effektiv und effizient vor Bedrohungen für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung warnen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Bekämpfung extremistischer Strukturen - egal welcher Couleur - halte ich das Prinzip „follow the money“ für sinnvoll. Auf diese Weise können wir Finanzierungsquellen aufdecken, Netzwerke ermitteln und so Transparenz im Filz extremistischer Bestrebungen schaffen. Ich

empfehle daher die Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU sowie vereinzelt SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es wurde eine Kurzintervention von Herrn Abgeordneten Dr. Berndt angemeldet. Bitte schön.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Stübgen, wie Sie hier gesprochen haben, was Sie hier vorgetragen haben, passt nicht zu einem Innenminister. Es passt zu einem Vertreter des Parteienstaates und einem Verteidiger der Parteienherrschaft.

(Vereinzelt Beifall AfD)

Was hier vorgelegt wird, Herr Stübgen, ist ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung einer friedlichen Opposition - auf wackliger rechtlicher Grundlage.

(Bretz [CDU]: Ja, natürlich!)

Wir werden das vom Verfassungsgericht überprüfen lassen.

Es passt auch nicht zur Verteidigung der Demokratie; es ist ein Angriff auf die Demokratie.

(Vereinzelt Beifall AfD - Keller [SPD]: In dem Gesetz steht nicht ein Mal „AfD“ drin!)

Es stimmt, wenn Sie sagen, dass die Abgeordneten heute eine Chance hätten, etwas für die Demokratie zu tun: Die Abgeordneten haben eine Chance, etwas für die Demokratie zu tun, indem sie Ihren unsäglichen Entwurf ablehnen. Ansonsten: Wenn dieses Gesetz den Landtag passiert, haben alle Bürger des Landes Brandenburg eine Chance, etwas für die Demokratie im Land zu tun und am 22. September diejenigen zu wählen, die - angeblich - unsere Demokratie abschaffen wollen. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall AfD - Keller [SPD]: Herr Berndt, Sie tun immer so, als stünde dort „AfD“ drin!)

Herr Minister, möchten Sie noch einmal das Wort nehmen? - Nein.

Dann kommen wir schon zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales, Drucksache 7/9790, zum Gesetzentwurf „Viertes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes“ der Koalitionsfraktionen. Wer der Beschlussempfehlung und dem Bericht zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe, bitte! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz nach 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf.

TOP 3: Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 7/8835

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales

Drucksache 7/9765

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Damit kommen wir direkt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales, Drucksache 7/9765, zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Ich darf Sie um Abstimmung bitten. Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz nach 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf.

TOP 4: Gesetz zur Anpassung von datenschutzrechtlichen Vorschriften für das Programm P20

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 7/9345

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales

Drucksache 7/9771

Das Wort geht zuerst an Herrn Abgeordneten Adler für die SPDFraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Was erwarten wir und was versprechen wir den Bürgerinnen und Bürgern mit Blick auf die Digitalisierung? Wir wollen, dass die Verwaltung schneller wird, und natürlich soll die Arbeit leichter werden. Wir wollen, dass die Zusammenarbeit der 16 Bundesländer besser wird, und nicht zuletzt versprechen wir in Deutschland einen hohen Datenschutz, damit die Bürgerinnen und Bürger auf den Staat vertrauen können.

Heute behandeln wir in 2. Lesung ein wichtiges Gesetz, das dazu beiträgt, diesen drei Erwartungen an die Digitalisierung der Polizei gerecht zu werden. Es geht um den Entwurf des Gesetzes zur Anpassung von datenschutzrechtlichen Vorschriften für das Programm P20. Hinter diesem sperrigen Titel verbirgt sich ein großer Schritt nach vorne für die Arbeit unserer Polizistinnen und

Polizisten in Brandenburg und für die Zusammenarbeit der Polizeibehörden in ganz Deutschland.

Derzeit nutzen die Polizeien der verschiedenen Bundesländer unterschiedliche IT-Systeme, die oft nicht kompatibel sind. Das bedeutet, dass Daten mehrfach erfasst werden müssen. Das kostet Zeit und ist eine potenzielle Quelle für Fehler - und das wollen wir ändern. Mit dem Programm P20 entsteht ein einheitliches sogenanntes Datenhaus-Ökosystem, das den sicheren und effizienten Austausch von Daten zwischen allen Polizeibehörden in ganz Deutschland ermöglicht. So können wir schneller und effektiver auf Bedrohungen reagieren und Verbrechen bekämpfen; besonders bei Terrorismus und organisierter Kriminalität kann das entscheidend sein.

Ein wichtiger Bestandteil des Programms ist die hypothetische Datenneuerhebung, kurz: hyDaNe. Sie wurde nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entwickelt - das will ich ganz explizit betonen, denn hyDaNe erlaubt es, personenbezogene Daten zu anderen Zwecken zu nutzen, wenn dies zur Verhütung oder Verfolgung schwerer Straftaten nötig ist.

Dabei wurden bundeseinheitliche Vorkehrungen getroffen, die den polizeilichen Datenschutz absichern und regeln, ob und in welchem Umfang personenbezogene Daten von Nutzerinnen und Nutzern eingesehen werden dürfen. Damit wird der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum polizeilichen Datenschutz entsprochen.

Diese Vorgaben gilt es auch in Brandenburg entsprechend anzupassen und anzuwenden. So schaffen wir beides: Rechtssicherheit für die Polizei und den Schutz der persönlichen Daten unserer Bürgerinnen und Bürger. Ohne diese Anpassungen müsste Brandenburg teure und zeitaufwendige Einzelentwicklungen vornehmen. Dank der vorausschauenden Planung sparen wir Ressourcen und sichern Brandenburgs Teilnahme am bundesweiten Informationsverbund.

Dieses Gesetz zeigt, wie wichtig es ist, unsere Polizeiarbeit zu modernisieren. Die harmonisierte IT-Struktur wird die Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden verbessern und die Sicherheit in ganz Deutschland erhöhen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diesen wichtigen Schritt gemeinsam gehen. Unterstützen Sie diesen Gesetzentwurf und erhöhen Sie damit die Sicherheit und Effizienz unserer Polizei! Denn Brandenburg, welches unser Zuhause ist, soll auch in Zukunft sicher sein. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und CDU)

Vielen Dank. - Herr Abgeordneter Möller erhält das Wort für die Fraktion der AfD. Bitte schön.

(Beifall AfD)

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Ein großer Wurf sieht anders aus. Das Projekt bzw. Programm „Polizei 2020“, kurz P20, wird bald den Wirkbetrieb aufnehmen können.

Wir haben zunächst der Überweisung an den Ausschuss zugestimmt und wollten uns heute enthalten. Aber ich habe es mir anders überlegt und meiner Fraktion geraten, doch zuzustimmen. Wir werden heute also doch zustimmen.

(Bretz [CDU]: Was denn jetzt? - Zuruf des Abgeordneten Keller [SPD])

An unserem zögerlichen Zustimmungsverhalten erkennen Sie, dass uns noch einiges missfällt. Am Begriff „P20“ ist zu erkennen, dass die Einführung vier Jahre später kommt als geplant. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Innenminister der Länder und des Bundes schon im Jahr 2016 eine Harmonisierung vereinbart haben, um die Fähigkeit der Polizei zu erhöhen, wird einem unwohl. Geht es Ihnen wirklich um die Sicherheit der Bürger und um die Verbesserung der Polizeiarbeit? Wahrscheinlich nicht.