Protokoll der Sitzung vom 18.06.2024

An unserem zögerlichen Zustimmungsverhalten erkennen Sie, dass uns noch einiges missfällt. Am Begriff „P20“ ist zu erkennen, dass die Einführung vier Jahre später kommt als geplant. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Innenminister der Länder und des Bundes schon im Jahr 2016 eine Harmonisierung vereinbart haben, um die Fähigkeit der Polizei zu erhöhen, wird einem unwohl. Geht es Ihnen wirklich um die Sicherheit der Bürger und um die Verbesserung der Polizeiarbeit? Wahrscheinlich nicht.

Polizei ist im Wesentlichen Ländersache, wenn man von Bundespolizei, BKA und Zoll absieht. Somit gibt es verschiedene Polizeigesetze. Wir befürchten, dass es trotz acht Jahren Vorbereitungszeit doch noch massive Unterschiede bei der Datenerhebung gibt. Dürfen in anderen Bundesländern gewonnene Daten überhaupt rechtskonform in Brandenburg verwendet werden? Wir fragen, ob man nicht all die Polizeigesetze - es sind immerhin 17 verschiedene Gesetze - jetzt erst recht vereinheitlichen sollte, um Rechtssicherheit zu schaffen. Sind diese Gesetze der unterschiedlichen Länder überhaupt noch zeitgemäß, wenn man ihnen die europäische Dimension eines gemeinsamen, christlich geprägten Rechtsraums mit 450 Millionen Bürgern gegenüberstellt?

Gut ist, dass die 16 Länderpolizeien und die vier Polizeien des Bundes nun gemeinsam an einem Strang ziehen. Die polizeiliche Fall- und Sachbearbeitung wird mit Umsetzung von P20 deutlich vereinfacht. Es findet eine Vereinheitlichung der vielen unterschiedlichen Datenverarbeitungssysteme der insgesamt 20 Polizeien in Deutschland hin zu einem standardisierten Verfahren, einem gemeinsamen Datenbus oder Datenhaus, statt.

Bisher wurden aufgrund der Verschiedenheit der Systeme personenbezogene Daten von Bundes- und Länderpolizeien zum Teil mehrfach in die jeweiligen - voneinander abweichenden - IT-Strukturen eines jeden Bundeslandes oder einer Polizei des Bundes eingegeben. Der Beamte war bisher gezwungen, zeitaufwendige Mehrfachabfragen per Fax, Mail, telefonisch etc. zu tätigen.

Die rund 320 000 Beschäftigten der deutschen Polizeien werden jetzt in die Lage versetzt, jederzeit und überall einen einfachen und zeitsparenden Zugriff auf die Informationen aller Polizeien zu erhalten, um die tägliche Arbeit zum Wohle der Bürger zu bewältigen. Die Strafverfolgung wird effizienter und kostengünstiger. In sogenannten Strukturermittlungen, den komplexen Strafverfahren im Bereich der Schwer- und Schwerstkriminalität, werden massive Datenmengen gesammelt und verarbeitet; auch hier wird mit einem gemeinsamen Datenhaus eine große Entlastung der Ermittlungsbehörden einsetzen.

Es gibt bei der Polizei einen Führungsgrundsatz: Besser spät und falsch handeln als gar nicht handeln. - Also, packen wir es nach acht Jahren Verspätung an! - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. - Herr Abgeordneter Lakenmacher spricht für die Fraktion der CDU. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Anpassung von datenschutzrechtlichen Vorschriften für das Programm P20 soll für die Brandenburger Polizeibeschäftigten und die ca. 320 000 Polizeibeschäftigten in Deutschland eine gemeinsame, moderne und vor allem einheitliche IT-Landschaft entwickeln. Durch die jahrzehntelange föderale Entwicklung gestaltet sich die Kommunikation der einzelnen Akteure untereinander bislang schwierig, teilweise sehr schwierig. Und wir alle wissen: Kriminalität macht an den Grenzen der Bundesländer nicht halt und weiß auch die Defizite für sich zu nutzen.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist dringend notwendig, um unserer Polizei hier in Brandenburg die rechtlichen Befugnisse einzuräumen, um ein vollwertiges Mitglied innerhalb der neuen, zentralen Polizeisicherheitsarchitektur zu werden und damit eben einen weiteren wichtigen Schritt hin zu einer zeitgemäßen und vor allem bundesländerübergreifenden Kriminalitätsbekämpfung zu gehen. Ich bitte um Zustimmung. - Danke.

(Beifall CDU sowie vereinzelt SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Frau Abgeordnete Block spricht für die Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Uns liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, mit dem auf den letzten Metern der aktuellen Legislaturperiode weitreichende rechtliche Befugnisse für die Datenverarbeitung nach den Grundsätzen der hypothetischen Datenneuerhebung in der neuen zentralen Polizeisicherheitsarchitektur eingeräumt werden sollen.

Dabei besteht für Eile oder ein überhastetes Verfahren überhaupt kein Anlass. Seit mehr als sieben Jahren bauen der Bund und die Bundesländer am Polizeidatenhaus P20. Ursprünglich war 2020 als Termin geplant, doch auch 2024 wird es nicht kommen; 2030 ist jetzt der Termin. Seit Jahren stockt nämlich die Umsetzung auf allen Ebenen; wesentliche rechtliche oder technische Fragen waren oder sind lange ungeklärt. Derzeit ist in Bezug auf die Datenweiterverarbeitung im polizeilichen Informationsverbund nach Maßgabe des Gesetzes über das Bundekriminalamt noch eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig, über die im Dezember 2023 mündlich verhandelt wurde. Die Entscheidung darüber sollte man eigentlich abwarten; erfahrungsgemäß wird sie weitreichende Folgen haben.

Dass man sich in dieser Frage Zeit lassen und als Gesetzgeber genau hinschauen sollte, welche grundrechtlichen Auswirkungen die Änderung des Polizeigesetzes an dieser Stelle hat, zeigen auch die schriftlichen Stellungnahmen der Expertinnen und Experten, die der Innenausschuss eingeholt hat. Die wohl größte rechtliche Problematik bei dem Gesetzentwurf besteht darin, dass die in anderen Bundesländern gewonnenen Daten nicht

mehr an der Erhebungsbefugnis der brandenburgischen Polizei gemessen werden sollen. Das heißt konkret, dass Daten, die beispielsweise in Bayern unzulässig mit der Software VeRA, die auf dem Programm Gotham von Palantir basiert, unter Verwendung von KI, mit Quellen-TKÜ, mit einem großen Lauschangriff oder einer anderen nach unserem Gesetz nicht zulässigen Methode erhoben werden, hier trotzdem von der Polizei verwendet werden können. Das Bundesministerium des Innern sagte im vergangenen Jahr, die Prüfung der Nutzung von VeRA als gemeinsame Plattform für die Teilnehmer von P20 dauere an.

Genau darum geht es: eine bessere Datenverfügbarkeit über ein sogenanntes Datenhaus. Datenschützer sprechen von einem riesigen Datensee, in dem alle irgendwie verfügbaren Daten einfließen und gespeichert werden. Darunter sind eben auch Daten, die gar nicht mehr vorhanden sein dürften, zum Beispiel Daten von Unbeteiligten oder Problemfälle wie die Falldatei Rauschgift, eine Datei des Zollfahndungsdienstes, bei der es einfach keinen Prozess für eine anlassbezogene Löschung gab - mit der Folge, dass alle bereits zu löschenden oder gelöschten Datensätze weiterhin vorhanden und für alle Verbundteilnehmer abrufbar waren.

Im Ergebnis profitiert also die empfangende Behörde, in dem Fall wir, von Informationen, die sie selbst gar nicht erheben dürfte. Das führt die Regelungen des Föderalismus und die Schaffung eigener Polizeigesetze aus meiner Sicht ad absurdum. Wir haben nicht umsonst in jedem Bundesland eigene Polizeigesetze. Man kann den Föderalismus und die eigenen Gesetze nicht beliebig aushebeln, wie es einem passt.

Meine Damen und Herren, der Weg vom Präventions- zum Sicherheitsstaat durch uferlose Ausweitung der polizeilichen Befugnisse wird seit Längerem beschritten und ist ein gefährlicher Weg - jedenfalls für die Grundrechte. Auch hinsichtlich der Kosten ist das ganze Programm, das muss man sagen, eine ziemlich große Verschwendungskiste: Bund und Länder haben in den sieben Jahren bereits mehr als 515 Millionen Euro in die Realisierung gesteckt.

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. - Vielen Dank.

(Beifall Die Linke)

Vielen Dank. - Frau Abgeordnete Schäffer spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte.

(Beifall B90/GRÜNE)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir passen mit dem vorliegenden Gesetz unser Landesrecht an, um Teil des bundesweiten Programms P20 werden zu können; es wurde schon ausführlich erläutert. Wir setzen die hypothetische Datenneuerhebung entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um und legen damit den Grundstein, um den Datenaustausch zwischen den Bundesländern deutlich zu vereinfachen. Und wir ermöglichen damit vor allem, dass wir in Deutschland im Polizeibereich endlich zu einer einheitlichen IT-Infrastruktur kommen, wie sie in der Saarbrücker Agenda zur Informationsarchitektur der Polizei als Teil der inneren Sicherheit entworfen wurde.

Ein solches einheitliches System ist ein unerlässlicher Meilenstein für die Polizeiarbeit in Deutschland. Es ist eine Binsenweisheit, deswegen aber nicht weniger wahr: Verbrecher halten sich nicht an Landesgrenzen. Das gilt erst recht im Bereich der Onlinestraftaten. Der Austausch zwischen den Polizeibehörden muss einfach funktionieren, um die Arbeit ordentlich erledigen zu können.

In Richtung der Linken möchte ich sagen: Ich verstehe und teile auch die Sorge, dass es mit den nun vorliegenden Regelungen in bestimmten Fällen vorkommen kann, dass Daten hier verarbeitet werden, die in anderen Ländern erhoben wurden, nach hiesigem Recht aber nicht hätten erhoben werden dürfen. Das ist in der Tat unglücklich, weil es potenziell die Möglichkeit der Länder aushebelt, ihr Polizeirecht selbst zu regeln. Allerdings wäre die Alternative, am bisherigen Flickenteppich in der IT und an der Inkompatibilität der Systeme festzuhalten. Das hieße, dass Brandenburg quasi aus P20 ausstiege und mit massivem Mehraufwand Sonderlösungen finden müsste - und ich glaube nicht, dass wir uns solch ein Vorgehen leisten können oder sollten.

Stattdessen muss alle Anstrengung darauf liegen, dass die gemeinsame Lösung sicher, praxistauglich und datenschutzgerecht ist. Es braucht an erster Stelle natürlich ein System, das für die Beamtinnen und Beamten sinnvoll im Alltag einsetzbar ist. Es braucht vor allem aber auch Schutz gegen unberechtigte Zugriffe, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und ein System, das von Anfang an resilient gegen Angriffe ausgelegt ist. Und klar ist auch, eine automatische Datenzusammenführung und -auswertung widerspräche eklatant dem Grundrecht auf Datenschutz.

Zu guter Letzt möchte ich kurz auf ein Problem eingehen, das mit dem heutigen Beschluss nur indirekt zusammenhängt: Das Brandenburgische Polizeigesetz ist ziemlich unübersichtlich und schwer verständlich. Spätestens im Zuge der Befassung mit diesem Antrag ist, glaube ich, für jeden ersichtlich geworden, dass durch eine Vielzahl von Verweisen und Verschachtelungen kaum noch zu verstehen ist, was das Gesetz nun will und erlaubt. Das ist auf Dauer ein Problem für Polizistinnen und Polizisten, die das Gesetz im Alltag anwenden müssen, aber auch für Bürgerinnen und Bürger, die ohne ausführliche anwaltliche Beratung eigentlich kaum noch verstehen können, unter welchen genauen Umständen sie zum Ziel von Maßnahmen werden können. Daher wird es Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode sein, dieses Gesetz zu vereinfachen, an neue Gegebenheiten anzupassen, aber auch zu schauen, welche Instrumente sich nicht bewährt haben und gestrichen oder verändert werden sollten. Wir Bündnisgrünen werden uns konstruktiv in diese schwierige, aber notwendige Debatte einbringen, mit einem klaren Fokus auf funktionierende Polizeiarbeit, einen starken Schutz von Bürgerrechten und größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und dem Landtag.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetz. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Da die Gruppe BVB / FREIE WÄHLER nicht sprechen wird, hat Herr Minister Stübgen nun das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Polizeien der Länder und des Bundes haben über Jahrzehnte gewachsene Informationsarchitekturen und -infrastrukturen, die vor dem Hintergrund föderaler Strukturen in Bund und Ländern eigenständig eingerichtet und weiterentwickelt wurden. Das ist der föderale Grundsatz. Die so gewachsenen Strukturen sind - das ist die andere Seite - häufig nur eingeschränkt miteinander kompatibel, sodass ein automatisierter Datenaustausch oft nur beschränkt möglich ist. Damit vergeht bei wichtigen Ermittlungen viel Zeit.

Die gegenwärtig heterogene IT-Landschaft der Polizeien genügt den Anforderungen an eine moderne Polizeiarbeit häufig nicht mehr in dem Umfang, wie es notwendig ist. Die Innenminister und Innensenatoren haben sich deshalb geschlossen darauf verständigt, dass die sicherheitspolitischen Herausforderungen und die stark voranschreitende Digitalisierung eine übergreifende, vernetzte Zusammenarbeit, vor allem aber einen ständigen, unmittelbaren und aktuellen Informationsaustausch unter den Polizeien erfordern.

Die polizeiliche IT-Landschaft soll in Deutschland harmonisiert und damit eine gemeinsame, moderne und einheitliche Informationsarchitektur geschaffen werden. Dieses Vorhaben wird als sogenanntes Programm P20 umgesetzt.

Mit der neuen Informationsarchitektur werden auch die Anforderungen der hypothetischen Datenneuerhebung nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen technisch implementiert und schrittweise umgesetzt. Daher sind die Datenverarbeitungsregelungen im Brandenburgischen Polizeigesetz schnellstmöglich nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen einer hypothetischen Datenneuerhebung anzupassen. Die Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes habe ich bereits in der Sitzung am 22. März 2024 hier vorgestellt und will das aus Zeitgründen nicht wiederholen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gesetzlichen Anpassungen, die Sie als Landtag heute vornehmen können, sind eilbedürftig, da das Programm P20 in Teilschritten sukzessive ab 2025 umgesetzt wird und entsprechende technische Implementierungen und darüber hinausgehende technisch-organisatorische Maßnahmen im bereits jetzt laufenden Umsetzungsprozess zu ergreifen sind. Auch würde die Gefahr drohen, dass wir an den ersten sukzessiven Umsetzungsschritten dieses Datenhauses als einziges Bundesland nicht teilnehmen könnten. Deshalb bin ich dankbar für die Beratung im Innenausschuss und die Empfehlung, dem Gesetz zuzustimmen. Das empfehle ich ebenfalls. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, damit kommen wir auch schon zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales, Drucksache 7/9771. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen und der

Gesetzentwurf nach 2. Lesung verabschiedet. - Es gab Gegenstimmen?

(Domres [Die Linke]: Wir haben abgelehnt!)

- Sie haben abgelehnt. Das habe ich nicht gesehen.

Dann machen wir es noch einmal: Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Jetzt ist es eindeutig. Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz nach 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf.

TOP 5: Neuntes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg

Gesetzentwurf der AfD-Fraktion

Drucksache 7/9541

1. Lesung

Herr Abgeordneter Möller hat das Wort für die AfD-Fraktion.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Brandenburger! Am vorletzten Sonntag, dem 9. Juni 2024, haben die Europawahlen stattgefunden. Passend zu diesem Ereignis stellen wir einen Antrag.

(Lachen des Abgeordneten Domres [Die Linke])