Ich eröffne die 10. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unser Gäste und Zuhörer sehr herzlich.
Bevor wir mit unseren Beratungen beginnen, möchte ich Sie bitten, eines Mannes zu gedenken, der sich in schwieriger Zeit um Berlin verdient gemacht hat.
Im Alter von 95 Jahren ist am 23. April der S t a d t ä l t e s t e v o n B e r l i n F r i e d r i c h We g e h a u p t g e s t o r b e n. Am 10. Mai haben wir im Krematorium Wilmersdorf von ihm Abschied genommen.
Friedrich Wegehaupt war von 1963 bis 1967 Mitglied der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin. Zuvor und danach wieder gehörte er der Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg an – mehr als 18 Jahre hindurch. Friedrich Wegehaupt war Kommunalpolitiker aus Überzeugung. Darüber hinaus hat er für viele Jahre ehrenamtlich im Flüchtlings- und Lastenausgleichswesen gedient.
In der Zeit vor dem Mauerbau 1961, als die Probleme politischer Flüchtlinge in unserer Stadt ein zentrales Thema waren und in manchem Monat fast 60 000 Menschen aus der damaligen DDR flüchteten, hat sich Friedrich Wegehaupt in der Flüchtlingskommission des Senats, im Gesamtverband der Sowjetzonen-Flüchtlinge und als Vorsitzender des Landesverbandes Berlin im Bund der Mitteldeutschen große Verdienste erworben. Den Menschen, die – wie er selbst – ihre Heimat verlassen mussten, fühlte er sich besonders verbunden.
Sein eigener Lebensweg war vom Schicksal unseres Landes gekennzeichnet: Als überzeugter Demokrat war er mit beiden Diktaturen auf deutschem Boden in Konflikt geraten.
Gegen die Nationalsozialisten hatte er sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen und war inhaftiert worden.
Mit der sowjetischen Besatzungsmacht und dem DDRRegime geriet er in Konflikt, als er nach dem Krieg in seiner Heimatstadt Dresden zu den Gründungsmitgliedern der CDU gehörte. Zwei Jahre lang saß er dort in politischer Haft. Dann flüchtete Friedrich Wegehaupt nach Westberlin, und von nun an stand das Schicksal der Flüchtlinge im Mittelpunkt seiner politischen, beruflichen und ehrenamtlichen Arbeit. Er hat viel dazu beigetragen, ihnen den Beginn des Lebens in der Freiheit zu erleichtern.
Friedrich Wegehaupt war immer hier in Berlin, an der Nahtstelle zwischen Ost und West, – beruflich u. a. als Leiter des Ministerbüros von Ernst Lemmer – dafür tätig, das Los jener zu erleichtern, die von der deutschen Teilung am meisten betroffen waren.
Wie stark ihn die Teilung unseres Landes zeitlebens bewegte, zeigte sich auch daran, dass er zu den Gründern des Museums „Haus am Checkpoint Charlie“ gehörte. Umso größer war später für ihn die Freude, den Fall der Mauer in Berlin und die Einheit Deutschlands noch miterleben zu dürfen.
Für seine großen Verdienste wurde Friedrich Wegehaupt 1983 durch das Abgeordnetenhaus und den Senat mit der Würde eines Stadtältesten von Berlin ausgezeichnet.
Meine Damen und Herren, in unserem Leben liegen Leid und Freude oft dicht beieinander. So g r a t u l i e r e ich heute unserer Kollegin S a b i n e To e p f e r - K a t a w herzlich zur G e b u r t i h r e s S o h n e s , der heute vor einer Woche zur Welt gekommen ist. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich ihr und ihrer Familie alles Gute. [Beifall]
Wir kommen nun zum Geschäftlichen. Die Abgeordnete Ve r e n a B u t a l i k a k i s aus der Fraktion der CDU hat ihr A b g e o r d n e t e n h a u s m a n d a t n i e d e r g e l e g t. Für sie ist der Abgeordnete M a t t h i a s Wa m b a c h n a c h g e r ü c k t , den ich in unserem Kreis herzlich begrüße.
Schon jetzt teile ich Ihnen mit, dass unsere H a u s h a l t s b e r a t u n g e n f ü r d a s H a u s h a l t s j a h r 2001, die ursprünglich für den 7. und 8. Dezember dieses Jahres vorgesehen waren, nach einem einvernehmlichen Beschluss des Ältestenrats nunmehr nur a m 7. D e z e m b e r 2000 stattfinden sollen. Dies hat sich – wie wir erleben konnten – bereits in der eintägigen Beratung des Haushalts 2000 am 13. April bewährt. Die Sitzung am 7. Dezember 2000 wird um 9.00 Uhr beginnen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Es sind am Montag zum gleichen Zeitpunkt drei Anträge auf Durchführung einer A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar:
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU zum Thema: „Expo 2000 – Chancen für die Hauptstadt Berlin“,
2. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Hauptstadtkultur – Aufgaben gerecht, transparent und verbindlich verteilen“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Senat bedroht Demokratie mit: Feldzug gegen Versammlungsfreiheit, politischer Staatsanwaltschaft, Videoüberwachung und prügelnden Zivilpolizisten“.
Im Ältestenrat konnten wir uns nicht gemeinsam auf ein Thema verständigen, so dass ich die Entscheidung jetzt hier im Plenum herbeiführen möchte. Wer möchte eine Begründung für sein Thema der Aktuellen Stunde abgeben? – Der erste, der sich gemeldet hat, war Herr Doering. Es übernimmt aber Herr Girnus. Anschließend begründet der Abgeordnete Wieland. – Herr Girnus, Sie haben für die PDS zur Begründung der von ihr gewünschten Aktuellen Stunde das Wort. Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über Expo 2000 lässt sich sicher trefflich streiten. Die preislichen Sonderbedingungen für die Tickets bei der Deutschen Bahn werfen schon im voraus lange Schatten in die Portmonnaies der Besucher. Das ist aber nicht so aktuell wie das Thema, das wir heute zur Debatte stellen wollen, nämlich die Hauptstadtkulturfinanzierung. Dies möchte ich begründen.
Es ist noch keinen Monat hat, da hat der Staatsminister für Kultur und Medien, Herr Naumann, dem Bundestag einen Bericht übergeben, in dem es heißt:
Die Bundesregierung will das System der pauschalen Förderung bestimmter Berliner Kultureinrichtungen mit hauptstädtischem Profil nicht fortschreiben.
diejenigen Einrichtungen gezielt gefördert werden, die in besonderer Weise dazu beitragen, Berlin ein hauptstädtisches Kulturprofil zu geben.
Dann ist die Rede von Arbeitsgruppen, die im April ihre Arbeit aufnehmen sollen. Und schließlich soll zum Ende der Sommerpause ein neuer Vertragsentwurf für die Jahre 2001 bis 2004 vorgelegt werden.
Am vergangenen Mittwoch – das ist gerade eine Woche her – hat der Bundestagsausschuss zu diesem Thema beraten, und am Donnerstag vergangener Woche fand die Plenardebatte im Bundeshaus – im Hohen Haus – statt. Es ist höchste Zeit, dass auch hier im Hause die Karten auf den Tisch gelegt werden und über die Position Berlins öffentlich debattiert wird.
Die gesamtstaatlichen und hauptstadtbedingten Kulturaufgaben sind unter Berücksichtigung der föderalen Verfasstheit der Bundesrepublik klar zu bestimmen. Wir fordern jetzt den konstruktiven Dialog und die Verhandlungsbereitschaft auf beiden
Seiten. Die Zeit der Schaukämpfe und Spiegelfechtereien muss vorbei sein. Zwischen Bund und Land sind klare und transparente Verabredungen zu treffen. Misstrauisches Feilschen und cleveres Chargieren, gegenseitige Schuldzuweisungen und fragwürdige Betitelungen helfen nicht weiter. Ansonsten brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir – wie kürzlich – in der Presse lesen: „Die Hauptstadt soll leuchten und den Mund halten.“ Berlin hat bis jetzt geschwiegen. Berlin muss darüber reden. Berlin muss seine Verhandlungspositionen bestimmen.
Wir haben ganz aktuell einen neuen Stand, ohne dass wir uns bisher darüber hier im Hause verständigen konnten. Der Vertrag für das Jahr 2000 ist gestern unterzeichnet worden. Ich denke, das ist Anlass genug, um hier darüber zu sprechen. Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen zur Hauptstadtkulturförderung für die Jahre 2001 bis 2004 bestimmen, weil die Haushaltsbedingungen in Berlin nicht besser werden und alle Beteiligten ein Recht auf Wahrheit und Klarheit für die Zukunft der Berliner Kultur haben. Deswegen sollten wir heute über dieses Thema sprechen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Nunmehr hat das Wort der Abgeordnete Wieland für die Aktuelle Stunde, die die Fraktion der Grünen beantragt hat. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben es soeben mit unbewegtem Gesicht vorgelesen, Herr Führer: die Maßnahmen und Pläne des Senats gefährden die innere Liberalität in dieser Stadt. Hierüber muss die Debatte vordringlich geführt werden. Wir sind kein Appendix der Marketingagentur oder kein Appendix von Hassemers Partner für Berlin. Wir sind ein Parlament, das die Exekutive zu kontrollieren hat. Und da gibt es viel zu tun.
Kaum waren am 1. Mai die Tränengasschwaden verflogen, stellte sich Innensenator Werthebach hin und hat zum wiederholten Male einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit das Wort geredet. Waren es zunächst die Geschäftsleute Unter den Linden, waren es die Autofahrer, die angeblich durch zu viele Demonstrationen in ihren Rechten beschnitten worden wären, so sind es nunmehr die NPD-Aufmärsche und seit neuestem die Randale am 1. Mai.
Dieser Innensenator instrumentiert alles. Ihm ist alles recht, um in seinem Feldzug gegen die Demonstrationsfreiheit weiterzukommen. Otto Schily, der Innenminister, hat gesagt, er verbittet sich diese ewigen Quengeleien dieses Innensenators. Wir verbitten uns weitere wirre Vorschläge dieses Innensenators. Wir haben sie satt.
Jetzt kommt etwas, wo Sie klatschen dürfen, Herr Landowsky. – Ruhig bleiben! – Seit Montag dieser Woche haben wir wieder eine P-Abteilung. Da dürfen Sie jetzt Beifall klatschen.
Diese P-Abteilung – angeblich eine ganz neue P-Abteilung – hatte zunächst nichts Besseres zu tun, als sich mit den drei Eiern des Herrn Kunzelmann an dem Gefängnisportal zu beschäftigen. Sie brütet regelrecht über den Eiern und fragt sich – was das für eine Frage ist, die zunächst der Jurist beantworten muss: Ist Herr Kunzelmann ein Politiker? – da sie nunmehr für Straftaten von Politikern gegen Politiker zuständig sind. Die angeblich beleidigte Justizministerin ist es zweifelsohne. Was ist aber mit der Anstaltsleitung? Gibt es hier verschiedene Zuständigkeiten für verschiedene Eier? Oder sind die Eier dadurch, dass sie gemeinsam verrührt wurden am Gefängnisportal, eine einheitliche Handlung geworden? Damit beschäftigt sich nun wieder die P-Abteilung. Damit beschäftigt sich Oberstaatsanwalt Dahlheimer – ein Mann von ganz besonderem Augenmaß, ein
ansonsten ehrenwerter Mann, den wir noch kennen, der mal die gesamte Post der AL säckeweise, auf der Suche nach Volkszählungsbögen, nach unten abgeschnittenen Volkszählungsbögen, beschlagnahmt hat. Da sagen Sie uns, das sei eine neue P-Abteilung, die ihr quasi-Justizsenator – herzlich willkommen –, ihr Anscheins-Justizsenator Eberhard Diepgen hier eingerichtet hat.
Das ist die alte P-Abteilung, die sich nach wie vor so beschäftigt, morgens Zeitung zu lesen, dann Menschen anzuschreiben, Sie könnten beleidigt sein, stellen Sie Strafantrag, die sich ihre Beschäftigung selber sucht. Wenn das die neue P-Abteilung sein soll, dann lachen die Hühner, die die Eier des Herrn Kunzelmann gelegt haben.
Es gibt aber durchaus auch weniger Lächerliches in dieser Stadt. Herr Diepgen, offenbar angespornt von seinem Herrn Werthebach, meinte nun sogleich – –