Protokoll der Sitzung vom 08.06.2000

Wird der hier Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion der PDS die Annahme der Vorlage. – Auf eine Beratung wird verzichtet. – Wer der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Änderungen des Flächennutzungsplans Berlin in der Fassung der Vorlage – Drucksache 14/341 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – Dann ist dies bei gleichem Abstimmungsverhaltungen wie im Ausschuss so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 15, Drucksache 14/427:

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Überweisungsanträge liegen mir nicht vor. Ich stelle dann fest, dass das Haus von den beiden Verordnungen Kenntnis genommen hat.

Die lfd. Nrn. 16 bis 26 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 27, Drucksache 14/422:

Antrag der Fraktion der PDS über Änderung der Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin

Hier gibt es einen Beratungswunsch. Für die Fraktion der PDS hat der Abgeordnete Over das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich auf die Verwaltung verlässt, der ist manchmal schnell verlassen. So ist es mir durch eine Nachlässigkeit in diesem Fall ergangen. Ich muss Sie am Anfang dieses Beitrages mit einem Änderungsantrag konfrontieren. Ich habe die entsprechenden Ziffern einfach aus einem Gutachten des Rechtsamts Friedrichshain abgeschrieben. Das hat sich als fatal herausgestellt. Gemäß § 40 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung sind Anträge zu verlesen, soweit sie den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses nicht schriftlich vorliegen. Daher werde ich den Änderungsantrag jetzt verlesen:

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

Der Antrag der Fraktion der PDS wird wie folgt geändert:

1. Der Titel des Antrags lautet: „Änderung der Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin sowie der Beflaggungsverordnung“.

2. Die Angaben über die zu ändernden Ziffern lauten: „(Ziffer II.3. [1] bis [4]“.

[Wieland (Grüne): Noch mal zum Mitschreiben! – Heiterkeit bei der PDS]

3. Nach dem Datum 12. Juni 1997 wird ergänzt: „sowie in der Verordnung über die Beflaggung öffentlicher Gebäude, Anlagen und Fahrzeuge (Beflaggungsverordnung) § 2“.

Es tut mir sehr Leid, aber da dies mit dem Inhalt des Antrags nichts zu tun hat – ja, ich weiß, das ist nicht schön –, hoffe ich doch, dass wir hier gemeinsam zu einer solchen Regelung kommen können, denn wir haben leider in den letzten Jahren erlebt, dass dieses Thema in Berlin Wellen geschlagen hat. Das hätte man sich gar nicht vorstellen können. Da war damals ein Der

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(B) (D)

wisch von Innensenator – Jörg hieß er, glaube ich –, bei dem man fürchten musste, dass er mit dem Dienstwagen die Bezirksämter abfährt, um den Bürgermeistern die Regenbogenfahne zu entreißen. Ich denke, dass dieser Umgang mit dem Thema leider sehr viel damit zu tun hat, wie mit Homosexuellen in diesem Land vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren umgegangen wurde. Daher muss man es vielleicht auch manchen Amtsträgern, die in dieser Zeit sozialisiert worden sind, nachsehen, dass sie sich nicht damit abfinden können, eine gewisse Normalität in dieser Frage herzustellen.

[Zuruf des Abg. Weinschütz (Grüne)]

Dabei haben wir als Berliner durchaus auf eine lange Geschichte der Homosexuellenbewegung hier in dieser Stadt zurückzublicken. Es war 1897, als sich die erste Schwulengruppe in Berlin gegründet hat, aus der dann auch die Schwulenbewegung hervorging und hier ihren Anfang nahm. Ich erinnere nur an die zwanziger Jahre, als Berlin auch ein Zentrum der Schwulen- und Lesbenbewegung war.

Die Verfassung von Berlin – wir haben sie heute einmal wieder mit einem ausführlichen Kommentar geschenkt bekommen – verbietet eindeutig die Benachteiligung, was jedoch nicht heißt, dass Diskriminierung und Hass gegenüber Homosexuellen, oft unterschwellig verlaufend, aus der Welt geschafft sind. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus einem Brief, den der Lesbenund Schwulenverband, der Landesverband Berlin-Brandenburg, an alle Fraktionen und in ähnlicher Form wohl auch an den Präsidenten dieses Hauses geschickt hat – ich muss leider davon ausgehen, dass er nur von wenigen Abgeordneten zur Kenntnis genommen worden ist –:

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

auf Anregung des Lesben- und Schwulenverbandes wurden im letzten Jahr zum Christopher Street Day 13 Berliner Rathäuser mit Regenbogenfahnen beflaggt. Damit wurde ein nicht zu übersehendes Zeichen für die volle gesellschaftliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen gesetzt. Leider jedoch wurde unsere Anregung, auch das Berliner Abgeordnetenhaus zu beflaggen, damals nicht umgesetzt.

[Atzler (CDU): Heute auch nicht!]

Das ist ein Punkt, den wir dieses Jahr durchaus ändern können. Herr Führer ist da. Die Bitte ist an Sie herangetreten. Ich möchte sie an dieser Stelle unterstützen. Fassen Sie sich ans Herz.

[Heiterkeit bei den Grünen]

Gerade vor unserem Haus ist es durchaus üblich, dass jeder Präsident sogar Privatflaggen hissen darf. Wir hatten hier schon Olympiafahnen hängen.

[Zuruf von der CDU]

Ganz anders ist es in diesem Fall bei der Regenbogenfahne, denn dieses ist keine Privatfahne, sondern ist Fahne der Lesbenund Schwulenbewegung.

[Atzler (CDU): Ist doch privat!]

Das Hissen dieser Fahne vor dem Haus wäre ein deutlicher Ausdruck unserer Solidarität und unseres Willens, die Berliner Verfassung in Gänze umzusetzen.

[Beifall bei der PDS – Beifall der Frau Abg. Paus (Grüne)]

Viele haben hier in der Politik Angst vor dieser Fahne. Deswegen will ich Ihnen einmal ihre Symbolik erklären. Die Farben stehen weder für Widerstand noch für Gewalt. Rot steht für Leben, Gelb steht für Sonne, Grün steht für Natur, Blau steht für Kunst, Violett steht für den Geist. Diese Werte sind wohl nicht nur Privatangelegenheiten, sondern gesellschaftliches Anliegen. Kommen Sie also zum Christopher Street Day, lassen Sie uns gemeinsam diesen Antrag heute in einer sofortigen Abstimmung verabschieden, damit den Bezirksämtern die Möglichkeit gegeben wird, die Fahnen in Zukunft nach eigenem Ermessen auch

gegen den Willen des Innensenators zu hissen. Damit geben wir auch ein Stück mehr Souveränität in die Bezirksämter. Zeigen wir gemeinsam unsere Solidarität. Ich hoffe, wir sehen uns am 24. Juni zum Christopher Street Day. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Wegner das Wort. – Bitte sehr!

[Zuruf von der CDU: Reiß die Fahne runter!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Over! Wir haben gewiss keine Angst vor verschiedenen Farben. Wir haben auch keine Angst vor dem Christopher Street Day. Wir finden das gut, wenn Menschen feiern – siehe auch Love-Parade. Wir würden uns manchmal von Ihnen so einen Einsatz auch bei anderen Sachen wünschen. Vielleicht würden Sie dann einmal wieder von jungen Menschen gewählt werden, wenn Sie sich auch für andere Sachen so einsetzten.

[Gelächter bei der PDS – Zuruf des Abg. Weinschütz (Grüne)]

Mit der Drucksache 14/422 regt die PDS an, die Ausführungsvorschriften zum Gesetz über Hoheitszeichen dahin gehend zu ändern, dass Bezirke aus Anlass des Christopher Street Day die so genannte Regenbogenfahne an ihren Dienstgebäuden zeigen dürfen. Alle Jahre wieder, sage ich dazu. Das Problem ist aus den vergangenen Jahren bekannt.

[Doering (PDS): Gut beobachtet!]

Und es hat sich bisher nichts geändert.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von links]

Nach § 3 der Beflaggungsordnung erfolgt die Beflaggung der Dienstgebäude Berlins mit der Bundes- und der Landesflagge.

[Zuruf von der CDU: Und so soll es bleiben!]

Daneben dürfen aus besonderem Anlass an Dienstgebäuden andere Flaggen gezeigt werden, sofern die Senatsverwaltung für Inneres zustimmt.

[Doering (PDS): Richtig!]