Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

[Doering (PDS): Sie haben Ihre alte Denkweise nicht aufgegeben!]

Herr Borghorst hat vorhin etwas Wesentliches gesagt, das spielt in Ihren Beiträgen überhaupt keine Rolle.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Habe ich hier das Wort, Herr Vorsitzender? –

[Doering (PDS): Legen Sie doch Ihre Scheuklappen ab!]

Herr Borghorst hat hier etwas Wesentliches gesagt: Es sind die Gestaltungsspielräume, die Sie bei der Privatisierung einräumen, dass Sie Menschen, die dort etwas vorhaben, auch Gestaltungsräume einräumen, dass sie etwas daraus machen können. Da kann man hinterher wahrscheinlich viel mehr Geld erwirtschaften, als das heutzutage unter den Bedingungen Wirklichkeit ist. Eines dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein: Sie machen immer diese Horrorvision, dass die Mieten steigen und die Leute abgezockt werden, wenn privatisiert wird. Die GSW hat angekündigt, dass sie mit den Mietvertragsparteien außerdem noch eine Sonderregelung über all die Gesetze hinaus abschließen wird, dass die Mieten gesichert bleiben.

[Beifall des Abg. Dr. Arndt (SPD)]

Das ist Gegenstand dieser Debatte. Das kauft Ihnen auch kein Mensch mehr ab, das können Sie ruhig weitererzählen. Sie werden damit immer unglaubwürdiger. Das ist letztendlich die Konsequenz Ihrer Politik. [Zurufe von der PDS] Wir halten daran fest: Wir können in Ihrem Vorschlag überhaupt kein System erkennen. Deshalb haben wir ihn im Bauausschuss auch schon abgelehnt. Das ist irgendwie zusammengekratzt, aber eine Linie haben Sie nicht darin. Herr Holtfreter! Am besten ist es, Sie lassen diese Anträge in Zukunft sein. Wir machen hier gebetsmühlenartig immer wieder die gleichen Reden. Vor vier Wochen haben wir auch schon darüber gesprochen. [Over (PDS): Machen Sie doch weiter mit dem Sozialismus!] – Nie wieder Sozialismus! Da haben Sie recht. – Danke schön! [Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der PDS]

Das Wort hat Frau Oesterheld!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Niedergesäß! Ich muss Ihnen sagen: Bei Ihnen und der großen Koalition kann ich auch überhaupt kein System zum Thema: „Privatisierung“ erkennen. interjection: [Beifall bei den Grünen und der PDS] Noch heute Morgen haben Sie sich hierhin gestellt und gesagt: die Bundesdruckerei! – Aber wo steht die GSW? – Sie steht nur wenige hundert Meter neben der Bundesdruckerei, interjection: [Niedergesäß (CDU): Na und?] aber bei der Bundesdruckerei kämpfen Sie, und bei der GSW ist Ihnen alles völlig egal. interjection: [Niedergesäß (CDU): Das sind völlig verschiedene Stiefel!] – Das sind völlig verschiedene Stiefel? – Das eine ist das Land Berlin, und im anderen Fall ist es der Bund. Ich befürchte, wenn die Bundesdruckerei dem Land Berlin gehörte, dann wäre sie schon vor fünf Jahren unter miesen Bedingungen verscherbelt worden. interjection: [Beifall bei den Grünen und der PDS]

Wenn wir schon über die Art der Privatisierung reden – Herr Kaczmarek hat mich ja nahezu darauf hingewiesen, indem er sagte: Die GEHAG ist privatisiert worden, und das war so toll! –, erzähle ich Ihnen gern immer wieder, was das für eine Privatisierung war. Die Dividende betrug 3,8 Millionen DM, als das Land Berlin die GEHAG besaß. Ein Jahr später, nach dem Verkauf, betrug sie 56,5 Millionen DM. In diesem Jahr soll es eine Dividende von 70 Millionen DM geben und im nächsten Jahr 114 Millionen DM. Sie wissen genau, dass bei dieser 300prozentigen Steigerung aus dem Unternehmen das herausgeholt und in private Taschen gescheffelt wird, was der Steuerzahler und die Mieter dort erst einmal hineingepackt haben. So sieht es doch aus! [Beifall bei den Grünen – Niedergesäß (CDU): Dass die Hälfte davon als Steuern zurückfließt, haben Sie noch nicht geschnallt!] Wenn Sie ein Wohnungsunternehmen verkaufen – für welchen Preis auch immer –, dann wissen Sie, dass jeder Käufer natürlich darauf angewiesen ist, dieses Geld wieder einzunehmen, denn er hat es ja auch nicht locker in der Tasche sitzen, sondern möchte mit dem Wohnungsunternehmen das Geld wieder hereinholen. Was heißt das konkret? – Wie im Fall der GEHAG kommt es massenweise zu Umwandlungen und Verkäufen als Eigentumswohnungen. Wer die Dr. Lübke Immobilien dafür heranzieht und den Leuten noch nicht einmal sagt, welchen Stand die Häuser haben und was sie an Sanierungskosten zu zahlen haben, aber trotzdem von ihnen verlangt, dass sie blind kaufen, und dazu noch sagt, es sei ein Schnäppchen, der verhält sich absolut verantwortungslos. Genau das ist bei der Gehag nach der Privatisierung passiert. So wollen wir es natürlich nicht und schon gar nicht bei der GSW.

Die GSW ist für Berlin – und ich glaube, nicht nur für Berlin – die Perle eines Wohnungsunternehmens, und zwar deshalb, weil sie einen Bestand über das gesamte Berliner Gebiet hin hat. In ihrem Bestand finden sich sämtliche Baualtersklassen – gut verteilt –, sie hat Siedlungen und Einzelhäuser, und sie hat genau das, was die Konzentrations- und Segregationsprozesse, über die wir hier immer wieder sprechen, verhindert. Jede Stadt wäre glücklich, wenn sie ein solches Wohnungsunternehmen hätte. Sie aber verscherbeln ohne Not diese GSW, weil Sie Ihnen offensichtlich nichts wert ist.

[Niedergesäß (CDU): Das ist Unfug, was Sie da sagen!]

Ich habe in der Vergangenheit – und das werde ich auch in Zukunft weiterhin machen – überall dort, wo die GSW-Wohnungen sind, Mieterversammlungen gemacht. Dabei erschreckt mich am meisten, wie viele Mieter fragen, ob denn ihr Mietvertrag bestehen bleibt, wenn die GSW verkauft wird.

[Niedergesäß (CDU): Weil Sie immer die Leute aufmischen!]

Nein, das sind die Ängste, die Mieterinnen und Mieter haben. Herr Niedergesäß, Sie wissen, dass ich nun einmal aus der Mieterberatung komme, und es wäre das Letzte, was ich je machen würde, Mieter zu verängstigen. Ich sehe aber, dass sie verängstigt sind, und Sie sind nicht derjenige, der dorthin geht und ihnen sagt, welche Mieterrechte sie haben und wie sie sich besser absichern können.

[Abg. Niedergesäß (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Wir reden mit ihnen bei diesen Veranstaltungen schließlich auch immer darüber, welche Möglichkeiten sie haben, selber ihr Leben zu gestalten, und dabei kommen wir dann ganz schnell auf die Genossenschaften.

Es ist eine Sache, von der GSW zu verlangen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niedergesäß?

Ich möchte diesen Gedanken noch zu Ende führen. Danach: Ja! – Es ist eine Sache, wenn die GSW sagt: Wir geben Mietvertragsergänzungen. – Es sind b e s t i m m t e Mietvertragsergänzungen, die Sie benötigen und die Sie dann letztendlich auch wirklich sicher machen. Ich sehe aber nicht, dass die GSW genau diese Mietvertragsergänzungen den Mietern auch gibt. Deshalb ist es dringend notwendig, dass man ihnen auch eine Perspektive in den Bereichen gibt, wo klar ist, dass ihre Wohnungen umgewandelt werden, verkauft werden und zu Eigentumswohnungen werden. Da muss man ihnen die Möglichkeit vor Augen halten, was man mit einer Genossenschaft erreichen kann und wie das geht.

Herr Niedergesäß!

Frau Oesterheld! Ich hatte vorhin gesagt, dass die GSW angeboten hat, eine Mietvertragsänderung vorzunehmen, wo all der Horror, von dem Sie erzählen, ausgeschlossen ist. Die GSW bietet an, über die Verträge hinaus eine weitere Sicherung einzubauen. Was sagen Sie denn dazu?

Wenn ich sehen würde, dass sie sie umsetzen, könnte man dazu etwas sagen. Ich kenne genügend Initiativen, die genau diese Mietvertragsergänzung von der GSW erbeten und sie nicht bekommen haben. Erst nachdem sie anhaltend darauf bestanden haben – das ist in Siemensstadt geschehen; insofern könnte ich Ihnen auch sagen, welche Häuser es betraf –, haben Einzelne auf stets erneute Anforderungen hin solche Ergänzungen bekommen, nämlich dort, wo die GSW selber privatisieren will.

Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Ja! – Ich würde es begrüßen, wenn die GSW solche Mietvertragsergänzungen machte, weil sie selber nicht verhindern kann, dass sie verkauft wird.

Aber eines noch zu Herrn Kurth: Wer sich einbildet, dass er in der Wohnungspolitik Gestaltungspielraum hat, wenn er die Wohnungen verkauft, der lügt uns entweder an oder ist selber total blauäugig.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Das Wort hat Herr Dr. Arndt – bitte!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon des Öfteren über die Privatisierung der GSW hier im Plenum und in den Ausschüssen beraten und sicherlich auch in der Öffentlichkeit darüber diskutiert. Frau Oesterheld hat das in ihrem Beitrag auch ausgeführt: Allerdings haben auch sie die Pflicht – auch als Opposition –, Ängste abzubauen. Sie müssen, wenn Sie vor Ort mit den Mieterinnen und Mietern reden, sagen, was der Berliner Senat ihnen bei dem sicherlich nicht ganz einfachen Privatisierungsverfahren der GSW verspricht, und damit diese Ängste mit abbauen. Ihr gutes Recht als Opposition ist es, wenn Defizite in diesem Privatisierungsverfahren auftauchen, sie zu benennen und gegebenenfalls eine parlamentarische Initiative einzubringen.

[Holtfreter (PDS): Das ganze Privatisierungsverfahren ist ein Defizit!]

Das Privatisierungsverfahren der GSW ist auch aus den Erfahrungen der GEHAG – das will ich gern einräumen – auf neue Grundlagen gestellt. Kein Mieter in einer GSW-Wohnung braucht zukünftig Sorge um seine Wohnung zu haben. Ihre Rechte bleiben auch bei einem Wechsel des Eigentümers gewahrt. Es gilt der Rechtsgrundsatz: Kauf bricht nicht Miete!

Der neue Eigentümer, den man gegenwärtig auszuwählen versucht, wird in alle Rechte und Pflichten der bestehenden Mietverträge eintreten. Nach dem Willen Berlins soll den Mieterinnen und Mietern sogar ein lebenslanges Mietrecht und der Schutz vor Luxusmodernisierung als Nachtrag zum Mietvertrag garantiert werden. Nur unter diesen Voraussetzungen will Berlin die Geschäftsanteile der GSW an einen künftigen Erwerber verkaufen. Das heißt, die Mieter stehen bei uns im Vordergrund und nicht die Bosse der Gesellschaften.

[Beifall der Frau Abg. Neumann, Eveline (SPD)]

Wir werden in diesen Verträgen aushandeln, dass ausschließliches Begründungsmittel für Mieterhöhungen der Mietspiegel ist – keine Gutachten oder Vergleichswohnungen. Wir werden in diesen Verträgen festhalten, dass bei Modernisierungen die Miete um nicht mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Luxusmodernisierungen werden ausgeschlossen. Bei Neuvermietungen gilt, dass die Miete nicht mehr als 5 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Diese Regelungen sind die Regelungen der städtischen Wohnungswirtschaft. Die wird die zukünftige GSW auch in einer nicht staatlich orientierten, sondern mehr privaten Rechtsform beibehalten. Das ist gut für die Mieter in dieser Stadt.

[Holtfreter (PDS): Träumer!]

Ach! – Die Sicherheit der Mieter vor Verkäufen an Dritte ist gewährleistet.

Die Wohnungen werden nicht an Dritte weiterverkauft. Ein Weiterverkauf ist ausschließlich an Mieter oder an neu hinzuziehende Einzelmieter möglich. Das heißt: Nur an Einzelhaushalte, Mietergemeinschaften oder Mietergenossenschaften. Zur Einzelprivatisierung soll zudem nur ein Viertel des Wohnungsbestandes verwendet werden. Das bedeutet – wir haben jetzt auch die Instrumente dafür, die wir früher nicht gehabt haben: eine bestandsorientierte Eigentumsförderung und ein Genossenschaftsmodell mit einer im Bundesgebiet wirklich einzigartigen Genossenschaftsförderung. Auch das ist sozialdemokratische Politik, eine solzialdemokratiscche Privatisierungspolitik.

Diese Vereinbarungen, die wir absprechen, werden sogar noch Zusatzleistungen enthalten. Der Käufer soll vertraglich verpflichtet werden zu Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen und Verbesserungen des Wohnumfeldes, zu mehr Sicherheit in den Quartieren, zur Errichtung sozialer und kultureller Einrichtungen für die Mieter, und schließlich sollte ein Angebot marktgerechter wohnungswirtschaftlicher Dienstleistungen vorher vom Käufer sichergestellt werden. Auch die GSW bleibt das, was sie war, das Wohnreformprojekt Berlins, sowohl in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft.

Auch das Land Berlin wird künftig, nach dem Verkauf der GSW, im Aufsichtsrat vertreten sein mit seinem Mitspracherecht bei allen wichtigen Fragen, insbesondere bei der Besetzung des Aufsichtsrates und des Unternehmensvorstandes. Damit wird auch der künftige Aufsichtsrat oder die Gesellschaft die parlamentarische Rechenschaft über das Privatisierungsverfahren und daraus resultierenden Folgerungen ablegen müssen. Wir haben uns – hier danke ich ganz besonders Senator Strieder – an die GSW gewandt und empfohlen und darauf hingewirkt, dass allen Mietern, die eine Forderung zur Ergänzung des Mietvertrages hinsichtlich des Mieterschutzes stellen, dies zu gewähren ist. Dies ist allen über 50 000 Mietern in einer Postwurfsendung anzubieten. Wohnungspolitisch halte ich das für eine sehr sinnvolle und zur Beruhigung der Mieter in der Stadt eine hervorragende Aktion.

Ich komme zum Schluss. Diese drei Bündel stellen für mich eine nachhaltige Privatisierung dar. Sie ist sozialverträglich, sie stellt die Gesellschaft ökonomisch auf eine solide Grundlage und ist vor allem sozial- ökologisch, das heißt, Nachbarschaften werden gehalten und nicht verdrängt. Das ist gute Politik. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Danke Herr Dr. Arndt! Weiter Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ausschuss empfiehlt zu diesem Antrag die Ablehnung. Wer dem Antrag mit der Drucksachennummer 14/465 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Die Gegenstimmen waren die Mehrheit, damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 11, Drucksache 14/730:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Betriebe und Technologie vom 9. Oktober 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Erstellung eines Berichts über die Innovations-, Forschungs- und Technologieleistungen des Landes Berlin – Landes-Innovationsbericht –, Drucksache 14/520