erwarten hingegen realistische Konzepte und nicht dieses Dauergejammer. Es liegt auch kein Konzept vor, wenn die Opposition den Eingriff in die künstlerische Autonomie der drei Häuser an die Wand malt. Offenbar hat sie weder die vorangegangenen Diskussionen noch das Reformpapier richtig verstanden.
Eine Absprache der Häuser dahin gehend, Überschneidungen bei Spielplänen zu vermeiden, ist doch gar nicht neu. Das gab es doch schon bisher, und es wird nur einmal festgeschrieben.
Frau Ströver, Sie sind ja nun glücklicherweise nicht ganz so fundamentalistisch in Ihrer Kritik. Sie kritisieren, das Papier sei ohne Hinzuziehung von Experten geschrieben worden. Woher wissen Sie das eigentlich?
Frau Ströver! Ich gebe zu, Sie waren nicht dabei. Das ist auch ein gewisser tragischer Moment in diesem Papier.
Aber der Senator hat eine Fülle von kulturell wichtigen Leuten aus dem nationalen und internationalen Bereich hinzugezogen. Das ist eben der Glücksfall bei ihm, dass er diese Beziehungen hat. Aus dieser Zusammenarbeit ist das Papier erwachsen.
Ich komme deshalb zu zwei abschließenden Forderungen meiner Fraktion: Erstens fordern wir die Opposition auf, ihre fundamentalistischen Aufwallungen zu unterdrücken
und Vorschläge zu machen, die der aktuellen und perspektivischen Situation unter den Bedingungen, die ich genannt habe, entsprechen.
Zweitens – und das wird Sie sehr überraschen – unterstützt die CDU-Fraktion den vorgelegten Entwurf des Senators als Beitrag, die Lebensfähigkeit Berlins als Kulturmetropole von europäischem Gewicht aufrechtzuerhalten und zukunftsfähig zu machen. Auch die CDU-Fraktion steht für konstruktive Diskussionen mit den Beteiligten über Einzelheiten zur Verfügung. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Wowereit! Es freut mich, dass Sie wenigstens den Vorschlägen des Kultursenators Aufmerksamkeit schenken und Folge leisten wollen, denn auf Ihre eigenen Vorstellungen warte ich ja bis heute. Ich habe jedenfalls in den vielen Gremien, in denen wir zusammen sitzen, von Ihnen noch keinen Vorschlag gehört.
Dass wir natürlich nicht glücklich sind, wenn der Kultursenator unsere Vorschläge nicht übernimmt, werden Sie vielleicht auch verstehen. [Beifall bei den Grünen]
Berlin gibt einmal mehr kein gutes Bild ab in der aktuellen Debatte um die Kulturentwicklung. Es zeichnet sich ein düsteres Bild ab: Es ist keine echte finanzielle Konsolidierung des Kulturetats in Sicht. Der Haushalt ist zum Skelett zusammengekürzt. Finanzielle Variablen gibt es keine mehr. – Die finanzielle Unterdeckung des Kulturetats macht deutlich, dass die Kulturpolitik von der Mehrheit in diesem Hause nicht geliebt, sondern allenfalls für mehr oder weniger repräsentative Vorstellungen geduldet ist.
Wer über Kultur in Berlin diskutiert, der muss wissen – und das sehe ich wie die vielen Redner vor mir –, welchen Schatz die Kulturpolitik zu betreuen hat. Es geht eben nicht nur um drei Opernhäuser und vier staatliche Theater und zwei Landesorchester, sondern um den gesamten Kulturbereich der Stadt.
Wenn wir über die Berliner Kulturlandschaft sprechen, dann müssen wir auf die große und reichhaltige kulturelle Vielfalt der Stadt verweisen. Doch leider zeichnet sich hier Schlimmes ab. Der Kultursenator vernachlässigt viele kleinere kulturelle Projekte und Institutionen und die Förderung einzelner Künstlerinnen und Künstler und kürzt die wenigen disponiblen Mittel zu minimalen Alibititeln zusammen. Hier hat die Kulturpolitik genauso viel versäumt wie im Bereich der großen Institutionen. Klar ist, wenn es so weitergeht, haben wir demnächst keine freie Künstlerförderung mehr in Berlin, dann haben wir keine Atelierförderung mehr in Berlin, Herr Wowereit, dann ist die Kulturpolitik degradiert zu einem Weiterfinanzieren des Bestehenden auf niedrigem Niveau. Dann müssen wir den Anspruch, finanzielle Hilfe für junge, innovative Kunst bereitzustellen, aufgeben.
Ich will Ihnen noch einmal sagen, wir haben einen Vorschlag in die Diskussion eingebracht – einen prozentualen Faktor für diesen Bereich freier Kunst festzulegen, weil das Verhältnis innerhalb des Kulturetats zwischen den großen Einrichtungen und den kleinen immer mehr zu Ungunsten der kleinen Einrichtungen geht. Das, meine Damen und Herren, werden wir nicht hinnehmen! [Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Dr. Wruck (fraktionslos)]
Wir haben Senator Stölzl aufgefordert, die Bestandsaufnahme der Berliner Bühnensituation zu liefern, und wir haben sie als Grundlage akzeptiert. Akzeptiert für die daraus abzuleitenden Konsequenzen, doch was daraus geworden ist, ist nur ein herzloses Bürokratenpapier.
Herr Senator Stölzl! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Werfen Sie dieses sogenannte Bühnenstrukturkonzept in den Papierkorb und fangen Sie von vorn an.
Versammeln Sie Kritiker und Berufene, auch die Pöstchengeier, und echte Experten an einem runden Tisch. Laden Sie Betroffene, Gewerkschaften und Staatsminister Naumann dazu ein,
am Besten gleich noch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und lassen Sie all diese Personen gemeinsam, vielleicht auch mit uns, beraten. Decken Sie die Finanzmisere schonungslos auf, leisten Sie den finanziellen Offenbarungseid, lassen Sie uns gemeinsam beraten, was Berlin an kultureller Substanz braucht und wie diese geschaffen beziehungsweise erhalten werden kann. Eine solche konzertierte Aktion Kultur, Herr Senator Stölzl, ist das einzige, was Sie noch retten kann.
Herr Stölzl! Sie sind jetzt 200 Tage im Amt. Nach 100 Tagen hat man mich kritisch gefragt, ob ich nicht meine negative Kommentierung zu Beginn Ihrer Amtszeit revidieren müsse. Ich habe damals gesagt: 200 Tage Amtszeit werden die Marge sein, nach der man sagen kann, ob das, was Sie tun, Erfolg versprechend ist oder nicht. – Ich habe Recht behalten.
Jetzt rächt sich, dass Sie ohne Vorbedingungen in dieses Amt gegangen sind, dass Sie sich keine finanziellen Zusagen von Herrn Diepgen geholt haben, weil Sie so scharf auf dieses Amt waren, [Ah! von der CDU – Zuruf der Frau Abg. Merkel (SPD)]
dass Sie gar nicht hingehört haben, was Ihre glücklose Vorgängerin zu ihrem raschen Abgang erklärt hat. Jetzt ist guter Rat
teuer. Deshalb sage ich: Leisten wir uns dieses Moratorium, damit am Schluss ein substantielles Konzept steht, was von allen mitverantwortet werden kann.
Allzuviel Zeit haben wir dennoch nicht. Wir haben als Parlamentarier die Pflicht, jetzt die Voraussetzungen für echte Strukturreformen zu schaffen. Ein Abfindungsfonds und ein Personalüberhangpool müssen zügig eingerichtet werden. Hier könnten die Herren Stölzl, Kurth und Wowereit endlich einmal Mut und Handlungsbereitschaft beweisen. Doch noch steht kein Abfindungsfondsetat im Haushalt und auch kein Überhangpersonalpool. Das muss sich schleunigst ändern.
Schon hört man, das muss ich hier wirklich weitergeben – ich hoffe, das wird hier gleich dementiert von Herrn Senator Stölzl –, vom geplanten Verkauf der Werkstätten und anderer Funktionsgebäude der Staatsoper in der Französischen Straße, weil alles nach Ihrem Konzept an die Deutsche Oper verlegt werden soll. Das wäre der Gipfel der Perversion. Staatsoper-Gebäude werden verkauft, um die eigene Abwicklung zu finanzieren. Man hat den Eindruck, Sie opfern die Staatsoper auf dem Altar des Sparens. Das aber werden wir nicht zulassen!
Wir sagen seit Jahren: Die Staatsoper, in der sich seit der Wende gern die Staatsmänner aller Herren Länder versammeln und im Apollosaal in der Opernpause speisen, ist als preußische Staatsoper d a s repräsentative Haus für den Bund. Es wäre richtig, wenn der Bund in diese finanzielle Verantwortung träte. Aber, Herr Stölzl, wenn Sie auf diese Idee kommen, nachdem Sie mit Herrn Naumann den Hauptstadtkulturvertrag gerade unterschrieben haben, die Staatsoper finanziell auszutrocknen in der Hoffnung, der Bund komme dann mit der Gießkanne, dann ist das eine sehr dumme Strategie, und ich befürchte, auch wenig erfolgreich. [Beifall bei den Grünen]
Die Staatsoper Unter den Linden so mir nichts dir nichts zur Abwicklung freizugeben, zeugt von einem hohen Maß an Ignoranz gegenüber der Tradition und der heutigen Leistung dieses Hauses. Wer bei den beiden Orchestern 77 Stellen kürzen will, ohne exakt zu sagen, wie viele in welchem Orchester, der will die Staatskapelle in den Graben versenken. Das ist aber das Ende der Staatskapelle als Konzert- und Opernorchester. Wie absurd das ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen, denn die Staatsoper hat die höchsten eigenen Einnahmen in ihrem Etat und darauf wollen Sie jetzt verzichten, also ist dieses Modell doppelt unsinnig.
Das Modell Berlin-Ballett ist tot, ehe es überhaupt begonnen wurde. Schon wurden den Ballett-Mitgliedern an der Komischen Oper gekündigt. Das Rumpfmodell eines Ballettes, das Sie jetzt in das Spiel bringen, wird dazu führen, dass Sie mit einem 88-Personen-Ensemble drei Opernhäuser weder mit einem eigenständigen Ballett werden bespielen können noch die Ballette zu den klassischen Opern tanzen können. Das ist Ballettruinierung, nicht Ballettentwicklung.
Das alles für eine Einsparung in Höhe von 10 Millionen DM insgesamt, unter der Voraussetzung von Tarifausgleichsystemen durch den Landeshaushalt. Ich habe weder von den Vorrednern – nicht von Herrn Wowereit, auch nicht von den anderen Kollegen – auch nicht von Ihnen Herr Stölzl, etwas darüber gehört, ob der Senat und die große Koalition überhaupt willens sind, die jährlichen Tariferhöhungen beizubringen. Wenn nicht, dann wird mit Ihrem Papier nur zerstört, aber nichts gerettet. Hätten wir den Tarifausgleich für die Häuser bereits heute, dann wären ja bereits heute die größten Finanzprobleme gelöst.
Meine Damen und Herren! Niemandem in dieser Stadt ist damit gedient, dass Gerüchte über antisemitische Äußerungen kursieren, ohne dass diese belegt werden. Ich erwarte von jedem, der so gravierende Äußerungen im Zusammenhang mit der Anwesenheit von Daniel Barenboim in Berlin verbreitet, diese zu belegen. Wenn das nicht geschieht, kann ich diese Äußerungen nur als üble Denunziation zurückweisen.
Sollte eine Person, die sich in einer öffentlichen Position befindet, diese Äußerung tatsächlich getan haben, dann gehört diese Person schnellstens aus dem öffentlichen Dienst und aus dieser Position entfernt. Das ist eine politische Entscheidung, die wir einfordern. Ohne Beweise kann ich jedoch Herrn Roloff-Momin nur nachdrücklich zum Schweigen auffordern.
Eine peinliche Rolle hat auch der CDU-Fraktionsvorsitzende gespielt, als er nach anfänglichen Dementis zugegeben hat, dass er vom Gegensatz des Jung-Karajans Thielemann zum Juden Barenboim geredet hat.