Ach, Sie haben gewechselt! Nach hinten habe ich keine Augen, das tut mir leid! Also, Herr Präsident, ich komme zum Schluss und sage – wir haben es auch in unserem Antrag geschrieben –: Es kann nicht sein, dass unter der Tollheit dieser Abschlussnacht der Koalitionsvereinbarung, als man diese Lösung gefunden hat, als man aus dem gegenseitigen Gesichtswahren offenbar nicht herausgekommen ist, nun ein Dauerzustand wird, dass die Justiz dieser Stadt noch weitere vier Jahre darunter zu leiden hat, dass es kein vernünftiges Ergebnis gegeben hat. Wir sagen noch einmal, Berlin braucht ein eigenständiges Justizressort. Stimmen Sie für diesen Antrag! Beenden Sie diesen schlechten Zustand!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wieland! Ich möchte mich zunächst einmal bei Ihnen bedanken. Ich bedanke mich für die Grundtendenz Ihrer Aussage, dass Sie alle Anstrengungen auch in Ihrer Rolle als Opposition unternehmen werden, um den für die Justiz Verantwortlichen jeweils zu unterstützen, wenn es um besondere Ausstattungen für die ganze Breite der verschiedenen Institutionen der Justiz gehen wird, wenn es darum geht, dass es bei den notwendigen Sparsamkeiten, die Sie ansonsten bei Ihren Anträgen auch am heutigen Tag in den Vordergrund gestellt haben, Schwerpunkte geben muss im Sinne von 1. dem Gewaltmonopol des Staates, 2. der Sicherung des Schutzes der Bürger auch durch die Justiz. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie diese Sympathie dann auch auf die Ausstattung der Polizei und die entsprechenden Maßnahmen ausdehnen würden.
Ich entnehme dem, was Sie gesagt haben, die Position, dass Sie demnächst auch zustimmen werden, wenn es um die zusätzlichen Einrichtungen im offenen oder im geschlossenen Vollzug und die technische Ausstattung insgesamt im Bereich der Aufgaben des Staates geht, wo es um öffentliche Sicherheit und Ordnung geht. Vielen Dank dafür!
Kollege Wieland hat in der ihm eigenen unnachahmlichen Form, die wir nun schon seit 20 Jahren kennen,
rhetorisch sehr gut – ich sage immer: sportliche Hochachtung! – wieder einmal einige Dinge vorgetragen, die zum Teil allerdings an der Sache vorbei gehen.
Ich will mich nur sehr zurückhaltend dazu äußern, aber angesichts der justizpolitischen Diskussion in einer Fülle von Landtagen, wo es jeweils eigenverantwortliche Mitglieder der Regierungen für den Geschäftsbereich der Justiz gibt, zu sagen, die
Unabhängigkeit der Justiz sei in Berlin nicht gewährleistet, ist ein bisschen abenteuerlich und geht im Grunde an den Fakten vorbei, die es quer durch viele Bundesländer im Augenblick gibt.
Das ist im Regelfall übrigens aus meiner Sicht nicht unbedingt berechtigt, aber Sie sehen daran, dass es zumindest hinterfragungsbedürftig ist, ob die Unabhängigkeit der Justiz durch einen eigenen Justizsenator, der nichts anderes zu tun hat, als die Justiz zu kontrollieren, stärker gewährleistet ist als durch einen Verantwortlichen der Justizverwaltung, der auch noch andere Aufgaben hat. [Zurufe von links]
Ich weiß nicht, ob das alles immer logisch ist – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt „Unabhängigkeit der Justiz“.
Der Kollege Wieland hat einen Nachholbedarf oder eine zeitliche Verzögerung festgehalten. Er hat auch festgehalten – und dafür bedanke ich mich –, dass ich mich in meinem jetzigen Amt, und zwar in der ganzen Breite des Amtes, in streitigen Fällen für die Unabhängigkeit der Justiz sehr stark gemacht habe. Das werde ich auch weitermachen. Es gibt für mich eine ganz klare Devise: Die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung steht für mich außer Frage, und ich werde mich auch nie – solange ich in dem Amt bin, noch zurückhaltender als sonst – kritisch mit Urteilen auseinandersetzen, die im Bereich der Berliner Justiz getroffen worden sind. Das mögen diejenigen machen, die das wissenschaftlich tun; gegebenenfalls kann man einmal in der „NJW“ einen Artikel darüber veröffentlichen. Herr Kollege Wieland, da habe ich in der Tat das Zeitfenster nicht zu. Insofern können Sie ganz unbesorgt sein.
Etwas anderes ist die Fragestellung: „Welche Erwartung habe ich bei Anträgen, bei Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaft?“ Sie haben kritisiert, dass ich bei bestimmten Straftaten darauf dränge, dass der Gesichtspunkt des Schutzes der Bürger, dass der alte Grundsatz Senecas, der schon aus dem Römischen Recht stammt – „Kein Kluger bestraft, um zu bestrafen, sondern damit weitere Straftaten nicht begangen werden“ – „Nemo prudens punit, quia peccatum est, sed ne peccetur“ – verfolgt werden müsse. Dazu gehört bei der Auseinandersetzung mit Straftaten und Straftätern sowohl die Sühne als auch die Resozialisierung und das, was man Abschreckung nennt.
Und gerade in der aktuellen Situation mit Gewalttätern kommt es sehr stark darauf an, dass das Rechtsbewusstsein – auch übrigens das, was der rechtsuchende Bürger als selbstverständlich ansieht – beachtet wird. Herr Kollege Wieland – wir kommen heute zu einer Fülle von Übereinstimmungen, wenn man Ihre Rhetorik ein wenig wegnimmt –, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass es in dem Bereich darum geht – übrigens anders als viele Ihrer Parteimitglieder es in der Diskussion gegen rechtsradikale Gewalt gefordert haben –, dass man gegen jede Form von Gewalt, gegen jede Form von bestimmten Straftaten angemessen vorgeht. [Beifall bei der CDU]
Und dieses genau habe ich in Abstimmung mit dem Generalstaatsanwalt vor dem Hintergrund von Positionen des Generalstaatsanwalts bereits aus dem Jahre 1992 – 1993 wurde die Kommission gegen Gewalt eingerichtet – noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Den Begriff würde ich nicht benutzen, aber wenn es darum geht, ob Unabhängigkeit der Justiz betroffen ist, wenn der für die Justiz verantwortliche Senator, das Regierungsmitglied dort, auch einzelne abstrakt formulierte Weisungen gibt, sage ich, dabei ist die Unabhängigkeit der Justiz nicht betroffen.
Jeder Justizsenator ist allerdings gut beraten, immer zu beachten, dass die Verantwortung der Staatsanwaltschaft geprägt ist vom Legalitätsprinzip, und deswegen wird er sich sehr zurück
halten im Hinblick auf Einzelfragen der Strafverfolgung. Das ist die Abgrenzung, die ich in meinem Verständnis für dieses Amt habe.
Wir haben eine sehr umfangreiche Große Anfrage. Zunächst einmal das, was für die Propaganda im Vordergrund steht, für die Darstellung nach außen. Das ist die Frage: „Wie ist das mit der Zusammensetzung des Senats und der Eigenständigkeit des Ressorts?“ Ich sage ganz freimütig: Bei der nächsten Bildung des Senats – falls ich das nach den nächsten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus wieder betreiben muss,
darf, will – werde ich mich dafür einsetzen, dass im Vorfeld die Verfassungsbestimmung der Begrenzung der Zahl von Regierungsmitgliedern aufgehoben wird. Ich rechne auf Ihre Zustimmung. [Beifall bei der CDU]
Und ich werde mich außerdem dafür einsetzen, dass es hier auch gegebenenfalls wieder Veränderungen gibt.
Man soll so vorschnelle öffentliche Erörterungen nicht zu ernst nehmen, Herr Kollege Wieland – insbesondere nicht zu falschen Zeitfenstern! – Also, das für die Zukunft!
Dann haben Sie in einer großen Fülle von Fragen Einzelthemen der Justizpolitik und der Entwicklung der letzten Jahre abgefragt. Ich nehme hierbei Bezug auf die schriftliche Beantwortung. Nur, Herr Kollege Wieland, eins wäre richtig, auch von Seiten eines Oppositionssprechers: Dass man bei allen Schwierigkeiten, die wir jetzt in der Personalausstattung, auch in der Qualität der einen oder anderen Räumlichkeiten haben, eines feststellt: Die Berliner Justiz hat seit 1990, im Zusammenhang mit dem Zusammenwachsen der Stadt, Bemerkenswertes geleistet,
so wie übrigens auch das Zusammenwachsen im Bereich der Polizei, die Zusammenfassung, die neue personelle Zusammensetzung bewältigt, die Organisationsfragen jeweils gelöst worden sind. Eine Fülle von zusätzlichen Aufgaben sind gemeistert worden. Vielleicht muss man einmal darauf hinweisen: Die Beachtung dessen, was eigentlich der Prozess des Zusammenwachsens in Berlin bedeutet hat, wird in der bundesdeutschen Öffentlichkeit nicht immer der Stadt gerecht. Nur ein Beispiel, das mir immer auffällt: In Bezug auf das Zusammenwachsen der Bundeswehr – darüber gibt es viele Bücher – ist im Bereich der Berliner Polizei und der Berliner Justiz – allein hinsichtlich der Zahlen der Übernahme der Kräfte und der jeweiligen Kontrolle unter demokratischen Gesichtspunkten – personell und sachlich in den jeweiligen organisatorischen Fragen mehr gemacht worden, als die gesamte Zusammenführung der Bundeswehr notwendig gemacht hat. Das stelle ich hier bei der Gelegenheit mit aller Deutlichkeit fest.
Die Große Anfrage wurde schriftlich beantwortet, deswegen werde ich hier nur noch einige Punkte aufgreifen.
Der Senat von Berlin hat mit der Regierungserklärung vom 20. Januar die Prinzipien Sicherheit und Gerechtigkeit zur Grundlage des Regierungshandelns gemacht. Vorrangiges Ziel bleibt zügige Rechtsgewährung für alle Bürgerinnen und Bürger. Und diese Überlegung, verbunden mit der Grundlage des
staatlichen Gewaltmonopols ist Kernstück des Rechtsstaats. Vor diesem Hintergrund sind vorhandene Personalengpässe, die ich hier ausdrücklich einräume – übrigens unterschiedlich nach den einzelnen Teilen der Gerichtsbarkeit –, und materielle Defizite bedauerlich. Wir müssen sehen, dass wir sie trotz der Haushaltssituation schrittweise überwinden. Dabei darf das Gewaltmonopol des Staates nicht in Frage gestellt werden. Deswegen sind auch Schwerpunkte zunächst einmal in der Politik des Senats in der Sachausstattung, dann in der Personalausstattung notwendig. Es muss sichergestellt werden, dass die Klagen, die es von vielen Bürgerinnen und Bürgern gibt, dass nämlich Urteile geschrieben werden, aber nicht rechtzeitig und schnell genug zugestellt werden, dass es bei der Vollstreckung Schwierigkeiten gibt, dass wegen der Schwierigkeiten bei der Vollstreckung es auch dann den Weg gibt, dass Private dort beauftragt werden, Schulden einzutreiben – das kann zu einer Gefährdung des Rechtsstaats werden. Das ist mir sehr bewusst. Dieses muss aufgearbeitet werden. Der Senat ist fest entschlossen, Sicherheit und Gerechtigkeit für alle in Berlin lebenden Menschen in gleicher Weise zu garantieren.
Dabei will ich noch etwas zu der zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft sagen. Wir haben ja Hasskriminalität und Zerstörungswut zu beobachten. Wir unterscheiden dabei nicht zwischen guten und bösen, hinnehmbaren und nicht hinnehmbaren Gewalttaten und Gewalttätern, sondern gegen alle Formen von Gewalt, von Kriminalität wird in gleicher Schärfe, Geschlossenheit und Konsequenz vorgegangen. Sonderrechte und Sonderbehandlungen wollen wir ganz bewusst nicht akzeptieren.
Ich halte es für notwendig, dass hier auch stringent vorgegangen wird, nicht in den Widersprüchlichkeiten. Ich greife mal die Debatte im letzten Rechtsausschuss auf: Wenn auf der einen Seite stets gefordert wird, wir müssen neue Akzente in der Bekämpfung der Kriminalität setzen, auch in den Strafen, dann kann man nicht auf der anderen Seite kritisieren, wenn wir darauf achten, dass gerade auch die Staatsanwaltschaft in ihren Anträgen das hinreichend berücksichtigt. Und in all den Fragen der Veränderung des Strafgesetzbuches, Herr Kollege Wieland, werden Sie mich jedenfalls auf Ihrer Seite haben, wenn wir keine Sondertatbestände haben, sondern die Möglichkeiten beispielsweise des § 46 auch bei der Strafzumessung hinreichend berücksichtigen. Das ist eine Frage der Antragstellung und ansonsten eine Frage der freien Entscheidung der Gerichte selbst.