Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 18. Oktober 2000 und des Hauptausschusses vom 15. November 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Erhalt des Studentendorfes Schlachtensee, Drucksache 14/529
Zum Antrag und den Beschlussempfehlungen erbittet die Fraktion der SPD die Rücküberweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung und an den Hauptausschuss. Dieser Bitte hat sich auch der Ältestenrat angeschlossen. Wer also der Rücküberweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist bei zwei Stimmenthaltungen der Rücküberweisung zugestimmt worden.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport vom 23. November 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Berlin sagt Ja zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule, Drucksache 14/675
Eine Beratung ist vorgesehen. Wortmeldungen beginnen mit der Fraktion der Grünen. Herr Weinschütz hat das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Einbringung unseres Antrags im Spätsommer hat sich einiges getan. Der Gesetzentwurf ist am 10. November vom Bundestag beschlossen worden. Morgen steht er im Bundesrat zur Behandlung und Abstimmung an. Jetzt geht es nicht mehr um verschiedene Varianten, jetzt geht es darum, ob ein konkretes Gesetz, das endlich den rechtlosen Zustand für lesbische und schwule Paare beendet, auch wirklich ins Bundesgesetzblatt kommt.
Noch etwas hat sich getan: Die CDU hat begonnen, sich mit dem Thema Lesben und Schwule zu befassen. Ich meine, mit reichlich Verspätung – ca. 20 Jahre oder mehr –, aber sie hat es. Und weil der Diskussionsprozess erst vor so kurzer Zeit begann, verwundert es nicht, dass in der CDU noch keine einheitliche Meinung festzustellen ist.
Konsequenterweise hat die CDU-Fraktion in diesem Hause die Abstimmung für ihre Mitglieder freigegeben. Ich finde, das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Ehrlichkeit. Es zeugt vom Mut, den Stand des Diskussionsprozesses auch in der Abstimmung zum Ausdruck zu bringen.
Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Nutzen Sie dies! Die Beschlussempfehlung des Familienausschusses hat auch die Änderungsvorschläge der CDU mit aufgenommen. Dieser Änderungsvorschlag der CDU will einen rechtlichen Rahmen schaffen und dabei den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Ehe wahren. Uns geht es vor allem darum, dass morgen im Bundesrat Ja gesagt wird. Beides ist kein Widerspruch. Die Möglichkeit für Lesben und Schwule, ihre Partnerschaften registrieren, rechtlich anerkennen zu lassen, nimmt Eheleuten nichts weg, beseitigt aber die bestehende Diskriminierung. Dass beides in der Beschlussempfehlung steht, ist kein fauler Formelkompromiss, sondern – davon bin ich überzeugt – eine in sich schlüssige Verknüpfung beider Anliegen. Sie können daher guten Gewissens zustimmen. Wir erwarten auch aus der CDU-Fraktion viele Ja-Stimmen. Fassen Sie sich ein Herz!
An den Regierenden Bürgermeister gerichtet, an die Adresse des Senats, gilt die Forderung nach einem Ja morgen im Bundesrat. Wir wissen, für den zustimmungsbedürftigen Teil genügt eine Enthaltung nicht. Und sollte sich morgen keine Mehrheit für diesen Teil finden, bleibt der Senat aufgefordert, sich für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses stark zu machen und im Vermittlungsausschuss an der Findung eines konsensfähigen Kompromisses mitzuwirken. Herr Diepgen hat durchaus gezeigt, wie man Kompromisse im Bundesrat finden und dabei die Interessen der Berlinerinnen und Berliner wahren kann. Ein gewisses Händchen ist ihm nicht abzusprechen.
Wir erwarten von Herrn Diepgen, dass er und gegebenenfalls die Vertreter des Senats im Vermittlungsausschuss sich auch in dieser Angelegenheit vom Wohle der Berlinerinnen und Berliner leiten lassen und dabei bedenken, dass gerade in Berlin viele
Lesben und Schwule leben. Setzen Sie sich in deren Interesse für die weitestmögliche Durchsetzung des Gesetzentwurfs und damit den Abbau der Diskriminierung ein.
Abschließend noch eine Bemerkung, in die Zukunft gerichtet: In den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden war bei der Einführung der dortigen Regelungen jeweils nur eine knappe Mehrheit dafür. Doch schon nach wenigen Jahren waren sich alle einig, dass die dortigen Gesetze niemanden schädigen, aber wirksam zum Diskriminierungsabbau beitragen und die gleichen Bürgerrechte aller befördern. Niemand dort will das mehr rückgängig machen. Ich bin mir sicher, auch in Deutschland wird es bald diesen Konsens geben. Die Entwicklung nach Inkrafttreten des Gesetzes wird auch diejenigen überzeugen, die jetzt noch Zweifel oder Bedenken haben oder sich ablehnend verhalten. In diesem Sinne wird das Gesetz ein Erfolg, nicht nur für eine Minderheit, sondern für die gesamte Gesellschaft. Lassen Sie uns in Berlin daran mitwirken! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion kann nach ihrem Verständnis in der vorliegenden Beschlussempfehlung nur den Absatz 1 mehrheitlich unterstützen. Hier wird die Schaffung eines institutionellen Rahmens für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften unter Beachtung des Artikels 6 Abs. 1 des Grundgesetzes – Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung – befürwortet. Wenn ich dazu im Auftrag meiner Fraktion noch einmal differenziert Stellung nehme, geht es dabei nicht um ideologische Auseinandersetzungen oder um die Wiederaufnahme einer Kulturkampfdebatte. Uns geht es darum, zu diesem Problem, das für viele auch eine Gewissensfrage ist, zwei grundlegende Aspekte zu verdeutlichen.
Zum Ersten: Die CDU-Fraktion bejaht in ihrer Mehrheit die rechtliche Absicherung einer auf Dauer angelegten Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlich lebender Menschen.
Wir sind davon überzeugt, dass auch in diesen Partnerschaften – und hier greife ich ganz bewusst die Stellungnahme des CDUBundesvorstandes auf – Werte gelebt werden, die für unsere Gesellschaft grundlegend sind. Das verdient unseren Respekt, unsere Toleranz und unsere Unterstützung.
Demzufolge haben homosexuelle Menschen und Lebensgemeinschaften Anspruch auf Nichtdiskriminierung, Achtung und Nichtausgrenzung. Gerade in Berlin – Herr Weinschütz hat es eben gesagt –, wo seit jeher unterschiedliche Lebensentwürfe gelebt worden sind und einen festen Platz im Zusammenleben der Menschen in dieser Stadt haben, reden wir hier meines Erachtens über Selbstverständlichkeiten.
Im Übrigen hat die Berliner CDU bereits unter Beweis gestellt, dass sie es mit diesen Grundsätzen auch ernst meint, indem sie entsprechenden Änderungen in der Berliner Verfassung zugestimmt und auch in der vergangenen Legislaturperiode einen Antrag zur rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mitgetragen hat. An dieser Haltung hat sich nichts geändert. Darum verstehen wir auch sehr gut, welch ein hoher Symbolwert sich mit dem neuen Lebenspartnerschaftsgesetz für die lesbisch-schwule Gemeinschaft in Berlin und anderswo in
ihrem Ringen um Gleichstellung verbindet. Daran haben wir auch in den vielen Gesprächen, die wir mit Interessenverbänden und Einzelpersonen in den letzten Wochen geführt haben, keinen Zweifel gelassen.
Aber gerade vor diesem Hintergrund ergibt sich die grundlegende Frage, ob dieses Gesetz den Betroffenen nun wirklich Rechtssicherheit gibt. Ist es ein gut gemachtes Gesetz? – Wir sagen Nein! Damit komme ich zur anderen, aber nicht minder wichtigen Seite des Problems. Nach unserer Auffassung ist das rot-grüne Lebenspartnerschaftsgesetz zum Teil verfassungswidrig, weil es gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in ihren Rechtswirkungen der Ehe weitestgehend gleichstellt. Diese Feststellung ist kein Scheingefecht, wie uns von SPD-Kollegen vorgeworfen wurde, sondern eine kritische Einschätzung, die von vielen Rechtsexperten bis hin zu Bundesinnenminister Schily geteilt wird. Wir wollen uns damit auch nicht als Bundesverfassungsgericht aufspielen, wie es Herr Wieland im Rechtsausschuss formulieren zu müssen meinte.
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Ist ja unerhört, Herr Wieland! – Wieland (Grüne): Ich habe das Wahre gesagt!]
Die CDU-Fraktion will und muss aber entsprechenden Fragen nachgehen, um zu begründen, warum sie den zweiten Teil der Beschlussempfehlung hier heute ablehnen wird. Dazu will ich von vielen Argumenten eines der wichtigsten herausgreifen.
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Daher ist die Schaffung neuer Rechtsinstitute, die mit dem der Ehe identisch sind, unzulässig. Der Abstand zwischen der Ehe und einem neuen rechtlichen Institut muss deshalb erheblich sein. Das Lebenspartnerschaftsgesetz stellt aber zum Teil mindestens eine Kopie der Ehe dar. Der Abstand zur Ehe ist für viele von uns nicht in ausreichendem Maße gewahrt. Lediglich in Einzelheiten werden vom Eherecht abweichende Regelungen getroffen. Schon aus diesem Grund ist das Lebenspartnerschaftsgesetz, dem wir mit der vorliegenden Beschlussempfehlung indirekt zustimmen sollen, für uns so nicht abstimmungsfähig. Denn was nützt ein Gesetz, wenn es verfassungsrechtlichen Bedenken im Endeffekt nicht standhält?
Deshalb ist nach unserer Auffassung eine differenzierte Herangehensweise notwendig. Wenn es einen rechtlichen Rahmen zur Absicherung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften geben soll – und das wollen wir ausdrücklich –, kann dies nach unserer Ansicht nur unter Beachtung des Artikels 6 des Grundgesetzes befriedigend geregelt werden. Nur so kann homosexuellen Menschen die notwendige Rechtssicherheit gegeben werden unter gleichzeitiger Sicherstellung des besonderen Schutzes, der nach dem Grundgesetz Ehe und Familie zukommt. Die CDU-Fraktion stellt daher den Antrag, über die vorliegende Beschlussempfehlung absatzweise abzustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs eine anerkennende Bemerkung in Richtung CDUFraktion: Sowohl das Auftreten im Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport als auch die Rede hier im Plenum haben gezeigt, dass sich die CDU doch zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Antrag begeben hat, während die Kollegen der CDU-Fraktion im Rechtsausschuss noch eher – es ist schon angesprochen worden – einem kulturkämpferischen Fundamentalismus frönten, um hier jede Entscheidung des Hauses zu verhindern.
Es ging einfach darum, dass Sie jetzt dem Haus die Peinlichkeit dieser Debatte erspart haben. Und das soll durchaus anerkannt werden. Ich hoffe, dass der Regierende Bürgermeister – wenn er
wie angekündigt den Vermittlungsausschuss anruft – dem Ergänzungsgesetz im Bundesrat letztlich zum Erfolg verhelfen und es nicht weiter blockieren will. Ich habe mich ohnehin gewundert, woher dieser fundamentalistische Eifer der CDUKollegen kommt, dass sie meinten, das christliche Abendland verteidigen zu müssen.
Dabei handelt es sich doch bei dem vorliegenden Gesetz um eine vollkommen strukturkonservative Maßnahme. Weiteren Partnerschaften soll die Möglichkeit gegeben werden, sich in das staatliche Geschirr einer Quasiehe zu begeben, während noch die sechziger bis achtziger Jahre dadurch gekennzeichnet waren, dass sich viele Bürger den Zwängen des staatlich geregelten Instituts der Ehe entziehen wollten. Also kann man doch sagen, es war gar kein Grund, hier den Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören. Trotzdem kann ich das langjährige Streben von Homosexuellen in diese Institution der Ehe als Streben nach Beendung von Ungleichheit verstehen und auch unterstützen. Sie bekommen damit die gleiche Wahlfreiheit, wie sie für verschieden geschlechtliche Paare besteht.
Aber sie kommen eben nur fast in die gleiche Situation. Hier liegt der etwas bittere Beigeschmack. So ganz wird die Gleichheit mit dem neuen Gesetz nicht erreicht. Die Ehe bleibt ihnen weiter verschlossen. Es ist eine Art Quasiehe, die ihnen bleibt. Warum, frage ich. Meine Vorrednerin hat schon auf das Grundgesetz verwiesen, weil die Ehe unter dem besonderen Schutz der Verfassung steht. Aber Homosexuelle wollen doch offensichtlich diesen besonderen Schutz stärken. Sie wollen die Ehe nicht abschaffen, sondern sie wollen selber in diese Institution. Also kann es doch hier nicht um eine Aushöhlung der Verfassung gehen. Von einer Exklusivität der Ehe für verschieden geschlechtliche Paare steht im Grundgesetz nichts. Auch vom Abstandsgebot, das meine Vorrednerin beschworen hat, steht im Grundgesetz kein Wort. Man könnte sagen, dass Familien mit Nachkommen im Interesse des Fortbestandes der Gesellschaft besonders schützenswert sind. Aber heute sind sehr viele heterosexuelle Ehen bewusst und gewollt kinderlos, und schon viele Homosexuelle sind Eltern, viele gleichgeschlechtliche Paare bilden Familien mit Kindern. Das ist folglich kein ernsthaftes Argument.
Die Bundesregierung hat mit ihrem Reformschritt die Gleichstellung in vielen konkreten Fragen geschaffen, aber die Ungleichbehandlung im Prinzip fortgeschrieben und damit eigentlich sogar legitimiert. Letztendlich wird damit auch die Ungleichbehandlung aller nichtehelichen Lebensgemeinschaften impliziert. Nichteheliche heterosexuelle Paare oder Familien und andere Lebens- und Verantwortungsgemeinschaften sind nunmehr nicht nur schlechter gestellt als Ehepaare, sondern auch als eingetragene homosexuelle Lebensgemeinschaften.
Im Bundestag hätte ich diesem Gesetz aus diesen Gründen nicht zugestimmt, aber wir sind hier nicht der Gesetzgeber. Ich und die PDS-Fraktion werden dem Antrag zustimmen.