Bernhard Weinschütz
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren, sofern Sie mir noch zuhören, viele sind es bestimmt nicht!
Frau Grütters, ich bin etwas erstaunt, über was die CDU heute Redebedarf hat und über was nicht. Dass Sie hier Wissenschaftsthemen vorbringen, finde ich gut, es ist hochwohllöblich und hat unsere Unterstützung. Aber dass Sie gerade das Thema der Umsetzung des Wissenschaftsratsgutachtens heute besprechen wollen, das hat mich erstaunt, weil Sie sich doch gerade bei diesem Thema selbst nicht mir Ruhm bekleckert haben, um es vorsichtig zu sagen. Wenn man Ihre Fragen durch
liest, hat man den Eindruck, Sie wären schon ewig in der Opposition. Die erste Frage: „Wie ist der Senat an die Umsetzung der Empfehlungen herangegangen?“ – Darf ich bitte einmal daran erinnern, das Gutachten datiert vom 12. Mai 2000, und Sie haben den Wissenschaftssenator bis zum 16. Juni 2001 gestellt. Eigentlich hätten Sie die Fragen an sich selber stellen müssen. Und ich sage Ihnen: Auch einen Tag vor dem 16. Juni 2001, vor dem Regierungswechsel, hätten Sie es gar nicht gewagt, diese Große Anfrage einzubringen.
Aber Sie haben die Oppositionsrolle schon sehr schnell gelernt. Ich kann nur sagen, das ist gut so, denn Sie werden das auch die nächsten fünf Jahre noch brauchen, diese Oppositionsrolle.
Und wenn man schaut, was Sie gemacht haben, als Sie noch an der Regierung waren: Ihr CDU-Kultursenator Stölzl hat die Umsetzung, gerade was das BerlHG angeht, ziemlich in den Sand gesetzt.
Er hat in seinem Ministerium eine Novelle erarbeiten lassen und mit niemanden darüber gesprochen, mit den Betroffenen und Beteiligten an den Hochschulen nicht, auch mit der eigenen Koalitionsfraktion nicht; und so ist die ganze Sache tatsächlich im Sande verlaufen.
Auch die Hochschulverträge hat er nicht zu Ende gebracht, da ist die Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Finanzen immer wieder verzögert worden. Es war dann unsere Sache im neuen Senat, die Hochschulverträge unter Dach und Fach zu bringen, was wir auch gleich gemacht haben. Wir haben hier den Konsens mit der Finanzverwaltung hergestellt und damit die Finanzierung der Hochschulen gesichert.
Wir werden nach der Wahl die Reform des Berliner Hochschulgesetzes angehen, aber auf andere Weise, als Sie das zu Ihrer Zeit gemacht haben. Wir werden nämlich den Hochschulen kein fertiges Modell überstülpen, sondern wir denken, dass die Novellierung in einem offenen Dialog mit allen Betroffenen und Beteiligten diskutiert und abgestimmt werden muss, denn die Expertinnen und Experten für Reformen an den Hochschulen sind die Lehrenden und Lernenden selbst.
Ein solcher Prozess wird natürlich länger dauern. Ich persönlich glaube nicht einmal, dass ein Jahr dafür reicht. Deswegen haben wir die dringlichsten Änderungen, die jetzt gemacht werden mussten, vorgezogen. Wir haben gerade vorhin die Änderung des Berliner Hochschulgesetzes verabschiedet. Ich sage nur ein paar Stichworte: Semesterticket. Hier haben sich schon seit Jahren die Verkehrsbetriebe und die Studierendenschaften in Verhandlungen nicht endgültig einigen können. Hier hoffen wir jetzt, den gordischen Knoten durchgeschlagen zu haben, indem wir den Sozialfonds eingerichtet haben. Wenn es nach uns geht, können jetzt gleich die Urabstimmungen noch im Wintersemester an den Hochschulen erfolgen. Dann kann das Semesterticket endlich kommen. Ich denke, das ist im Interesse der ganzen Stadt, im Interesse der Verkehrspolitik genauso wie im Interesse der Wissenschaft.
Wir haben auch zum politischen Mandat der Studierendenschaften etwas klargestellt. Ich sage einmal nur: Wenn die NPD am Brandenburger Tor demonstriert und in der nahe gelegenen Humboldt-Universität der Referentinnen- und -Referentenrat etwas dagegen machen will und dann von Ordnungsgeldern bedroht ist, halte ich das für eine Schweinerei. Wenn selbst bei so einer Kleinigkeit die CDU wieder zum Verfassungsgericht laufen will, finde ich das ein Armutszeugnis. Wir tun hier etwas für die Toleranz in dieser Stadt. Mich wundert, dass Sie hier nicht mitmachen.
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Wir haben auch das Gender Mainstreaming an den Hochschulen abgesichert, indem wir die Mitwirkung der Frauenbeauftragten erweitert haben. Hier haben wir Signale gesetzt. Und das ist gut so. Das war hier notwendig.
Wir werden dann nach der Wahl die Novellierung angehen. Und mein Vorredner hat schon angemahnt, man solle einiges Konkretes sagen. Ich möchte deswegen – weil Sie auch zum Berliner Hochschulgesetz viele Fragen gestellt haben – einige Punkte ansprechen, wie wir uns die Sache vorstellen. Wir setzen auf eine weitestmögliche Autonomie der Hochschulen und die Reduzierung der staatlichen Aufsicht auf ein Minimum. Die Hochschulen sollen sich ihre Verfassung weitestgehend frei geben. Allerdings muss ein genügender Einfluss aller Gruppen gewahrt bleiben, denn die Demokratisierung der Hochschulen ist notwendig und Voraussetzung für ihre weitere Entwicklung. Wir wollen auch für die drei kleineren künstlerischen Hochschulen Verträge durchsetzen, damit auch sie – wie jetzt schon die anderen Hochschulen – Planungssicherheit haben und ein festgelegtes Budget für mehrere Jahre. Und begleitend zur Einführung der Juniorprofessorinnen und -professoren und der leistungsorientierten Besoldung sollte – wenn es nach uns geht – ein eigener umfassender Wissenschaftstarifvertrag verhandelt werden.
Auf das Fachliche gehe ich nur noch ganz kurz ein. Auch wir sind für den Ausbau der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft – das wurde in vielen Diskussionen schon angemahnt –, aber das darf keine Einbahnstraße sein, indem nur die Wirtschaft Anforderungen an die Wissenschaft stellt, sondern auch umgekehrt muss sich die Wirtschaft finanziell viel mehr an der Ausbildung beteiligen. Und bei dem Ganzen wollen wir insbesondere die Geisteswissenschaften schützen, weil wir Angst haben, das diese bei den Reformen zu kurz kommen. Hierauf werden wir ein Auge werfen.
Abschließend: Wir haben die ersten notwendigen Schritte in der kurzen Zeit nach dem Regierungswechsel getan. Nach der Wahl werden wir die weiteren Schritte folgen lassen im Dialog, mit Augenmaß und – Frau Grütters, ich sage das auch – mit Leidenschaft. – Vielen Dank!
Herr Dr. Wruck! Ich schätze bisweilen im Rechtsausschuss Ihre Anmerkungen zur Rechtslage. Aber heute haben Sie mehr verwirrt als zur Aufklärung beigetragen. Da bin ich sehr enttäuscht. Sie sagen hier, laut Grundgesetz sei das alles nicht möglich. Ich möchte Sie daran erinnern: 1982 gab es auf Bundesebene gerade gemäß Grundgesetz einen Regierungswechsel.
Da hätte die SPD mit der FDP regiert. Die FDP ist dann zur CDU übergelaufen. Die neue Regierung hatte dann eine Mehrheit und hat damals per Vertrauensfrage Neuwahlen auf Bundesebene herbeigeführt. Damals ist auch das Bundesverfassungsgericht angerufen worden, und das Bundesverfassungsgericht hat genau gesagt, dass das zulässig war.
Deswegen Ignorieren Sie mit Ihrer Argumentation, das Grundgesetz verbiete so etwas, das Bundesverfassungsgericht. Das enttäuscht mich gerade bei Ihnen, weil Sie normalerweise mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unter dem Arm herumlaufen. Was wir hier machen, ist vollkommen grundgesetzkonform und in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, und dabei bleibt es auch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Gesetz öffnen wir die Standesämter in Berlin für Lesben und Schwule – und das ist gut so.
Im November des letzten Jahres hat der Bundestag das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule beschlossen. Das Gesetz tritt in Kürze – am 1. August – in Kraft. Erstmals werden damit lesbische und schwule Paare rechtlich anerkannt. Menschen, die füreinander einstehen und füreinander – auch finanziell – Verantwortung übernehmen, werden abgesichert. Das ist ein Meilenstein im Kampf gegen Diskriminierung und für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen.
Bei der anschließenden Behandlung des Gesetzes im Bundesrat hat Berlin auf Druck der CDU in der damaligen großen Koalition dem Gesetz nicht zugestimmt. Das ist schon an und für sich peinlich für die Hauptstadt der Lesben und Schwulen. Und es bewirkt unnötige Rechtszersplitterung. Jedes Bundesland muss jetzt selbst sagen, bei welcher Behörde die Eintragung erfolgt. Das ist nicht bürgerfreundlich.
Es gab dann im Vermittlungsausschuss den Versuch, einen Kompromiss zu finden. Zu den Gesprächen sind weder die CDU-Bundestagsfraktion noch die CDU-geführten Länder erschienen. Auch Berlin – damals von Herrn Diepgen regiert – blieb fern. Die CDU hat alles boykottiert. Das werden die Menschen in dieser Stadt nicht vergessen – nicht nur Lesben und Schwule nicht, sondern alle, die gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger wollen. Machen Sie sich darauf gefasst!
Wenn wir jetzt Probleme in der Koordination mit anderen Bundesländern haben, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, dann sind Sie selber daran Schuld, weil Sie eine bundeseinheitliche Regelung verhindert haben. Wenn Sie jetzt auch noch auf dieses Verfassungsgerichtsverfahren anspielen, dann machen Sie gemeinsame Sache mit Bayern, Sachsen und Thüringen, die das Bundesverfassungsgericht dafür instrumentalisieren, die Sache einfach nur hinauszuzögern.
Als wir das Ausführungsgesetz im März dieses Jahres eingebracht haben, haben Sie noch gesagt: Ja, wir setzen das Bundesgesetz um. – Jetzt sagen Sie: Nein, wir setzen es nicht um. – Auf solche scheinheiligen Manöver lassen wir uns gar nicht ein. Wir lassen uns von Ihnen nicht beirren.
Wenn wir heute für Berlin das Standesamt festlegen, hat das mehrere gute Gründe. Zum einen haben die Standesbeamtinnen und Standesbeamten die notwendige fachliche Vorbildung und berufliche Praxis für diese Tätigkeit. Das sieht auch der Bundesverband der deutschen Standesbeamten so.
Ein Zweites: Die Berliner Verfassung schreibt vor, dass andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften als die Ehe nicht diskriminiert werden dürfen. – Und schließlich gibt es noch die Symbolik: Wenn man Lesben und Schwulen das Standesamt verweigern würde, hieße dass, sie zu Bürgern zweiter Klasse zu machen – so, wie Sie von der CDU das wollen.
Wir sind der Auffassung, dass Lesben und Schwule gleiche Rechte haben und ihre Liebe gleiche Würde hat. Deswegen ist der richtige Ort für die Eingetragene Lebenspartnerschaft das Standesamt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Preisfrage: Wo ist folgende Geschichte passiert? – Eine Frau bekommt ihr Kind. Beide sind glücklich. Doch das Glück währt nicht lange. Einen Tag nach der Geburt werden die beiden gewaltsam getrennt. Die Mutter darf das Kind nur einmal am Tag für kurze Zeit sehen. Zum Stillen reicht das nicht. Das Baby weint, die Mutter ist völlig verzweifelt. – Das klingt vielleicht nach Umerziehungslager in Vietnam. Passiert ist es aber vor drei Wochen hier in Berlin.
Die Mutter sitzt – möglicherweise unschuldig – in Untersuchungshaft. Zum Glück haben wir ein Verfassungsgericht. Das hat die gemeinsame Unterbringung angeordnet. Erst dann durfte das Kind wieder zur Mutter. Das ist überaus beschämend, solch ein Skandal darf sich nicht wiederholen.
Das Strafvollzugsgesetz sieht die gemeinsame Unterbringung von Müttern mit Kleinkindern vor. Entscheidend ist das Wohl des Kindes. Das muss das Jugendamt im Einzelfall prüfen. Aber die Justiz muss die Voraussetzungen bereitstellen. Die Mutter-KindStation in Berlin wurde jedoch abgeschafft. Das war ein Fehler. Fast alle Bundesländer haben eine Mutter-Kind-Station im Frauenknast. Kleinere Länder kooperieren mit Nachbarländern. Selbst in konservativen Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg ist die Mutter-Kind-Station selbstverständlich. Berlin ist jetzt rückständig. Das darf nicht sein. Die Mutter-Kind-Station muss wieder her.
Der Bedarf ist vorhanden. Jetzt ist gerade der zweite Fall in wenigen Wochen bekannt geworden. Es geht um eine Romafrau aus Mazedonien. Sie muss nach der Haftzeit mit ihrer Abschiebung rechnen.
Ich nehme zur Kenntnis, das Sie hier Frauen und Kinder trennen und dann auch noch weit weg voneinander wissen wollen,
das ist Ihre Sache, unsere ist es nicht. – Die Frau aus Mazedonien muss mit ihrer Abschiebung rechnen, ihr Sohn wurde drei Tage nach der Geburt von ihr getrennt. Er wächst jetzt in einer deutschen Pflegefamilie auf. Einmal pro Woche darf er seine Mutter sehen. So lernt er nicht einmal seine Muttersprache. Nach der Haftzeit kommt er wieder zur Mutter, im schlimmsten Fall gleich nach Mazedonien. Was wird dann aus ihm werden? – Solche Fälle zeigen, dass wir die Mutter-Kind-Station brauchen. Natürlich ist sie nicht umsonst zu haben.
Aber ein Minimum an Menschlichkeit muss gewahrt bleiben, selbst wenn es ein paar Mark kostet. Wir appellieren an Herrn Diepgen – Herr Rauskolb, richten Sie es ihm bitte aus –, ich sage: Die Menschenrechte stehen nicht unter Haushaltsvorbehalt. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 1. August 2001 wird das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft treten. Erstmals in Deutschland bekommen lesbische Bürgerinnen und schwule Bürger einen gesicherten Rechtsrahmen für ihre Beziehungen. Ab dann können schwule wie lesbische Paare ihre Partnerschaft amtlich eintragen lassen. Wir wollen damit Familie und Verantwortungsbereitschaft fördern und gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger schaffen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Grüne Familienpolitik heißt: Wir unterstützen Menschen, die auf Dauer füreinander oder für Kinder einstehen wollen. Bislang wurden homosexuelle Paare vom Recht wie Fremde behandelt, selbst wenn sie jahrzehntelang zusammengelebt und füreinander gesorgt hatten. Damit ist nun endgültig Schluss, das ist ein historischer Durchbruch. interjection: [Beifall bei den Grünen und der PDS]
Danke sehr! – Herr Senator! Ich frage noch einmal nach, warum der entsprechende Mehrbedarf nicht von vornherein in den Haushalt des Jahres 2001 eingestellt wurde, wie wiederholt gefordert. Jetzt wird die Haushaltssperre unter anderem auch auf den Mehrbedarf gestützt, obwohl dieser abzusehen war. Es war ganz klar, dass das Gesetz beschlossen werden würde, weil es sich im Prinzip eines weiten Konsenses erfreut. Warum musste es also jetzt zu diesem „Haushaltsloch“ kommen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Grütters! Ihr Antrag auf die Aktuelle Stunde hat bei uns so ein bisschen wie ein Paukenschlag eingeschlagen. Ich gebe es gerne zu. Wir haben uns dann sehr viel davon versprochen und uns gefragt, was damit gemeint sei. Als Sie vorhin begründet haben, es gehe Ihnen im Wesentlichen darum, die Haushaltsdebatte vorzuziehen, weil der Einzelplan 17 nicht mehr während der Fernsehzeit besprochen wird, fand ich das etwas enttäuschend. Davon hätte ich mir schon etwas mehr versprochen. Und auch als Sie das Thema jetzt inhaltlich durchgegangen sind, war ich etwas enttäuscht. Ich gebe Ihnen, Frau Grütters, in zwei Punkten vollständig Recht. Das eine ist: Wissenschaft ist das Zukunftsthema für Berlin.
Und ich gebe Ihnen in einem zweiten Punkt Recht: Es wird in der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen.
Aber alles, was danach kam, ging meines Erachtens an der Realität sehr stark vorbei.
Frau Grütters, Sie haben ausgeführt, Berlin sei Weltspitze, aber alle Probleme haben Sie ignoriert und verschwiegen. Wenn man sich wirklich Sorgen um die Zukunft der Wissenschaft macht, dann muss man erkennen, was heute die Probleme sind, und muss diese Probleme angehen und nicht einfach nur alles gesundloben.
Probleme haben wir in Berlin im Wissenschaftsbereich genug, auf allen Ebenen. Wenn man sich überlegt: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ferner Zukunft müssen vorher auch einmal Nachwuchskräfte gewesen sein, die müssen promoviert haben und die müssen vorher auch einmal studiert haben, ja die waren vorher sogar an der Schule. – Da fängt das Problem schon an. Schülerinnen und Schüler brauchen Lehrerinnen und Lehrer. Die werden an den Hochschulen ausgebildet. Aber die Lehrerausbildung liegt bei uns schon sehr im Argen.
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Die Studiengänge sind mit unnötigen Inhalten überfrachtet und völlig praxisfern. Die Vorbereitung auf die heutige Realität in Schulen findet kaum statt, z. B. auf die in Berlin so notwendige interkulturelle Erziehung. Lehramtsabsolventinnen und -absolventen brauchen bis zum Abschluss im Schnitt drei Semester länger als andere Universitätsabsolventinnen und -absolventen, die zweijährige Referendarzeit nicht eingerechnet, die die Ausbildung erst abschließt. Bei der Anmeldung zu den Prüfungen gibt es lange Wartezeiten. Von der Wissenschaftsverwaltung hört man dazu nichts, von der Schulverwaltung vorsichtige Andeutungen, die Einführung von Bachelor und Master könne das schon richten, aber so richtig das Staatsexamen abschaffen will man auch nicht, also: kein Konzept da.
Nicht nur qualitativ, auch quantitativ gibt es da Probleme. Bisher haben alle Sparwellen die Lehrämter in der Regel überdurchschnittlich getroffen. Berufsschullehrerinnen und -lehrer sind schon jetzt Mangelware. Auf Grund des Durchschnittsalters der Berliner Lehrerschaft und der bald einsetzenden Pensionierungswelle gibt es einen absehbaren Lehrermangel. Trotzdem wollen die Wissenschaftsverwaltung und der Senator dem Gutachten des Wissenschaftsrats folgen und z. B. an der TU die Lehramtsausbildung drastisch einschränken. So wird heute die Zukunft der Wissenschaft von übermorgen verspielt, weil es morgen nicht mehr genug Lehrerinnen und Lehrer mit einer den heutigen Anforderungen entsprechenden Qualifikation gibt. Herr Stölzl, bitte schauen Sie hier nicht mehr länger tatenlos zu!
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Zukunft werden auch studieren müssen. Was wird ihnen hier in Berlin geboten? – 85 000 Studienplätze für 130 000 Studierende! Da ist es in manchem Hörsaal eng, die Dozentin vielleicht gerade noch mit dem Fernglas zu erkennen. Seminare sind hoffnungslos überfüllt. Persönlicher Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden ist fast unmöglich. Doch statt für eine bessere Ausstattung der Hochschulen zu sorgen, gibt es nun ein Studierwilligenabschreckungsprogramm. So wollte Anfang des Jahres der Senat den Hochschulzugang nach dem Abitur durch Auswahlgespräche an den Hochschulen erschweren und konnte nur durch Hinweise aus den Hochschulen selbst, dass es dafür an Kapazitäten mangelt, zu einer Einschränkung seiner Pläne – Frau Grütters, ich sage, glücklicherweise – veranlasst werden. Jetzt will Herr Stölzl Langzeitstudiengebühren einführen, unter Bruch der Koalitionsvereinbarung versteht sich, mit der erst alle in Sicherheit gewiegt wurden. Na, vielen Dank! In dem Ziel, dass die Studierenden in vernünftiger Zeit zum Abschluss gelangen können sollen, da sind wir uns einig, aber dann – bitte schön! – muss man die Ursachen langer Studienzeiten bekämpfen und nicht die Studierenden.
Wenn die Studierenden bisher so lange brauchen, weil sie für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, werden sie mit Studiengebühren sicher nur noch länger brauchen, weil sie eben noch mehr arbeiten müssen. Das ist kontraproduktiv. Sofern es an der Ausbildung liegt, muss man diese verbessern, z. B. Studiengänge von unsinnigen Anforderungen entrümpeln, bessere Studienberatung, besser Betreuung ermöglichen. Dann, Herr Stölzl, werden die Studienzeiten sinken.
Was sollen diese Abschreckungsszenarien? – Im europäischen Vergleich – so die jüngste OECD-Studie – liegt die Hochschulabsolventenzahl in Deutschland schon jetzt deutlich unter dem Durchschnitt. Die Erfahrungen in Baden-Württemberg zeigen, dass mit Langzeitstudiengebühren die Studierendenzahlen sinken. Also noch weiter in den Keller mit Deutschland? – Der kürzlich veröffentlichte Abschlussbericht der TIMMS-Studie, also des internationalen Leistungsvergleichs zwischen Schulen, zeigt Folgendes: Je mehr Schülerinnen und Schüler in die gymnasiale Oberstufe eintreten, desto besser sind die Aussichten auf Spitzenleistungen. Auf eine Formel gebracht: Unter 1 000 Schülerinnen und Schülern findet sich eher ein Einstein als unter 100. – Breite Berge werden höher. – Das gilt entsprechend für die Hochschulen. Wenn wir auf viele Spitzennachwuchswissen
schaftlerinnen und -wissenschaftler Wert legen, dann brauchen wir einen breiten, offenen Zugang zum Hochschulstudium und keine Abschreckung. Die negative soziale Auslese, die Studiengebühren mit sich bringen, will ich hier nur erwähnen. Im Interesse der Wissenschaft der Zukunft, Herr Stölzl, legen Sie diese kontraproduktiven Studiengebührenpläne schnellstens beiseite, vergessen Sie es!
Wir werden in dieser unseligen Diskussion auch die SPD genau beobachten, ob sie standhält oder umfällt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, haben nächstes Frühjahr Ihren Bildungsparteitag. Ich befürchte das Schlimmste. Wir ermahnen Sie: Halten Sie Ihre Versprechungen, bleiben Sie Ihrem Programm treu, keine Studiengebühren!
Frau Grütters, Ihre Idee mit der Stiftungsuniversität im Sommer war eine ziemliche Nebelkerze. In Wahrheit war das der Versuch einer Privatisierung, die staatlich bezahlt werden sollte. Die Idee war auch deswegen etwas spinnert, weil das in Berlin sowieso nicht zu bezahlen ist. Da sind sich alle Expertinnen und Experten einig. Sie haben damit versucht, das durchzusetzen, was Sie bei den öffentlichen Hochschulen über das Berliner Hochschulgesetz nicht durchsetzen können, eben diese Auswahl der Studierenden durch die Hochschulen, Studiengebühren und anderes mehr zur Eliteuni.
Wie schon ausgeführt, so kommen wir nicht weiter in der Wissenschaft, das ist nicht der richtige Weg.
Wenn unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Zukunft irgendwann einmal studiert haben, dann werden sie auch promovieren. In Deutschland geht zurzeit die Zahl der Doktorarbeiten wie auch die Zahl der Promovierenden zurück. In manchen Fächern wird schon vor einem Nachwuchsmangel gewarnt. An den Berliner Hochschulen wurden die Nachwuchsstellen im Mittelbau in den letzten Jahren erheblich abgebaut, denn die Hochschulen wurden zum Sparen gezwungen. Befristete Stellen, wie es die Nachwuchsstellen nun einmal sind, trifft das immer besonders, da hier die Fluktuation und daher überhaupt die Möglichkeit zum Abbau besonders groß ist. Hier hätte man durch Ausweitung der Stipendien für den wissenschaftlichen Nachwuchs entgegenwirken können. Aber nicht nur, dass dies nicht geschehen ist, im Frühjahr dieses Jahres bei der Verabschiedung des Haushalts wollte der Senat die NaFöG-Mittel gar um eine halbe Million DM kürzen. Dieser Plan konnte zwar in den parlamentarischen Beratungen in letzter Minute gestoppt werden, er zeigt aber, was die wissenschaftliche Nachwuchsförderung für den Senat ist – ein Steinbruch für die Haushaltssanierung. Das hat nichts mit Zukunft Wissenschaft zu tun. Herr Stölzl, wir hoffen, dass Sie sich im Senat durchsetzungsfähig zeigen, verbessern Sie die Lage für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Berlin!
Wenn unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Zukunft irgendwann einmal eine feste Stelle haben, dann brauchen sie auch eine vernünftige Ausstattung. In Berlin gibt es eine neue Ausstattung heute praktisch nur noch bei Berufungen. Wenn die Wissenschaftler eine Weile arbeiten, sind die Geräte veraltet. So kann es in Zukunft nicht weitergehen. Noch schlimmer sieht es in Berlin bei den Hochschulbauten, bei den Investitionen aus. Vor vier Tagen hat die „Berliner Morgenpost“ getitelt: „Nur in Sonntagsreden spielt die Wissenschaftsstadt Berlin eine Rolle“. In der Tat ist es so, dass dem frommen Wunsch, Berlin zur Wissenschaftsstadt zu machen, bei Finanzabstimmungen im Hauptausschuss nicht Rechnung getragen wird. Dort herrscht offensichtlich die Auffassung vor, seit Einführung der Hochschul
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verträge seien die Probleme gedeckelt. Aber nein, durch die Hochschulverträge wurden nur die Finanzen gedeckelt. In Berlin werden Wissenschaftlern immer wieder Versprechungen gemacht, an die sich dann niemand mehr erinnern kann.
Hierzu einige Beispiele: Für den Wissenschaftsstandort Adlershof wurde erst eine Beschleunigungsplanung verkündet, deren Umsetzung dann aber immer wieder hinausgeschoben wurde. Die ersten aus Mitte nach Adlershof Umgezogenen sitzen jetzt dort wie zwischen Baum und Borke. Die Sanierung des Bettenhochhauses Charite´ wurde versprochen und nicht zu Ende geführt. Die Konzentration der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft wurde seit Jahren versprochen und vom Wissenschaftsrat angemahnt. Es gibt Hearings und Kommissionen, aber keine Entscheidungen. Krasses Beispiel ist die Kunsthochschule Weißensee: Es gab neue Berufungen; die Raumnot ist jedoch unerträglich. Das Flächendefizit beträgt ein Drittel. Es gibt keinen Hörsaal. Prüfungen finden auf dem Gang statt. Im Textilbereich können die Webstühle immer nur nach Möbelrükken genutzt werden. Die Studierenden müssen immer außen herumlaufen. Es ist ein reines Glück, dass nicht ständig jemand stolpert und sich etwas bricht. Ich könnte die Liste weiterführen.
Wissenschaftspolitik in Berlin ist vor allem eine Politik der nicht eingehaltenen Versprechungen. Herr Stölzl redet immer nur von der „auskömmlichen Armut“. Aber so wird Zukunft zur Vergangenheit, bevor sie überhaupt begonnen hat. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen nicht nur Planungssicherheit, sondern auch Umsetzungssicherheit. Dafür brauchen sie einen starken Wissenschaftssenator und einen Senat, für den Wissenschaft nicht nur in Sonntagsreden eine Rolle spielt. Bisher haben wir beides nicht. Für die Zukunft der Wissenschaft bleibt nur die Hoffnung auf eine baldige Änderung. So wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator Stölzl! Ich habe versucht, Sie mit meinen Ausführungen etwas zu provozieren und eine Antwort zu bekommen. Ich habe aufmerksam zugehört und leider Ihren Worten wenig dazu entnehmen können. Sie haben gesprochen vom „Herzland der Forschung“ und „Berlin als Cluster“. Aber das löst aus meiner Sicht die Probleme nicht. Sie haben zu den Problemen wenig gesagt. Aber vielleicht hat der Kollege Hoff Recht, dass Sie vorher mit dem Finanzsenator gesprochen und sich mit ihm abgestimmt haben und deshalb gar nicht mehr sagen konnten.
Wenn man sich die uns bevorstehenden Reformen ansieht – der Wissenschaftsrat hat in seinem Gutachten ausführliche Vorschläge für Strukturreformen unterbreitet –, dann muss man feststellen, dass sie Geld kosten. Wenn Sie aber neue Studiengänge einführen wollen, Master- und Bachelor-Studiengänge, dann kostet auch das Geld. Es geht schließlich nicht nur um ein neues Etikett bei gleichen Inhalten, sondern es geht auch um inhaltliche Änderungen, um Modularisierung und die Einführung des Credit-point-Systems, die neuen Studiengänge müssen akkreditiert werden und auch das kostet Geld. Hier wurde auch von dem Ausbau der Fachhochschulen gesprochen. Dazu hat der Wissenschaftsrat deutlich gesagt, im Übergang sei dies nur mit zusätzlichen Geld zu machen. Ich habe mit Erstaunen die Ausführungen des Kollegen Brauner vernommen, der sagte, eine Verlagerung schließe er als Teil dieses Fachhochschulausbaus von vornherein aus. Das würde ich so nicht sagen, aber selbst wenn ein Teil des Ausbaus durch Verlagerungen stattfindet, kostet der Ausbau immer noch Geld. Zusammenfassend kann ich dazu nur feststellen: Herr Stölzl, Sie müssen noch einmal mit dem Finanzsenator reden, damit die Reformen überhaupt erst möglich werden.
Es wird gern viel von Internationalisierung gesprochen. Nun wissen wir aber, dass beim Studentenwerk 27 Millionen DM gekürzt werden, die Zahl der Wohnheimplätze sinkt, und das internationale Studentendorf Schlachtensee wird gerade geschlossen. Für Studierende aus dem Ausland sind diese Wohnheimplätze aber besonders wichtig. Sie kommen von auswärts, können nicht so einfach Wohnraum suchen, sind auf Inte
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Einbringung unseres Antrags im Spätsommer hat sich einiges getan. Der Gesetzentwurf ist am 10. November vom Bundestag beschlossen worden. Morgen steht er im Bundesrat zur Behandlung und Abstimmung an. Jetzt geht es nicht mehr um verschiedene Varianten, jetzt geht es darum, ob ein konkretes Gesetz, das endlich den rechtlosen Zustand für lesbische und schwule Paare beendet, auch wirklich ins Bundesgesetzblatt kommt.
Noch etwas hat sich getan: Die CDU hat begonnen, sich mit dem Thema Lesben und Schwule zu befassen. Ich meine, mit reichlich Verspätung – ca. 20 Jahre oder mehr –, aber sie hat es. Und weil der Diskussionsprozess erst vor so kurzer Zeit begann, verwundert es nicht, dass in der CDU noch keine einheitliche Meinung festzustellen ist.
Konsequenterweise hat die CDU-Fraktion in diesem Hause die Abstimmung für ihre Mitglieder freigegeben. Ich finde, das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Ehrlichkeit. Es zeugt vom Mut, den Stand des Diskussionsprozesses auch in der Abstimmung zum Ausdruck zu bringen.
Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Nutzen Sie dies! Die Beschlussempfehlung des Familienausschusses hat auch die Änderungsvorschläge der CDU mit aufgenommen. Dieser Änderungsvorschlag der CDU will einen rechtlichen Rahmen schaffen und dabei den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Ehe wahren. Uns geht es vor allem darum, dass morgen im Bundesrat Ja gesagt wird. Beides ist kein Widerspruch. Die Möglichkeit für Lesben und Schwule, ihre Partnerschaften registrieren, rechtlich anerkennen zu lassen, nimmt Eheleuten nichts weg, beseitigt aber die bestehende Diskriminierung. Dass beides in der Beschlussempfehlung steht, ist kein fauler Formelkompromiss, sondern – davon bin ich überzeugt – eine in sich schlüssige Verknüpfung beider Anliegen. Sie können daher guten Gewissens zustimmen. Wir erwarten auch aus der CDU-Fraktion viele Ja-Stimmen. Fassen Sie sich ein Herz!
An den Regierenden Bürgermeister gerichtet, an die Adresse des Senats, gilt die Forderung nach einem Ja morgen im Bundesrat. Wir wissen, für den zustimmungsbedürftigen Teil genügt eine Enthaltung nicht. Und sollte sich morgen keine Mehrheit für diesen Teil finden, bleibt der Senat aufgefordert, sich für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses stark zu machen und im Vermittlungsausschuss an der Findung eines konsensfähigen Kompromisses mitzuwirken. Herr Diepgen hat durchaus gezeigt, wie man Kompromisse im Bundesrat finden und dabei die Interessen der Berlinerinnen und Berliner wahren kann. Ein gewisses Händchen ist ihm nicht abzusprechen.
Wir erwarten von Herrn Diepgen, dass er und gegebenenfalls die Vertreter des Senats im Vermittlungsausschuss sich auch in dieser Angelegenheit vom Wohle der Berlinerinnen und Berliner leiten lassen und dabei bedenken, dass gerade in Berlin viele
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Lesben und Schwule leben. Setzen Sie sich in deren Interesse für die weitestmögliche Durchsetzung des Gesetzentwurfs und damit den Abbau der Diskriminierung ein.
Abschließend noch eine Bemerkung, in die Zukunft gerichtet: In den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden war bei der Einführung der dortigen Regelungen jeweils nur eine knappe Mehrheit dafür. Doch schon nach wenigen Jahren waren sich alle einig, dass die dortigen Gesetze niemanden schädigen, aber wirksam zum Diskriminierungsabbau beitragen und die gleichen Bürgerrechte aller befördern. Niemand dort will das mehr rückgängig machen. Ich bin mir sicher, auch in Deutschland wird es bald diesen Konsens geben. Die Entwicklung nach Inkrafttreten des Gesetzes wird auch diejenigen überzeugen, die jetzt noch Zweifel oder Bedenken haben oder sich ablehnend verhalten. In diesem Sinne wird das Gesetz ein Erfolg, nicht nur für eine Minderheit, sondern für die gesamte Gesellschaft. Lassen Sie uns in Berlin daran mitwirken! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Freitag letzter Woche hat der Deutsche Bundestag die Einführung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften für lesbische und schwule Paare beschlossen. Erstmals in der deutschen Geschichte wird es damit möglich, dass solche Partnerschaften rechtlich anerkannt und abgesichert werden. Menschen, die mit allen Konsequenzen auf Dauer füreinander einstehen wollen, erhalten Rechtssicherheit. Dies ist ein Meilenstein auf dem Weg, bestehende Diskriminierungen von Lesben und Schwulen abzubauen. Es ist ein epochemachender Schritt zu ihrer rechtlichen Gleichstellung.
Berlin ist in diesem Zusammenhang nicht irgendein Bundesland. Die deutsche Lesben- und Schwulenbewegung nahm hier ihren Anfang. Schon in den zwanziger Jahren gab es hier eine blühende Kultur. Auch heute ist Berlin wieder ihre Hauptstadt. In keiner anderen deutschen Stadt leben so viele Lesben und Schwule wie hier. Diese haben ein Recht darauf zu erfahren, was ihre Abgeordneten über die Lebenspartnerschaften denken. Dies gilt umso mehr, als der Berliner Senat im Bundesrat am 1. Dezember diesen Jahres dazu Stellung beziehen muss. Wir wollen wissen, ob die lesbischen und schwulen Berlinerinnen und Berliner mit einem klaren Ja vom Senat rechnen können. Alles andere als ein Ja wäre nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Schwulen und Lesben, sondern aller Bürgerinnen und Bürger, denen gleiche Bürgerrechte für alle ein Anliegen sind.
Der Senat hat im Bundesrat die Interessen aller Berlinerinnen und Berliner zu vertreten. Lesben und Schwule gehören dazu.
Das Abgeordnetenhaus hat im Juni 1995 mit breiter Mehrheit eine neue Verfassung beschlossen. Diese sieht vor, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf und dass andere – auf Dauer angelegte – Lebensgemeinschaften als die Ehe Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung haben. Diese Verfassung wurde durch die Volksabstimmung im Oktober 1995 bestätigt. In der aktuellen Diskussion muss das Abge
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ordnetenhaus bekennen, ob der damalige Beschluss nur eine leere Floskel war oder ob Berlin daran mitwirkt, diesen Verfassungsartikel mit Inhalt und Leben zu füllen.
Am 25. Juni 1998 hat das Berliner Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit – quer durch alle Fraktionen – beschlossen, dass sich der Senat im Bundesrat für eine rechtliche Regelung für „eingetragene Partnerschaften“ einsetzen soll. Daraufhin hat der Bundesrat am 10. Juli 1998 mit der Stimme Berlins die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem ein Rechtsinstitut „Eingetragene Partnerschaft“ geschaffen wird und dass dieses Rechte und Pflichten beinhalten soll, die denen von Eheleuten entsprechen. Herr Diepgen, ich bitte um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit: Ich erinnere nochmal daran, dass der Bundesrat dies mit der Stimme Berlins beschlossen hat.
Seit vergangenen Freitag gibt es diesen Gesetzentwurf. Jetzt gilt es, Herr Diepgen: Stehen Sie zu Ihrem Wort! Sagen Sie am 1. Dezember Ja im Bundesrat!
Stimmen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unserem Thema für die Aktuelle Stunde zu, damit wir hier und heute klar machen können, dass auch das Berliner Parlament zu seinem Beschluss von 1998 steht! Setzen wir ein deutliches Signal für eine weltoffene und tolerante Metropole: Berlin sagt Ja!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Justizsenator Diepgen! Machen wir ein Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor, man hätte im Jahre 1900 einen Beamten in einer Geschäftsstelle im Kriminalgericht Moabit tiefgefroren und würde ihn jetzt, im Jahre 2000, 100 Jahre später wieder auftauen. Wissen Sie, was dann wäre? – Der könnte sich sofort an seinen Schreibtisch setzen und weiterarbeiten, weil sich nichts, aber auch gar nichts verändert hat.
Es gibt keine neue Technik, keinen anderen Arbeitsablauf. Kennen Sie irgendeinen anderen Bereich in Wirtschaft und Gesellschaft, wo heute noch gearbeitet wird wie vor 100 Jahren? – Ich nicht! Berlin will eine moderne Metropole sein, aber die Justiz arbeitet teilweise immer noch wie vor 100 Jahren. Das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland. Kein Wunder, dass in Moabit beinahe der Betrieb zusammenbricht!
Was haben wir dazu gehört? – Schöne Worte über die Herausforderungen durch die Wiedervereinigung. Wenn man die schriftliche Antwort auf die Große Anfrage liest, dann hört man sehr viel von Modellversuchen, die durchgeführt wurden, von eingesetzten Arbeitsgruppen, Berichte wurden erarbeitet, viele Ankündigungen wurden und werden gemacht. Aber ein schlüssiges Gesamtkonzept fehlt, von einer flächendeckenden Umsetzung ganz zu schweigen. Berlin hat die Herausforderungen durch die Wiedervereinigung im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften bisher gerade nicht angenommen – wenig neue Technik, kaum neue Strukturen, so gut wie kein modernes Management. Nach 10 Jahren Einheit wird es jetzt überfällig. Herr Diepgen, gehen Sie die Probleme an und legen Sie endlich ein schlüssiges Konzept vor!
Ich habe vorhin mit großem Bedauern und vor allen mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihr Amt als Justizsenator hauptsächlich darin sehen,
die Justiz zu kontrollieren. Das ist sicherlich auch von Bedeutung und einer der Punkte, aber ich denke, ein Justizsenator sollte sich nicht darauf beschränken, sondern hauptsächlich die Planung und Organisation machen, damit die Justiz vernünftig arbeiten kann. Mir scheint, dafür haben Sie durch Ihre zahlreichen anderen Arbeitsbelastungen als Regierender Bürgermeister leider nicht genug Zeit.
Was die Bewährungsstrafen angeht: Wenn Sie hier wieder law and order fordern und zu härteren Strafen rufen, ergibt sich für mich der Verdacht, dass sich da jemand drückt und ausweicht vor den wirklichen Problemen. Aus den Erkenntnissen der Kriminologie wissen wir: Wenn man einen Abschreckungseffekt auf Täter erzielen will, hängt dieser Abschreckungseffekt hauptsächlich von zwei Faktoren ab. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Strafe auf die Tat folgt? – Das ist eine Frage der Aufklärungsquote. Wie schnell kommt die Strafe? – Das ist eine Frage, wie gut Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte organisiert sind. Wenn man merkt, dass man hier keine Verbesserung schafft, dann weicht man aus und ruft nach härteren Strafen. Das ist keine Lösung, so kann man nicht vorgehen.
Die Justizpolitik gehört nicht zu den Top Ten in der Hitparade der Politikfelder. Zur Zeit wird hier in dieser Stadt etwas anderes als besonders zukunftsträchtig gesehen – ich möchte gleich hin
zufügen: wahrscheinlich auch zu Recht –, ich nenne nur Stichworte wie Bildung, Wissenschaft und Sanierung des Haushalts. Aber die Justiz hat nicht nur in den letzten Jahren nicht oben auf der Prioritätenliste gestanden, im Gegenteil, sie wurde kontinuierlich vernachlässigt. Aber das rächt sich nach einiger Zeit bitter. Herr Diepgen, es wird höchste Zeit, setzen Sie dieser Vernachlässigung ein Ende!
Ich will den Befund mit Zahlen untermauern. In Berlin macht der Justizhaushalt 3 % des Gesamthaushalts aus. In Hamburg – das von Ihnen selbst wegen der Vergleichbarkeit als Großstadt bei der Berechnung von benötigten Haftkapazitäten so gern herangezogen wird – sind es 4 %. Das heißt, die Hamburger lassen sich ihre Justiz ein Drittel mehr kosten als die Berliner. In Bayern sind es sogar fast 5 %, also zwei Drittel mehr, obwohl es in ländlichen Gebieten weniger Kriminalität und weniger Streitaustragung vor Gericht gibt. Natürlich, das wissen wir auch, kann es nicht einfach darum gehen, mehr Personal einzustellen. Es geht vielmehr darum – das haben Sie schon selber angesprochen –, für eine ordentliche Ausstattung und ein modernes Management zu sorgen, damit die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinnvoll und effektiv arbeiten können. Ich will das an einigen Beispielen verdeutlichen.
Beispiel 1: mangelnde Computer. In Nordrhein-Westfalen wurde schon 1996 ein Konzept zur Vollausstattung der Justiz mit moderner Informationstechnik beschlossen. Was ist in Berlin? – In Berlin werden jedes Jahr je nach Haushaltslage ein paar Computer dazugekauft. Das ist kein Konzept. Hard- und Software sind manchmal schon bei Anschaffung veraltet und mit anderen Systemen in aller Regel inkompatibel. Was bedeutet das praktisch im Alltag? – Richter, die zu Hause private Computer zum Schreiben von Urteilen nutzen und dann ihr Urteil ins Gericht mitbringen, können nicht etwa die Diskette abgeben, damit es dort auf Gerichtspapier ausgedruckt wird. Nein, da muss einkopiert werden, abgeschrieben und mit Tippex hantiert wie vor 30 Jahren im Büro. Die Strafvollstreckungskammern am Landgericht haben nicht einmal ein Namensverzeichnis. Sie haben keinen Computer, können kein Namensverzeichnis führen. Wenn ein Richter wissen will, ob es zu einem eigenen Vorgang dort in der Strafvollstreckungskammer einen Parallelvorgang gibt, zum Beispiel, um herauszufinden, ob es schon ein Gutachten über einen Täter gibt, um vielleicht Kosten für ein zweites zu sparen, dann kann die Geschäftsstelle des Landgerichts das überhaupt nicht sagen. Man muss erst in der zentralen Namenskartei das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft herausfinden und dort nach dem Aktenzeichen der Strafvollstreckungskammer fragen. Aber wenn der Fall eintritt, bleibt nur zu hoffen, dass es nicht gerade 13.05 Uhr ist, denn nach 13 Uhr darf die Staatsanwaltschaft das Telefon nicht mehr abnehmen. Wenn man sich nun, wenn es 13.05 Uhr ist und das Telefon nicht mehr geht, auf den weiten Weg ans andere Ende des Kriminalgerichts macht, um persönlich nachzufragen, dann kann es aber sein, dass die Akte gerade in einem riesigen Berg auf ihre Bearbeitung wartet. Dann muss man vielleicht ein paar Tage warten – nur, um erst einmal das Aktenzeichen herauszufinden. Dass das nicht effektiv ist, liegt auf der Hand.
Es stimmt zwar, dass in einzelnen kleineren Teilbereichen Fortschritte erzielt wurden – ich nenne ausdrücklich Handelsregister, Grundbuch, Konkursgericht und Justizkasse –, aber in den Kernbereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit geht es kaum voran. Es erweckt auch einen völlig falschen Eindruck, wenn in der schriftlichen Antwort gesagt wird, für 2001 seien 3 Millionen DM Investitionsmittel mehr vorgesehen. Im zivilrechtlichen Bereich des Landgerichts sind zwar tatsächlich 1,3 Millionen DM mehr vorgesehen, gleichzeitig aber werden die Mittel für die Automation der Amtsgerichte um 1,6 Millionen DM zurückgefahren. Das ist wie die Echternacher Springprozession – hier ein Schritt vor und schon wieder einer zurück. Und das, obwohl in der Antwort dargelegt wird, dass durch die Gesetzesänderungen eine Aufgabenverlagerung zu den Amtsgerichten stattgefunden hat. Vor dem Hintergrund ist nicht einzusehen, warum gerade die Amtsgerichte und insbesondere das Amtsgericht Tiergarten erneut besonders stiefväterlich behandelt werden. Dabei würde mehr
(A) (C)
(B) (D)
Informationstechnik letztendlich nichts kosten, sondern vielmehr einen Rationalisierungsgewinn von 26 % erwirtschaften, wie Berliner Erfahrungen zeigen. Warum also hier so zögerlich?
Ähnliches gilt für Faxgeräte. Mit besserer Ausstattung würden die Wachtmeister weniger Post auf ihrem Aktenwagen befördern und die Faxe auch nicht erst nach Tagen ankommen, was manchmal passiert. Ich will nur am Rande erwähnen: Von E-Mail wollen wir bei den Berliner Gerichten und Staatsanwaltschaften lieber gar nicht anfangen zu reden. Da ist Fehlanzeige und schwarzes Loch.
Es kommt auch ab und zu vor, dass alle Beteiligten an einem Strafverfahren – Richter, Staatsanwalt, Verteidiger, Urkundsbeamte – warten müssen, weil die Vorführung nicht gleich erfolgen kann, weil der Wachtmeisterdienst überlastet ist – eine Vergeudung von Ressourcen sondergleichen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft versuchen schon seit Jahren mit großem Einsatz, für den ihnen Dank und Respekt gebührt, die Mängel zu kompensieren und den Betrieb aufrechtzuerhalten. Aber auch der Willigste ist bei den realen Arbeitsbedingungen irgendwann frustriert und gibt auf. Herr Diepgen, Sie lassen mit Ihrer Konzeptlosigkeit und dem bloßen Verweis auf leere Kassen die Menschen, die in Gerichten und Staatsanwaltschaften arbeiten, im Stich. Das nehmen wir nicht hin!
Aber nicht nur im Innenleben der Justiz knirscht es seit langem bedenklich. Auch die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger merken es direkt. Die durchschnittlichen Verfahrensdauern haben sich von 1989 auf 1999 beim Amtsgericht in Zivilsachen, beim Landgericht in Zivilsachen, bei den Strafsachen am Amtsgericht um ein Viertel verlängert. Beim Verwaltungsgericht sind sie mehr um ein Drittel länger, und beim Landgericht haben sich die Strafsachen in der Dauer fast verdoppelt.
Und für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist es ebenfalls ein großes Problem, wenn sie Akteneinsicht benötigen. Sie können sie nicht sofort nehmen, weil die Akte irgendwo verschwunden ist und man mangels Computer gar nicht feststellen kann, wo sie eigentlich ist. Zeit ist Geld, und die bei Gericht benötigte Zeit geht schnell zu Lasten des rechtsuchenden Bürgers.
Herr Justizsenator Diepgen! Bei Übernahme des Justizressorts vor einem Jahr mussten Sie bekennen, erstmalig zur Kenntnis zu nehmen, in welch miserabler Verfassung sich die – überwiegend nicht vorhandene – EDV-Ausstattung der Justiz befindet. Es scheint ganz so, dass Ihre Vorgängerinnen im Amte des Justizsenators keinen guten Zugang zum Regierenden Bürgermeister hatten. Ob das jetzt wohl besser ist?
Herr Justizsenator Diepgen! Wir bitten Sie: Gehen Sie zum Regierenden Bürgermeister, mit anderen Worten: Gehen Sie in sich, und überzeugen Sie diesen und den gesamten Senat davon, dass sich bald etwas ändern muss.
Ich komme zum Schluss: Wir befürchten, dass die Selbstgespräche, die Sie als Justizsenator mit sich als Regierendem Bürgermeister führen müssen, noch weniger effektiv sind als die Bemühungen Ihrer Vorgänger. Berufen Sie deswegen eine eigene Justizsenatorin oder einen eigenen Justizsenator und setzen Sie gemeinsam bald wirksame strukturelle Verbesserung durch. Lassen Sie die schon ziemlich ausgezehrte Justiz nicht länger am ausgestreckten Arm verhungern! – Vielen Dank!
Herr Senator Kurth! Ich teile Ihre juristische Beurteilung, dass das jüngere Gesetz dem älteren vorgeht und sich deswegen niemand an die 5-%-Kürzung halten muss. Ich frage Sie dann aber: Warum hat der Senat mit dem Haushaltssanierungsgesetz ein Gesetz vorgeschlagen, das in der Wirkung nichts anderes darstellt als einen unverbindlichen Programmsatz, an den sich niemand halten muss? Ist es nicht politisch fast schon hinterhältig, ein Gesetz zu machen, das man einmal anwendet, einmal nicht? Wenn man mit den betroffenen Zuwendungsempfänger redet, zieht man sich auf das Gesetz zurück und sagt: Tut uns Leid, wir können nicht anders, es steht so im Gesetz. Und wenn es gerade einmal wieder an anderer Stelle nicht passt, sagt man: Ja, aber wir brauchen uns nicht daran zu halten. – Halten Sie das für eine angemessene politische Vorgehensweise?
Danke schön! – Ich habe eine Frage an Herrn Senator Stölzl. Ich sehe, dass er gerade nicht unter uns weilt. Könnte man ihn bitte herbeirufen?
Herr Senator Stölzl, ich freue mich zunächst einmal, dass Sie wieder da sind. Meine Frage: Drohen in Berlin weitere Studiengebühren? – Nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz in Meiningen gab es ja von den Koalitionsparteien unterschiedliche Äußerungen. Die CDU hat sich sofort für so genannte Langzeitstudiengebühren ausgesprochen.
Die SPD ist dem entgegengetreten. Nun sind die Studenten wieder beunruhigt, gestern war die große Demonstration.
Deswegen meine Frage: Was ist Ihre persönliche Meinung zu dieser Sache, und werden Sie im Laufe dieser Legislaturperiode noch uns einen Gesetzänderungsantrag vorlegen? Treffen solche Befürchtungen zu – ja oder nein?
Ich möchte das ja gerne rational sehen. Deswegen möchte ich nachfragen: Wie beurteilen Sie denn die Gründe und Hintergründe für die langen Studienzeiten? – Die Hintergründe sind doch folgende:
Die Studierenden müssen alle jobben, weil sie für ihren Lebensunterhalt sonst nicht aufkommen können. Sie müssen Kinder betreuen, – –
Ich frage ja, wie der Herr Senator diese Hintergründe beurteilt. – Die Ausbildung ist teilweise schlecht, die Hörsäle sind überfüllt, die Seminare auch; daran ändert sich durch die Studiengebühren nichts. Es wird nichts verbessert, es wird nur verschlimmert. Die Leute müssen noch mehr jobben und brauchen noch länger. Wieso können Sie daran etwas Positives erkennen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen das Berliner Krankenhausgesetz ändern. Dabei geht es jedoch nicht primär um Gesundheitspolitik, sondern um etwas, was bei Einteilung in die klassischen Politikfelder am ehesten noch zur Familienpolitik zählen würde, was wir – moderner ausgedrückt – als Lebensweisenpolitik verstehen. Das Berliner Krankenhausgesetz stammt von 1974. Das war eine Zeit, in der der Gesetzgeber noch davon ausging, dass Paare, bevor sie zusammenleben, erst heiraten. Wir alle wissen, dass die Realität anders ist. Ich füge hinzu, Gott sei Dank besteht Berlin nicht aus einer geschlossenen Gesellschaft von Normalbürgern. Berlin ist offen und tolerant für vielfältige Lebensstile und Wertvorstellungen. Das begrüßen wir.
Es reicht aber nicht, wenn Politiker in Sonntagsreden die Offenheit und Toleranz unserer Stadt loben und anpreisen. Wir fordern, dass die verschiedenen Lebensentwürfe auch vom Gesetz anerkannt werden. Kein Mensch darf wegen seiner Lebensweise diskriminiert werden.
Werfen wir einen kurzen Blick in die Statistik. In Berlin stieg die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften von 110 000 im Jahr 1995 auf 125 000 im Jahr 1998, wobei das Statistische Jahrbuch wohl nur heterosexuelle nichteheliche Lebensgemeinschaften erfasst. Dieser deutliche Trend gilt aber nicht nur bei uns in der Großstadt. In Brandenburg – wir wollen auch einmal über den Tellerrand schauen – stieg die Zahl noch stärker an, von 76 500 in 1996 auf 96 200 in 1999. Was steckt hinter diesen trockenen Zahlen? – In Lebensgemeinschaften übernehmen Menschen füreinander Verantwortung. Sie stehen füreinander ein und sind oft die ersten Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte des anderen. Was geschieht nun, wenn jemand einen Autounfall hat und nicht mehr in der Lage ist, im Krankenhaus anzugeben, wem über den Gesundheitszustand Auskunft erteilt werden darf? Soll das Krankenhauspersonal sagen: „Pech gehabt! Wir dürfen nichts sagen.“? Für uns alle ist es selbstverständlich: Wenn Menschen in Partnerschaften zusammenleben, sollen sie in solchen Notfällen auch Auskunft erhalten dürfen. Diese menschliche Selbstverständlichkeit fehlt bislang im Gesetz. Deshalb muss sie dort hinein!
Wir wollen dabei auch klarstellen, dass dies nicht nur für Heteros und Heteras, sondern auch für Lesben und Schwule gilt, die in einer Lebensgemeinschaft Verantwortung füreinander übernehmen. Diese sind bisher doppelt diskriminiert. Zum einen können sie gar nicht heiraten, selbst wenn sie es wollten. Zum anderen kommt es auch heute noch vor, das zwei Männer oder zwei Frauen, die sich lieben, auf Unverständnis und Ablehnung stoßen. Gerade in Notfällen, am Krankenbett, trifft so etwas besonders hart. Was das erste angeht, die fehlende Möglichkeit für Lesben und Schwule, ihre Partnerschaft mit Rechten und Pflichten auszustatten, wie es verschiedengeschlechtliche Paare durch Heirat tun können, wird die rot-grüne Bundesregierung bald einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, der diese schlimme Diskriminierung endlich beseitigt. Für den zweiten Punkt, die immer noch möglichen kleinen Diskriminierungen im Alltag, brauchen wir ein Antidiskriminierungsgesetz auch auf Landesebene. Dieses fordern wir schon lange. Angeblich arbeitet der Senat daran. Berlins Lesben und Schwule warten und warten. Für eine besonders schwierige Lebenslage, die Notfallaufnahme im Krankenhaus, wollen wir hier vorweg Abhilfe schaffen und das Auskunftsrecht im Krankenhaus im Gesetz klarstellen.
In Kürze, am 24. Juni, findet in Berlin wieder die alljährliche Demonstration zum Christopher-Street-Day statt. Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle weisen dabei mit berechtigtem Stolz auf die bisherigen Fortschritte ihrer Emanzipation hin und kämpfen für ihre vollständige Gleichstellung. Wir unterstützen diesen Kampf aus voller Überzeugung. Aber auch von der konservativen Seite dieses Hauses erwarten wir zumindest, dass sie die Sorgen und Nöte der Menschen in Berlin – wie sie nun einmal sind – ernst nimmt. Stimmen Sie dem Auskunftsrecht im Krankenhaus für lesbische und schwule Paare zu!
Zum Schluss möchte ich noch eine Anmerkung anbringen. Mit dem Gesetzesantrag soll keineswegs gesagt werden, dass in Berlin tätige Ärztinnen und Ärzte und Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger kein Verständnis für die Lebensrealität der Berlinerinnen und Berliner hätten. Im Gegenteil! In der Praxis sind die Probleme zum Glück nicht ganz so häufig. Das Personal in den Berliner Krankenhäusern ist überwiegend verständnisvoll und weiß natürlich schon jetzt, mit unverheirateten Paaren umzugehen. In Einzelfällen gibt es aber doch hin und wieder Schwierigkeiten. Vor allem werden die Auskünfte an unverheiratete Partnerinnen und Partner am Rande der Legalität erteilt. Hier sollten wir die Menschen, die in unseren Krankenhäusern arbeiten, nicht allein lassen und für Rechtssicherheit sorgen.
In der Berliner Verfassung wird die Ehe geschützt, aber unsere Verfassung schreibt auch vor, dass andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften nicht diskriminiert werden dürfen. Setzen wir dies um! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gesetzesvorlage zur Hochschulzulassung hat zwei Teile. Zum einen wird dem neuen ZVS-Staatsvertrag zugestimmt. Egal, ob uns die neuen ZVS-Regeln gefallen oder nicht, Berlin wird kaum als einziges Bundesland aus der ZVS aussteigen können. Deswegen will ich mich heute hierüber nicht verbreiten.
Der Senat hat diesem einen Teil jedoch in seiner Vorlage quasi Huckepack eine Neuregelung des so genannten „lokalen NC“ angefügt, d. h. eine Regelung über die Vergabe der Studienplätze, die von den Berliner Hochschulen selbst vergeben werden. Hier waren ohne Not – und man muss fast sagen: an versteckter Stelle – gravierende Änderungen vorgesehen, und zwar am gewichtigsten darunter wohl die breite Einführung von Auswahlgesprächen. Bisher wurden die Plätze im Verhältnis 60 : 40 nach Abiturnote und nach Wartezeit verteilt. Auswahlgespräche waren zwar theoretisch in geringem Umfang möglich, spielten aber praktisch keine Rolle. Nunmehr sollten bis zu 50 % der Studienplätze nach Auswahlgespräch vergeben werden.
Das Ganze erfolgte klammheimlich – ohne breite Diskussion und ohne Anhörung der Beteiligten. Das ist ein starkes Stück. Unsere Vorstellung von Demokratie ist hier eine andere.
Wir haben deswegen Studierendenvertreter, Lehrerverbände, Presse und andere informiert. Das Erstaunen ob solch eines unqualifizierten Vorschlags war groß. Die Anhörung im Wissenschaftsausschuss ergab denn auch, dass die Hochschulen gar nicht die Kapazitäten für eine solch breite Einführung von Auswahlgesprächen freihaben. Vor allem aber wurde klar, dass nach dem Ergebnis der psychologischen Forschung Auswahlgespräche kein geeignetes Mittel zur Feststellung der Studieneignung sind – das Abitur hingegen noch weit eher. Uns hat das nicht überrascht. Wir sehen unsere ablehnende Haltung gegen Auswahlgespräche bestätigt.
Ein Kompliment muss ich der Koalition an dieser Stelle aber machen: Sie war sich nicht zu schade, dem Änderungsvorschlag der Opposition, nicht 50 %, sondern nur maximal 20 % der Studienplätze nach Auswahlgesprächen zu vergeben, zu folgen. Das ist gut für die Sache, und es ist gut für die demokratische Kultur, wenn sich die Opposition mit guten Argumenten durchsetzt. Das sollte viel öfter passieren.
Nein! Ich meine, dass den guten Argumenten gefolgt wird.
Dann haben Sie nicht zugehört! Dazu besteht aber jetzt gleich noch einmal die Gelegenheit.
Wir haben im Ausschussverfahren auch auf weitere Mängel der Vorlage hingewiesen – bisher erfolglos. Zu den zwei wichtigsten Punkten legen wir jetzt nochmals Änderungsanträge vor.
Der eine Änderungsantrag betrifft die Frage, wer zu den Auswahlgesprächen eingeladen wird. Auswahlgespräche können überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn sie eine dritte, eigene Auswahlkategorie neben Abiturnote und Wartezeit bilden. Es gibt immer wieder Abiturientinnen und Abiturienten, die eine spezifische Begabung für ein bestimmtes Fach, aber kein gutes Abitur haben. Hier können Auswahlgespräche als Korrektiv sinnvoll sein. Die Gesetzesvorlage sieht aber vor, dass zum Auswahlgespräch diejenigen mit den besten Abiturnoten eingeladen werden. Das ist nun wirklich sinnlos, da kann man es auch gleich sein lassen. Das lehnen wir ab.
Erst müssen die Plätze vergeben werden, die nach Abiturnoten und Wartezeit zu vergeben sind, und das Auswahlgespräch soll dann eine Chance sein für die, die zunächst nicht zum Zuge kommen konnten. Dann wäre das begrüßenswert, und diese Reihenfolge schlagen wir vor.
(A) (C)
(B) (D)
Bei unserem anderen Änderungsantrag geht es um die Frage, in welchen Fächern überhaupt Zulassungsbeschränkungen eingeführt werden. Bisher geht das nur, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Semestern mindestens 10 % mehr Studierende im ersten Semester anfangen, als Studienplätze vorhanden sind. Das ist ein klares Kriterium. Künftig hingegen soll es ausreichen, wenn die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden nicht mehr gewährleistet ist. Das ist nun wirklich Wischiwaschi. Das ist ein Einfallstor für immer noch mehr NC und führt zu noch mehr Prozessen vor den Verwaltungsgerichten, mit denen sich Studierwillige einklagen. Das lehnen wir ab. Wir fordern die Beibehaltung der bisherigen klaren Regelung.
Meine Damen und Herren! Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu, mit denen die schlimmsten verbliebenen Mängel der Vorlage repariert werden. Dann können auch wir der Vorlage zustimmen. – Danke schön!
Danke schön! – Ich begrüße zunächst für meine Fraktion, dass die Anstrengungen primär in den offenen Vollzug und nicht mehr so sehr in einen Neubau für den geschlossenen Vollzug gesteckt werden, zumal im offenen Vollzug ein großer Bedarf vorhanden ist, denn die Leute sind viel zu lange im geschlossenen Vollzug, da nicht genug Plätze im offenen Vollzug vorhanden sind.
Man kann auch die Bürgerinnen und Bürger in Spandau aufklären kann, dass der offene Vollzug keine besonderen Gefahren mit sich bringt, da die Leute am Tage immer ihrer Arbeit nachgehen.
Die Lage der Anstalt ganz am Rande Berlins führt aber dazu, dass die Gefangenen im offenen Vollzug, die regelmäßig arbeiten sollen, im Prinzip quer durch Berlin fahren müssen. Ist der Standort hinsichtlich der Fahrwege für Leute, die nach dem Zufallsprinzip irgendwo eine Arbeit gefunden haben, nicht eher ungeeignet? Welche Alternativstandorte hat man in Erwägung gezogen, überprüft und aus welchen Überlegungen abgelehnt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der derzeitigen Auseinandersetzung geht es wohl nicht nur um die Frage einer Bundesratsinitiative, wie es der PDSAntrag vorsieht. Dahinter steckt vielmehr die grundsätzliche Frage: Studiengebühren, ja oder nein? Die etwas hochgehenden Wogen zu so später Stunde haben dies gezeigt. Wir von den Bündnisgrünen haben hierzu einen Antrag vorgelegt, der die Verunsicherung, die die große Koalition durch Überlegungen während ihrer Koalitionsverhandlungen hervorgerufen hat, beseitigen würde, und zwar zu Gunsten eines eindeutigen und klaren Nein. Da dieser Antrag noch durch den Hauptausschuss muss, ist er heute nicht zusammen mit dem PDS-Antrag auf der Tagesordnung, obwohl er weitergehender und detaillierter ist.
In den Beratungen über diesen Antrag bekamen wir immer wieder zu hören, im Prinzip seien SPD und CDU gegen Studiengebühren in der Erstausbildung, aber man wolle sich noch nicht über die Details festlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, warum so verzagt? Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Ihrer Bundesbildungsministerin Bulmahn, die für ein klares Verbot kämpft! Sie hier in Berlin eiern hingegen herum und drücken sich um einen klaren Beschluss. Damit fallen Sie Ihrer Bundesbildungsministerin in den Rücken. Sie sollten sie lieber durch ein klares Nein unterstützen!
Als ich im Wissenschaftsausschuss im Einzelnen dargelegt habe, dass Studiengebühren keine Vorteile bringen, aber gewaltige soziale Nachteile, wurde mir von der CDU vorgehalten, ich hätte ideologische Scheuklappen. Hören Sie doch einmal auf den Ring Christlich-Demokratischer Studenten! Herr Landowsky ist immer so stolz auf die Jungen in den eigenen Reihen.
Ich weiß nicht, ob er auch den RCDS dazu zählt. Der RCDS-Vorstand hat gerade jetzt wieder Gebührenpläne zurückgewiesen. Er hat gesagt: „Studiengebührenfreiheit ist ein hohes Gut.“ Recht hat er, meine Damen und Herren.
Die CDU-Gleichung lautet folglich, wer aus wohl erwogenen Gründen Studiengebühren ablehnt, hat ideologische Scheuklappen – der RCDS ist gegen Studiengebühren, also hat muss wohl der RCDS ideologische Scheuklappen haben. Auf diese Schlussfolgerung kommen wir gerne bei Gelegenheit noch einmal zurück. Selbst die härteste Verfechterin von Studiengebühren, die Hochschulrektorenkonferenz, macht für die Einführung von Gebühren zwei Bedingungen, erstens: nur, wenn das Geld in voller Höhe ohne Kürzung in anderen Bereichen bei den Hochschulen verbleibt. In Anbetracht von allein im Wissenschaftshaushalt dieses Jahres noch fehlenden 33 Milliarden DM ist völlig klar, dass jede DM Studiengebühren den Hochschulen sofort wieder an staatlichen Mitteln gekürzt würde. Studiengebühren wären daher nur ein Sonderopfer der Studierenden zur Sanierung des Landeshaushalts. – Ich vermute, wenn Frau Grütters eben von diesen Hard-facts der Haushaltspolitiker sprach, hat sie wohl das gemeint. – Wer etwas anderes sagt, der ist entweder ein Fantast oder ein Lügner.
Die Hochschulrektorenkonferenz hat zweitens gesagt, dass sich die Gesamtbelastung aus individuellen Studienkosten, Lebenshaltungskosten und Gebühren für Empfänger von Ausbildungsförderung nicht erhöhen dürfe, sondern sinken müsse, also nicht nur nicht gleich bleiben sollte, sondern sogar sinken. Sonst würde die soziale Barriere beim Zugang zum Studium verschärft. Wir haben aber schon jetzt eine bei weitem viel zu geringe Ausbildungsfinanzierung. Wie dieses Problem gelöst werden soll, das sagen auch die Anhänger von Studiengebühren nicht.
Es bleibt deswegen dabei, Studiengebühren sind unsozial. Deshalb sagen wir weiterhin: Nein zu Studiengebühren!
Meine Frage geht an den Regierenden Bürgermeister als Senatsverwaltung für Justiz. Ich habe dem „Tagesspiegel“ vom 19. Februar 2000 entnommen, dass Sie die gestiegene Zahl der beschleunigten Verfahren bei dem Amtsgericht Tiergarten begrüßen und sich für eine weitere Zunahme einsetzen möchten. Meine Frage lautet nun: Trifft es zu – wie dort berichtet wurde –, dass Sie sich insbesondere für eine Zunahme der beschleunigten Verfahren bei der Jugendkriminalität einsetzen wollen, und wie möchten Sie das vor dem Hintergrund der Regelung in § 79 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz erreichen?
(A) (C)
(B) (D)
Ihr Bemühen in allen Ehren, Herr Regierender Bürgermeister, aber es geht um ein Gesetz,
wonach das beschleunigte Verfahren für Jugendliche unzulässig ist. Deshalb noch einmal meine Nachfrage: Wie wollen Sie eine Erhöhung der Zahl dieser beschleunigten Verfahren für Jugendliche erreichen, wenn es im Gesetz verboten ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator Werthebach ist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Da hat sich das Abgeordnetenhaus in der vorletzten und in der letzten Legislaturperiode – wir haben nämlich schon in der vorletzten damit angefangen – auf Antrag der Bündnisgrünen mit der Zuständigkeitsverlagerung vom Innen- zum Wissenschaftsressort befasst. Wir haben Für und Wider abgewogen, die Argumente haben sowohl im Innen- als auch im Wissenschaftsausschuss überzeugt, es wurde ein Kompromiss gefunden, und schließlich wurde am 9. September 1999 die Verlagerung hier im Plenum beschlossen.
Nun sagt Herr Werthebach lapidar, es habe Neuwahlen gegeben, und er halte sich nicht mehr an den Beschluss. Das ist für mich eine sehr merkwürdige Vorstellung von Demokratie.
Dass Ihnen, Herr Werthebach, die Entscheidung aus der Sicht Ihres Ressorts nicht passt, erstaunt nicht. Was aber erstaunt, ist Ihre Begründung: Das Verweisen auf die Diskontinuität der
(A) (C)
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parlamentarischen Vorgänge. Ich dachte eigentlich, Sie seien Volljurist, und Sie sind auch für Verfassungsschutz zuständig. Wir wissen alle: Was vom Parlament nicht zu einem Beschluss gebracht wird, was in den Ausschüssen versickert, ist gegenstandslos; aber das, was vom Plenum beschlossen wird, gilt.
Herr Senator, wenn das nicht so wäre, könnten Sie in Berlin keine Strafverfolgung durchführen; das Strafgesetzbuch ist von 1871, und es gilt trotzdem noch.
Der Verweis auf die Diskontinuität geht also fehl. Sie machen es sich viel zu einfach, wenn Sie so versuchen, sich über Parlamentsbeschlüsse hinwegzusetzen. Sie missachten das Parlament. Das ist unerhört.
Aber Sie sind hier nicht Einzeltäter. Sie haben zwar die überwiegende Tatherrschaft, es gibt aber auch Mittäter, nämlich von der SPD. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Wenn Sie zulassen und mitmachen, dass eine Koalitionsvereinbarung über einem Parlamentsbeschluss steht – wie Herr Werthebach in seiner Antwort auf die Anfrage des Kollegen Hoff ausgeführt hat –, nehmen Sie sich selbst als Abgeordnete nicht mehr ernst. Vor der Abgeordnetenhauswahl stimmten Sie einem Antrag zu, nach der Wahl soll das nun klammheimlich nicht mehr gelten. Da kommt die Frage auf: War Ihre Zustimmung etwa nur Wahlkampftaktik? – Das wäre sehr enttäuschend. Aber Sie können das Gegenteil in der weiteren Antragsberatung noch beweisen.
Natürlich darf man seine Meinung ändern, wenn es neue Gesichtspunkte gibt. Aber solche trägt Herr Werthebach nicht vor. Unsere damaligen Gründe gelten vielmehr unverändert. Wir wollen, dass aus der „Beamtenfachschule“ eine richtige, moderne Hochschule wird, die in ihren Organisationsformen den gesellschaftlichen Wandel aufgreift und, wie es auch alle gutachtlichen Stellungnahmen ergeben, viel besser zum Zukunftsstandort Berlin passt. Herr Werthebach will hier den Rückwärtsgang einlegen, da machen wir nicht mit!
Wir werden deswegen die hier im Parlament im September letzten Jahres beschlossene Zuständigkeitsverlagerung weiterhin einfordern. – Vielen Dank!