Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 17. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, die Damen und Herren Kollegen, Senatoren, sonstige Mitarbeiter und natürlich auch unsere Gäste auf den Tribünen sehr herzlich.

Bevor wir in die wirklich wichtigen Dinge einsteigen, komme ich zu dem Geschäftlichen:

1. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit bezüglich z u s ä t z l i c h e r A u s s c h u s s ü b e r w e i s u n g e n. In unserer Sitzung am 14. September hatten wir die Vo r l a g e – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung der Zuständigkeiten des Landeseinwohneramtes Berlin – D r u c k s a c h e 14/595 – zur Beratung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Verwaltungsreform überwiesen. Die Fraktion der CDU beantragt – dies hatten wir am Dienstag im Ältestenrat besprochen – auch die Überweisung an den Hauptausschuss. Wenn ich keinen Widerspruch höre, dann ist das so beschlossen.

Weiterhin bittet die Fraktion der CDU darum, dass der A n t r a g der Fraktion der PDS über sozial verträgliche Einbürgerungsgebühren für Kinder, die nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz eingebürgert werden können – D r u c k s a c h e 14/522 –, der in der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses vertagt worden ist, nunmehr auch an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration überwiesen wird. Wenn das einvernehmlich ist – –

[Frau Merkel (SPD): Nein!]

Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dieser Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration auf Antrag der Fraktion der CDU zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

2. Am Montag sind vier A n t r ä g e auf Durchführung einer A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Ein Trumptower für Berlin – Startschuss für die städtebauliche Weiterentwicklung der Berliner City“,

2. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Strukturveränderungen in der Berliner Kulturlandschaft – Einsichten und Erkenntnisse“,

3. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Bühnenstrukturreform – Pro und Kontra“,

4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Theaterdonner in Berlin – Das Bühnenstrukturreformpapier des Berliner Senats auf dem Prüfstand“.

Im Ältestenrat haben wir uns einvernehmlich darauf verständigt, heute eine Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema „Strukturveränderungen in der Berliner Kulturlandschaft – Einsichten und Erkenntnisse“ durchzuführen. Diese Aktuelle Stunde werde ich dann – wie immer – unter dem Tagesordnungspunkt 1 A aufrufen.

3. Folgende M i t g l i e d e r d e s S e n a t s haben sich für die A b w e s e n h e i t w ä h r e n d u n s e r e r S i t z u n g entschuldigt: Der Herr Regierende Bürgermeister ist ganztägig abwesend wegen der Jahresministerpräsidentenkonferenz. Herr Senator Strieder ist ebenfalls ganztägig abwesend wegen der Vorsitzführung der Umweltministerkonferenz in Berlin. Herr Senator Werthebach kommt aller Voraussicht nach um 15.00

Uhr, weil er – wie Sie alle den Gazetten entnommen haben – bis dahin auf der Sonderinnenministerkonferenz in Düsseldorf ist. Frau Senatorin Schöttler kommt aller Voraussicht nach um 18.00 Uhr. Sie ist bis dahin auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Kiel. Herr Bürgermeister und Senator Böger wird die Sitzung um ca. 19.00 Uhr verlassen müssen, um anlässlich der Generalversammlung des Deutschen Musikrates in Berlin die Gäste begrüßen zu können.

Vor Eintritt in die Tagesordnung haben sich die Fraktionen auf eine Entschließung verständigt, die Ihnen vorliegt, die ich gleichwohl zu Gehör bringen möchte:

Drucksache 13/753:

Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS und der Fraktion der Grünen auf Annahme einer Entschließung über Wir stehen auf – für Menschlichkeit und Toleranz

Das Abgeordnetenhaus unterstützt die Demonstration am 9. November 2000 in Berlin „Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz“ und den von vielen gesellschaftlich relevanten Gruppen getragenen Aufruf:

Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz.

Wir stehen ein für ein menschliches, weltoffenes und tolerantes Deutschland, für das friedliche Zusammenleben aller Menschen in diesem Land, ungeachtet ihrer Weltanschauung, Religion, Kultur oder Hautfarbe.

Wir verurteilen Hass, Gewalt, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Wir dulden keinen Antisemitismus, keine Schändung von Friedhöfen, religiösen oder kulturellen Einrichtungen, keine feigen Übergriffe auf Menschen in unserem Land.

Wir stehen zusammen gegen das Wegschauen und die Gleichgültigkeit.

Wir wollen ein Land, in dem kein Mensch Angst haben muss vor Verfolgung und Gewalt.

Wir sind nicht allein. Unsere stärksten Waffen sind Mut zur Zivilcourage und Entschlossenheit. Auf uns, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, kommt es an.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wir stehen zu den Grundwerten unserer Demokratie. Der 9. November als Datum deutscher Geschichte im Guten wie im Bösen verpflichtet uns alle, die Demokratie stets aufs Neue zu verteidigen. Lassen Sie uns am 9. November ein Zeichen setzen mit einer großen Demonstration.

Von der deutschen Hauptstadt muss an diesem Tag ein Signal ausgehen. Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner auf: Nehmen Sie teil an der Demonstration am 9. November für Menschlichkeit und Toleranz!

Es folgen die Unterschriften: Landowsky und die anderen Mitglieder der Fraktion der CDU, Wowereit und die anderen Mitglieder der Fraktion der SPD, Frau Freundl und Herr Wolf und die anderen Mitglieder der Fraktion der PDS sowie Frau Klotz und Herr Wieland und die anderen Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – So weit der Antrag für diese Entschließung, Drucksache 14/753.

Die Fraktionen haben vereinbart, dass darüber sofort abgestimmt werden kann. Wer dieser Entschließung seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so angenommen. Wir dürfen wohl unserer Erwartung Ausdruck geben, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger, möglichst viele Berlinerinnen und Berliner diesem so einvernehmlich beschlossenen Antrag auch folgen mögen. Ich danke Ihnen!

[Allgemeiner Beifall]

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Momper

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Ich erteile dem Kollegen Wansner von der CDU-Fraktion das Wort zu einer Mündlichen Anfrage über

geplante hundertprozentige Privatisierung der Bundesdruckerei

Vielen Dank! – Ich begrüße Gäste der Bundesdruckerei hier im Saal. – Ich frage den Senat:

1. Treffen Pressemeldungen zu, nach denen die Bundesdruckerei nun endgültig zu 100 % privatisiert werden soll?

2. Wie wertet der Senat die Aussagen des Haushaltssprechers der CDU-Bundestagsfraktion, dass die Verhandlungen zur 100-prozentigen Privatisierung der Bundesdruckerei durch die Bundesregierung unter einem künstlichen Zeitdruck erfolgen und einem mit Steuergeldern aufgebauten Hochtechnologiekonzern unter Verlust von Arbeitsplätzen jetzt die Zerschlagung droht?

Ich vermute, dass Senator Branoner das beantwortet. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Wansner! Zu Frage 1: Die Privatisierung der Bundesdruckerei wird vom Bundesfinanzministerium betrieben. Obwohl von uns immer wieder gefordert, räumt das Bundesministerium dem Land Berlin – als wichtigstem Standort der Bundesdruckerei – leider kein Mitspracherecht ein. Der Betriebsrat der Bundesdruckerei als GmbH hat mir und dem Regierenden Bürgermeister in einem Schreiben von gestern jedoch bestätigt, dass das vom Bundesministerium für Finanzen betriebene Auswahlverfahren die Entscheidungsphase erreicht hat. Insofern rechne ich damit, dass die vollständige Privatisierung der Bundesdruckerei tatsächlich unmittelbar bevorsteht.

Zu Ihrer zweiten Frage: Das Land Berlin – die Senatskanzlei und die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie – hat die Privatisierungspolitik des Bundes im Fall der Bundesdruckerei mit großer Aufmerksamkeit und besonders mit großer Sorge verfolgt. Bereits im April 2000 habe ich mich deswegen nach einem Gespräch mit Mitgliedern des Betriebsrats an die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestags gewandt, um deren Sensibilität für die Sicherung der Arbeitsplätze und des Standorts zu wecken. Dabei war es nie mein Ziel – es ist auch nicht das Ziel des Landes Berlin –, die Privatisierung per se zu verhindern. Aber die Interessen des Standorts Berlin dürfen nicht außen vor bleiben. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Institution mit langfristigen Zukunftsperspektiven für die Beschäftigten und den Standort. Dazu muss die Bundesdruckerei als Gesamtunternehmen erhalten bleiben und darf auch nur einem Bieter, der sich hierzu und zum Standort Berlin bekennt, veräußert werden.

[Beifall des Abg. Liebich (PDS)]

Leider gibt es Hinweise, wonach seitens des Bundesministeriums für Finanzen nun auch Gebote für Unternehmensteile entgegengenommen werden. Dies würde eine Zerschlagung der wichtigen Institution Bundesdruckerei mit derzeit nicht absehbaren Folgen für den Standort Berlin bedeuten. Der Regierende Bürgermeister hat gestern sowohl in einem Gespräch mit dem Betriebsrat als auch in einem Schreiben an den Bundeskanzler eindringlich gefordert, den Zuschlag nur Bietern zu erteilen, die das Unternehmen in seiner Gesamtheit weiterführen.

Dies hat einen ganz praktischen Hintergrund. Die Bundesdruckerei produziert nicht nur Dinge, die im Sicherheitsbereich eine hohe Bedeutung haben, sondern sie ist aktiver Auftrag

geber und Kooperationspartner für das Auffinden von technisch innovativen Lösungen. Die Bundesdruckerei ist schon sehr viel weiter als hinlänglich bekannt auf dem Weg in die Digitalisierung hinsichtlich der Erstellung und Sicherung ihrer Produkte. Damit setzt sie Maßstäbe im internationalen Vergleich. Dieses technische Know-how und das Innovationspotential muss am Standort Berlin gesichert werden.

Vor wenigen Minuten hat sich ein Protestzug der Bundesdruckerei in Bewegung gesetzt, um zum Kanzleramt zu marschieren und dort gegen die befürchtete Zerschlagung des Bundesunternehmens zu demonstrieren. Diese Aktion hat meine Unterstützung. Das hat sie sicher auch fraktionsübergreifend.

Ich werde mich erneut an die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestags und an den Bundesfinanzminister wenden und mich noch einmal für die Verantwortung zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Standorts Berlin im Kreuzberg einsetzen. Kurzfristige fiskalpolitische Interessen des Bundes dürfen nicht die offenkundigen arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Folgen einer drohenden Fehlentscheidung rechtfertigen.

[Wieland (Grüne): Herr Branoner, bei jeder Privatisierung spielt das eine Rolle!]

Herr Wieland, ich fordere Sie auf, Ihre Kontakte, die Sie auf Grund der Beteiligung Ihrer Partei an der Bundesregierung sicher haben, zum Werben um mehr Einsicht zu nutzen.