Protokoll der Sitzung vom 30.11.2000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Morgenpost“ hat vor einer Woche einen wunderbaren Artikel herausgebracht unter der Überschrift: Wissenschaftspolitik kommt bei der Koalition nur in Sonntagsreden vor. – Hier haben wir den klassischen Fall einer Sonntagsrede gehört, aber eine aktuelle Stunde war es nicht! [Beifall bei der PDS und den Grünen]

Andererseits freue ich mich immer, wenn ich als Wissenschaftspolitiker über das entscheidende Zukunftsfeld dieser Stadt reden kann. Insofern möchte ich hier einmal einigen Irrtümern, die bei der Kollegin Grütters über die Wissenschaftspolitik der PDS aufgetaucht sind, ein bisschen aufräumen. Wenn Sie, im Gegensatz zur Ausschusssitzung, regelmäßig hier sein würden und jetzt auch hier sitzenbleiben, Frau Grütters, dann hören Sie ein bisschen über PDS-Positionen, und dann müssen Sie Ihre Argumentation einmal ein wenig umstellen.

Der Titel dieser Aktuellen Stunde ist so nichtssagend wie irgendwas. Zukunft Wissenschaft – was kann man sich darunter eigentlich vorstellen? Als ich den Senator fragte: Wissen Sie eigentlich, was sich die CDU unter der Großen Anfrage vorgestellt hat?, sagte er: Ich habe die nicht eingebracht, ich weiß nicht richtig, was die dazu erzählen wollen. – Nun haben wir es gehört: Was Zukunftsfähiges zu Wissenschaft in dieser Stadt, vielleicht ein paar Perspektiven, wie man diese Stadt fit macht für den Weg in eine wissensbasierte Gesellschaft oder zumindest, wie man die aktuellen Probleme dieser Stadt lösen könnte, haben wir nicht gehört. Der O-Ton war: Wir sind gut und wollen noch mehr. Wieder neue Projekte und ein bisschen SPD

Beschimpfung, das ist das, was die CDU hier in der Aktuellen Stunde vorgelegt hat, aber ein Konzept, wie eine große Koalition in dieser Stadt Wissenschaftspolitik machen will, haben Sie nicht dargestellt, und das ist auch klar, denn die entscheidenden Fragestellungen der Wissenschaftspolitik dieser Stadt sind in der Schwebe. Das Wissenschaftsratsgutachten zur Struktur der Berliner Hochschulen wird bearbeitet, die Ergebnisse liegen Anfang 2001 vor. Die Hochschulverträge sind noch nicht zu Ende verhandelt, im Frühjahr 2001 kommt der Bericht in den Ausschuss. Die Berliner Hochschulgesetz-Eckpunkte sind gerade erst vorgestellt worden, ohne das Parlament vorher zu informieren, obwohl das zumindest einmal versprochen worden war, kein besonders guter Stil für eine Gesetzesnovelle, aber immerhin; vielleicht hört man heute etwas davon.

Hochschulmedizin: Da kommen die Berichte auch erst im Frühjahr. Der Fachhochschulausbau stagniert, dazu sage ich noch etwas, und über die Kunsthochschulen redet bedauerlicherweise sowieso so gut wie keiner mehr. Das heißt also, eine Botschaft war in dieser Aktuellen Stunde nicht zu erwarten, und aus diesem Grunde hören Sie jetzt vier Punkte von mir, die aus der Sicht der PDS-Fraktion die entscheidenden Punkte der Wissenschaftspolitik dieser Stadt sind.

Da ist an erster Stelle mit einem Irrtum aufzuräumen. Seit Beginn dieser Legislaturperiode wird zu absolutem Recht sehr intensiv über die Kulturpolitik dieser Stadt diskutiert. Dort gibt es drängende Probleme, die gelöst werden müssen. Es gibt einen riesigen Problembedarf, und die Lösung dieser Probleme wird mit schmerzhaften Einschnitten verbunden sein müssen. Der Hochschulbereich kann dort beispielgebend sein, denn dort haben seit 1990 schmerzhafte Einschnitte stattgefunden, dort wurden seit 1990 Strukturreformen gemacht, davon sind die Hochschulverträge in der Tat ein Teil. Aber diese schmerzhaften Einschnitte müssen auch mit Blick auf den Hochschulbereich im Kulturbereich vorgenommen werden. Da gibt es die Bereitschaft in diesem Haus, das zu tun, und das finden wir richtig.

[Beifall bei der PDS]

Aber man muss natürlich einen Sachverhalt ganz ernsthaft sehen: Die Hochschulverträge haben Planungssicherheit im Status der Unterfinanzierung geschaffen. Die Strukturprobleme sind mit den Hochschulverträgen noch nicht gelöst worden. Sie existieren weiter. Wir haben in der Berliner Wissenschaftsstadt ein Problem, ich will das an einem Beispiel einmal deutlich machen. In dieser Stadt ist es zurzeit nicht mehr möglich, unterhalb der professoralen Ebene Wissenschaft als Beruf zu betreiben. Wir haben im Kulturbereich zu Recht die Diskussion über die Tarifverträge und den Ausgleich von Tariferhöhungen. Das gleiche Problem steht auch für den Wissenschaftsbereich, und hier müssen sich die Abgeordneten aus Wissenschaft und Kultur gemeinsam beim Einzelplan 17 dafür einsetzen, dass Lösungen gefunden werden. Wir haben Probleme bei den Versorgungsleistungen. Da sind wir noch nicht über den Berg. Das muss gelöst werden, aber auch darüber redet so gut wie keiner mehr.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir haben die Situation, dass der akademische Mittelbau in dieser Stadt faktisch ein Torso ist. Wir haben halbe Stellen, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse, unzureichende Arbeitsbedingungen. 500 DM stehen für die Ausstattung einer akademischen Wissenschaftlerstelle pro Jahr zur Verfügung. Das muss man sich einmal überlegen, was das heißt. Da kauft man ein paar Kisten Papier, dann sind die 500 DM weg. In der Freien Universität ist es nicht unüblich, dass die Kollegen sich gegenseitig, wenn der andere Kollege nicht da ist, die Kopierkarten ausborgen, ohne dass der andere Kollege es weiß, um einmal nicht das eigene Kopierkonto zu belasten. Wir haben im akademischen Mittelbau unzureichende Arbeitsbedingungen. Und hier muss also über die Frage Wissenschaft als Beruf in dieser Stadt wieder geredet werden. Das tut die Koalition aber nicht, sondern sie baut Wolkenkuckucksheime, macht nicht den Ansatz, eine Lösung von Problemen in dieser Stadt im Bereich der Beschäftigungspolitik an den Hochschulen wahrzunehmen. Es reicht doch nicht aus, nur über gute Berufungen zu reden, sondern es geht darum, wie man den Lehr- und Forschungsbetrieb unter

halb der guten Berufungen machen kann, weil gute Forschungsund Wissenschaftsleistungen sich nur realisieren lassen, wenn auch die Ebene darunter anständig gesichert ist.

Nächster Punkt – Berliner Hochschulgesetz: Da sind, wie gesagt, die Eckpunkte vorgelegt worden. Mit Blick auf 2004, Herr Kollege Wowereit und liebe Kolleginnen der spärlich besetzten SPD-Fraktion, ist es doch ein riesiger strategischer Fehler, dass Sie jetzt anfangen wollen, in der Koalitionsvereinbarung auch festgeschrieben haben, das Berliner Hochschulgesetz mit dieser CDU, die Sie nach den nächsten Wahlen nicht mehr als Koalitionspartner haben wollen, gemeinsam zu beschließen. Das ist doch ein riesiger strategischer Fehler. Wie Sie das machen können, ist mir völlig unklar. Wenn Sie wirklich einen politischen Wechsel in dieser Stadt wollen, dann überlegen Sie sich, wie Sie mit anderen politischen Partnern ein emanzipatorisches und ein fortschrittliches Hochschulgesetz machen wollen, aber nicht eine Kopie der neokonservativen Gesetze aus Baden-Württemberg und Niedersachsen.

[Beifall bei der PDS]

Ich nenne einmal ein paar Beispiele. Was das Hochschulrahmengesetz eigentlich wollte, war mehr Freiheit für die Hochschulen, für die Länder, und es hat deshalb eine Deregulierung vorgenommen. Aber anstatt wirklich auf Bildungsföderalismus auch bei der Hochschulgesetzgebung zu setzen, findet in diesem Berliner Hochschulgesetz eine Vereinheitlichung statt. Es wird geschaut, was ist in den anderen Bundesländern, und das übernehmen wir mal, anstatt ein Berliner Modellprojekt zu machen bzw. überhaupt erst mal zu warten, was denn die Erprobungsklausel gebracht hat, um mal zu schauen: Was sind denn die Ergebnisse der Erprobungsklausel der Freiheit für die Berliner Hochschulen? Nein, stattdessen wird gesagt: Vereinheitlichung. Das heißt also, es wird versucht, die Hochschulleitung und die Dekanate zu stärken, die Konzile faktisch abzuschaffen oder zumindest den Freiraum zu geben, sie abzuschaffen, die Kuratorien durch Hochschulräte zu ersetzen. Das alles haben wir in allen anderen Bundesländern. Aber was ist denn das Besondere an der Wissenschaftsstadt Berlin? In diesem Hochschulgesetz wird es das nicht sein, denn dieses Gesetz ist die billige Kopie bereits bestehender Hochschulgesetze. Dass die moderner sind, dass die fortschrittlicher sind, dass die mehr Leistungsfähigkeit für die Hochschulen bringen, ist nicht bewiesen. Aber Sie sitzen einem Irrtum der Vereinheitlichung auf, weil es irgendwie einfacher ist. Aber das Schöne am Föderalismus ist doch, dass man eben nicht Vereinheitlichung will. Aus diesem Grund wünsche ich mir insbesondere von der SPD-Fraktion mehr Mut im Bereich der Hochschulgesetzgebung und nicht die Vereinheitlichung der Hochschulstrukturen und damit eigentlich einen Angriff auf den Bildungsföderalismus innerhalb der Bundesrepublik.

[Beifall bei der PDS]

Und dann natürlich mein absolutes Lieblingsthema: Mir ist in der vergangenen Legislaturperiode vom ehemaligen wissenschaftspolitischen Sprecher der SPD unterstellt worden – da hatte ich meine Diplomarbeit noch nicht abgegeben –, ich würde mich gegen Studiengebühren aussprechen, weil ich selbst noch Student sei und Klientelpolitik mache. Das war sowieso schon ein aberwitziger Vorwurf. Aber dass eine Koalition einen Hochschulgesetzentwurf in Eckpunkten durch den Senator darstellen lässt, in dem steht: Studiengebühren – – Sie brauchen nicht so abzuwinken, Kollege Gaebler. Es ist der von Ihnen gewählte Wissenschaftssenator, und deshalb sind Sie als Koalitionsfraktion mit verantwortlich. Dieses „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, die Nummer können Sie sich nicht das 10. Jahr dieser Koalition leisten. Es ist Ihr Senator, und Sie sind mit verantwortlich. Sie haben diesen Senator mit gewählt, und wenn Sie nicht in der Lage sind, das Hochschulgesetz mit ihm in den Eckpunkten schon vorher abzusprechen, dann tut es mir Leid, dann verlassen Sie die Koalition und machen Sie eine anständige Politik mit anderen Parteien, aber winken Sie nicht ab. Jetzt sind Sie noch mit verantwortlich. Aus diesem Grunde

sagen wir: In dem fortschrittlichen Hochschulgesetz soll es keine Studiengebühren geben. Studiengebühren müssen im Hochschulrahmengesetz auf Bundesebene ausgeschlossen werden,

[Beifall bei der PDS]

und es reicht nicht mehr aus, auf einen Staatsvertrag zu hoffen. Setzen Sie sich mit den anderen Ländern, die SPD-regiert sind, in Verbindung. Sagen Sie: Schluss mit Staatsvertrag, Frau Bulmahn, wir wollen Studiengebührenfreiheit im Hochschulrahmengesetz. Dann ist es endlich sicher, dann gibt es nicht mehr dieses Rumgehandel, ob man Studiengebühren nach dem 4. Semester will oder Masterstudiengängen oder nicht – – Eine gesetzliche generelle Studiengebührenfreiheit für das Hochschulstudium, das ist das Relevante.

Das heißt natürlich auch, dass wir uns als PDS-Fraktion – und damit mache ich einen Bogen zum Schluss, ich komme zu dem Punkt Forschung nicht mehr –, dass Sie sich entscheiden müssen, auch differenzierter im Hochschulgesetz vorzugehen. Ich finde es prinzipiell begrüßenswert, Weiterbildungsstudien zusammenzulegen und damit auch die Aufbau- und Zusatzstudiengänge. Wenn das aber der Weg ist so hinten durch die Brust ins Auge, für die Masterstudiengänge Studiengebührenfreiheit aufzuheben, dann halten wir das für einen Fehler. Wir sagen, für Weiterbildungsstudiengänge kann es Gebühren geben, wenn der Arbeitgeber oder die Bundesanstalt für Arbeit beispielsweise sie zahlt, aber es keine individuellen Gebühren sind, die privat zu zahlen sind. Ansonsten sind die Erststudien und das Hochschulstudium individuell frei zu halten von Kosten. Deshalb sagen wir: Studiengebührenfreiheit; und deshalb werden wir uns sehr genau angucken, was es für einen Vorschlag geben wird.

Ich bin beim letzten Punkt. Frau Grütters, Sie haben ja gesagt, wir setzen mehr auf staatliche Planung. Das ist ja wohl aberwitzig. Ihr Vorschlag der Stiftungsuniversität: 25 Jahre festgelegter Hochschulzuschuss für eine einzige Universität, nämlich die Freie Universität, ist so unglaublich wettbewerbsfeindlich und fernab der ursprünglichen Ansprüche, leistungsorientierte Finanzierung zu machen. Hier wird ohne ein Leistungskriterium die Finanzierung der Hochschule durchgesetzt. Das ist eine staatliche Planungsschule. Das hätten wir uns vor 10 Jahren, als wir in unserem Erneuerungsprozess noch nicht so weit waren wie heute, nicht getraut, einen solchen Vorschlag zu unterbreiten. Aber Sie als die große Plan-CDU hier in Westberlin trauen sich das. Das ist wirklich aberwitzig.

[Beifall bei der PDS – Niedergesäß (CDU): Ist nicht Westberlin, wir sind ganz Berlin!]

Unser Berliner Hochschulgesetzentwurf setzt auf ein schlankes Gesetz: Sicherung der individuellen Gebührenfreiheit, Stärkung der Organisationsautonomie, Rückzug des Landes aus der Detailsteuerung, leistungsorientierte Finanzierung, Internationalisierung der Studienstruktur und vor allem die Neudefinition einer Rolle des Parlaments und der staatlichen Steuerung, nicht der staatlichen Planung, sondern der staatlichen Rahmensteuerung unter den Bedingungen von Hochschulautonomie. Ich bin gespannt, was der Senator sagt, und werde mich dazu in der zweiten Runde ausführlich äußern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS – Niedergesäß (CDU): Sie spalten die Stadt!]

Nunmehr hat der Herr Kollege Schuster für die Fraktion der PDS

[Heiterkeit]

für die Fraktion der SPD das Wort. Und von ihm weiß ich, dass er langsamer spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde – –

Dass man Ihnen mit einem Versprecher so eine Freude machen kann, das freut mich jedes Mal. – Entschuldigung, Herr Schuster.

(A) (C)

(B) (D)

Wenn das abgezogen wird, entschuldige ich gern. – Das Thema der Aktuellen Stunde, Zukunft Wissenschaft, hat Bedeutung für den Einzelnen und für die Gesellschaft, sowohl als Bildung wie als Forschung. Forschung und Bildung sind untrennbar miteinander verbunden. Höchstleistungen erwachsen aus einem breiten Umfeld. Jeder Sportverein weiß das. Daher ist die Verwirklichung von Chancengleichheit für die SPD ein individueller demokratischer Anspruch und liegt zugleich im Interesse der gesamten Gesellschaft. Viele demokratische Gesellschaften sind bei der Umsetzung dieses Anspruchs voraus und führen wesentlich mehr Menschen zu höchsten Bildungsabschlüssen.

Die Bundesregierung hat die Bedeutung von Wissenschaft als Bildung und Forschung erkannt und löst den Reformstau ihrer Vorgänger auch hier auf. Dass das weh tut, Frau Grütters, kann ich Ihnen nachempfinden, aber es sollte nicht zu solchen Äußerungen führen – denn dies ist Ihrem Niveau nicht angemessen –, wie sie Sie hier vorhin getan haben.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf der Frau Abg. Grütters (CDU)]

Bereits 1999 hat die Bundesregierung 1 Milliarde DM zusätzlich in diesem Bereich ausgegeben, mehr als die CDU-geführte Bundesregierung von 1993 bis 1998 gekürzt hat. Im Jahr 2001 stellt die Bundesregierung insgesamt 16 Milliarden DM für Bildung und Forschung in den Haushalt ein.

Der Forschungsbericht 2000 der Bundesregierung, der vor wenigen Tagen erschienen ist, dokumentiert diese neue Politik anschaulich und überzeugend. In dem Bericht selber, aber auch in der im Bericht enthaltenen Selbstdarstellung von Berlin lässt sich die Bedeutung des Wissenschaftsstandorts Berlin ablesen. Die Pfunde, mit denen Berlin wuchern kann, sind uns allen bekannt. Die Medizin- und Biowissenschaften haben internationale Bedeutung. Dazu kommen zahlreiche weitere Schwerpunkte. Leider gibt es aber auch in diesen Bereichen in Berlin noch hausgemachte Defizite.

Erstes Defizit: Der Anteil der Geistes- und Sozialwissenschaften ist in Berlin entwicklungsbedürftig. Dabei bieten sich Berlinbezogene Forschungsfelder an. Die Stadt hat genügend Probleme, die auch Probleme anderer Ballungsräume sind. So bieten beispielsweise Sozialstruktur, die Stadtentwicklung und Integration eingewanderter Berliner umfangreiche Forschungsaufgaben, die im Interesse der Zukunft der Stadt schnellstens angegangen werden müssen.

Zweites Defizit: Die Bedeutung des Wissenschaftsstandorts in der Öffentlichkeit in und außerhalb Berlins ist nicht ausreichend erkennbar. Es fehlt ein professionelles Marketing für den Wissenschaftsstandort Berlin.

Drittes Defizit: Ausgründungen aus Hochschul- und Forschungseinrichtungen müssen verstärkt, gefördert und ermuntert werden. Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft hat sich mühsam mit der Verwaltung auseinandersetzen müssen, bis es zur Einrichtung eines Gründerzentrums kommen konnte.

Viertes Defizit: Berlin muss seine Anstrengungen erhöhen, um an den Bundesfördermitteln und Bundesprojekten stärker beteiligt zu sein. Die Koordination der in Berlin sitzenden Institutionen muss verbessert werden. Das InnoRegio-Desaster darf sich nicht wiederholen!

Ich komme nun zu den Hochschulen. Die überhastete Vorlage von Eckpunkten zu einem neuen Hochschulgesetz verkennt die Prioritäten der Hochschulpolitik in Berlin. Die drängenden Probleme sind nicht durch Gesetzesänderungen allein zu lösen. Herr Senator! Sie haben die Chance versäumt, ein mit den Koalitionsfraktionen abgestimmtes Positionspapier vorzulegen. Damit haben Sie auch kein Signal gegeben, ein neues Gesetz in breitem gesellschaftlichen Konsens zu erarbeiten. Die Änderung des Hochschulgesetzes in dieser Legislaturperiode ist in der Koalitionsvereinbarung abgesprochen und wird nicht an der SPD scheitern. Es ist aber keine Eile erforderlich, denn seit 10 Jahren hat Berlin das fortschrittlichste Hochschulgesetz der Bundes

republik. Die größere Autonomie der Hochschulen hat vor 10 Jahren mit der Einführung von Kuratorien begonnen, die die bis dahin unumschränkte Herrschaft der Ministerialverwaltung abgelöst haben. Das gilt erst recht seit der Einführung des Globalhaushalts, der Hochschulverträge und der Erprobungsklausel. Hochschulen anderer Bundesländer wären glücklich, wenn sie ein solches Gesetz hätten.

[Beifall bei der SPD]

Ob die gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten der Modernisierung der Berliner Hochschulen effektiv und verantwortungsvoll genutzt werden, lässt sich erst dann beurteilen, wenn die Erfahrungen da sind, die Berichte und die notwendigen Evaluationen vorliegen. Das wird Ende 2002 möglich sein.

Die von der Bundesregierung beabsichtigte, fast revolutionäre Änderung des Dienstrechts an Hochschulen und die Neuregelung der Personalstruktur im Hochschulrahmengesetz wird nicht vor Ende 2001 abgeschlossen sein. Diese Neuregelungen sind zwingend von Berlin zu übernehmen. Ich hätte mir gewünscht, Herr Senator, wenn Sie auch die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen mit einer positiven Empfehlung in Ihre Eckpunkte aufgenommen hätten. Wir sind bereit, das Berliner Hochschulgesetz umfassend zu novellieren, aber nicht auf Raten, sondern als Gesamtpaket.

Für uns ist es ein wichtiges hochschulpolitisches Kriterium, möglichst vielen jungen Menschen eine Hochschulausbildung zu bieten. Im Vergleich mit anderen Staaten, die ihre Hochschulen zügiger an neue Erfordernisse angepasst haben, müssten wir die Zahl der Studierenden eines Jahrgangs – und damit auch die der Abiturienten – verdoppeln. Damit bleibt untrennbar aber das Kriterium der Qualitätssicherung und der Leistung und der Exzellenz von Forschung und Lehre verbunden.

Neue Studienplätze müssen vorrangig an Fachhochschulen geschaffen werden. Hier hinkt Berlin erheblich nach. Nur ca. 20 % studieren an Fachhochschulen, 40 % sollten es sein.

Zur Finanzierung der zusätzlichen Studienplätze müssen die Ausgaben für die Hochschulmedizin auf den Prüfstand. Nach den in der Kultusministerkonferenz diskutierten Vorgaben für die Ausstattung medizinischer Lehre und Forschung gibt es in Berlin eine Finanzierungsreserve von bis zu 150 Millionen DM pro Jahr. Der Ausbau der Fachhochschulen ist bisher über Bemühenszusagen des Senats nicht herausgekommen.

Die materielle Absicherung des Studiums ist Voraussetzung für eine breite Bildungsbeteiligung. Die von der Bundesregierung beschlossenen Änderungen zur Ausbildungsförderung kehren den Trend des stetigen Rückgangs der Leistungen der CDUBundesregierung seit Anfang der neunziger Jahre um. Die Einkommensgrenze wird steigen, das Kindergeld wird generell nicht mehr auf das Einkommen angerechnet, die Fördersätze werden erhöht, BAföG Ost und West werden angeglichen.