Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Auf die Frage, warum der Anteil der Jugendlichen ausländischer Herkunft, die in der Privatwirtschaft ausgebildet werden, zwar nicht ausreichend, aber immerhin höher als im öffentlichen Dienst sei, sagte Frau Galland, das liege wohl daran, dass die private Wirtschaft ein Interesse an Fremdsprachenkenntnissen habe. Da frage ich mich, ob der öffentliche Dienst kein Interesse an interkultureller Kompetenz hat und nicht daran interessiert ist, dass auch dort Menschen arbeiten, die Fremdsprachen beherrschen.

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit, Frau Abgeordnete!

Die ist gerade in der letzten Minute, Herr Präsident! – Weil es so ist, dass wir in den beiden erstgenannten Ausschüssen eine Beschlussempfehlung hatten, die auch von den Koalitionsfraktionen getragen und einstimmig verabschiedet wurde, und weil es einen wirklichen politischen Handlungsbedarf gibt, haben wir diese Beschlussempfehlung noch einmal als Änderungsantrag eingebracht. Um Ihnen zu zei

gen, wie lange das alles schon her ist, stehen die alten Daten noch drin. Der Berichtstermin wird dann selbstverständlich geändert, wenn das hier so verabschiedet wird. Ich sage Ihnen: Kehren Sie zu den Erkenntnissen aus dem Innen- und dem Wirtschaftsausschuss zurück und stimmen Sie unserem Änderungsantrag, der eine einstimmige Beschlussempfehlung ist, zu. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Vielen Dank Frau Dr. Klotz! – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Galland!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion wird in Übereinstimmung mit dem federführenden Ausschuss des Abgeordnetenhauses auch den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ebenso wie den Ursprungsantrag ablehnen. Warum? – Zu kurz gesprungen, Frau Dr. Klotz. Auch wenn man zitiert, sollte man die Zusammenhänge dazu sprechen, sonst klingt es wirklich etwas seltsam, das gestehe ich Ihnen gern zu.

Ich möchte etwas ganz anderes sagen. Alles, was zu diesem Antrag inhaltlich zu sagen war, habe ich bereits gesagt, als wir ihn das erste Mal im Plenum behandelt haben. Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass es in diesem Senat zwar Mitglieder gibt, die in der Gefahr stehen, zu Maulwürfen zu werden, aber es gibt auch fleißige Biber. In meiner damaligen Rede hatte ich gefordert, dass Herr Senator Böger Kontakt aufnehmen sollte zu türkischen Elternvereinen, die Zusammenarbeit intensivieren, um den Jugendlichen mehr Chancen in der Ausbildung und dem Arbeitsmarkt zu eröffnen durch stärkere Einbeziehung der Eltern. Ich bin sehr froh darüber, dass das jetzt geschehen ist und ich hoffe, dass wir diesen einzig erfolgversprechenden Weg weitergehen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Damit ist für die CDU-Fraktion zu diesem Antrag alles Notwendige gesagt. Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank Frau Galland für den konstruktiven Beitrag. Wir sind natürlich sehr dankbar, wenn Redezeit eingespart wird.

Für die PDS-Fraktion hat jetzt Frau Baba das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jugendliche nichtdeutscher Herkunft zählen in ihrer Mehrheit in der beruflichen Ausbildung zu den Benachteiligten. Das ist bekannt. Die Situation ist unverändert, nämlich schlecht und sie ist in den zurückliegenden Jahren bei der bestehenden Ausbildungsmisere noch schlechter geworden. Ich möchte hier einige nüchterne Fakten nennen, die das belegen.

Von 1994 bis 1999 ist die Anzahl der ausländischen Auszubildenden um 30 Prozent zurückgegangen. In der Altersgruppe der 16- bis unter 20-Jährigen befinden sich bei den deutschen Jugendlichen 62 Prozent in dualer Ausbildung, bei den ausländischen Jugendlichen sind es lediglich 21 Prozent. Das hat der Senat in der Beantwortung unserer Großen Anfrage im November vorigen Jahres mitgeteilt. Im öffentlichen Dienst ist die Ausbildungssituation Jugendlicher nichtdeutscher Herkunft keinesfalls besser. Laut Statistik der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen vom 20. März 2000 betrug der Anteil der ausländischen Auszubildenden an den Auszubildenden für Verwaltungsberufe im öffentlichen Dienst 1992 noch 6,4 Prozent. 1999 war dieser Anteil auf 1,7 Prozent gesunken. Nicht zu vergessen, Jugendliche ausländischer Herkunft haben genau genommen keine Chancengleichheit in der beruflichen Ausbildung, denn sie starten mit durchweg schlechteren oder geringer wertigen Abschlüssen in die Ausbildung und werden somit auch schneller als andere vom Ausbildungsmarkt in berufsvorberei

tende Maßnahmen und schließlich auch aus diesen weggedrängt. Für ein gleichberechtigtes und tolerantes Zusammenleben in der Gesellschaft sind dringend Maßnahmen erforderlich, die die Benachteiligung jugendlicher Migrantinnen und Migranten in Bildung und Ausbildung beseitigen und Chancengleichheit herstellen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Jugendliche ausländischer Herkunft sind aus vielfältigen Gründen besonders benachteiligt. Deshalb sind auch spezielle, explizit ausgewiesene Maßnahmen notwendig, die sowohl die schulische als auch die berufliche Ausbildung und in letzterer alle Bereiche umfassen. Die bisherigen Förderprogramme reichen dafür allein nicht aus, weil die Fakten nach wie vor belegen: Es gibt den Handlungsdruck für das Land Berlin, die Ausbildungssituation Jugendlicher nichtdeutscher Herkunft grundlegend zu verändern.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird deshalb auch von meiner Fraktion unterstützt. Das hat für den Ursprungsantrag gegolten, gilt aber auch für den heute vorgelegten Änderungsantrag. Diese aus meiner Sicht abgeschwächte Fassung, die auf einen Prüfauftrag hinausläuft, war in den Ausschüssen für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie Wirtschaft, Betriebe und Technologie konsensfähig, und zwar einstimmig. Dieser Antrag sollte auch im Plenum des Abgeordnetenhauses eine Mehrheit finden, auch wenn die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen dem leider nicht gefolgt ist.

Die Koalitionsfraktionen haben diesen Antrag im Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen genauso abgelehnt wie zuvor den Antrag meiner Fraktion über Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Ausbildung jugendlicher Migrantinnen und Migranten.

Ich kann die Argumentation, die von der CDU-Fraktion in der Ausschusssitzung im Januar vorgetragen worden ist, nicht teilen, ja mehr noch, ich finde sie empörend. Die Schuldzuweisung für die Benachteiligung der ausländischen Jugendlichen in Bildung und Ausbildung an deren Eltern, die ihre Kinder von Bildung fernhalten, ist eine grobe Vereinfachung der Probleme von Migrantinnen und Migranten und als solches auch falsch, Frau Galland.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Denken Sie an Ihre Zeit!

Ja, ich bin gleich fertig. Folgt man Reden von Mitgliedern der Koalitionsfraktionen, sei es im Ausschuss, sei es im Plenum, so gibt es in der Einschätzung der Ausbildungssituation Jugendlicher nichtdeutscher Herkunft zunächst so gut wie keinen Dissens. Das Anliegen der Oppositionsparteien wird grundsätzlich unterstützt, aber die Anträge selbst werden einfach abgelehnt. Wenn Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, die Anträge der Opposition ohne Änderungsvorschläge ablehnen, dann sollten Sie wenigstens selbst aktiv werden. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses, das Abgeordnetenhaus sowie der Senat Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit den Kampf angesagt haben.

Bitte wirklich Ihren letzten Satz! Sie können nicht immer alle überziehen. Wir geben Ihnen rechtzeitig Zeichen, teilen Sie sich bitte Ihre Zeit ein. Es ist nicht ordentlich, was Sie machen.

Nur noch dieser Satz: Dazu gehört auch, sich um diejenigen zu kümmern, die auf Grund ihrer Benachteiligung in Bildung und Ausbildung zu den Betroffenen zählen.

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Reiter das Wort, ebenfalls für fünf Minuten.

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen wurde bereits im Plenum im Mai letzten Jahres debattiert. Anschließend wurde in vier Ausschüssen intensiv beraten. Dass er heute im Plenum noch einmal auf der Tagesordnung steht, macht den Antrag nicht besser

[Berger (Grüne): Aber die Probleme sind doch da! ]

und ändert auch nichts an der ablehnenden Haltung der SPDFraktion auch zum Änderungsantrag.

[Doering (PDS): Aber in den Ausschüssen haben Sie zugestimmt!]

Auch wir erachten die geringe und rückläufige Ausbildungsquote ausländischer Jugendlicher sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst als Problem, vor dem wir nicht die Augen verschließen dürfen.

[Berger (Grüne): Aha!]

Ebenso teilen wir den intergrationspolitischen Ansatz des Antrags und befürworten eine stärkere interkulturelle Ausrichtung der Verwaltung. Allerdings halten wir die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen für zu undifferenziert,

[Mutlu (Grüne): Warum haben Sie keinen Änderungsantrag gestellt? ]

sie greifen zu kurz und setzen insgesamt zu spät an. Die schlechte Ausbildungsplatzsituation für ausländische Jugendliche muss im Zusammenhang mit der nach wie vor angespannten Ausbildungslage in Berlin betrachtet werden.

[Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Insgesamt stehen zuwenig Ausbildungsplätze für alle Jugendliche zur Verfügung, egal ob für Jugendliche deutscher oder nichtdeutscher Herkunft. Zwar konnten dank der intensiven Bemühungen der Arbeitsverwaltung und der Arbeitsämter sowie durch das Jugendsoforthilfeprogramm der Bundesregierung im letzten Ausbildungsjahr 3 500 zusätzliche Ausbildungsplätze bereitgestellt werden.

[Mutlu (Grüne): Wir reden über den öffentlichen Dienst!]

Herr Mutlu! Wenn Sie fragen wollen, geben Sie mir ein Zeichen, dann bekommen Sie das Wort. Aber jetzt hat es die Abgeordnete.

Dennoch mangelt es nach wie vor an betrieblichen Ausbildungsplätzen.

Die Ursache für den niedrigen Anteil der ausländischen Auszubildenden in der dualen Berufsausbildung sind äußerst komplex und können nicht monokausal diskutiert werden. Jedoch liegen die wichtigsten Gründe hierfür in den oftmals fehlenden Deutschkenntnissen – dabei bleibe ich – sowie in der Tatsache, dass jeder und jede Dritte aller ausländischen Schulabgänger die Schule ohne Hauptschulabschluss verlässt.

[Berger (Grüne): Darum geht es doch gar nicht!]

Damit werden diese Jugendlichen den in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Anforderungen in den Ausbildungsberufen und am Arbeitsmarkt immer weniger gerecht und unterliegen der Konkurrenz besser qualifizierter Bewerber. Hier liegen die Schlüsselprobleme.

Eine Ausbildung im öffentlichen Dienst scheitert ebenfalls häufig an den mangelnden rechtlichen und qualifikatorischen Zugangsvoraussetzungen. – Frau Klotz, da haben Sie mich falsch zitiert und meine Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen. –