Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen hier vor einer wahrhaft komplexen Gemengelage. Das führt häufig dazu, verschiedene Fragestellungen und auch Perspektiven zu vermischen. Wir haben das zum Teil in den Redebeiträgen gehört. Es wird sicherlich auch von mancher Seite bewusst herbeigeführt.
Herr Kurth hat heute bereits auf den Stellenwert der Berliner Bankgesellschaft für die Region hingewiesen. Deshalb ist es sicher nicht verwunderlich, dass wir in der letzten Zeit bei den Nachrichten über Schwierigkeiten und Turbulenzen in diesem Hause nervös geworden sind, Herr Müller hat bereits darauf hingewiesen. Aber mit Aufgeregtheit und Vorverurteilungen kommt man selten an das Ziel, und deshalb möchte ich mich daran auch nicht beteiligen. Ich sehe hier an vorderster Stelle weder eine Personal- und schon gar keine Koalitionsfrage.
Ich will noch einmal den Zusammenhang zwischen der Berliner Bankgesellschaft und dem Berliner Haushalt beleuchten, denn ich denke, es ist wichtig für die Menschen draußen auf der Straße, dass sie verstehen, weshalb wir uns im Berliner Parlament mit einer Bank beschäftigen, die die Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat und deren Aktionäre sich eigentlich um ihr Shareholder Value kümmern sollten. Aber genau das ist es, wir sind die Aktionäre bzw. das Land Berlin. Genau deshalb besteht unser Interesse. Es geht nicht darum, dass wieder ein Politiker einem anderen ein Auge aushacken will, sondern darum, die Interessen des Landes Berlin zu wahren. Das Land Berlin ist Anteilseigner dieser Bankgesellschaft, und zwar Mehrheitsanteilseigner. Das bedeutet etwas für unseren Haushalt und seine Einnahmen.
Daraus ergeben sich drei ganz wesentliche Interessenlagen für das Land: Je mehr das Unternehmen floriert, dessen Anteile das Land hält, desto höher wird seine Bewertung und damit auch der Wert des Aktienpaketes, von denen es gegebenenfalls Teile veräußern kann – das steht bei uns für das nächste Jahr zur Debatte. Zum Zweiten: Je mehr das Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, floriert, desto höhere Dividenden kann es auszahlen. Auch dies ist etwas, was dem Landeshaushalt zufließt. Drittens: Je mehr das Unternehmen floriert, desto mehr Steuern wird es normalerweise zahlen und damit auch weiterhin die Einnahmen des Landes erhöhen. Das Interesse des Landes, unabhängig davon, welche wirtschaftliche Bedeutung einer solchen Bank zukommt, an dieser Bank muss ein ganz außerordentliches sein. Das rechtfertigt auch die Beschäftigung in diesem Haus damit.
Diese drei Punkte bezeichnen direkte Einnahmequellen für den Haushalt. Ich muss hoffentlich niemand in diesem Haus darauf aufmerksam machen, wie nötig wir jede Einnahmequelle haben, ich verweise in diesem Zusammenhang auf das neueste DIW-Gutachten. Um es noch einmal zu unterstreichen: Was man nicht einnimmt, das kann man auch nicht ausgeben, weder für Schulen, noch für Kultur, noch für soziale Einrichtungen. Deswegen müssen wir uns mit diesem Vorgang beschäftigen. Aus dieser Interessenslage heraus ergeben sich Fragen, die wirklich rückhaltlos aufgeklärt werden müssen. Dazu haben die Berichte in den Medien – es handelt sich übrigens um eine bundesweite Aufmerksamkeit und nicht nur etwa eine regionale – bereits einige Punkte aufgeworfen, die wirklich zu klären sind. Zur Frage
des Wertes des Aktienpaketes, das das Land noch besitzt, hat die „FAZ“ am 12. Januar 2001 geschrieben – ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren:
Die hohen Wertberichtigungen im Kreditgeschäft machen der Bankgesellschaft Berlin schon seit vielen Jahren zu schaffen. Der blinde Expansionseifer der inzwischen ruhiggestellten Berliner Bank in Kombination mit der schwachen wirtschaftlichen Lage in der Kernregion Berlin-Brandenburg bescherten 1994 bis 1999 eine Nettokreditvorsorge von mehr als 7,4 Milliarden DM. Die operativen Erträge reichten bei weitem nicht aus, um diese Belastung zu verkraften.
Das heißt im Klartext: Der Anteil des Landes Berlin an der Bankgesellschaft ist in diesen Jahren um knapp 4 Milliarden DM im Wert gesunken. Wenn man den Nachrichten von heute glauben darf, dann sind es sogar über 5 Milliarden DM. Dazu schreibt das „Handelsblatt“ am 14. Januar 2001:
Die Börse belohnt so viele negative Schlagzeilen nicht. Am Freitag fiel der Aktienkurs der Bank auf 13,5 Euro.... Da wird es immer zweifelhafter, ob der Großaktionär Berlin 2001 richtig Kasse machen kann beim geplanten Verkauf der 6,5 Prozent Aktien. Was die Verantwortlichen im Lande nicht gerade fröhlich stimmen dürfte.
Das ist noch sehr positiv ausgedrückt. Der Verlust von mehreren Milliarden DM ist sicher keine Kleinigkeit, gerade angesichts der Löcher im Haushalt des Landes. Das sind Größenordnungen, das muss man sich immer einmal vor Augen führen, von zwei Wohnungsbaugesellschaften, wenn nicht mehr. Das entspricht beispielsweise auch der Summe, die wir für Vermögensaktivierungen im Jahr 2001 vorgesehen haben, um überhaupt noch zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Wenn wir dieser Entwicklung nicht auf den Grund gehen, dann werden wir keinem Bürger und schon gar keiner Bürgerin, die sind für ihre Sparsamkeit bekannt, in diesem Lande Verständnis für Einsparungen und dem Abbau öffentlicher Angebote abringen können. Deswegen beschäftigen wir uns mit diesem Thema. Davon können wir auch nicht ablassen.
Ich komme nun noch zu Punkt 2, der Frage nach der Höhe der Dividenden, die das Land aus seiner Beteiligung erhält; im Haushaltsansatz sind es übrigens 135 Millionen DM, die veranschlagt sind. Auch hier geht es um jährliche Einnahmen für den Berliner Haushalt. Die Situation der Berliner Bankgesellschaft, entgegen den Ausführungen des Finanzsenators, lässt durchaus befürchten, dass diese Einnahmen nicht erzielt werden oder aber nur durch den Verkauf weiterer Beteiligungen der Bankgesellschaft. Der Verweis auf den „Spiegel“-Artikel „Der Milliardenbluff“ sei hier nur nebenbei gemacht. Auch das mindert den Wert und die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Bankgesellschaft. Auch hier gibt es Haushaltsrisiken, die wir überhaupt noch nicht übersehen können.
Das gilt auch für die dritte Einnahmequelle, die Abführung von Steuern aus den Geschäften der Bank. Auf Verluste sind keine Steuern zu zahlen in diesem Land. Also wieder dasselbe Resultat: Einnahmeausfälle für den Landeshaushalt.
All dies ist aufzuklären. Vorverurteilungen, ich habe das bereits gesagt, helfen nicht. Es muss im Detail festgestellt werden, welche Vorgänge sich in der Bankgesellschaft abgespielt haben, die zu den jetzt öffentlich gewordenen Turbulenzen geführt haben, wer dafür verantwortlich ist, wo Kontrolle nicht stattgefunden oder versagt hat und, abschließend natürlich auch, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
Die heutige Debatte hat viele Fragen im Detail aufgeworfen, aber sicherlich erst wenige Fragen geklärt. Hier muss zügig ein geeigneter Weg gefunden werden – die rechtlichen Probleme sind uns bekannt –, um rückhaltlos aufzuklären, was passiert ist, welche Positionierung die Bankgesellschaft in Zukunft einnehmen wird und wie weiterer Schaden für das Land Berlin abzuwenden ist. Ich denke, Sie alle sollten sich darüber im Klaren sein: Wenn uns das nicht gelingt, nehmen wir alle Schaden, nicht nur an unserer Glaubwürdigkeit.
Die Redezeiten sind verbraucht. Damit sind die Aktuelle Stunde durchgeführt und die Große Anfrage besprochen.
II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Anpassung von Verwaltungsstrukturen und zur Regelung von Befugnissen im Geschäftsbereich Jugend (Anpassungsgesetz Jugend), Drucksache 14/746, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport vom 25. Januar 2001
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 12 bzw. 13 Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe auf Artikel 1 bis 12 bzw. 1 bis 13, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 14/746 unter Berücksichtigung der Änderungen gemäß Beschlussempfehlung des Jugendausschusses Drucksache 14/954. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme der Vorlage unter Berücksichtigung der Änderungen der Beschlussempfehlung. Auf eine Beratung wird verzichtet.
Ich schließe die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zur Anpassung von Verwaltungsstrukturen und zur Regelung von Befugnissen im Geschäftsbereich Jugend – Anpassungsgesetz Jugend –, Drucksache 14/746, unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/954 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist es einstimmig beschlossen.
I. Lesung des Antrags der Fraktion der PDS über Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben und die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Berlin (ÖPNVGesetz)
Ich eröffne die I. Lesung. Nach unserer Geschäftsordnung haben wir eine Redezeit von bis zu 5 Minuten. Das Wort hat Frau Matuschek von der Fraktion der PDS. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gegenwärtige Gesetzeslage nach dem ÖPNVGesetz in Berlin schreibt für den Nahverkehrsplan in § 5 Abs. 6 vor:
Der Senat entscheidet über den Nahverkehrsplan. Der Plan ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben.
Diese Gesetzeslage halten wir für unzureichend. Deshalb legen wir unseren Gesetzesantrag vor, die Beschlussfassung des Nahverkehrsplans im Abgeordnetenhaus durchzuführen. Das verleiht diesem Plan höhere Wertigkeit, und es ist ein demokratischeres Herangehen als eine schlichte Senatsvorlage. Dazu möchte ich fünf Argumente anführen.
Frau Abgeordnete, ich bitte um Entschuldigung! – Die Gespräche bitte ich, wenn nötig, draußen zu führen und nicht mit dem Rücken zur Rednerin. Darf ich auch die beiden Fraktionsvorsitzenden bitten, sich daran zu halten. – Frau Matuschek, Sie haben das Wort, bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Der Nahverkehrsplan ist bisher eine schlichte Senatsvorlage, wird in den Verwaltungen abgestimmt, im Senat beschlossen und uns laut jetziger Gesetzeslage anschließend zur Kenntnis gegeben. Und was man von Senatsbeschlüssen zu halten hat, haben wir schon des öfteren feststellen dürfen; die können sonstwo landen, selbstherrlich auch einmal geändert werden, haben also nicht die Bindungswirkung, die eine Beschlussfassung im Abgeordnetenhaus bezweckt.
Als wir das letzte Mal versuchten, das ÖPNV-Gesetz in dieser Richtung zu verändern, warf uns Herr Kaczmarek ein Demokratiedefizit vor, was ich nicht verstanden habe, denn wir wollen gerade mit der Beschlussfassung im Abgeordnetenhaus ein sehr wohl demokratisches Verfahren, das ja wohl durch die CDU-Fraktion nicht in Kritik steht.
Aber ein noch schwerwiegenderes Argument lautet: Insgesamt acht Bundesländer halten es für nötig, die Beschlussfassung über die Nahverkehrspläne in ihren Vertretungskörperschaften in ihrem ÖPNV-Gesetz zu verankern. Sie können ja wohl nicht alle an einem Demokratiedefizit leiden, und im Übrigen ist es ein gängiges Muster der Entscheidung über den Nahverkehrsplan; da braucht Berlin nicht gerade hintan zu stehen. Deshalb, Herr Kaczmarek, was acht Bundesländer können, können wir ja schließlich auch!
Zum bisherige Umgang mit dem Nahverkehrsplan in Berlin – zugegebenermaßen haben wir ihn noch nicht sehr lange, aber es ist ein bisschen merkwürdig, was bisher geleistet wurde: Der Plan kam immer zu spät. Der Nahverkehrsplan für die Jahre 1998 und 1999 kam Ende 1999, der Nahverkehrsplan für die Jahre 2000 und 2001 ist jetzt in der Abstimmung, und wir haben bereits 2001. Rückwirkend für das Jahr 2000 gilt dann der Nahverkehrsplan. Noch schwerwiegender: Der jetzt in der Abstimmung befindliche Nahverkehrsplan soll – gesetzeswidrig übrigens – bis 2004 gelten, also insgesamt fünf Jahre. Im ÖPNVGesetz steht, Herr Kaczmarek – gähnen Sie nicht so sehr, es ist nun einmal so –, zwei Jahre Gültigkeit.
Herr Strieder hört auch nicht zu und unterhält sich. Ich gebe ihm das auch noch einmal schriftlich. – Der bisherige Umgang mit dem Nahverkehrsplan ist der Umgang mit einer Senatsvorlage und nicht mit einer Planungsgrundlage für den öffentlichen Nahverkehr in Berlin.
Nächstes Argument: Die Verkehrsplanung beinhaltet wichtige Strukturplanungen, übrigens mit einem immensen Investitionsund Finanzierungsbedarf. Auch das sind keine unwesentlichen Aspekte, und darüber sollte sich das Abgeordnetenhaus als Parlament klar sein, wenn ein Nahverkehrsplan beschlossen wird. Nur im Abgeordnetenhaus werden letztlich die Entscheidungen über Finanzierung und Investitionsbedarf gefällt. Wenn man dies aber in einem Plan hat, der bisher nicht durch das Abgeordnetenhaus bestätigt wurde, kann es immer wieder zu Missverständnissen – freundlich ausgedrückt – kommen, oder die Verwaltung macht jeweils etwas Neues, was ihr plötzlich eingefallen ist.
– es ist auch das letzte, was ich anzufügen habe: Der Nahverkehrsplan wird in Zukunft eine noch wesentlich größere Bedeutung erlangen, nämlich dann, wenn er als Ausschreibungsvoraussetzung zu handhaben ist, wenn nämlich Ausschreibungsverfahren im Verkehrsbereich gang und gäbe werden. Eine justitiable Grundlage ohne eine entsprechende Beschlussfassung im Abgeordnetenhaus zu haben, halten wir für unzureichend.
Deswegen sagen wir: Das Abgeordnetenhaus muss über diesen wichtigen Plan beschließen, dann wird er in seiner Wertigkeit erhöht, und das ist auch ein durchaus demokratisches Vorgehen. Deswegen unser Antrag. – Vielen Dank!