Protokoll der Sitzung vom 10.05.2001

Da wir den Kausalzusammenhang eben noch einmal dargestellt bekommen haben, frage ich dazu, ob es weitere Kürzungen geben wird. Frau Schöttler! Es ist sehr erfreulich, dass der Protest der Akteure der Arbeitsmarktpolitik gefruchtet hat und nun die 80-Millionen-DM-Sperre zurückgenommen wird. Aber jetzt beginnen die Verhandlungen zum Nachtragshaushalt. Ich möchte wissen, ob Sie in diese Verhandlungen zum Nachtragshaushalt gehen mit einem Konsens mit Senator Kurth, dass es keine weiteren Einsparungen im Bereich Arbeitsmarktpolitik geben wird, kurz gefragt: Sind die zu erbringenden 15 Millionen DM Einsparungen im Bereich SAM und ABM für den Nachtragshaushalt vom Tisch?

Frau Senatorin, bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Freundl! Angesichts der Arbeitslosenzahlen, die sich in einer Größenordnung von 270 000 Personen bewegen, und der freien Stellen in einer Größenordnung von 7 000 Stellen – also eine erhebliche Differenz – sehe ich keine Alternativen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik, und ich sehe auch nicht, dass eine Reduzierung der geplanten Förderfälle im Rahmen des Nachtragshaushalts möglich ist. Mit der Senatsverwaltung für Finanzen werden wir darüber verhandeln.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Dr. Klotz, bitte sehr!

Frau Schöttler! Wie bewerten Sie es eigentlich politisch, dass seit dem Jahr 1995 zwar nicht die Arbeitslosigkeit gesunken ist, dass aber 12 000 Personen weniger mit Mitteln des Arbeitsmarktes in Beschäftigung gehalten wurden, nämlich im Jahr 1995 über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen 27 000, und wenn alles gut geht, wird es in diesem Jahr zu einer Größenordnung von 15 000 für diese beiden Instrumente kommen, also 12 000 Arbeitsplätze weniger und damit 12 000 Arbeitslose mehr durch die Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik der großen Koalition?

Frau Senatorin!

(A) (C)

(B) (D)

Frau Abgeordnete Klotz! Meine politische Wertung lautet, dass Arbeitsmarktpolitik keine Arbeitsplätze schafft. Arbeitsmarktpolitik ist in erster Linie darauf gerichtet, die Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt zunächst keine Chance haben, vorübergehend zu beschäftigen, ihnen Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, damit sie ihr Wissen vervollständigen können und nicht verlieren. Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Arbeitsmarktmittel eingesetzt, um genau dieses zu realisieren, mit einer erheblichen Anzahl von Förderfällen. Wir hatten im vergangenen Jahr die Einschätzung, dass die Arbeitslosigkeit in Berlin zurückgeht, dass die Wirtschaft anzieht und es mehr Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt gibt. Allerdings – das wiederhole ich hier noch einmal –: Arbeitsplätze schafft man durch Wirtschaftspolitik, schafft die Wirtschaft, und nicht die Arbeitsmarktpolitik. Unser Ziel ist darauf ausgerichtet, Menschen zu qualifizieren, damit sie eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen, damit sie konkurrenzfähig sind und sich zu größeren Unternehmen entwickeln können. Dies tun wir mit erheblichem Einsatz finanzieller Mittel im Land Berlin. Arbeitsmarktpolitik hat immer noch eine Priorität in diesem Land.

Die nächste Zusatzfrage von Frau Freundl, bitte sehr!

Frau Schöttler! Wenn Sie zu der Frage, ob es zu weiteren Einsparungen kommen wird, nichts genaues sagen können, dann frage ich Sie nach dem Wie, nämlich, ob Sie Ihren schlechten Stil im Umgang mit den arbeitsmarktpolitischen Trägern, interjection: [Oh! von der SPD]

der jede Form von Kommunikation geschweige denn eine gemeinsame Problemerörterung – dazu wären die Träger nämlich bereit – vermissen lässt, beibehalten wollen oder ob Sie sich einem runden Tisch mit den Akteuren, der genau diese Probleme erörtert auch über das Jahr 2001 hinaus, nicht verschließen würden.

Meine Damen und Herren! Ich weise darauf hin, dass die Fragestunde keine Zeit für Feststellungen und Erklärungen ist, die man dann mit einer Frage verbrämt. Vielmehr sollen ausschließlich Fragen zum Sachverhalt gestellt werden.Wenn ich dann noch in die Geschäftsordnung schaue, dann soll sie sich auch noch auf die Antwort des Senats beziehen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Bitte sehr, Frau Senatorin, Sie haben das Wort!

Frau Abgeordnete Freundl! Es gibt einen intensiven Austausch zwischen den Beschäftigungsträgern und meiner Verwaltung. Dieses wollen wir auch beibehalten!

[Beifall bei der SPD]

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Dr. Klotz!

Frau Schöttler! Ich will auch noch einmal nach dem Wie und nicht nach den Quantitäten fragen. Finden Sie es vernünftig, dass jede neu zu beginnende Maßnahme von Ihrer Verwaltung bei der Senatsverwaltung für Finanzen einzeln beantragt werden muss? Das heißt in der Umgangssprache der Beamten mittlerweile „Beamten-Fünfkampf“. Meinen Sie, dass dieser „Beamten-Fünfkampf“ wirklich zu einer Kontinuität, Transparenz und Verlässlichkeit von Arbeitsmarktpolitik in diesem Land beiträgt?

Frau Senatorin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Klotz! Ich weiß nicht, worüber Sie reden.

[Vereinzelter Beifall und Gelächter bei der CDU, der PDS und den Grünen – Frau Dr. Klotz (Grüne): Frau Schöttler, das war eine Chance, aber Sie wollten sie ja nicht nutzen! – Wieland (Grüne): Diese Antwort können Sie beliebig wiederholen!]

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Thieme-Duske, bitte sehr!

Frau Senatorin! Sie haben in Ihren Ausführungen eben darauf hingewiesen, dass Sie wegen des Nachtragshaushalts und des Haushalts für das nächste Jahr in Verhandlungen mit dem Senator für Finanzen stehen. Werden Sie in diesen Verhandlungen auch darauf hinweisen, dass die eventuell geplante Verkürzung von Arbeitsfördermaßnahmen auf sechs Monate dazu führt, dass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben wird? Das heißt, dass diese Menschen dann dem Landeshaushalt via Sozialhilfe zur Last fallen würden, dies also keine sinnvolle Planung für den Haushalt wäre.

Frau Senatorin, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Thieme-Duske! Selbstverständlich bereden wir dieses immer wieder. Unabhängig davon, dass es für die Betroffenen, die nicht am Erwerbsleben teilnehmen können, weil es nicht genügend Arbeitsplätze gibt, ganz wichtig ist, eine Maßnahme durch das Arbeitsamt und die Senatsverwaltung kofinanziert zu erhalten, damit sie, was ich vorhin beschrieben habe, ihre Fähigkeiten beibehalten oder sich weiterqualifizieren und auch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, hat es für das Land Berlin einen immense finanzpolitische Auswirkung. Investitionen in Arbeitsmarktpolitik sind Investitionen in Menschen. Wenn wir diese Investitionen nicht machen, führt es dazu, dass wir innerhalb kürzester Zeit Mehrausgaben in der Sozialhilfe haben – mit allen negativen Folgen für die Betroffenen.

Letzte Zusatzfrage zu diesem Komplex hat Frau Anding, bitte sehr!

Frau Senatorin! Vor einem Jahr hatten Sie auf einem Kongress bezüglich des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors und der Notwendigkeit für arbeitsplatzschaffende Maßnahmen noch eine bessere, eine andere Haltung. – Meine Frage: Wenn Ihre Kommunikation mit den freien Trägern so gut ist, und wenn diese Einsparungen alle nicht zu befürchten sind, warum haben Sie dann die Servicegesellschaften angewiesen, ein Schreiben an die Träger zu verschicken, worin ein absoluter Mittelstopp bekanntgegeben wurde?

Frau Senatorin!

Frau Anding! Zum ersten Teil Ihrer Frage, dass öffentliche Aufgaben ganz wichtig sind, auch für den zweiten Arbeitsmarkt: Dem haben wir unter anderem auch dadurch Rechnung getragen, dass wir 12 Millionen DM für die östlichen Bezirke bereitgestellt haben, um solche Projekte auf Dauer und nicht über Arbeitsmarktpolitik zu finanzieren. Sie wissen, da arbeitsmarktliche Instrumente nur für kürze Zeiträume genehmigt werden, werden die Stellen immer wieder einer Befristung ausgesetzt und eignen sich schlecht für dauerhafte Projekte. Ich glaube, diese Projekte brauchen Sicherheit für einen längeren Zeitraum.

(A) (C)

(B) (D)

Frau Sen Schöttler

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wir hatten eine 20-prozentige Haushaltssperre, und wir haben uns intensiv bemüht, sie bei der Finanzverwaltung aufzuheben, auch durch die Auflösung unserer pauschalen Minderausgaben. Dieses Schreiben von den Servicegesellschaften ist in der Zwischenzeit zurückgezogen worden. Auch das Schreiben meiner Verwaltung an die Servicegesellschaften ist zurückgezogen worden. Aber man muss sich bei Haushaltssperren an die gesetzlichen Vorgaben halten. In der Zwischenzeit ist die Haushaltssperre aufgehoben worden, diese Schreiben gelten nicht mehr. Es sind alle davon informiert worden. Ich sagte vorhin bereits, dass die geplanten Maßnahmen im vorgesehenen Umfang durchgeführt werden können.

Wir kommen dann zu den nächsten beiden verbundenen Mündlichen Anfragen, die von Herrn Abgeordneten Schlede und die von Frau Dr. Barth.

Zuerst die Frage von Herrn Abgeordneten Schlede über

Vorklasse

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Plant der Senat, die Vorklasse in der Berliner Schule kostenpflichtig zu machen, wenn ja, welche Teile und in welcher Höhe?

2. Plant der Senat alternativ, die Vorschulerziehung komplett in die Kindertagesstätten zu verlagern?

Frau Dr. Barth, darf ich Sie bitten, ihre Frage zu stellen über

beabsichtigte Reform der Vorschule

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Entspricht es den Tatsachen, dass in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Überlegungen bzw. Planungen für ein neues Modell der vorschulischen Ausbildung der Kinder, das die Abschaffung der Vorklassen an den Grundschulen beinhaltet, existieren, und wenn ja, welche pädagogischen Zielstellungen verfolgt der Senat damit?

2. In welcher Weise sollen die Aufgaben der Vorklassen künftig erfüllt werden, ohne dass für die Eltern zusätzliche finanzielle Belastungen entstehen, und welche personellen Konsequenzen sind mit dem neuen Modell verbunden?

Zur Beantwortung – Herr Staatssekretär Härtel, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schlede! Die Senatsverwaltung für Schule, Jugend, Familie und Sport beabsichtigt nicht, die Vorklasse in der Berliner Schule kostenpflichtig zu machen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Schulische Angebote wie der Besuch der Vorklasse sind grundsätzlich nicht kostenpflichtig.

Zu Ihrer Frage 2: Das Schulreformgesetz sieht einen vorgezogenen Schuleintritt in die Schulanfangsphase mit fünfeinhalb Jahren vor. Meine für Schule und Jugend zuständige Verwaltung erarbeitet zurzeit gemeinsam Vorschläge, die in Verbindung mit der Einführung der verlässlichen Halbtagsgrundschule zu möglichst klaren Regelungen und eindeutigen Zuständigkeiten führen sollen, ohne die vorschulische Arbeit in den Kitas und die Vorklassen aufzugeben. Ich will damit sehr deutlich sagen, wir haben eine Vorstellung, dass die Vorklassenarbeit auch in

Zukunft eine wichtige Aufgabe wahrnehmen soll, wir werden aber gemeinsam an der Schnittstelle der Ressorts Jugend und Schule überlegen, wie das künftig in vernünftiger Weise organisiert werden kann. Dieser Diskussionsprozess ist ergebnisoffen. Wir haben mit dem Schulreformgesetz einen Vorschlag unterbreitet, befinden uns in einem Anhörungsverfahren und erwarten, dass hier im Rahmen dieser Diskussion – wir stellen auch fest, dass eine ganze Reihe von Vorschlägen bereits eingehen – eine klare Lösung von unserer Seite aus vorgelegt werden kann.