Protokoll der Sitzung vom 10.05.2001

Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 7. März 2001 und des Hauptausschusses vom 9. Mai 2001 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Verbesserung der Situation der Lehrbeauftragten an den Hochschulen (II), Drucksache 14/823

Für die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses ist Dringlichkeit beantragt. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Es wird gewünscht die Rücküberweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung sowie an den Hauptausschuss. Wer diesem Wunsch der Rücküberweisung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann haben wir die Rücküberweisung beschlossen.

Die lfd. Nr. 17 ist durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 18, Drucksache 14/1177:

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt die Überweisung der Verordnung unter der lfd. Nr. 1, die Verordnung Nr. 14/108 unter dem Stichwort Satzung Technikmuseum Berlin, an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten.

Wer die Überweisung so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen haben wir nicht, dann ist das so beschlossen.

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Führer

Weitere Überweisungsanträge liegen mir nicht vor. Ich stelle dann fest, dass das Haus von den übrigen Verordnungen Kenntnis genommen hat.

Lfd. Nrn. 19 bis 23 sind durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen damit zur

lfd. Nr. 24, Drucksache 14/1181:

Antrag der Fraktion der Grünen über Mutter-KindStation im Frauenstrafvollzug wieder einrichten

Es ist eine Beratung von bis zu fünf Minuten pro Fraktion möglich. Wortmeldungen liegen vor. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Herr Abgeordneter Weinschütz, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Preisfrage: Wo ist folgende Geschichte passiert? – Eine Frau bekommt ihr Kind. Beide sind glücklich. Doch das Glück währt nicht lange. Einen Tag nach der Geburt werden die beiden gewaltsam getrennt. Die Mutter darf das Kind nur einmal am Tag für kurze Zeit sehen. Zum Stillen reicht das nicht. Das Baby weint, die Mutter ist völlig verzweifelt. – Das klingt vielleicht nach Umerziehungslager in Vietnam. Passiert ist es aber vor drei Wochen hier in Berlin.

[Wieland (Grüne): Unglaublich!]

Die Mutter sitzt – möglicherweise unschuldig – in Untersuchungshaft. Zum Glück haben wir ein Verfassungsgericht. Das hat die gemeinsame Unterbringung angeordnet. Erst dann durfte das Kind wieder zur Mutter. Das ist überaus beschämend, solch ein Skandal darf sich nicht wiederholen.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Das Strafvollzugsgesetz sieht die gemeinsame Unterbringung von Müttern mit Kleinkindern vor. Entscheidend ist das Wohl des Kindes. Das muss das Jugendamt im Einzelfall prüfen. Aber die Justiz muss die Voraussetzungen bereitstellen. Die Mutter-KindStation in Berlin wurde jedoch abgeschafft. Das war ein Fehler. Fast alle Bundesländer haben eine Mutter-Kind-Station im Frauenknast. Kleinere Länder kooperieren mit Nachbarländern. Selbst in konservativen Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg ist die Mutter-Kind-Station selbstverständlich. Berlin ist jetzt rückständig. Das darf nicht sein. Die Mutter-Kind-Station muss wieder her.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Abg. Frau Baba (PDS)]

Der Bedarf ist vorhanden. Jetzt ist gerade der zweite Fall in wenigen Wochen bekannt geworden. Es geht um eine Romafrau aus Mazedonien. Sie muss nach der Haftzeit mit ihrer Abschiebung rechnen.

[Beifall des Abg. Dr. Heide (CDU)]

Ich nehme zur Kenntnis, das Sie hier Frauen und Kinder trennen und dann auch noch weit weg voneinander wissen wollen,

[Doering (PDS): Und dann noch Beifall klatschen!]

das ist Ihre Sache, unsere ist es nicht. – Die Frau aus Mazedonien muss mit ihrer Abschiebung rechnen, ihr Sohn wurde drei Tage nach der Geburt von ihr getrennt. Er wächst jetzt in einer deutschen Pflegefamilie auf. Einmal pro Woche darf er seine Mutter sehen. So lernt er nicht einmal seine Muttersprache. Nach der Haftzeit kommt er wieder zur Mutter, im schlimmsten Fall gleich nach Mazedonien. Was wird dann aus ihm werden? – Solche Fälle zeigen, dass wir die Mutter-Kind-Station brauchen. Natürlich ist sie nicht umsonst zu haben.

[Zuruf des Abg. Schöneberg (CDU)]

Aber ein Minimum an Menschlichkeit muss gewahrt bleiben, selbst wenn es ein paar Mark kostet. Wir appellieren an Herrn Diepgen – Herr Rauskolb, richten Sie es ihm bitte aus –, ich sage: Die Menschenrechte stehen nicht unter Haushaltsvorbehalt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Braun das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Beitrag, aber auch der Inhalt des Antrags werfen zunächst die Frage auf, ob sich tatsächlich das gesamte Haus mit einer solchen Problematik zu beschäftigen hat. Doch dazu später. interjection: [Frau Oesterheld (Grüne): Leider!] – Ja, weil Sie möglicherweise ohne Sachkenntnis sind, Frau Oesterheld, hören Sie doch erst einmal zu. interjection: [Frau Oesterheld (Grüne): Ich habe zugehört!] Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen suggeriert nämlich, dass in Berlin unter Verletzung von § 142 Strafvollzugsgesetz bisher nicht die Möglichkeit bestand, eine straffällig gewordene Mutter gemeinsam mit ihrem Kind in einer Justizvollzugsanstalt unterzubringen. Dies ist falsch. interjection: [Frau Oesterheld (Grüne): Wird es gemacht?] Wir haben in Berlin Möglichkeiten sowohl in Pankow als auch in Neukölln als auch in Reinickendorf, Mütter mit ihren Kindern unterzubringen. Das ist auch nach der Auflösung der MutterKind-Station in Charlottenburg im Frühjahr 1998 geschehen, interjection: [Weinschütz (Grüne): Warum brauchten wir dann das Verfassungsgericht?] nämlich in insgesamt sechs Fällen – nur damit wir eine Größenordnung haben, über die wir hier reden. Im Übrigen: Die Auflösung der Mutter-Kind-Station erfolgte nicht zu einem Zeitpunkt – ich habe ihn gerade genannt –, als das Justizressort CDU-geführt war. Das nur am Rande. interjection: [Frau Oesterheld (Grüne): Das ist u n s egal!] Wir können uns allenfalls darüber unterhalten, ob es sinnvoll ist, eine Mutter-Kind-Station in einer Justizvollzugsanstalt zu konzentrieren oder den aktuellen Zustand beizubehalten, nämlich eine solche Möglichkeit in drei Anstalten anzubieten. Unsere Fraktion ist da relativ offen. Wir werden auch die finanziellen Voraussetzungen zu prüfen haben. Für eine entscheidende Frage halten wir es nicht. Entscheidend ist uns Folgendes: Im Vordergrund unserer Überlegungen steht zunächst das Kindeswohl, nicht die Resozialisation der Mutter. Deshalb sieht auch das Gesetz vor, dass für derartige Maßnahmen immer die Zustimmung des zuständigen Jugendamts erforderlich ist. Gerade zu Beginn der Inhaftierung besteht oft Suicidgefahr bei der straffällig gewordenen Mutter. Unsere Aufgabe ist es, dass man in derartigen Ausnahmesituationen darauf achtet, dass die Mutter nicht möglicherweise auch noch dem Kind Gewalt antut. Auch deshalb müssen wir sehr vorsichtig mit dem Thema umgehen. Wir müssen bei der Problematik auch beachten, dass das Aufwachsen von Kindern in einer geschlossenen Anstalt zu erheblichen Schädigungen bei Kindern führen kann, –

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weinschütz?

Nein, das hilft ja nicht weiter. interjection: [Zurufe von den Grünen] – jedenfalls ab dem Alter, wo für die Entwicklung Spielkameraden und andere Einflüsse notwendig sind. Nach unserer Auffassung kann deshalb eine gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind allenfalls kurzfristig erfolgen und für eine Zeit, wo dies keine Schädigung bei Kindern hervorruft. Ein letzter Punkt noch, der mich bei Ihrem Antrag überrascht hat: Wenn man die Begründung liest, stellt man sich die Frage: Warum richten wir eigentlich nur eine Mutter-Kind-Station ein, warum nicht auch eine Vater-Kind-Station? interjection: [Vereinzelter Beifall bei der CDU – Frau Dr. Klotz (Grüne): Jetzt kommt der „feministische“ Charakter der CDU! – Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Ich weiß, das Strafvollzugsgesetz spricht nur von einer MutterKind-Situation, aber das stammt auch aus den 70er Jahren, wir sind einen Schritt weiter. Ich kann mir jedenfalls, wenn ich Ihre Begründung durchlese, vorstellen, dass es sehr viele Fälle gibt, wo die gleiche Problematik auch auf Väter zutrifft.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Weil Väter ihre Kinder umbringen würden?]

Deshalb – keine Erregung, Frau Klotz – wünsche ich mir, dass wir vorurteilsfrei über das wichtige Thema reden.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Stillzeit! – Dass Väter ihre Kinder stillen, ist weiter die Forderung! – Frau Ströver (Grüne): Haben Sie Ihre Kinder auch gestillt?]

Abschließend noch einmal: Es gibt wichtigere Themen, die dieses Parlament zu erörtern hätte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!]

Für die Fraktion der PDS hat Frau Abgeordnete Dott das Wort – bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke auch, dass dieses Thema sehr wichtig ist und dass es vor allem im Rechtsausschuss noch einmal einer ausgiebigen Diskussion darüber bedarf. Dort wird dieser Antrag auch besprochen werden.

Es geht nicht in erster Linie darum zu fordern, dass die Bedingungen zu schaffen sind – nach meinem Kenntnisstand sind die Bedingungen da –, sondern darum, das Thema überhaupt zu besprechen, wie mit straffällig gewordenen Frauen und Müttern generell umzugehen ist. In diesem aktuellen Fall halten wir es auch für einen Skandal, dass ein neugeborenes Kind von seiner Mutter getrennt wurde, zumal Bedingungen da waren und man von der Justizverwaltung verlangen muss, dass diese auch genutzt werden, um Mutter und Kind nicht voneinander zu trennen. [Beifall der Abgn. Frau Jantzen (Grüne) und Weinschütz (Grüne)]

Was danach kommt, ist allerdings eine Sache, die – wie ich meine – im Rechtsausschuss zu besprechen ist. Es gibt eine Menge Literatur dazu. Dieses Thema ist ja nicht neu, das spielt ja in der Rechtswissenschaft schon lange eine Rolle. Ich möchte mich beziehen auf Joachim Rosenkranz, der in seinem Buch „Normal entwickelt, verunsichert im Verhalten. Die Entwicklung von Kindern im Strafvollzug“ meint, dass man vor allem Einzelfallauswertungen betrachten solle und dort in nachdrücklicher Weise dokumentiert werden könne, dass die Gesamtproblematik der gemeinsamen Inhaftierung für manche, insbesondere ältere Kinder eine sehr große seelische Belastung in ihrem noch jungen Leben darstelle. Hieraus leitet sich vor allem ab, dass man über Alternativen nachdenken soll.

Wie geht man überhaupt mit Müttern um? – Berlin hat zurzeit 5 200 Strafgefangene, davon sind ca. 200 Frauen. Die Gründe, warum Frauen inhaftiert werden, und ihre Motivationen, straffällig zu werden, unterscheiden sich in vielen Fällen stark von denen der Männer. Hier muss darüber geredet werden, welche Alternativen es zur Haftunterbringung für Mütter gibt. Hier, bei der Suche nach neuen Methoden, könnte Berlin Vorreiter sein. Das wünsche ich mir auch von der Diskussion im Rechtsausschuss.

[Beifall bei der PDS]

Für die Sozialdemokratische Fraktion hat Herr Abgeordneter Kleineidam das Wort – bitte sehr!