Der Architekt des Mahnmals, Ullmann, hat am 11. Mai formuliert: „Die Garage war lange geplant, aber nun wird es ernst.“ Ein wesentliches Argument wurde dann vorgetragen vom Berliner Architekten Andreas Zerr: „Doch wie sieht es aus, wenn dort jahrelang gebaut wird?“ – Ich stelle die Frage: Wie sieht es aus beim Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, ist das tatsächlich ein zugkräftiges Argument?
Der Vizepräsident der Akademie Pflügge hat festgestellt: „Der Sinn des Mahnmals wird zerstört.“ Und Pflügge sagt weiter, dass nach seinem Verständnis die unterirdische Bibliothek des Akademiemitglieds Ullmann wichtiger ist als das geplante Holocaust-Denkmal an der Ebertstraße.
Diese drei Zitate zeigen sehr deutlich, hier ist eine Verlotterung in der Argumentation eingetreten, die dem Anlass, dem Denkmal, den anderen Denkmälern in der Stadt und den authentischen Orten in der Stadt in keiner Weise gerecht wird.
Die unterirdische Bibliothek ist 1995 fertiggestellt worden, seit 1994 ist selbst der Kontaktarchitekt von Herrn Ullmann, Herr Zerr, in eine Tiefgaragenplanung mit eingebunden gewesen. 1996 gab es die Ausschreibung für eine Tiefgarage, 1997 eine weitere Ausschreibung, bis 1999 die Auswahl des Anbieters. All das vor den Augen der Öffentlichkeit, für jeden wahrnehmbar, für jeden nachlesbar, und nun diese Diskussion. Der langjährige Planungsvorlauf zeigt insbesondere den hohen Gestaltungsanspruch an dieses Umfeld. Man hat sich sehr viel Zeit dafür genommen, das im Ergebnis herbeizuführen, was jetzt realisiert werden soll. Die üblichen Erscheinungsbilder von einer Tiefgarage, wie Entlüftungsschornsteine, überdachte Zugänge und Aufzüge, wird es an diesem Ort nicht geben.
Nein, ich gestatte bei fünf Minuten Redezeit keine. – Die Zufahrten werden in die Behrenstraße verlegt, es gibt die Entlüftungsschächte oberirdisch in die Fahrbahn eingelassen. All das macht deutlich, dass man hier mit hohem Aufwand – gedanklich, finanziell –, mit einer ausgereiften Konzeption hier zur Realisierung kommt. Dazu gehört natürlich auch, dass das Pflaster unter konservatorischen Gesichtspunkten aufgenommen, nicht einfach abgeräumt, sondern entsprechend fachmännisch abgeräumt wird.
Die besondere Qualität des Denkmals, um die die Diskussion sich rankt, liegt darin, dass es eine große Überzeugungskraft ohne jeden Pathos entwickelt. Von Anfang an war die Idee des Künstlers – auch das ist dokumentiert – der unterirdisch hermetisch abgeschlossene Raum, das Fenster auf Platzniveau und
der ruhige, oberirdische historische Platz. Die zusätzlich in die Diskussion eingeführte Symbolik – Stichworte dafür: Grabkammer, Arche Noah und andere – haben eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Problem beinahe unmöglich gemacht und es sind meiner Ansicht nach auch Argumente, die man nicht gelten lassen kann. Der Platz ist auch in den letzten Jahren, seit Fertigstellung des Mahnmals, anders genutzt worden. Es gab zum Beispiel große Kunstaktionen, bei denen über einhundert Verkehrsschilder mit Rasen aufgestellt wurden, um für die Erhaltung städtischen Grüns zu protestieren. Man hat dort eine Freilichtbuchhandlung initiiert, es gab eine große Informationsschau der Humboldt-Universität, bei der Roboterhunde Fußball spielten und moderne Materialien zur Nutzung der Solarenergie präsentiert wurden. Das alles macht deutlich, dass diese Diskussion fast nicht führbar ist, zumindest nicht in der Weise, dass jemand behaupten kann, der eine habe Recht und der andere nicht.
Damit komme ich zum Abschluss. Diese kaum führbare Debatte führt zu der Schlussfolgerung, dass man die Planung dort ohne Weiteres realisieren kann, weil es tatsächlich keine Auswirkungen auf das Mahnmal, den Grundgedanken und das Gedenken an diesem Ort gibt. Zum Abschluss sei an dieser Stelle ein Beitrag aus dem Feuilleton der „Berliner Zeitung“ zitiert:
Deutet der Plan, dort eine Tiefgarage zu errichten wieder auf eine barbarische Gesinnung hin, für die man sich, wie in der Akademie der Künste gesagt wurde, unbeschreiblich schämen müsse? Die ob des Berliner Stumpfsinns zutiefst Erschütterten heben hervor, dass es sich beim Bebelplatz um einen authentischen Ort des Verbrechens handelt. Ganz Berlin ist aber ein Ort des Verbrechens. In den meisten Straßen der Stadt geschah rasch nach der Machtergreifung Schlimmeres als das Versengen von Buchseiten. Menschen wurden gedemütigt, geschlagen, ihrer Geschäfte beraubt. Juden wurde das Benutzen von Büchereien verboten. Jede ältere Bibliothek Berlins ist ein Ort der Barbarei.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie diese unsägliche Diskussion. Wir werden in ein bis zwei Jahren, wenn dort alles realisiert ist, feststellen, dass es sich hier um einen Sturm im Wasserglas handelt. So sollten wir das auch behandeln. Wir sollten nicht die guten Planungen für diese Stelle zerreden und kaputt machen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Goetze! – Ehe ich Frau Ströver das Wort gebe, hat das Wort Frau Matuschek zu einer Kurzintervention für die Fraktion der PDS.
Herr Goetze! Sie haben offenbar dieses Verfahren aufmerksam beobachtet, ich habe das auch getan, und mir tun sich jetzt einige Fragen auf: Am Anfang des Verfahrens stand von vornherein der Wunsch nach Parkplätzen. Man wollte Parkplätze in unmittelbarer Nähe der Staatsoper haben, und zwar möglichst viele. Das war die Grundlage für ein Investorenverfahren. Das zum Ersten.
Zum Zweiten: Die lange Planungsphase war nach meinem Kenntnisstand hauptsächlich dem geschuldet, dass man sich über die Art des Parkhauses lange nicht einigen konnte. Man wollte dort zunächst ein Stapelsystem, was sich dort aber technisch nicht realisieren lässt, einrichten, weiterhin hat man lange über die Zufahrten verhandelt – eine oder zwei –, und man hat eben nicht – weder am Anfang noch während des Verfahrens – die notwendige Sensibilität gegenüber diesem Platz und dem Denkmal aufgebracht. Das ist der Vorwurf, der jetzt hier zu diskutieren ist. Darum geht es. Von vornherein war die angebliche verkehrspolitische Notwendigkeit, statt 95 Parkplätzen 450 zu schaffen, das übergeordnete Interesse und nicht der historische Rahmen dieses Platzes. Dann findet man irgendwelche technischen Lösungen, um dieses Denkmal dort unten einzubringen, dass man darum herumfahren oder es mit Betonmauern absichern kann. Das ist genau der Punkt, wo wir sagen, das ist tech
nokratisches Herangehen, ohne Sensibilität gegenüber dem historischen Platz, gegenüber dem Denkmal, gegenüber dem Künstler. Darum muss dieses Verfahren beendet werden. Die Tiefgarage darf genau an diesem Platz nicht entstehen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eben genau, weil ich mich mit diesem Verfahren sehr intensiv beschäftigt habe, steht fest, dass es an der Oberfläche des Bebelplatzes im Bereich der historischen Pflasterung und innerhalb der gesamten Platzstruktur keine Elemente gibt, die typisch sind für eine Tiefgarage. Es gibt sie nicht.
Das können Sie auf allen Planzeichnungen auf den planfestgestellten Unterlagen nachvollziehen. Tun Sie es einfach, dann hätten wir diese ganze Debatte hier nicht.
Ich möchte noch einmal zu dem Problem Stellung nehmen, das in der Vergangenheit eingefügt worden ist, was Sie am Schluss Ihrer Kurzintervention versucht haben herauszuarbeiten, die Frage, ob eine Tiefgarage, eine heutige städtische Nutzung, diesen Platz in irgendeiner Form negativ tangiert. Ich meine nicht. Und ich zitiere noch einmal aus dem schon eben erwähnten Artikel vom 16. Mai aus der „Berliner Zeitung“:
und Rücksicht bei der Planung auf das wirklich überzeugende Denkmal fordern. Aber man hüte sich davor, dass die hohle Monstrosität der Nazigedanken auf das Gedenken abfärbt. Es ist angesichts der vielen lauten Schreie, die niemand hören wollte, unangebracht, den Bebelplatz als „stillen Schrei“ zu poetifizieren und den Boden unter seinem Pflaster zu mystifizieren, als könnten die dort geparkten Autos den Geist noch einmal schänden.
Es ist doch eine Scheindebatte, die wir hier führen. Deswegen bitte ich, das einfach einmal abzuschließen, weil es der Stadt und unserem Anliegen schadet.
Vielen Dank, Herr Goetze! – Damit haben wir das Ritual der Kurzinterventionen erschöpft. – Es hat nun Frau Ströver von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für ihren Redebeitrag von 5 Minuten das Wort – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich so: Seit 1992 wird darüber debattiert, ob unter den Bebelplatz eine Tiefgarage gelegt werden soll. Jetzt ist diese Planung so weit fortgeschritten, dass diese Baumaßnahme realisiert werden soll. Man hat nach langem Hin und Her einen Investor gefunden und das Ganze so konstruiert, dass es sich lohnt, obwohl wir alle wissen, dass sich Tiefgaragen in Stadtkernen überhaupt nicht lohnen – und in Berlin schon gar nicht. interjection: [Beifall bei den Grünen]
Der Konflikt mit dem Kunstwerk zur Bücherverbrennung war absehbar, nun ist er da. Es ist eine extrem missliche Situation, wie leider oft in solchen Fällen, dass wir sehr spät uns dieses Konfliktes bewusst werden, der hier angelegt ist: ein existierendes Kunstwerk – Herr Goetze, nicht eines, das entsteht, sondern schon da ist – steht gegen eine Bauplanung, die dort am Ort vorgesehen ist. Wir haben hier ein typisches Beispiel für mangelnde Sensibilität – übrigens auch des Bezirksamt, hier steht leider,
Herr Brauer, die PDS, das Bezirksamt Mitte, in keiner Weise besser da in der Verantwortung als die Senatsverwaltung. Hier können sich alle an die Nase fassen, dass es ihnen in der Vergangenheit nicht gelungen ist, die Sensibilität dieses Themas verstanden zu haben, es insofern verabsäumt haben, all diese Fragen des Umgangs mit dem Kunstwerk an diesem Ort adäquat zu beraten. Jetzt drängt die Zeit. Ich kann nur sagen, wir hätten den ganzen Konflikt nicht, wenn wir dort darauf verzichten würden, eine Tiefgarage zu bauen.
[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Seelig (PDS) – Zuruf von der PDS: Darum geht es doch!]
Das weiß jeder, und mein Kollege Cramer sagt es mir natürlich immer wieder. Aber ich sage es Ihnen aus meiner ganz subjektiven Sicht. Diejenigen die mich kennen, wissen, dass ich eine Autofahrerin bin, und sie wissen alle, dass ich auch sehr häufig die Staatsoper besuche. Ich kann Ihnen sagen, es ist nicht nötig, zur Staatsoper mit dem Auto zu fahren.
von denen Sie innerhalb von 10 Minuten die Staatsoper erreichen. Sie werden keinen Opernbesuch verpassen, weil Sie etwa keinen Parkplatz finden, wenn Sie schon mit dem Auto fahren wollen. Es fördert schließlich auch unser lokales Taxigewerbe. Es ist überhaupt kein Problem, die Staatsoper lebt seit anno dunnemal damit, dass es dort keine große Zahl von Parkorten gibt, ich finde, damit können wir wunderbar weiterleben.
Dann hätten wir diesen Konflikt nicht, dann könnten wir darauf verzichten, uns in womöglich sogar internationale Konflikte um die Arbeit eines israelischen Künstlers zu begeben. Wir müssen hier auf die besondere geschichtliche Verantwortung für den gesamten Platz hinweisen, das gilt nicht nur für das Denkmal von Micha Ullman; der ganze Platz war der Ort der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933. Es ist kein gutes Symbol, wenn wir diesen Platz umwandeln zur Abdeckplatte für eine Tiefgarage.
Ich glaube schon, Herr Goetze, und da habe ich eine ganz andere Wahrnehmung als Sie, dass, wenn wir dort eine Tiefgarage haben, die Ein- und Ausfahrten braucht, die Ablüftungsschächte hat etc. auch wenn Rücksicht genommen wird auf das vorhandene Kunstwerk, es nicht gut ist, wenn wir die Gesamtsymbolik dieses Kunstwerkes, das sich einbezieht in den Ort, zerstören. Ich könnte gut auf die geplante Entwicklung verzichten, denn man muss sagen, Herr Goetze, – er hört mir sowieso nicht zu, aber vielleicht die anderen Kollegen – –