Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

Ich rufe auf die Artikel I und II, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut des Antrags Drucksache 14/534 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1218. Wird Beratung gewünscht? – Wer spricht für Ihre Fraktion? – Frau Hämmerling, dann haben Sie das Wort. Sie beginnen, fünf Minuten pro Fraktion. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich weiß, ich verlange Ihnen jetzt eine Menge ab: Aus dem Sumpf der Bankgesellschaft zurück in die Niederungen der Umweltpolitik, das ist ein Quantensprung. Aber auch in der Umweltpolitik gibt es ungebremste kriminelle Energie. Mehr als 50 illegale Deponien sind in Berlin entstanden. Wir haben in der Vergangenheit ausgiebig darüber diskutiert. Eine trägt inzwischen einen Namen: Sellheimgebirge. Diese Deponie wurde nach einer Brücke benannt, die dieses Gelände überspannte. Heute kann man vom Gipfel dieses Sellheimgebirges auf die Brücke hinabsehen. Sie liegt tief unter dem Gipfel. Hunderttausende Kubikmeter Bauschutt, giftiges Altholz und Sondermüll gammeln vor sich hin. Der Regen wäscht die Giftstoffe aus. Die fließen dann ungebremst ins Grundwasser. Sechs Jahre haben die Behörden diese illegalen Geschäftspraktiken tatenlos bzw. hilflos geduldet. Das Muster der kriminellen Recyclingbetriebe ist immer das gleiche: Kapitalgesellschaft gründen, eine Fläche mieten, dann die Abfälle aufhäufen und schließlich einen Konkurs machen. Anschließend bleiben die Abfälle liegen. Diese Unternehmen gründen dann eine neue Kapitalgesellschaft, und das Spiel beginnt von vorne. Damit muss Schluss sein!

[Beifall bei den Grünen]

Die Berliner Behörden sind durch soviel kriminelle Energie überfordert. Während Bezirk und Senat damit beschäftigt sind, gegenseitig über die Zuständigkeit zu diskutieren, ist der nächste Müllberg längst entstanden und die Betreiber sind im Konkurs. Die Grundstückseigner dieser Lagerflächen sind dann in der Regel diejenigen, die die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle veranlassen müssen. Die Millionenbeträge, die dafür notwendig sind, überfordern die privaten Eigentümer häufig. Am Ende muss das Land Berlin eintreten. Das heißt, der Steuerzahler hat diese Kosten an der Backe.

Deshalb hat meine Fraktion diesen Antrag gestellt. Der Vorschlag war, alle Recyclingunternehmen in Berlin in die Pflicht zu nehmen. Dazu sollte die Berliner Bauordnung geändert werden. Wer Abfälle lagern will, soll dafür eine Sicherheitsleistung bei einer Bank hinterlegen.

[Zuruf des Abg. Over (PDS) – Wieland (Grüne): Nicht bei der Bankgesellschaft! – Beifall bei den Grünen]

Nicht bei der Bankgesellschaft, um Himmels willen! Diesen Hinweis bitte ich doch sehr ernst zu nehmen. Herr Over, schönen Dank für den Hinweis! – Diese Bankbürgschaft garantiert dann, dass alle Abfälle am Ende auch recycelt und entsorgt werden können. Dem Antrag wollte die große Koalition leider nicht zustimmen, weil auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz gerade mit ähnlichem Kontext geändert werden soll. Die Änderung würde dann auch einen Teil der in Berlin problematischen Abfalllager erfassen. Wir können uns dieser Argumentation aber nicht anschließen, denn erstens konkurriert unser Antrag nicht mit der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zweitens ist die Sicherheitsleistung eine zusätzliche Garantie für die Zuverlässigkeit der Unternehmen. Letztlich ist unklar, wann diese bundesgesetzliche Regelung kommt und ob sie überhaupt in Kraft tritt. Der Charme unseres Antrags ist: Für die Änderung der Berliner Bauordnung brauchen wir im Bundesrat keine Mehrheit. Wir können sie heute beschließen, und wir haben sofort etwas gegen die Müllmafia in der Hand.

[Beifall bei den Grünen]

Der uns jetzt vorliegende Antrag enthält nur noch Teile aus dem Ursprungsantrag. Schade, dass Sie sich nicht überwinden konnten, dem großen Wurf zuzustimmen. Dennoch, der verbliebene Teil ist auch aus unserer Sicht eine Initialzündung zumindest gegen die kleinen Abfallhaufen in der Stadt – nicht gegen die ganz kleinen –, und deswegen werden wir auch diesem rudimentären Antrag zustimmen.

[Beifall bei den Grünen – Over (PDS): Dann hätten wir ihn doch auf die Konsensliste setzen können!]

Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Hoffmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderung der Bauordnung ist ein aktiver Schritt zum vorbeugenden Umweltschutz in der jetzt vorliegenden Fassung. Neu sind die Einführung einer Genehmigungspflicht bei den Lagerplätzen bis 300 qm und die Erbringung einer Sicherheitsleistung im Vorfeld der Nutzung. Ziel ist, im Entsorgungsmarkt stärker als bisher die Spreu vom Weizen zu trennen, also die legalen Entsorgungsfachbetriebe, die entsprechend zertifiziert sind und tatsächlich die Absicht des Recyclings verfolgen, von denen zu trennen, die von vornherein lediglich Gewinne abschöpfen wollen, ohne eine ordnungsgemäße Entsorgung zu veranlassen. Es werden damit auch diejenigen wieder die Aufträge bekommen, denen sie bisher von den schwarzen Schafen durch unrealistische Billigangebote entzogen worden sind. Dies ist ein Stück praktische Wirtschaftsförderung.

Gerade die Einführung der Genehmigungspflicht auch bei kleineren Lagerplätzen ist ein wichtiger Schritt. Dabei müssen die Bezirke die bisherigen Vollzugsdefizite auch unter Inanspruchnahme von Hilfe besonders der Umweltkripo beseitigen und ein effektiveres Controlling organisieren, und zwar deswegen, um effektiver handeln zu können. Nichteinhaltungen müssen schneller zur Anzeige gebracht, Regress- und Sanktionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher durchgesetzt werden.

Natürlich beinhaltet diese Änderung auch einen Kostenschutzfaktor für das Land Berlin, da durch die Sicherheitseinlage in Höhe des Entsorgungsaufwandes vor Beginn der Nutzung des Lagerplatzes mit Abfällen sichergestellt ist, dass im Fall des Falles zügig eine Beräumung erfolgen kann, ohne dass diese Kosten durch das Land Berlin bzw. durch die Bezirke zu tragen sind.

Insgesamt ist der Beschluss des Ausschusses ein weiteres praktisches Beispiel in der politisch-parlamentarischen Praxis für die von der Union stark vorangetriebene Kampagne „Kampf dem Schmarotzertum“, [Heiterkeit bei der PDS]

zum Schutz für die Verbraucher und speziell zu Gunsten der Umwelt. Die CDU-Fraktion unterstützt diese Beschlussempfehlung und fordert den Senat gleichzeitig auf, den Sachstandsbericht über illegale Deponien regelmäßig in Kooperation mit den Bezirken fortzuschreiben. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der PDS hat der Abgeordnete Spindler das Wort. – Bitte sehr!

[Dr. Rogall (SPD): Unser Strieder macht das schon!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wundert mich schon: In der Ausschussberatung im Bauausschuss, der federführend für diesen Gesetzentwurf war, hatte ich um eine Aussprache gebeten; dies wurde verweigert mit dem Argument, es sei doch alles klar wir Kloßbrühe, wir seien uns alle einig. Insofern verwundert es mich etwas, Frau Hämmerling, dass Sie das Bedürfnis hatten, Ihren schönen Antrag hier noch einmal zu begründen.

Allerdings wundert mich auch, dass Sie offenbar nicht ganz auf dem aktuellen Stand der Gesetzgebung auf der Bundesebene sind; der Bundesrat hat Anfang Mai das Gesetz zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten bei Abfalllagern beschlossen. Damit ist der jetzige Gesetzesantrag – ich will nicht sagen hinfällig; er nützt nicht mehr viel und er schadet auch nicht viel. Deshalb wird die PDS diesem Gesetz zustimmen. Die Dinge, die Sie neu zu regeln beabsichtigen, sind in dem Bundesgesetz, wenn es nun in Kürze verkündet wird und in Kraft treten kann, mit enthalten.

[Frau Hämmerling (Grüne): Es gibt auch noch den Bundesrat!]

Es bleibt dabei: Lagerplätze bis 300 qm Fläche bleiben nach der Berliner Bauordnung genehmigungsfrei. Ausgenommen sind die Lagerplätze, auf denen Abfälle im Zusammenhang mit Abfallentsorgungsanlagen gelagert werden. Ein sicherlich „sehr erotisches“ Thema nach der vorangegangenen Debatte. Wenn man diese Maßstäbe anlegte, würde dieser Senat keine Genehmigung mehr für die Abfälle erhalten, die hier produziert wurden.

§ 62 soll geändert werden. Das ist das Kernstück des Vorschlags der Grünen, bei den Lagerplätzen, wenn die Genehmigung erteilt wird, eine entsprechende Sicherheitsleistung abzuverlangen. Das ist gut und wichtig so. Nicht gut ist jedoch, dass sich die große Koalition nahezu ein Dreivierteljahr Zeit gelassen hat, um diese Dinge umzusetzen. Insofern ist es ein bisschen albern, Kollege Hoffmann, wenn Sie dies nun als „die Fortsetzung unserer klugen Politik“ usw. bezeichnen. Hätten Sie die Dinge ein bisschen früher und beschleunigt im Plenum behandelt, wären wir jetzt schon einen Schritt weiter gewesen

[Hoffmann (CDU): Erst nachdenken, dann handeln!]

und hätten genau das machen können, was Frau Kollegin Hämmerling vorhin ansprach, nämlich schon vor Bundestag und Bundesrat in Berlin diese Dinge zu regeln.

[Beifall bei der PDS]

Eine Sicherheitsleistung ist notwendig, damit nicht die Berlinerinnen und Berliner für diese kriminellen Machenschaften aufkommen müssen, die einige an den Tag legen, so dass letztlich das Land Berlin auf diesen Kosten sitzen bleibt. Aber, Frau Kollegin Hämmerling, der große Wurf wird es nicht sein – weil Sie sagten, Ihnen wäre lieber gewesen, wir hätten Ihren Ursprungsantrag beschlossen. Wenn man den genau liest, bedeutet er nichts anderes als das, was letztlich im Ausschuss beschlossen wurde. Sie haben nur im letzten Satz geschrieben – von der Systematik her nicht ganz richtig, aber immerhin –: „Lagerplätze im

(A) (C)

(B) (D)

Sinne dieses Absatzes sind unabhängig von ihrer Größe genehmigungsbedürftig.“ Nichts anderes ist jetzt beschlossen worden. Sie meinten wahrscheinlich, dass sämtliche Lager in Berlin der Genehmigung unterworfen werden sollen. Das halte ich für Unsinn, weil es einen Aufbau der Bürokratie bedeutete, und dies war von Ihnen nicht beabsichtigt, wenn man Ihren Antrag liest.

Wir stimmen diesem Antrag zu. Es ist aber klar – das war bisher die Problematik –, dass bei den sogenannten Zwölfmonatsanlagen, was das Baurecht angeht, die Bezirke zuständig waren. Wir haben klare Zuständigkeiten und klare Eingriffsbefugnisse; wir setzen mit der Sicherheitsleistung nun einen einen Punkt auf das I. Aber es ist auch klar, Herr Senator Strieder: Da nach der neuen Bundesrechtslage diese Anlagen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind, sind Sie nach der Berliner Rechtslage zuständig, was die Aufgabe einer Ordnungsbehörde angeht. Ich kann nur hoffen, dass Sie diese Möglichkeiten wahrnehmen. Nach dem Bundesrecht können Sie Sicherheitsleistungen verlangen. Ich gehe davon aus, dass Ihre kluge Senatsverwaltung – und Sie sind ja auch klug – davon Gebrauch machen wird, damit wir den kriminellen Machenschaften ein Ende setzen können. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS]

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Radebold das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind nur noch Ergänzungen notwendig, die von meinen Vorrednern nicht vorgebracht wurden. Tatsache ist, dass Illegalität und Betrug Ursache einer Verschärfung des Gesetzes sind. Das ist zwar gegen unsere Philosophie; wir wollen eigentlich deregulieren und nicht noch mehr Bürokratie. Aber wenn Menschen die Gesetzeslücken so ausnutzen, dass sie zum Schaden der Umwelt, Berlins oder anderer privater Eigner damit Missbrauch treiben, müssen wir handeln.

Frau Hämmerling, ich bestätige noch einmal, was mein Vorgänger gesagt hat. Der Bundestag hat beschlossen, und der Bundesrat hat beschlossen. Dennoch haben wir eine geringfügige Verschärfung dieser Gesetzesnovelle vorgenommen. Wir gehen bei der Sicherungsleistung nicht von dem Wörtchen „kann“ wie die bundesrechtliche Regelung aus, sondern wir haben uns im Umweltschutzausschuss darauf geeinigt – das hat der Bauausschuss getragen –, dass wir mit dem Wort „soll“ die Sicherungsleistung verbindlicher vorschreiben, als es im Bundesgesetz vorgesehen ist.

Ich kann mich kurz fassen; es ist ein Beispiel, wo alle Fraktionen dieses Hauses das Handeln für richtig ansehen. Ich bitte Sie wie meine Vorredner um Zustimmung zur Änderung der Bauordnung. – Danke!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Der Bauausschuss empfiehlt einstimmig – bei Enthaltung eines Mitglieds der Fraktion der PDS – die Annahme des Antrags zur Änderung der Bauordnung von Berlin mit Änderungen. Wer dem 9. Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin, Drucksache 14/534, unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1218 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig beschlossen.

Wir sind dann bei der

lfd. Nr. 2 A, Drucksache 14/1239:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zu dem Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im

Bereich des Rundfunks, Drucksache 14/1100, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und BerlinBrandenburg vom 30. Mai 2001

Diese Beschlussempfehlung ist dringlich. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. Ich rufe auf die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/1100. Auf Beratung wird verzichtet. Der Medienausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der PDS bei Enthaltung der Fraktion der Grünen die Annahme des Staatsvertrages. Ich verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zu dem Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks, Drucksache 14/1100, seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Gegenstimmen und einigen Stimmenthaltungen ist das Gesetz so angenommen.

Wir sind nun bei der

lfd. Nr. 2 B, Drucksache 14/1240:

II. Lesung des Antrags der Fraktion der PDS über Siebtes Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes, Drucksache 14/663, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen vom 30. Mai 2001

Auch diese Beschlussempfehlung ist dringlich. Wird hier der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.