Dennoch herrscht in der Stadt Aufbruchstimmung. Seit letztem Mittwoch herrscht in der Stadt Aufbruchstimmung, weil die Menschen merken, es wird etwas anders, es muss etwas anders werden und weil sie daran partizipieren wollen. Wir sagen: In dieser Krise liegt auch eine Chance. Wir sind gewillt, sie zu nutzen, wir sind gewillt zu einem Senat des Neuanfangs, zu einem Senat der Innovation und zu einem Senat zu werden, der endlich mit dieser unverantwortlichen Politik bricht. – Vielen Dank!
[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]
Herr Kollege Niedergesäß, der Redner hat immer das Mikrofon und die Lautsprecher, deshalb dringen Sie trotz Ihrer starken Stimme nicht durch.
Vielleicht können Sie sich einmal ein bisschen zurückhalten, Herr Niedergesäß, es wäre doch hilfreich.
[Niedergesäß (CDU): Nee, kann ich nicht! – Zuruf von der PDS: Dann gehe doch raus! – hierauf Abg. Niedergesäß (CDU): Das musst du mir gerade sagen, du Penner! – Zurufe von der PDS und den Grünen: Herr Präsident! Ordnungsruf!]
Der Regierende Bürgermeister hat offensichtlich in seiner Regierungserklärung versucht, einen Bogen zu spannen zwischen zwei historischen Abstimmungen. Beide historische Abstimmungen werden mit den Stimmen der PDS gewonnen, die Abstimmung über den Regierungssitz und die Funktion Berlins als Hauptstadt ist mit den Stimmen der PDS gefällt worden 1991 – und gegen die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, das gehört auch zur historischen Wahrheit.
Eberhard Diepgen ist nur mit den Stimmen der PDS zum Regierenden Bürgermeister der deutschen Hauptstadt geworden, sonst wäre er nur Regierender Bürgermeister von Berlin und hätte sich nicht zehn Jahre mit dem Titel Bürgermeister der deutschen Hauptstadt schmücken können.
Ich habe seit Februar diesen Jahres immer wieder darauf hingewiesen, dass das Schicksal dieser großen Koalition nicht von den Stimmen der PDS abhängt, sondern dass es in der Hand der CDU liegt, ob diese große Koalition weiter existiert.
Auch die Tatsache, dass dieses Misstrauensvotum und die Neuwahl eines Übergangssenats notwendig sind, auch dies hat die CDU in der Hand gehabt. Die CDU war klar damit konfrontiert, zu sagen: Wir machen den Weg für Neuwahlen so schnell wie möglich frei, wir akzeptieren den Willen der überwältigenden Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner ihre Stimme abgeben zu können, sich äußern zu können über die Vorgänge bei der Bankgesellschaft und über die Krise in der Stadt. – Die CDU hat bis
heute kein klares und deutliches Wort dazu gesprochen. Deshalb wird es nötig sein, diesen Regierenden Bürgermeister und die CDU-Senatoren abzuwählen! [Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen] Und es ist deshalb notwendig, weil nur so der Weg freigemacht werden kann, dass die Menschen in der Stadt ihre Meinung äußern können, die politischen Parteien mit einem neuen Mandat versehen können für die Bewältigung der schwierigen Zukunftsaufgaben. [Niedergesäß (CDU): Hat die PDS keine Ossis zum Reden, muss da ein Wessi reden?] – Herr Niedergesäß! Ich glaube, sie sind noch stellvertretender Landesvorsitzender. Das heißt, Sie tragen eine gewisse Verantwortung in ihrer Partei. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Herr Niedergesäß – und viele andere und vor allem der Regierende Bürgermeister hätte die Möglichkeit gehabt – dafür zu sorgen, dass Herr Landowsky rechtzeitig seinen Hut nimmt [Niedergesäß (CDU): Sie haben nichts begriffen!] und nicht erst das Ultimatum Ihres damaligen Koalitionspartners notwendig gewesen wäre, [Niedergesäß (CDU): Bei uns herrscht Demokratie!] denn nur unter dem Druck der SPD ist diese personelle Konsequenz gezogen worden. Es waren Sie, die ihn noch einmal befördert haben zum stellvertretenden Landesvorsitzenden mit der Konsequenz, dass er jetzt noch einmal nachträglich zurückziehen musste. [Niedergesäß (CDU): Das ist Diktatur!]
Herr Kollege Niedergesäß! Es ist wirklich so, dass Herr Wolf das Wort hat und nicht Sie. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns allen das Zuhören erleichtern würden. Ich habe nichts gegen Zwischenrufe, aber Zwischenrufe sind Zwischenrufe und nicht das Gegeneinanderreden. – Bitte, Herr Wolf!
Danke, Herr Präsident! Neben vielen anderen Vorteilen, die ich gegenüber Herrn Niedergesäß habe, habe ich momentan das Mikrofon. Meine Damen und Herren! Sie hatten noch eine weitere Möglichkeit in der großen Koalition weiterzumachen, nämlich vor dem letzten Koalitionsausschuss.
Herr Kollege Wolf! Der Herr Niedergesäß möchte eine Zwischenfrage stellen. interjection: [Gelächter bei der PDS] Gestatten Sie eine?
Danke, Herr Präsident! Ich möchte Herrn Wolf korrigieren. Ich bin kein stellvertretender Landesvorsitzender. Außerdem entscheidet bei uns nicht ein stellvertretender Landesvorsitzender, was 400 Delegierte auf einem Parteitag zu wählen haben. Das mag bei Ihnen so sein, bei uns nicht.
Lieber Kollege Niedergesäß! Streng genommen sind Zwischenfragen zulässig und nicht Interventionen. Aber wenn es der Klarheit dient, ist sicherlich auch der Kollege Wolf damit einverstanden. Bitte, Herr Kollege Wolf, fahren Sie fort! interjection: [Niedergesäß (CDU): Jetzt können Sie das Mikro wieder abschalten! – Heiterkeit] – Auch daran arbeiten wir. interjection: [Niedergesäß (CDU): Ich sehe immer noch rot! – Heiterkeit]
Ich hatte Sie ja auch gefragt, ich war mir nicht sicher. Ich danke für Ihre Klarstellung, Herr Niedergesäß. Bei allem Chaos, das die Berliner CDU in den letzten Wochen und Monaten geboten hat, bin ich mir sicher, Herr Niedergesäß, das haben Sie nicht alleine anrichten können. Insofern bin ich der Meinung, Sie können in der Tat nicht alles entscheiden, da mussten noch andere mitarbeiten.
Nun zu diesem 50-Punkte-Plan: Da gab es ja noch die Möglichkeit, dass sich die CDU und der Regierende Bürgermeister bekennen zur politischen Verantwortung und vor allen Dingen sagen, wie es weitergehen, wie diese finanzielle Krise des Landes bewältigt werden soll. Da kommen Sie unter dem Druck des Koalitionspartners in letzter Minute an mit einem 50-Punkte-Plan.
Da will ich Ihnen einmal berichten, was Herr Werthebach zwei Tage danach vor mehreren Hundert Personalräten des öffentlichen Dienstes zu diesem 50-Punkte-Papier gesagt hat – das 50-Punkte-Papier war ja, haben Sie gesagt, ein ernsthafter Verhandlungsvorschlag, ich glaube, es stand über einer Fassung auch „50 Punkte der Berliner CDU“. Da stellt sich Herr Werthebach vor die Personalräte des öffentlichen Dienstes und erklärt: Es gibt da so ein Papier.
Das Papier ist völlig unverbindlich, es gibt auch viele Punkte, die ich nicht teile, aber wir wollten darüber mal so sprechen. –
Meine Damen und Herren! Das ist doch wohl kein ernsthafter Versuch, in dieser Situation gewesen, noch einen Beitrag zur Bewältigung der Finanzkrise im Land Berlin zu leisten, wenn man sich gleichzeitig zwei Tage später wieder von den eigenen Vorschlägen distanziert. Damit muss Schluss sein im Lande Berlin, auf der einen Seite so zu reden, und dann, wenn man vor die Personalräte tritt, anders zu reden. Das brauchen wir nicht mehr in dieser Stadt. Ihre Rede sei ja, ja, nein, nein.
Das sage ich Ihnen als einer christlichen Partei: nicht sagen, mal hier, mal da, mal so, aber bloß nichts Verbindliches. Damit muss Schluss sein in diesem Land.
Deshalb wird es unsere Unterstützung geben für die Abwahlanträge, und es wird von unserer Seite aus die Stimmen geben, um einen Übergangssenat zu ermöglichen, der die zentralen Aufgaben hat, nämlich Neuwahlen und einen ungeschminkten Kassensturz vorzubereiten und Vorschläge vorzulegen, wie die Finanzkrise im Land Berlin bewältigt werden soll. Er hat auch die Aufgabe, sich der Sanierung der Bankgesellschaft anzunehmen, auch im Interesse der 16 000 Beschäftigten der Bankgesellschaft.
Und Herr Diepgen, was Sie gestern über die Sitzung des Hauptausschusses berichtet haben, entspricht nicht der Wahrheit. [Dietmann (CDU): Das ist die Wahrheit!]
Es war meine Person, die dieses Thema im Hauptausschuss angesprochen und dafür geworben hat, dass es eine Erklärung aller Fraktionen dieses Hauses gibt – das ist dann auch erfolgt –, dass sie bereit sind, die notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung und zur zukünftigen Geschäftstätigkeit der Berliner Bankgesellschaft gewährleisten und in diesem Sinn die Patronatserklärung des Senats von Berlin unterstützt haben. Das ist die Wahrheit. Deshalb machen Sie keine Angstkampagne, die Bankgesellschaft wird nicht hängengelassen,
und vor allen Dingen die Beschäftigten werden nicht hängen gelassen, sondern hier wird an der Stabilisierung der Bankgesellschaft gearbeitet werden. Darauf werden wir auch drängen.
Aber zum Thema der Bankgesellschaft gehört auch, dass endlich der Regress angegangen wird. Ich begrüße es, dass das Parlament in Form der Ausschüsse unseren entsprechenden Antrag mittragen hat, dass es keine Entlastung der Vorstandsmitglieder gibt, gegen die Vorwürfe existieren, bevor nicht alles geklärt ist, dass der Regress angegangen wird, dass die neu gebildete Koalition sich in ihrer Vereinbarung dazu klar erklärt. Herr Wieland hat noch einmal die Einrichtung einer Sonderkommission angekündigt. Das können wir nur begrüßen, weil die Menschen in dieser Stadt es nicht mehr ertragen, dass diejenigen, die das Desaster angerichtet haben, ungestraft und ohne dass ihnen irgendwelche Konsequenzen drohen, davonkommen.
Ich sage aber auch gleichzeitig: Wir bilden hier keine Koalition mit SPD und Grünen. Wir ermöglichen eine Übergangsregierung, um dem Ziel von Neuwahlen näherzukommen.
Für Regierungseintritte der PDS braucht es ein Wählervotum, ohne dieses Wählervotum werden wir uns nicht auf kaltem Wege an die Regierung schleichen. Auch da brauchen Sie keine Angst zu haben. Wir ermöglichen allein das, was dringend notwendig ist, dass diese Stadt wieder einen handlungsfähigen Senat hat, der die Wahrheit sagt und nicht die Wirklichkeit verdrängt.