Protokoll der Sitzung vom 20.01.2000

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit bei der PDS]

Meine Damen und Herren, in dem vorliegenden Gleichstellungsbericht ist ein Aspekt nicht enthalten, der auch noch im nächsten, im vierten Bericht fehlen wird – eine Darstellung der Auswirkungen des Gleichstellungsgesetzes auf die private Wirtschaft. Hier haben wir erst am Ende der vergangenen Legis

laturperiode die Verknüpfung von Frauenförderung und Auftragsvergabe durchsetzen können. Jetzt geht es darum, die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben Praxis werden zu lassen, damit später über Erfolge berichtet werden kann. Das sehe ich etwas anders als meine Kollegin aus der CDU-Fraktion. Noch stehen wir als Land Berlin mit dieser Stoßrichtung von Gleichstellungspolitik ziemlich allein da. Ich denke aber, dass die Bundesebene mit Christine Bergmann nachziehen wird. Andere werden folgen. Das wird sicherlich nicht einfach durchzusetzen sein. Widerstand formiert sich und muss überwunden werden.

Mit welchem Widerstand Frauenförderung und Gleichstellungspolitik wir auch bei uns rechnen müssen, zeigt die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Berliner Vergabegesetz und zur Durchsetzung von Tariftreue in der Bauwirtschaft. Diese Entscheidung des BGH wird keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Frauenförderung haben. Wir müssen aber skeptisch bleiben gegenüber denen, die Sozialstaat hin, Sozialstaat her, soziale Fragen für vergabefeindlich, vergabefremd und für unzulässig erklären. Wir müssen skeptisch sein gegenüber Richtern, die sich nicht nur über das Berliner Gesetz, sondern im Ergebnis auch über das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Vergaberecht stellen. Hier ist Nachhilfe nötig, Nachhilfe in Respekt gegenüber den parlamentarischen Gesetzgebern, die ihre Legitimation durch Wahlen vom Volk herleiten, dem Volk, in dessen Namen auch der Bundesgerichtshof seine Urteile spricht. Ich denke, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs und andere Entscheidungen der verschiedenen Gerichte gegen die aktive Förderung von Gleichstellung werden keinen Bestand haben – das aber nur, wenn Frauenförderung und Gleichstellungspolitik weiterhin aktiv, beharrlich betrieben werden.

Die positiven Auswirkungen des Berliner Gleichstellungsgesetzes in der privaten Wirtschaft werden sich erstmals in dem Bericht für den Zeitraum von 2000 bis 2002 niederschlagen. Wir brauchen einen langen Atem. – Ich danke!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Neumann, für Ihren Beitrag! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Besprechung ist damit erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 31, Drucksache 14/109:

Antrag der Fraktion der PDS über keine Landesmittel für den Transrapid Berlin-Hamburg

Die Fraktion der PDS hatte einen Beratungsvorbehalt. Der wird, wie ich sehe, aufrechterhalten. – Frau Matuschek, Sie haben das Wort! – Die Redezeit ist auf fünf Minuten begrenzt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Bürgschaften, die ein überschaubares Risiko minimieren, und es gibt Bürgschaften, die ein unkalkulierbares Risiko verschärfen. Landesbürgschaften für den Transrapid sind zweifellos Letzteres. Sie wären mit Sicherheit ein Griff in die Taschen der Steuerzahler für pure Hochstapelei. Der Transrapid ist am Ende, am Ende einer langen und sehr fruchtlosen Entwicklung. Möge die wirtschaftliche Vernunft des neuen Bahnchefs Mehdorn auch in die Köpfe der Bundesregierung und der Landesregierungen, die diese Totgeburt auf Landesbürgschaften aufbahren wollen, Einzug halten.

Dafür heute meinerseits einige Denkanstöße, auch um mögliche weitere Begehrlichkeiten von vornherein auszuschließen: Die Strecke Berlin–Hamburg ist jenseits jeder verkehrspolitischen Vernunft und finanzieller Machbarkeit. Der Transrapid ist ungeeignet, auch einen selbsttragenden Wirtschaftsaufschwung Berlins zu initiieren. Als Rettungsanker und Alternativvorschlag fungiert – in der Presse häufiger zitiert – gerne die Strecke Lehrter Bahnhof–Schönefeld, und dazu einige Bemerkungen meinerseits.

Erstens: Diese Strecke wäre nur als ein weiterer Tunnel unter dem Berliner Stadtzentrum möglich, also als weitere Untertunnelung unter der S-Bahntrasse, unter der U-Bahntrasse, unter der Spree und übrigens auch unter dem Potsdamer Platz. Die Tunnellänge, die dafür notwendig wäre, wäre mindestens drei Kilometer, mit den bekannten Schwierigkeiten im Berliner Baugrund. Die optimistischen Kostenschätzungen, die für diese Strecke 1996 einmal angestellt wurden, betrugen 500 Millionen DM allein für den Abschnitt Lehrter Bahnhof bis nördliches Widerlager in der Yorckstraße.

Zweitens: Ab Yorckstraße wäre eine oberirdische Streckenführung durch das Berliner Stadtgebiet bis zum Bahnhof Papestraße geplant. Dieser Bahnhof, zweifellos ein wichtiger Punkt des sogenannten Pilzkonzepts der Bahn, befindet sich aber gerade in der Abspeckvariante, weil alle Kosten und sonstigen Planungen der Verkehrsanlagen im zentralen Bereich inzwischen von der Realität eingeholt wurden und einer dringenden Neubewertung bedürfen. Der Transrapid allerdings müsste dann vom Bahnhof Papestraße auch noch irgendwie nach Schönefeld gelangen. Dafür gibt es drei Möglichkeiten innerhalb des Berliner Stadtgebiets, einmal entlang der Anhalter Bahn, der Dresdner Bahn oder entlang der Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn. Jede Streckenvariante wäre etwa neun bis zehn Kilometer lang. Dann ist man aber erst an der Stadtgrenze. Direkte Vorplanungen auf brandenburgischem Landesgebiet zur Verlängerung bis zum geplanten Großflughafen gibt es nicht, es sind keine bekannt, übrigens auch nicht über die Einordnung des Magnetsystems Transrapid mit den Magnetströmen in die hochsensiblen Flugsicherungssysteme im großen, neuen Flughafen.

Drittens bleibt zu vermerken, auf Berliner Stadtgebiet bietet diese Trasse bei zwölf Kilometer Länge gegenüber dem Flughafenshuttle der Eisenbahn einen Zeitvorteil von knapp zwei Minuten oder 110 Sekunden. Jetzt versetze ich mich einmal in eine Situation: Alles ist wunderschön, das Geld fließt, der Transrapid ist gebaut. Und dann stellen Sie sich einmal vor, Sie stehen, nachdem Sie den Transrapid benutzt haben, in Schönefeld am Check-in, und dann passiert genau das Unvorhersehbare, Sie müssen sich schnäuzen oder die Schuhe zubinden oder das vibrierende Handy aus der Hosentasche fingern. Das ist genau der Zeitpunkt, an dem die Passagiere des Eisenbahnflughafenshuttles an Ihnen vorbeischlendern werden. – So eine teure Magnetbahn für so eine Peinlichkeit, das kann doch wohl nicht wahr sein.

Der Transrapid ist tot, nicht aber das technologische Prinzip Magnetschwebetechnik. Im Gegenteil, ich behaupte, dieses Prinzip hat seine technologischen Möglichkeiten noch gar nicht entwickeln können, weil es in das Korsett der Hochgeschwindigkeitstechnik gepresst wurde. Würde man die technologische Weiterentwicklung dieses Prinzips hin zu einem reibungslosen – im doppelten Wortsinn –, schwebenden Nahverkehrssystem weiterentwickeln, wie es übrigens Anfang der siebziger Jahre geplant war, man käme möglicherweise auf unerwartet Gutes. – Deshalb Schluss mit der Debatte zum Transrapid, Schluss mit der Debatte über Landesbürgschaften, Schluss mit dem Hochgeschwindigkeitswahn und her mit Verkehrslösungen, die den Nahverkehr sichern und ausbauen, vorhandene Bahnstrecken sanieren und betreiben und den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene bringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Frau Matuschek! – Für die CDU- Fraktion spricht Herr Kaczmarek.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir auch die neue Legislaturperiode gleich wieder mit einer Serie von Transrapid-Reden beginnen können.

[Wieland (GRÜNE): Da hat etwas gefehlt!]

Ich habe jetzt leider versäumt, alle, die wir bisher dazu gehalten haben, durchzunummerieren, aber ich bin ziemlich sicher, dass wir bei einem zweistelligen Ergebnis wären.

Die Lage ist eigentlich immer noch die gleiche. Die PDS leugnet jeglichen Vorteil dieses Systems

[Frau Hinz (PDS): Er hat nicht hingehört!]

und erfreut sich an jeder Nachricht, die von der Bundesregierung oder der Deutschen Bahn kommt, die da sagt: Der Transrapid wird nicht gebaut. – Die Freude gönnen wir Ihnen, wenn Sie sich daran erbauen wollen, aber vielleicht geht es ein bisschen mehr um die Interessen der Menschen hier in Deutschland und auch um den Wirtschaftsstandort Deutschland als um Ihre klammheimliche oder offene Freude.

Wir stehen doch vor einer Entscheidung, die in erster Linie keine verkehrspolitische Entscheidung ist.

Wenn Herr Mehdorn von der Deutschen Bahn sagt, es wolle ihm nicht in den Kopf, dass man für 20 Minuten Fahrzeitgewinn so viel Geld ausgeben muss, kann man nur sagen, dass er dabei offensichtlich nicht richtig nachgedacht hat, denn das war nie der zentrale Punkt der Transrapid-Planung.

[Gaebler (SPD): Ach was!]

Ja, Herr Gaebler, das wissen Sie auch! – Es war vielmehr immer in erster Linie ein industrie- und standortpolitisches Thema. [Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Es ging um die Frage, ob man Innovationen jetzt selber entwickeln, vermarkten und verkaufen will, um damit Geld zu verdienen, oder ob man sie anderen überlassen und dann später teuer einkaufen will. Vor dieser Wahl stehen wir. Die Bundesregierung hat sich offensichtlich dazu entschieden, Innovationen nicht zu machen, sondern sie später teuer in Japan oder woanders einzukaufen. Das ist aber nicht der Weg, den die CDU vertritt.

Die Kosten sind in der vergangenen Legislaturperiode und auch hier vielfach erörtert worden. Man kann dem kaum noch Neues hinzufügen. Alle Berechnungen, die angestellt wurden, haben eindeutig ergeben, dass eine Transrapid-Strecke letztendlich – im Kilometerpreis – auch nicht teurer wird als eine leistungsfähige ICE-Strecke. Wenn Sie den Güterverkehr vom schnellen Personenverkehr trennen wollen, wie es überall Standard ist, sei es in Frankreich oder in anderen Ländern mit Hochgeschwindigkeitssystemen, kommen Sie auf Kostenstrukturen, die eben nicht denen entsprechen, die heute in der Öffentlichkeit kursieren. Das ist einfach kein realistischer Vergleich.

Ich will mich auch gar nicht mit der Deutschen Bahn und Herrn Mehdorn in erster Linie befassen. Die Deutsche Bahn ist hierbei letztlich nur in zweiter Reihe interessant. Wichtig ist vielmehr, dass die Bundesregierung mittlerweile über Monate hin einen Schleuder- und Schlingerkurs in dieser Frage gefahren hat. Sie war immer mit Lippenbekenntnissen dabei – für den Transrapid, die Innovationen und die Vorteile dieses Systems, nämlich das berührungsfreie Schweben. Sie hat das Energiegünstige und Umweltfreundliche dieses Systems zwar ständig im Mund geführt, sich aber in den realen Entscheidungen dann jeweils so verhalten, dass der Transrapid keine Chance hatte.

[Zuruf der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

Die Bahn, Frau Matuschek, war jetzt in der Situation, aus diesem Schlingerkurs die Konsequenzen zu ziehen, und hat nunmehr wirtschaftlich das Handtuch geworfen. Das kann man bei der Vorgeschichte sicherlich verstehen und nachvollziehen, vernünftig für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es jedenfalls nicht.

Noch einmal zu der Frage, welche Alternativstrecken es gibt, denn das scheint ja auch bei der Bundesregierung der ganz große Knüller zu sein: Lasst uns doch die gesamte Planung, die wir gemacht haben, die vielen Millionen DM, die wir ausgegeben haben, einfach wegwerfen und noch einmal von vorne anfangen! – Das ist eine wunderbare Idee. Sie führt dazu, dass man wieder einen Vorlauf von mehreren Jahren hat, und das gibt den Japa

nern nun wirklich die Chance, eher auf dem Markt zu sein als wir. Dann können wir uns in der Tat die ganze Mühe auch sparen und später das System in Japan kaufen.

Alle diese Strecken, die jetzt in der Öffentlichkeit genannt wurden – sei es Schönefeld, die Verbindung zum Münchner Flughafen oder die Uraltverbindung im Ruhrgebiet, die wir auch schon seit 10 bis 20 Jahren kennen –, haben das zentrale Problem, dass die Vorteile des Fernverkehrsmittels Transrapid – der Transrapid ist kein Straßenbahn- oder U-Bahnersatz, sondern ein Fernverkehrsmittel – auf diesen Strecken in keiner Weise vernünftig genutzt werden können. Weder die Geschwindigkeit noch die energiegünstige Fortbewegung oder all die anderen Vorteile kann man an dieser Stelle nutzen, und deswegen sind diese Vorschläge aus meiner Sicht nur Scheinalternativen, die bemänteln sollen, dass die Bundesregierung sich von diesem Projekt letztendlich verabschiedet hat.

Ich bin der Meinung, dass man dann, wenn man diese Innovation in Deutschland wirklich will und diese Chance, die dieses System für den Wirtschaftsstandort Deutschland bietet – diese Chance ist da, und sie ist groß –, nutzen will, auch einen Weg der Finanzierung findet, und zwar einen Weg, der nicht über Steuergelder geht. Es sind andere Projekte mit viel größeren Risiken, [Cramer (GRÜNE): Kalkar!]

viel größere Verkehrsprojekte – sei es der Kanaltunnel oder große Brückenüberquerungen – mit privatem Kapital über den Aktienmarkt finanziert worden. Warum wird nicht auch an dieser Stelle ein solcher Weg von der Bundesregierung eingeschlagen? [Gaebler (SPD): Von der Industrie müsste dieser Weg gegangen werden!]

Das ist nicht eine Frage der Industrieunternehmen, sondern eine Frage der Bundesregierung. Hier stecken Steuergelder in enormer Höhe drin, die wir nicht einfach abschreiben können. Wir können doch nicht sagen: „Das war nun alles für die Katz! Sehen wir einmal, was wir an der Bahnstrecke ausbauen!“ – Das ist nicht die richtige Alternative. Wir müssen – und das ist meine feste Überzeugung – als Wirtschaftsstandort Deutschland mit hohen Löhnen, aber auch gut ausgebildeten Arbeitnehmern Hochtechnologieprodukte entwickeln.

Denken Sie bitte an die Redezeit, Herr Kaczmarek!

Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident! – Wir müssen diese Hochtechnologieprodukte auch in der Welt vermarkten, und zwar selber vermarkten und das nicht anderen überlassen. Wer etwas anderes tut und dieses Projekt jetzt beerdigt, der versündigt sich meiner Meinung nach an den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Deutschland und am Wirtschaftsstandort Deutschland. Das wollen wir jedenfalls nicht mitmachen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort hat nun Herr Cramer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kaczmarek! Selbst wenn die CDU ihre Schwarzkonten öffnen und alle zur Transrapid-Finanzierung zur Verfügung stellen würde, könnte er nicht gebaut werden, weil das notwendige Finanzkapital selbst diese Dimensionen sprengt, die hier immerhin nicht gering sind.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das ist ja ein ganz Schlauer!]

Wir haben in letzter Zeit aber auch wiederholt dieselbe Rede gehört. Es war Weihnachten, und die Kinder wünschen sich alles Mögliche – auch die CDU, die Länder und Herr Diepgen auch: Alle wollen den Transrapid. – Aber wenn es darum geht, wer ihn bezahlen soll, ist Schweigen im Walde. Auch Herr Diepgen hat